VwGH vom 18.10.2005, 2004/16/0134

VwGH vom 18.10.2005, 2004/16/0134

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der G Gesellschaft m. b.H. in S, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 39, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Zoll-Senat 1 (W), vom , Zl. ZRV/0013-Z1W/02, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1,171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Niederschrift über die im Betrieb der Beschwerdeführerin durchgeführte Prüfung durch das Hauptzollamt Graz vom wurde festgestellt:

"1.1. Bewilligte Zollverfahren

Das geprüfte Unternehmen führt folgende Zollverfahren durch Anschreibeverfahren in der Einfuhr mittels Sammelanmeldung,

Gestellungsbefreiung

Anschreibeverfahren in der Ausfuhr mittels Sammelanmeldung,

Gestellungsbefreiung

Aktive Veredelung

Zolllager Typ D

zugelassener Versender

zugelassener Empfänger

Ab wird das Zollverfahren über das EDV-Programm der Fa. ... abgewickelt (einschl. Zolllager und Aktive Veredelung). Zuvor wurden die Aufzeichnungen ebenfalls EDV unterstützt mittels des Programmes ... geführt.

1.2. Geschäftsabwicklung:

Die Geschäftstätigkeit der (Beschwerdeführerin) lässt sich in zwei Hauptteilbereiche gliedern:


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-
Konzentratbereich und Fruchtsaftbereich
-
Bereich der Fruchtzubereitungen, Fruchtmark, etc.

- Konzentratbereich

- In diesem Bereich werden einerseits im betriebseigenen Werk

Konzentrate aus frischen bzw. Tiefkühlfrüchten hergestellt

(Apfelsaftkonzentrat, Beerenkonzentrat, Kirschenkonzentrat, etc.)

und andererseits werden Rohkonzentrate zugekauft. Diese werden

entweder noch einer weiteren Behandlung unterzogen (Klären,

Filtrieren, Mischen etc.) oder werden direkt weiterverkauft ... In

diesen Bereich gehört auch die Fruchtsaftherstellung ... aus

Konzentraten

- Fruchtsaftzubereitung:


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-
Es werden meist auftragsbezogen verschiedenste Fruchtzubereitungen aus frischen bzw. tiefgekühlten Früchten für die Milch- bzw. Eisindustrie nach Standardrezepturen hergestellt. ...
...

1.4. Aufbereitung EDV:

Im Zeitraum 1.1.- wurden sämtliche Zollverfahren mittels des EDV-Programms ... durchgeführt. Die Werte der in das Zollverfahren bzw. Verfahren der aktiven Veredelung übernommenen Ware sind teilweise nicht richtig errechnet worden, diese sind der Anlage 2 zu entnehmen.

Per wurden sämtliche Zollverfahren über das EDV-Programm der Fa. ... abgewickelt. Jedoch wurden im Bereich des Zolllagerverfahrens und der aktiven Veredelung bzw. bei Wiederausfuhren aus diesen beiden Zollverfahren alle Daten auch händisch erfasst (mittels Karteikarten) und jeweils mit eigenen Nummernkreisen belegt, sodass jene Daten des EDV-Systems (laufende Nummernvergabe im Zolllager-Veredelungsverfahren) nicht mit den firmeninternen Aufzeichnungen, bzw. den Wiederausfuhren übereinstimmen. Eine Nachvollziehung dieses Zeitraumes war nur aufgrund der händisch geführten Aufzeichnungen möglich.

...

Veredelungen im Zolllager

Weiters wurde festgestellt, dass Waren, die zum Zolllagerverfahren angemeldet wurden, sich noch im Zolllagerverfahren befindlich, einer Veredelung unterzogen wurden und erst im Zeitpunkt der Wiederausfuhr Zug um Zug in die aktive Veredelung überführt wurden und eine Wiederausfuhr aus der aktiven Veredelung durchgeführt wurde. Vom Zeitpunkt der Verarbeitung bis zur Wiederausfuhr blieben die veredelten Waren im Zolllagerverfahren. Erfolgte keine Wiederausfuhr, sondern waren die veredelten Waren für den Inlandsabsatz bestimmt, wurden die betreffenden Waren, welche bereits veredelt waren nicht in die aktive Veredelung überführt, sondern es folgte eine Inlandsabmeldung aus dem Zolllagerverfahren (die Berechnung von Ausgleichszinsen im Sinne des Art. 589 Abs. 1 ZK-DVO unterblieb somit). Weiters wurde durch die Umbuchung in die aktive Veredelung erst im Zeitpunkt der Wiederausfuhr die Wiederausfuhrfristen gemäß Art. 560 ZK-DVO i.V.m. Art. 1 VO 565/80 von maximal 6 Monaten nicht beachtet.

...

3. Feststellungen in Vormerkangelegenheiten

3.1. Allgemeines:

Mit Bescheid vom ... wurde vom HZA Graz eine Bewilligung aktive Veredelung gemäß Art. 114 ZK i.V.m. Art. 76 ZK und Art. 549 ff ZK-DVO ausgestellt. Wie bereits unter Punkt 2 angeführt, wurden die meisten Veredelungs- bzw. Verarbeitungsvorgänge nicht im Verfahren der aktiven Veredelung sondern im Zolllagerverfahren durchgeführt."

Mit Bescheid vom schrieb das HZA Graz der Beschwerdeführerin die Eingangsabgabenschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK in der Höhe von S 3,514.327,-- vor. Diesem Bescheid sind 7 Anlagen angeschlossen. In den Anlagen 1 und 3 sind die maßgebenden Daten betreffend Mostäpfel bzw. andere Waren als Mostäpfel angeführt, für die die Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 lit. a ZK entstanden ist. In den Anlagen 2 und 4 befinden sich die jeweiligen Abgabenberechnungen für die in den Anlagen 1 und 3 angeführten Waren . In der Anlage 5 sind die maßgebenden Daten betreffend die Abgabenberechnung für Sauerkirschen tiefgekühlt und in Anlage 6 die Nachberechnung der Ausgleichszinsen für in den freien Verkehr überführten frischen Erdbeeren. In der Anlage 7 sind die Waren angeführt, für die eine Zollschuld nicht entstanden ist. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Waren, die in das Zolllager überführt worden seien, seien noch im Zolllagerverfahren befindlich einer über die übliche Lagerbehandlung hinausgehenden Veredelung unterzogen worden. Erst im Zeitpunkt der Wiederausfuhr seien diese zunächst in das Verfahren der aktiven Veredelung überführt und von dort ausgeführt worden. Vom Zeitpunkt der Verarbeitung bis zur Wiederausfuhr seien die veredelten Waren im Zolllagerverfahren verblieben. Zum Teil sei auch keine "Zug um Zug" Abfertigung erfolgt. Eine über die zulässige Behandlung hinausgehende Behandlung an im Zolllagerverfahren befindlichen Waren stelle eine Pflichtverletzung im Sinne des Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK dar. Die Vorgangsweise, die Anschreibung (Umbuchung) der zuvor bereits behandelten Erzeugnisse vom Zolllagerverfahren in die aktive Veredelung im Sinne des Art. 543 ZK-DVO erst unmittelbar vor der Wiederausfuhr vorzunehmen, widerspreche den sich aus dem Zolllagerverfahren ergebenden Pflichten, sie sei aber dann nicht zollschuldauslösend, wenn sich diese Verfehlung nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt habe (Art. 204 Abs. 1 letzter Halbsatz ZK).

Unter Berücksichtigung der vereinfachten Verfahrensbestimmungen des Art. 266 Abs. 3 und Art. 538 - 547 ZK-DVO lägen negative Auswirkungen in einer zeitverschobenen Anschreibung nicht vor, wenn durch diese Vorgangsweise keine sonstigen Verpflichtungen aus der Inanspruchnahme der bewilligten Verfahren unterlaufen würden, die Anschreibung ("zeit- u. mengengleiche Buchung") spätestens vor Beendigung des jeweiligen Verfahrens durch eine andere zollrechtliche Bestimmung als das Zolllagerverfahren oder die aktive Veredelung erfolge und die Aufzeichnungen eine lückenlose Überwachung aller Verfahrensschritte gewährleisteten.

Demzufolge seien ab dem Zeitpunkt des ersten "echten" Veredelungsvorganges alle für das Verfahren der aktiven Veredelung vorgesehenen und bewilligten Anordnungen zu berücksichtigen und es sei dieser Zeitpunkt auch maßgebend für die Beurteilung der zollschuldrechtlich relevanten Bemessungsgrundlagen. Eine Zollschuld auf Grund einer unzulässigen Lagerbehandlung entstehe bei Einhaltung dieser Voraussetzungen nicht.

Diese Vorgangsweise dürfe aber nicht dazu führen, dass die in Art. 560 ZK-DVO normierten besonderen, nicht verlängerbaren Wiederausfuhrfristen für bestimmte Agrarwaren (sechs Monate) überschritten würden. Im Falle der maximalen Wiederausfuhrfristen wäre die Beendigung im Rahmen der "Zug um Zug Abfertigung" daher spätestens unmittelbar vor deren Ablauf vorzunehmen, da die Zollschuld ansonsten mit Ablauf der jeweiligen Frist wegen Pflichtverletzung entstehe.

Für die in der Anlage 7 angeführten Waren seien diese Kriterien erfüllt. Eine Zollschuld sei daher nicht entstanden. Hinsichtlich der in den Anlagen 1 und 3 angeführten Waren sei die gesetzlich normierte Wiederausfuhrfrist überschritten bzw. sei keine Überführung in die aktive Veredelung vorgenommen worden und die Wiederausfuhr des Veredelungserzeugnisses sei direkt aus dem Zolllagerverfahren erfolgt. Demzufolge sei für diese Waren die Zollschuld entstanden.

Eine Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ohne vorherige Anschreibung in der aktiven Veredelung habe ebenfalls die Entstehung der nicht sanierbaren Zollschuld nach Art. 204 ZK zur Folge, da der erforderliche Bezug zur durchgeführten aktiven Veredelung nicht hergestellt und die Entrichtung der Ausgleichszinsen dadurch umgangen werde. Demzufolge seien für die in der Anlage 6 angeführten frischen Erdbeeren die Ausgleichszinsen nachzuberechnen gewesen.

Grundlage für die Abgabenberechnung bilde die Anlage 1 zu der angeführten Niederschrift der Außen- und Betriebsprüfung-Zoll vom . Der Zeitpunkt der Bearbeitung der Waren im Zolllager sei ebenfalls aus dieser Anlage hervorgegangen. Sämtliche andere relevanten Daten, die für die Erstellung der Anlagen 1 bis 7 und für die Abgabenberechnung erforderlich gewesen seien, ergäben sich aus den Sammelanmeldungen Einfuhr für die Monate Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 1996 sowie aus der Buchführung aktive Veredelung und den Bestandsaufzeichnungen zum Zolllager für den gegenständlichen Zeitraum. In der Warenanmeldungsliste Einfuhr für den Monat August 1996 sei eine falsche Warennummer für frische Aprikosen angegeben worden. Die Abgabenberechnung sei unter Anwendung der richtigen Warennummer durchgeführt worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Von der Berufung war die Vorschreibung der in der Anlage 6 des Bescheides enthaltenen Ausgleichszinsen für Erdbeeren ausdrücklich ausgenommen. In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die Wiederausfuhrfristen seien vom Zollamt unrichtig berechnet worden und die sechs Monate Fristen seien noch nicht abgelaufen gewesen. Durch die Umstellung des Zollrechtes auf das Gemeinschaftsrecht sei es zu Schwierigkeiten gekommen, weil die Abwicklung der aktiven Veredelung und des Zolllagers Typ D nur durch EDV-Programme habe vorgenommen werden können, die durch die Finanzbehörde zu genehmigen gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe sich rechtzeitig ein Programm für die Abwicklung des aktiven Veredelungsverkehrs und des Zolllagerverfahrens beschafft. Dieses Programm sei, wie sich herausgestellt habe, nicht in der Lage gewesen, die richtigen Buchungen vorzunehmen. Die Beschwerdeführerin habe sich daraufhin an die Behörde erster Instanz um Auskunft gewandt. Ihr sei mitgeteilt worden. dass die Ware ohne weiteres im Zolllager liegen bleiben könne. Dies offenbar unter Hinweis darauf, dass Eingangsabgaben gemäß Art. 204 Abs. 1 ZK ohnehin nicht zur Vorschreibung gelangen und sich diese Übergangsschwierigkeiten im Laufe des Jahres geben würden. Tatsächlich seien die EDV-Programme so verbessert worden, dass eine ordnungsgemäße Verbuchung dann möglich gewesen sei. Hätte die Behörde die von der Beschwerdeführerin angebotenen Beweise aufgenommen, nämlich die Einvernahme der von ihr befragten Beamten der Behörde erster Instanz, dann hätte festgestellt werden können, dass es sich um Umstellungsschwierigkeiten gehandelt habe, von welchen die Zollbehörde Kenntnis gehabt habe und die keinesfalls zu einer Erhebung von Abgaben führen könnten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Hauptzollamt Graz die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, die nicht übliche Behandlung von in das Zolllagerverfahren überführten Waren habe als Pflichtverletzung das Entstehen der Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK zur Folge. Hätten sich die Waren im Zeitpunkt der Bearbeitung bereits im Verfahren der aktiven Veredelung befunden, so wäre die Zollschuld allenfalls durch Fristablauf entstanden. Weiters scheine

"zumindest grobe Fahrlässigkeit (kein Gutglaubenschutz - Irreführung der Behörden durch Herstellen vollendeter Tatsachen, obwohl auf Grund der händischen Aufzeichnung auch eine gesetzeskonforme Abwicklung möglich gewesen zu sein scheint) wenn nicht gar nach dem Gesamtbilde Absicht"

erwiesen zu sein.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den unabhängigen Finanzsenat, in der im Wesentlichen das Berufungsvorbringen wiederholt wurde.

Die Beschwerdeführerin erhob Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise Folge und setzte die Eingangsabgaben mit EUR 107.991,17 fest. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Rechtsgrundlagen aus, bei Berücksichtigung der dreijährigen Festsetzungsverjährungsfrist seien alle aus den zugeordneten Pflichtverletzungen allfällig entstandenen Zollschuldigkeiten vor dem als verjährt anzusehen.

Die belangte Behörde halte zunächst fest, dass die eingangsabgabepflichtigen Nichtgemeinschaftswaren sich während des Zeitraumes von der Einbringung in das Zollgebiet bis zur Wiederausfuhr in einem Zollverfahren befunden hätten, die zollamtliche Überwachung im Sinne des Art. 4 Z 13 ZK dadurch grundsätzlich gewährleistet gewesen sei und damit kein Entziehen der Waren aus der zollamtlichen Überwachung vorliege. Die Beschwerdeführerin habe die Waren - Äpfel und Sauerkirschen - zuerst in das Zolllagerverfahren überführt und in ihrem Zolllager der Type D eingelagert. Nichtgemeinschaftswaren könnten im Zolllager den üblichen Behandlungen unterzogen werden. In Abgrenzung zur aktiven Veredelung sei für diese üblichen Behandlungen ausschlaggebend, dass dadurch nicht eine neue Ware hergestellt werde. Die üblichen Behandlungen dienten der Erhaltung der Waren, der Verbesserung ihrer Aufmachung und Handelsgüte oder der Vorbereitung des Vertriebes oder des Weiterverkaufes und müssten von der Überwachungszollstelle vorher schriftlich bewilligt werden. In der Zolllagerbewilligung vom seien die üblichen Behandlungen Umpacken, Sortieren, Vermischen und Tiefkühlen bewilligt worden und es finde sich weiters ein besonders hervorgehobener Hinweis darauf, dass Veredelungen nur im Rahmen einer eigenen Veredelungsbewilligung erlaubt gewesen seien. Die Herstellung von Apfelsaftkonzentrat aus Äpfeln sei keine übliche Lagerbehandlung. Sie führe zu einer neuen Identität der Ware, gehe über die übliche Lagerbehandlung hinaus und sei daher jedenfalls als Pflichtverletzung im Lagerverfahren zu bewerten.

Die Klärung der im Artikel 204 Abs. 1 letzter Satz ZK aufgeworfenen Frage, ob sich diese Verfehlung auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Zolllagerverfahrens ausgewirkt bzw. nicht ausgewirkt habe, richte sich ausschließlich nach der Bestimmung des Art. 859 ZK-DVO. Diese Gesetzesstelle enthalte eine taxative Aufzählung von Verfehlungen, die sich nicht wirklich auf das jeweilige Verfahren ausgewirkt hätten und die in Verbindung mit der Erfüllung drei weiterer Tatbestandsmerkmale nicht zum Entstehen einer Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 ZK führten. Die Pflichtverletzungen der Beschwerdeführerin bestünden darin, dass die Veredelungsbehandlungen von Äpfeln und Sauerkirschen im Zolllagerverfahren und nicht im aktiven Veredelungsverfahren erfolgt seien. Diese seien nicht als Verfehlungen zu bewerten, die sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Zolllagerverfahrens nicht wirklich ausgewirkt hätten, sie hätten sich ausgewirkt. Für die Beschwerdeführerin sei als Verfahrensinhaberin vom mit der Veredelung der Waren im Zolllagerverfahren wegen Nichterfüllung der Pflichten des Lagerverfahrens jeweils die Zollschuld entstanden. Dass die rechtzeitige Übernahme der Waren durch die Beschwerdeführerin in die Buchhaltung der aktiven Veredelung und damit in das Verfahren der aktiven Veredelung auf Grund von auch dem Hauptzollamt Graz bekannten EDV-Problemen nicht möglich gewesen sei, sei dabei in diesem Verfahren der Abgabenfestsetzung ohne Auswirkung. Von Bedeutung sei hier nur, dass die rechtzeitige Überführung in das Verfahren der aktiven Veredelung nicht erfolgt sei. Dass dem Hauptzollamt Graz die Mängel des EDV-Programms schon länger bekannt gewesen seien, könne nicht dazu führen, die Regeln des Zollkodex über die Entstehung der Zollschuld außer Kraft zu setzen.

Art. 560 ZK-DVO und damit die sechsmonatige Wiederausfuhrfrist sei im Beschwerdeverfahren nicht anzuwenden und die Wiederausfuhrfrist nie abgelaufen gewesen. Die Ansicht des Zollamtes, unter Berücksichtigung der vereinfachten Verfahrensbestimmungen des Art. 266 Abs. 3 ZK-DVO und der Art. 538 bis 547 ZK-DVO sei eine Überführung in das Verfahren der aktiven Veredelung ab dem Zeitpunkt des ersten Veredelungsvorganges anzunehmen gewesen und daher habe die Wiederausfuhrfrist von diesem Zeitpunkt an zu laufen begonnen, werde von der belangten Behörde nicht geteilt.

In der Bewilligung der aktiven Veredelung vom sei festgelegt worden, die Anmeldung zur Überführung in das Verfahren der aktiven Veredelung müsse bestimmte - im Bescheid näher ausgeführte - Angaben enthalten. Die belangte Behörde könne nicht feststellen, dass das Zollamt die Anschreibungen im Verfahren der aktiven Veredelung durch eine andere Förmlichkeit als die im Bescheid genannten bewilligt habe. Hilfsaufzeichnungen, die offensichtlich geführt worden seien, weil sonst die Zeitpunkte der Durchführung der Veredelungsbehandlungen nicht hätten festgestellt werden können, könnten nicht die "Qualität" der durch die Bewilligungen der aktiven Veredelung und des vereinfachten Verfahrens geforderten Anschreibungen und damit auch nicht die Rechtswirkungen dieser Anschreibungen als Überführungen der Waren in das Verfahren der aktiven Veredelung gehabt haben. Die Rechtsansicht des Zollamtes, dass negative Auswirkungen einer zeitverschobenen Anschreibung in den gegenständlichen Fällen dann nicht vorlägen, wenn es zu keiner Fristüberschreitung gekommen sei, würde eine willkürliche und beliebige Festlegung des Beginns des Verfahrens der aktiven Veredelung zulassen und es könnte dadurch jede Pflichtverletzung im vorgelagerten Zollverfahren der Beurteilung im Sinn des Art. 204 Abs. 1 ZK in Verbindung mit Art. 859 ZK-DVO entzogen werden.

Der Bescheid begründet weiter die Vorschreibung der Ausgleichszinsen, die Nichtvorschreibung einer Abgabenerhöhung und die Berechnung der Eingangsabgaben.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte auf Grund des Ergehens dieses Bescheides das Beschwerdeverfahren betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht mit Beschluss vom , Zl. 2004/16/0040-5, ein.

Gegen den Bescheid vom richtet sich die nunmehr erhobene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf, dass sich die allenfalls unrichtige Verbuchung auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt habe, in ihrem Recht auf Parteiengehör, insbesondere betreffend zum Vorwurf der als relevant angesehenen Pflichtverletzungen, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte ihre Vorschreibung der Eingangsabgaben und der Ausgleichszinsen im Wesentlichen auf die Begründung, die Waren hätten sich im Zeitpunkt ihrer Verarbeitung noch im Zolllagerverfahren befunden, diese Verarbeitung sei durch die Lagerbewilligung nicht gedeckt gewesen und daher liege eine Nichterfüllung der Pflichten des Zolllagerverfahrens nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK vor.

Gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Art. 203 genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

Die Beschwerdeführerin hatte von den Zollbehörden erteilte Bewilligungen zum Anschreibeverfahren in der Ein- und Ausfuhr, zur Führung eines Zolllagers des Typs D und die Bewilligung zur aktiven Veredelung.

Gemäß Art. 76 Abs. 1 Buchstabe c ZK in der im Beschwerdefall im Hinblick auf die angenommenen Zeitpunkte der entstandenen Eingangsabgabenschuldigkeiten anzuwendenden Fassung lassen, um die Förmlichkeiten und Verfahren möglichst weitgehend zu vereinfachen, ohne dass die Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge dadurch beeinträchtigt wird, die Zollbehörden unter den nach dem Ausschussverfahren festgelegten Voraussetzungen zu, dass die Anmeldung der Waren zu den betreffenden Zollverfahren durch Anschreibung der Waren in der Buchführung vorgenommen wird. In diesem Fall können die Zollbehörden den Anmelder von der Gestellungspflicht befreien. Die vereinfachte Anmeldung, das Handels- oder Verwaltungspapier oder die Anschreibung in der Buchführung muss mindestens die zur Erfassung der Waren erforderlichen Angaben enthalten. Bei Anschreibung in der Buchführung ist das Anschreibungsdatum anzugeben.

Gemäß Art. 276 ZK-DVO (Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung; Zollanmeldung zur aktiven Veredelung zum Umwandlungsverfahren oder zur vorübergehenden Verwendung) gelten Art. 260 bis 267 sowie Art. 270 sinngemäß für Zollanmeldungen zu einem in diesem Unterabschnitt genannten Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung.

Gemäß Art. 266 Abs. 1 Buchstabe i ZK-DVO hat, damit sich die Zollbehörden von der Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge überzeugen können, der Inhaber der in Art. 263 genannten Bewilligung in Fällen nach Art. 263 erster und dritter Teilstrich bei Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr unmittelbar nach dem Eintreffen der Waren an dem dazu bezeichneten Ort den zuständigen Zollbehörden in der Form und nach den Modalitäten, die von ihnen vorgeschrieben worden sind, das Eintreffen der Waren mitzuteilen, um deren Überlassung zu erlangen und die Waren in seiner Buchführung anzuschreiben.

Die Anschreibung in der Buchführung gemäß Abs. 1 Buchstaben a, b und c kann gemäß Art. 266 Abs. 3 ZK-DVO durch jede andere von den Zollbehörden vorgesehene Förmlichkeit ersetzt werden, die die gleiche Gewähr bietet. Sie muss das Anschreibedatum und die zur Feststellung der Warenbeschaffenheit notwendigen Angaben enthalten.

Gemäß Art. 267 erster und zweiter Teilstrich ZK-DVO regelt die Bewilligung nach Art. 263 ZK-DVO die Einzelheiten der Abwicklung des Verfahrens, insbesondere die Waren für die sie gilt und die Form der in Artikel 266 genannten Verpflichtungen sowie den Hinweis auf die vom Beteiligten zu leistende Sicherheit.

Gemäß Art. 263 ZK-DVO wird die Bewilligung für das Anschreibeverfahren unter den Voraussetzungen und den Modalitäten der Art. 264,265 und 266 allen Personen, die die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr in ihren Geschäftsräumen oder an den anderen in Art. 253 genannten Orten vornehmen lassen möchten und den Zollbehörden zu diesem Zweck einen schriftlichen Antrag vorlegen, der alle erforderlichen Angaben für die Erteilung dieser Bewilligung enthält, für folgende (in den nachstehenden 4 Teilstrichen angeführten) Waren erteilt.

Mit Bescheid vom bewilligte das Hauptzollamt Graz die Anmeldung der Waren im Anschreibeverfahren für die Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr, in die aktive Veredelung und in das Zolllagerverfahren Typ D. Mit diesem Bescheid wurden verschiedene Verpflichtungen auferlegt und u. a. auch, dass diese Anschreibungen mit einem automationsunterstützt geführten System zu erstellen seien.

Die Beschwerdeführerin konnte somit auf Grund der erteilten Bewilligungen die Zollverfahren im vereinfachten Verfahren durchführen.

Die Waren wurden zunächst zollrechtlich in das Zolllagerverfahren verbracht. Nach dem bewilligten Anschreibeverfahren bedurfte es für die Überführung der Waren in den aktiven Veredelungsverkehr nicht der neuerlichen Gestellung und jeweils gesonderten und vorherigen Anmeldung jeder einzelnen in den aktiven Veredelungsverkehr überführten Waren beim Zollamt, sondern die Waren konnten jeweils mit der Anschreibung in der Buchführung des Bewilligungsinhabers in den aktiven Veredelungsverkehr überführt werden. Allein auf Grund dieser Anschreibungen erfolgte die Überführung der Waren in ein weiteres Zollverfahren, nämlich vom Zolllagerverfahren in das Verfahren der aktiven Veredelung.

Aus den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ist abzuleiten, dass es nicht entscheidend auf die Art und Weise sowie auf besondere Förmlichkeiten der Anschreibung ankommt, sondern es muss nur gewährleistet sein, dass die für das Verfahren notwendigen Angaben beim Verfahrensinhaber erkennbar und nachvollziehbar gemacht wurden. Das Gemeinschaftsrecht und die nationalen Bestimmungen sehen nicht vor, dass die Anschreibung nur automationsunterstützt zu führen ist.

Auch die in den Bewilligungsbescheiden festgelegten Anordnungen sind einzuhalten. Sie dienen insbesondere dazu, den Zollbehörden die Kontrolle der rechtmäßigen Abwicklung der Zollverfahren zu ermöglichen.

Es muss nämlich möglich sein, das Anschreibeverfahren wirksam überwachen zu können. Die betriebliche Buchführung muss eine nachträgliche Überprüfung gestatten (vgl. Henke in Witte, Zollkodex Kommentar3, Artikel 76, Rz. 27).

Ursache für die Nichteinhaltung der in den Bewilligungsbescheiden enthaltenen Anordnung, die Anschreibung mit einem automationsunterstützten System zu führen, war das Nichtfunktionieren des "EDV-Systems" der Beschwerdeführerin. Sie hat aber auch alle Daten "händisch" mittels Karteikarten erfasst (siehe BP-Bericht vom , Punkt 1.4.), auf Grund der die Verfahren vollständig nachvollzogen wurden. Die zollrechtliche Überwachung war - wie die belangte Behörde ausdrücklich feststellte - gewährleistet.

Wird eine in einem Bewilligungsbescheid festgelegte Anordnung nicht eingehalten, dann ist zunächst zu untersuchen, um welche Anordnung es sich dabei gehandelt hat, gegen die verstoßen wurde. Die Spannweite der Verfehlungen und Pflichtverletzungen ist nämlich groß und diese Verfehlungen und Pflichtverletzungen sind in der Bedeutung und Auswirkung daher unterschiedlich (vgl. in Witte, aaO, die zu Art. 204 genannten Beispiele, insbesondere Rz. 20).

Die Art und Weise sowie die Form der Anschreibung ist weder durch das Gemeinschaftsrecht noch durch nationale Bestimmungen genau festgelegt. Die Anordnung, wie die Anschreibung vorzunehmen ist, wird vom Zollamt verfügt. Dabei hat dieses Zollamt sowohl seine Interessen der Zollaufsicht als auch die Interessen des Bewilligungsinhabers auf Durchführbarkeit der Anordnungen des Zollamtes zu berücksichtigen. Jedenfalls ist das Zollamt nicht verhalten, zwingend anzuordnen, dass die Anschreibungen mit automationsunterstütztem System zu führen sind, weil die Art und Weise sowie die Form der Anschreibung nach den Zollbestimmungen frei ist. Es handelt sich bei solchen Anordnungen daher um bloße Ordnungsvorschriften.

Die Beschwerdeführerin hat alle Daten "händisch" in ihrer Buchführung aufgenommen und damit erfolgte eine Anschreibung in der Buchführung, die zwar nicht ausdrücklich in den Bewilligungsbescheiden bewilligt war, aber im Zeitraum des Nichtfunktionierens des automationsunterstützten Systems die einzige Möglichkeit des Vorgehens war, weil nicht erwartet werden konnte, dass die Produktion im Betrieb nur deswegen eingestellt wird, weil das automationsunterstützte System bei der Anschreibung der Zollverfahren nicht funktionierte, aber die Anschreibung auch in einer anderen Form grundsätzlich möglich war. Nach den von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellten Behauptungen der Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren traten bei der automationsunterstützten Abwicklung der Zollverfahren Probleme auf, die dem Zollamt bekannt waren. Um welche Art von Schwierigkeiten es sich dabei konkret gehandelt hat, wurde von der belangten Behörde nicht näher dargestellt. Sie hat die von der Beschwerdeführerin in der Berufung aufgestellten Behauptungen, ihre "EDV" habe "diese Buchungen der aktiven Veredelungen nicht durchführen" können und das Zollamt habe davon Kenntnis gehabt, jedenfalls nicht als unrichtig festgestellt. Diese Schwierigkeiten bestanden in einer Umstellungsphase und konnten danach beseitigt werden. Die Beschwerdeführerin war aber offensichtlich während dieses Zeitraumes nicht in der Lage, das Anschreibeverfahren mit dem in den Bewilligungsbescheiden angeordneten automationsunterstützten System durchzuführen, und das Zollamt hat in Kenntnis dieses Umstandes der Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum die Anschreibung nicht auf eine andere Art und Weise bewilligt, obwohl dies möglich gewesen wäre. Dies offenkundig in der Annahme bei solchen Verstößen entstehe keine Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK.

Die Nichteinhaltung der in den Bewilligungsbescheiden angeordneten Anschreibung mit einem automationsunterstützten System ist ein Verstoß gegen eine verwaltungsbehördliche Ordnungsvorschrift, die aber nichts daran ändert, dass mit den handschriftlich erfassten Daten eine Anschreibung der Waren und der damit erforderliche Dokumentationseffekt in der Buchführung erfolgte. Somit befanden sich die Waren im Zeitpunkt ihrer Verarbeitung entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht mehr im Zolllagerverfahren, sondern im Verfahren der aktiven Veredelung.

Somit entstand auch keine Zollschuld nach Artikel 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK, weil die Waren entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht widerrechtlich im Zolllager, sondern im Verfahren der aktiven Veredelung verarbeitet worden sind. Eine Pflichtverletzung, die sich aus der Inanspruchnahme des Zolllagerverfahrens ergeben hat, war somit nicht gegeben.

Es erübrigt sich somit auf die Frage, ob sich die Verfehlungen auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben (Artikel 859 ZK-DVO), einzugehen. Ob aus anderen Gründen die Zollschuld für die verarbeiteten Waren oder deren Nebenprodukte entstanden ist, war im Beschwerdeverfahren nicht mehr weiter zu prüfen.

Aus den genannten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am