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VwGH vom 22.03.2011, 2009/21/0407

VwGH vom 22.03.2011, 2009/21/0407

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. Josef Maier, Rechtsanwalt in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 154.519/2- III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, waren beginnend mit wiederholt Aufenthaltstitel erteilt worden. Am stellte er einen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbständige Erwerbstätigkeit", auf Grund dessen ihm am ein bis zum gültiger Aufenthaltstitel erteilt wurde.

Am stellte er den Verlängerungsantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung für beschränkt".

Am erteilte die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land dem Beschwerdeführer in dieser Angelegenheit einen (ihm am zugestellten) Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG. Dieser lautete (soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung) wörtlich:

"§ 11 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 regelt die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die für die jeweilige Antragstellung erforderlichen Urkunden und Nachweise sind im Original und in Kopie vorzulegen .

Gemäß § 7 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung 2005 (NAG-DV) sind Ihrem Antrag noch folgende Urkunden und Nachweise anzuschließen und ehestmöglich vorzulegen:

- Reisepass

...

Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht (§ 13 Abs. 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.g.F.).

Sie wurden bereits anlässlich der Antragstellung vom (richtig: 2007) auf das Nachbringen der fehlenden Unterlagen hingewiesen. Ein weiteres Ersuchen erfolgte schriftlich am (Anmerkung: Dabei handelt es sich um eine Ladung ohne Nennung eines Termins, in der keine Frist für die Nachreichung des Reisepasses gesetzt wurde) sowie anlässlich einer persönlichen Vorsprache am .

Sie werden hiermit letztmalig eingeladen, die festgestellten Formgebrechen binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreiben zu beheben.

Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Antrag bei fruchtlosem Ablauf der festgesetzten Frist sowie bei nicht formgerechter Erfüllung als unzulässig zurückzuweisen sein wird.

..."

(Hervorhebungen im Original)

In einem Aktenvermerk vom hielt die Erstbehörde fest, der Beschwerdeführer habe (an diesem Tag) persönlich vorgesprochen und die Vorlage der fehlenden Unterlage bis zugesagt.

Am langte bei der genannten Behörde eine Bestätigung des türkischen Generalkonsulates in Salzburg ein, aus der sich ergibt, dass der Beschwerdeführer die Ausstellung eines neuen Reisepasses beantragt habe. Der alte Reisepass sei als verloren oder gestohlen gemeldet. Die Wartezeit auf den neuen Reisepass könne "mehrere Wochen" betragen.

Mit (dem Beschwerdeführer am zugestelltem) Bescheid vom wies die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land den Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung für beschränkt" vom gemäß § 13 Abs. 3 AVG, §§ 3 und 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 - NAG sowie § 7 Abs. 1 Z. 1 NAG-DV zurück.

Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage aus, der Beschwerdeführer sei nach zwei Jahren noch immer nicht in der Lage gewesen, einen Reisepass vorzulegen. Die genannte Bestätigung des türkischen Generalkonsulates in Salzburg vom sei für das vorliegende Verfahren "nicht mehr relevant", weil dem Beschwerdeführer "bereits seit der Antragstellung im März 2007 mehrmals die Möglichkeit der Nachreichung eines Reisepasses eingeräumt" worden sei. Mit dem Fehlen des zwingend erforderlichen Reisepasses bzw. der Reisepasskopie liege daher ein wesentlicher Mangel vor, der trotz mehrmaliger Urgenzen binnen einer angemessenen Frist nicht behoben worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) eine dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 13 Abs. 3 AVG ab.

Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage aus, dem Verbesserungsauftrag vom sei innerhalb der gewährten Frist nicht entsprochen worden. Somit seien der Behörde erster Instanz die erforderlichen Unterlagen zur Entscheidung über den Antrag nicht vorgelegen. Dadurch sei eine "geschäftsmäßige Behandlung" des Antrages nicht möglich gewesen, sodass dieser zu Recht gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen worden sei. Die Ansicht des Beschwerdeführers, die genannte Bestätigung des Generalkonsulates vom wäre als Ersatzdokument für den Reisepass anzusehen, treffe nicht zu, weil "gemäß § 7 Abs. 1 NAG-DV dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise eine Kopie des gültigen Reisepasses anzuschließen" sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die für die Antragszurückweisung maßgeblichen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

§ 13 Abs. 3 AVG (in der Fassung des Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 5/2008):

"(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

§ 19 Abs. 3 NAG (in der Stammfassung des BGBl. I Nr. 100/2005):

"(3) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise für den jeweiligen Aufenthaltszweck (Abs. 2) dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."

Von der mit § 19 Abs. 3 NAG eingeräumten Verordnungsermächtigung wurde in den §§ 6 bis 9 NAG-DV Gebrauch gemacht. Von diesen Bestimmungen ist im gegebenen Zusammenhang § 7 Abs. 1 von Bedeutung, der in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. II Nr. 8/2007 Nachstehendes normiert:

"Urkunden und Nachweise für alle Aufenthaltstitel

§ 7. (1) Dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 1) sind - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den §§ 8 und 9 - folgende Urkunden und Nachweise anzuschließen:

1. Kopie des gültigen Reisedokuments (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

... ".

Der am in Kraft getretene § 19 Abs. 8 Z. 3 NAG, angefügt durch die Novelle BGBl. I Nr. 29/2009, lautet:

"Allgemeine Verfahrensbestimmungen

§ 19. (1) ...

(8) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Verfahrensmangels nach Abs. 1 bis 3 und 7 zulassen:

...

3. Im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt."

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass das Fehlen einer Urkundenvorlage iSd § 7 Abs. 1 Z. 1 NAG-DV regelmäßig einen Mangel iSd § 13 Abs. 3 AVG begründet (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0302, mwN).

Den behördlichen Feststellungen sowie dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten kann eine dem § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG entsprechende Veranlassung erst dem (dem Beschwerdeführer am zugekommenen) Schreiben vom entnommen werden, dem daher für die Angemessenheit der gesetzten Frist wesentliche Bedeutung zukommt. Das Ersuchen vom ist ohne Fristsetzung erfolgt (vgl. zum Erfordernis der Setzung einer angemessenen Frist Hengstschläger/Leeb, AVG, § 13 Rz. 29). Vorgänge anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Beschwerdeführers am sowie am Tag seiner Antragstellung sind nicht aktenkundig. Eine (ab dem gebotene) Belehrung iSd letzten Satzes des § 19 Abs. 8 NAG (idF BGBl. I Nr. 29/2009) ist - trotz Anhängigkeit eines offenen Verfahrens vor der Erstbehörde - zur Gänze unterblieben. Schon von daher erweist sich das behördliche Verfahren somit als mangelhaft, und zwar jedenfalls schon deshalb, weil der Beschwerdeführer durch die Vorlage der oben erwähnten Bestätigung des türkischen Generalkonsulates vom erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, die Nachreichung eines Reisepasses sei ihm (jedenfalls innerhalb der gesetzten Frist - auf Grund der längeren für eine Bearbeitung durch die türkischen Behörden erforderlichen Zeit) nicht möglich gewesen.

Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am