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VwGH 16.05.2013, 2012/06/0100

VwGH 16.05.2013, 2012/06/0100

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauG Bgld 1997 §3 Z4;
RS 1
Die Frage, ob ein Bauvorhaben dem Orts- und Landschaftsbild widerspricht, ist Gegenstand eines Beweises durch Sachverständige.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätinnen Dr. Bayjones sowie Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der A AG in Wien, vertreten durch die Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Neuer Markt 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom , Zl. ND-02-04-141-2-2012, betreffend die Abweisung eines Bauantrages (mitbeteiligte Partei:

Marktgemeinde A; weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird dahin abgeändert, dass der Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen wird.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer Mobilfunkstation ca. 200 m vor dem östlichen Ortsausgang der mitbeteiligten Partei. Die Mobilfunkanlage bestehe aus einem transparenten Gittermast von 30 m Höhe und einem aufgesetzten Rohr mit einem Durchmesser von 20 bis 25 cm, auf dem die Funkanlage montiert werde. Die gesamte Anlagenhöhe betrage 35,6 m über gewachsenem Gelände.

Da der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei fristgerecht keine Entscheidung traf, stellte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag.

Mit Bescheid des Gemeinderates vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Errichtung einer Mobilfunkstation - ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens und ohne Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung - abgewiesen.

Auf Grund der Vorstellung der Beschwerdeführerin vom wurde der Bescheid des Gemeinderates durch die Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an diesen verwiesen, damit im fortgesetzten Verfahren zur Frage der möglichen Beeinträchtigung des Ortsbildes ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt und dessen Ergebnis nach Wahrung des Parteiengehörs in der Bescheidbegründung entsprechend berücksichtigt werde.

Die Behörde erster Instanz beauftragte sodann Dipl. Ing. S. mit der Erstellung eines Ortsbildgutachtens zum Bauvorhaben "Mobilfunkanlage" in der mitbeteiligten Marktgemeinde. Dieser führte in seinem Gutachten vom unter anderem wörtlich aus:

"3 BEFUND

3.1. Einreichprojekt, Prüfgegenstand

Die A AG plant im südöstlichen Bereich des Grundstückes Nr. 2057/136 (Adresse: 7143 A(…)) die Errichtung einer Mobilfunkanlage.

Der geplante Standort befindet sich im direkten Anschluss an die Wallerner Straße und liegt ca. 200 m vor dem östlichen Ortsausgang der Gemeinde A.

Die eingereichte Mobilfunkanlage besteht aus einem KAAL-Stahlrohr-Gittermast GM 30+5 und einer Outdoor-Systemtechnik mit einer gesamten Anlagenhöhe von 35,60 m über gewachsenem Gelände.

Die Mobilfunkanlage wird auf einem massiven Stahlbetonfundament errichtet und für den elektrischen Anschluss an das Energieversorgungsnetz der BEWAG angeschlossen.

3.2. Realbestand im Bereich des geplanten Standortes

Das direkte und auch weitere Ortsgebietumfeld zum geplanten Standort der Mobilfunkanlage ist im Wesentlichen durch eine kleinstrukturierte, homogene Einfamilienhausnutzung geprägt. Die Wohngebäude sind in offener bzw. gekuppelter (halboffener) Bauweise durchwegs mit einem Erdgeschoß und einem ausgebauten Dachgeschoß ausgeführt. Am Grundstück des geplanten Standortes befindet sich das ehemalige Betriebsgebäude ('Winzerkeller') der ehemaligen Winzergenossenschaft A.

Im direkten südlichen Anschluss an den Untersuchungsstandort liegt ein für Wohnungszwecke gewidmetes Siedlungserweiterungsgebiet der Gemeinde A., das sich derzeit in baulicher Entwicklung befindet.

Im Anschluss an den in unmittelbarer Nähe befindlichen Ortsausgang eröffnet sich die weite, offene Landschaft des Seewinkels und bildet einen Teilbereich des Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel.

Die ebene und offene Salzlackenlandschaft mit ihrer weitläufigen Sichtbeziehung wird in Teilbereichen durch Baumgruppen und Baumreihen und sonstigen Vegetationsbestand gegliedert.

4 BEURTEILUNG UND GUTACHTEN

4.1. Beurteilung im Hinblick auf das vorhandene Orts- und Landschaftsbild im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Bgld. Baugesetzes

Bei der Bewertung des Orts- und Landschaftsbildes bzw. dessen Beeinträchtigung sind in der ggst. Beurteilung folgende wesentliche Tatsachen zu bewerten:

-

Maßstäblichkeit und Gestaltqualität der Mobilfunkanlage im Zusammenhang mit der umgebenden Bebauung und freien Landschaft

-

Überblickbarkeit, Orientierbarkeit sowie Sicht- und Blickbeziehung

Für die Beurteilung de(r) ggst. Fragestellung ist § 3 Zl. 4 (Zulässigkeit von Bauvorhaben) Burgenländisches Baugesetz idgF maßgeblich, der wie folgt lautet:

'Bauvorhaben sind nur auf für die Bebauung geeigneten Grundstücken zulässig, wenn sie … das Orts- oder Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigen, …'

Maßstäblichkeit, Gestaltqualität:

Im zu beurteilenden Bereich gegen das Ortsende ist im Wesentlichen eine Einfamilienhausbebauung mit einem Erdgeschoß und einem ausgebauten Dachgeschoß vorhanden. Das höchste Gebäude im Umfeld des Projektstandortes ist das am Planungsgrundstück befindliche Betriebsobjekt ('Winzerkeller') der ehemaligen Winzergenossenschaft A., welches eine Traufenhöhe von 6,15 m und eine Firsthöhe von 8,65 m aufweist (Quelle: Einreichplan über einen Zubau zum Winzerkeller in A., Baugenehmigung vom , Zahl: 437/1971).

Die geplante Mobilfunkanlage weist demgegenüber eine Bauwerkshöhle von ca. 36,50 m auf und liegt somit deutlich über de(m) vorhandenen Baubestand (siehe Foto 2).

Hinsichtlich der Maßstäblichkeit des geplanten Bauwerkes wird darauf hingewiesen, dass die beabsichtigte Bauhöhe über das 4- fache (+ 412%) des vorhandenen, umgebenden Baubestandes erreichen wird.

Darüber hinaus wird das geplante Bauwerk im Gegensatz zum vorhandenen baulichen Erscheinungsbild im umgebenden Siedlungsbereich eine stark reduzierte, technogen orientierte und zweckbestimmte Gesamtqualität aufweisen.

Sicht- und Blickbeziehungen:

Aufgrund der homogene(n), weitläufigen flachen Ausbildung des Landschaftsraumes, welcher nur in Teilbereichen durch Baumgruppen und sonstigem Vegetationsbestand gegliedert wird, sind in alle Richtungen weitläufige Sichtbeziehungen gegeben.

Durch die vorhandene niedrige Bebauung im Ortsgebiet ergibt sich ein weicher Übergang in die offene, freie Landschaft (siehe Foto 1).

Das geplante Bauwerk, das in unmittelbarer Nähe zum östlichen Ortsausgang der Gemeinde A. errichtet werden soll, wird aufgrund seiner beabsichtigten Bauwerkshöhe (35,60 m) weitläufig einsehbar sein und somit im Ortsraum wie auch aus der freien Landschaft eine deutliche Sichtbarkeitsdominanz einnehmen.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf verwiesen, dass es sich bei der Gemeinde A. um eine Nationalparkgemeinde des Nationalparks Neusiedler See - Seewinkel handelt, und im Zusammenhang mit dem ggst. Untersuchungsgegenstand vor allem der touristische Aspekt des Nationalpark(s) zu erwähnen ist.

Gemäß dem Gesetz der über den Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel idgF (§ 4, Zahl 5, NPG 1992) ist der Bereich der Langen Lacke, welche sich ca. 3 km vom Untersuchungsstandort entfernt befindet, als eine der wesentlichen, schützenswerte(n) Nationalparkbereiche ausgewiesen.

Die 'Lange Lacke' ist auf Grund der hier vorhandenen und für Mitteleuropa einzigartigen Vogelwelt eine der bedeutendsten Salzlacken des Nationalparks, welche sowohl von Touristen wie auch von der Fachwelt über einen Großteil des Jahres stark frequentiert wird.

Eine mögliche negative Auswirkung auf den Nationalparktourismus ist aufgrund der Sichtbarkeitsdominanz des geplanten Bauwerks in der freien Landschaft nicht auszuschließen (…), wenngleich diese Wirkung nicht seriös quantifiziert werden kann.

Das geplante Bauwerk steht aufgrund seiner visuellen Dominanz sowohl hinsichtlich Bauwerkshöhe wie auch der technogen orientierten Gestaltqualität in deutlicher Disharmonie und Dissonanz zum niedrig bebauten Umfeld wie auch zur freien, ebenen Landschaft und wird daher als stark negativ be(e)inträchtigend und somit als nicht orts- und landschaftsbildverträglich beurteilt.

4.2. Beurteilung im Hinblick auf die UNESCO-Welterbe-Zielsetzungen

4.3. Beurteilung im Hinblick auf das Dorferneuerungsleitbild A.

Die Gemeinde A. verfügt über ein Dorferneuerungsleitbild, das vom Gemeinderat im Jahr 2010 beschlossen und vom Amt der Bgld. Landesregierung genehmigt wurde und dessen Zielaussagen somit für den Gemeinderat bindend sind.

Dieses Leitbild enthält unter Punkt. 0, Grundlegende Orientierung u.a. folgende Zielaussagen:

-

'A. ist eine Nationalparkgemeinde, die sich durch das in Wert gehaltene und einzigartige Naturraumangebot auszeichnet. (…)'

-

'A. ist ein Geheimtipp im Bereich des sanften, naturnahen Tourismus (…)'

-

'A. ist eine Gemeinde mit einem kompakten, gepflegten Siedlungskörper …'

Entsprechen geplante Maßnahmen nicht den Zielaussagen des Dorferneuerungsleitbildes, so ist dieses vom Gemeinderat über den Weg eines Gemeinderatsbeschlusses in begründeter Form abzuändern.

Die unter Pkt. 4.1 ausgeführte Beurteilung im Hinblick auf das vorhandene Orts- und Landschaftsbild stehen im Widerspruch den o. a. angeführten Zielsetzungen des Dorferneuerungsleitbildes der Gemeinde A.

Demzufolge ist das geplante Objekt auch im Zusammenhang mit den Zielsetzungen im Dorferneuerungsleitbildes abzulehnen.

4.4 Zusammenfassende Beurteilung

Zusammenfassend wird festgestellt, dass mit der geplanten Mobilfunkanlage aufgrund der beabsichtigten Größenordnung und Gestaltqualität eine wesentliche Störung des Orts- und Landschaftsbildes i.S. § 3 Zl. 4 Bgld. Baugesetz verursacht wird.

D(as) geplante Bauwerk steht aufgrund seiner visuellen Dominanz sowohl hinsichtlich Bauwerkshöhe wie auch der technogen orientierten Gestaltqualität in deutlicher Disharmonie und Dissonanz zum niedrig bebauten Umfeld wie auch zur freien, ebenen Landschaft und wird daher als stark negativ beeinträchtigend und somit als nicht orts- und landschaftsbildverträglich beurteilt.

Darüber hinaus wird das ggst. Prüfobjekt als nicht im Einklang mit den Interessen des UNESCO-Welterbegebiet(es) 'Kulturlandschaft Fertö/Neusiedler See' und den Zielsetzungen des Dorferneuerungsleitbildes der Gemeinde A. beurteilt."

Mit Schreiben vom legte die Beschwerdeführerin ein Privatgutachten von Univ. Doz. Dipl. Ing. Dr. F. (im Folgenden: Dr. F.) vom vor, in dem dieser unter anderem ausführte, von einer einheitlichen Bebauung könne nicht gesprochen werden und der Bestand einer gemeinsamen Charakteristik fehle (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0163). Ein Ortsbild, dem eine gemeinsame Charakteristik fehle, sodass ein Bauvorhaben beliebig als störend oder sich einfügend empfunden werden könne, sei mangels eines geeignetes Beurteilungsmaßstabs kein schützenswertes Ortsbild im Sinn des § 3 Abs. 4 (gemeint wohl: Z 4) Burgenländisches Baugesetz 1997 (Bgld. BauG 1997). Auf Grund der transparenten Gestaltung des Gittermastes, die dem Beobachter von allen Seiten das Durchschauen ermögliche, komme es zu keiner wie immer gearteten "visuellen Dominanz" und somit zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Orts- oder Landschaftsbildes. Bei der UNESCO-Resolution handle es sich nur um eine Empfehlung. Auch das Leitbild zur Dorferneuerung sei für das geplante Bauvorhaben von keiner Relevanz. Die Alt- und Problemstoffsammelstelle sei überhaupt nicht erwähnt worden.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin neuerlich wegen Widerspruchs zum Orts- oder Landschaftsbild abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen mit dem als schlüssig beurteilten Gutachten von Dipl. Ing. S. vom begründet. Das Gutachten von Dr. F. sei hingegen als "verwirrend und missverständlich aufgenommen" worden. Nach Ansicht der Behörde beweise gerade die Bilddokumentation von Dr. F., dass eine einheitliche niedrige Bebauung bestehe und der Mast durch diese vorhandene Bauweise sehr wohl blickdominant wäre. Die Altstoffsammelstelle sei hinter einem bepflanzten Erdwall versteckt und kaum einsehbar. Zusammenfassend werde festgestellt, dass der nicht immer nachvollziehbaren Argumentation des Dr. F. nicht gefolgt werden könne. Auf die Frage, ob ein schützenswertes Ortsbild im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, ging die Behörde nicht ein.

In der dagegen eingebrachten Vorstellung vom rügte die Beschwerdeführerin unter anderem, die Behörde habe selbst Bewertungen vorgenommen, die ihr nicht zustünden. Die von Dr. F. erstellte Bilddokumentation sei als Beweis dafür gesehen worden, dass eine einheitliche Bebauung und Charakteristik, besonders im Bereich der Höhe, gegeben sei. Dies passe mit den Bildern jedoch nicht zusammen. Die Behörde habe sich auch weder mit der Antennenanlage mit einer Höhe von 10 m noch mit der Altstoffsammelstelle auseinandergesetzt; beides sei auf den Bildern dokumentiert worden. Die Frage der Auswirkungen einer Anlage auf das Ortsbild sei jedenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen zu beurteilen, der die konkrete örtliche Situation zu beschreiben habe. Bei einander widersprechenden Gutachten müsse die Behörde begründen, warum sie dem einen Beweisergebnis den Vorrang eingeräumt habe. Dies habe die Behörde unterlassen. Die charakteristischen Merkmale für die Beurteilung einer allfälligen Störung der in Betracht kommenden Teile des Orts- und Landschaftsbildes seien nicht dargelegt worden. Der Umstand, dass der Mast einer Sendeanlage in der Landschaft wahrzunehmen sei, sei nicht ausreichend, um eine nachteilige Veränderung der das Bild der Landschaft prägenden Ortssilhouette zu begründen.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) gab die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der von der Baubehörde beigezogene Sachverständige habe das Ortsbild im Bereich des geplanten Standortes als Einfamilienhausbebauung mit Erdgeschoss und ausgebautem Dachgeschoss mit einer Traufenhöhe von maximal 6,15 m und einer Firsthöhe von 8,65 m beschrieben. Die Bauwerkshöhe der geplanten Mobilfunkanlage betrage 35,60 m und erreiche somit das über Vierfache des vorhandenen umgebenden Bestandes. In der homogenen, weitläufigen Landschaft mit niedriger Bebauung sei eine deutliche Sichtbarkeitsdominanz des geplanten Bauwerks im Ortsraum wie auch in der freien Landschaft gegeben. Die im Gutachten vorgenommene Beschreibung des Ortsbildes erscheine in seiner Gesamtheit schlüssig und nachvollziehbar, indem es die vorhandene Bebauung im umgebenden Raum erfasse und als Ortsbild mit einer gemeinsamen Charakteristik beschreibe. Das Ortsbild im unmittelbaren Bereich weise eine gewisse Einheitlichkeit auf, als es sich zumindest um Einfamilienhäuser in niedriger Bauweise handle. Lediglich ein Bauwerk besitze eine größere Traufen- bzw. Firsthöhe. Andere höhere Gebäude oder Bauten wie etwa Kirchtürme oder weitere Masten seien im jeweiligen Ortsbildteil nicht vorhanden. Vergleiche man das vorhandene, in sich zusammenhängende Ortsbild mit dem geplanten Bauvorhaben, erscheine die Schlussfolgerung des Gutachtens und darauf gestützt die Begründung der Baubehörde in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der beantragte Handymast weise auf Grund seiner besonderen Höhe eine wesentliche Überschreitung (ca. 400%) der umgebenden Bauwerke auf und stelle eine wesentliche Beeinträchtigung des Ortsbildes dar. Diese Überschreitung der Traufenhöhe führe auch der Gegengutachter der Beschwerdeführerin an. Wenn dieser auf die Transparenz und Offenheit hinweise, auf Grund derer keine wesentliche Beeinträchtigung bewirkt werden könne, halte dem der Sachverständige der Baubehörde entgegen, dass das Bauvorhaben auf Grund seiner Gestaltqualität sehr wohl in deutlicher Disharmonie zur gegebenen Bebauung stehe. Eine "Durchsichtigkeit" des Bauwerkes könne daran nichts ändern. Auch diesbezüglich sei das Gutachten des Sachverständigen der Baubehörde nachvollziehbar. Die Baubehörde habe auch zutreffend - basierend auf den als vollständig und nachvollziehbar beurteilten Vorgaben des Gutachters Dipl. Ing. S - den Antrag auf Grund der Höhe der geplanten Anlage abgewiesen. Es sei richtig, dass der Managementplan des UNESCO-Weltkurerbes unverbindlich sei und eine Abweisung eines baubehördlichen Antrages allein auf Grund dieser Richtlinien nicht möglich sei. Das Vorbringen betreffend die Alt- und Problemstoffsammelstelle sei nicht relevant, weil derartige Einwände auf Grund des Bgld. BauG nicht im anhängigen Bauverfahren zu prüfen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 3 Bgld. Baugesetz 1997, LGBl. Nr. 10/1998, in der Fassung LGBl. Nr. 53/2008, sind Bauvorhaben nur auf für die Bebauung geeigneten Grundstücken zulässig, wenn sie unter anderem das Orts- und Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigen (Z 4).

Die Beschwerdeführerin wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren, wonach das Gutachten von Dipl. Ing. S. keine Befundaufnahme hinsichtlich der konkreten örtlichen Situation beinhalte und insbesondere die charakteristischen Merkmale für die Beurteilung einer allfälligen Störung der in Betracht kommenden Teile des Orts- und Landschaftsbildes nicht darlegte. Weshalb die belangte Behörde dennoch von einer einheitlichen Bebauung ausgehe, sei nicht nachvollziehbar. Sie hätte sich mit den widersprechenden Gutachten auseinandersetzen und begründen müssen, weshalb sie dem einen Beweisergebnis den Vorrang eingeräumt habe. Die belangte Behörde habe jedoch die eigenen, nicht durch eine Sachverständigenaussage fundierten Erwägungen der Baubehörde, die dieser nicht zustünden, bestätigt. Auf Sicht- oder Blickbeziehungen komme es nicht an. Eine Auseinandersetzung mit der Altstoffsammelstelle sowie der bereits bestehenden Antennenanlage und der Kritik an der eingeschränkten Beurteilung ausschließlich auf Grund der Höhenmerkmale durch den Sachverständigen Dipl. Ing. S. sei unterblieben.

Hinsichtlich der Mangelhaftigkeit des Gutachtens von Dipl. Ing. S. gleicht der vorliegende Beschwerdefall auch in rechtlicher Hinsicht jenem, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/06/0134, zugrunde lag, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen wird. Auch im gegenständlichen Fall legte der Sachverständige Dipl. Ing. S. insbesondere nicht dar, dass ein schutzwürdiges Ortsbild vorhanden ist sowie auf Grund welcher Kriterien und bis zu welcher Entfernung er die Umgebung für die Beurteilung der Ortsüblichkeit als relevant heranzog.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens versuchten zwar, das Gutachten durch eigene Ausführungen "zu wattieren". Diesbezüglich ist der Beschwerde jedoch Recht zu geben, dass diesen die Nachvollziehbarkeit fehlt. Die Frage, ob ein Bauvorhaben dem Orts- und Landschaftsbild widerspricht, ist Gegenstand eines Beweises durch Sachverständige (vgl. dazu die bei Pallitsch/Pallitsch, Burgenländisches Baurecht, zweite Auflage, E 26 ff zu § 3 Bgld. BauG zitierte hg. Judikatur). Ob überhaupt ein schutzwürdiges Ortsbild vorliegt und welcher Beurteilungsraum relevant ist, blieb auch in den ergänzenden Ausführungen der Behörden offen. Das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. S. erscheint daher jedenfalls ergänzungsbedürftig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 3a VwGG abzuändern. Sache des Gemeinderates im fortgesetzten Verfahren wird es sein, zur Beurteilung der Rechtsfrage einer wesentlichen Beeinträchtigung des Orts- oder Landschaftsbildes nach § 3 Z 4 Bgld BauG 1997 den maßgeblichen Sachverhalt, allenfalls anhand eines weiteren Sachverständigengutachtens, unter Berücksichtigung der tragenden Aufhebungsgründe im gegenständlichen Erkenntnis festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

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Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauG Bgld 1997 §3 Z4;
Schlagworte
Beweismittel Sachverständigenbeweis
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker
Ortsbild Landschaftsbild
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2012060100.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAE-69871