VwGH vom 19.12.2012, 2012/06/0094

VwGH vom 19.12.2012, 2012/06/0094

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/06/0146

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerden 1. des PS und 2. des RH, beide in X, beide vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in 5700 Zell/See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen die Bescheide der Salzburger Landesregierung 1. vom , Zl. 20704-07/616/6-2012 (hg. Zl. 2012/06/0094), betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Bausache, und 2. vom , Zl. 20704-07/616/7-2012 (hg. Zl. 2012/06/0146), betreffend Zurückweisung einer Vorstellung als verspätet in einer Bausache (mitbeteiligte Partei in beiden Verfahren: S-GmbH in S, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 21A), zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Beschwerde gegen den zur hg. Zl. 2012/06/0094 angefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Der zur hg. Zl. 2012/06/0146 angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem erstangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde X vom gemäß § 71 Abs. 1 und 4 AVG abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, mit dem vorangeführten Bescheid der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde X sei die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X vom als unbegründet abgewiesen worden. Gegen diesen Bescheid hätten die Beschwerdeführer mit Schreiben vom das Rechtsmittel der Vorstellung bei der belangten Behörde eingebracht. Diese habe den Beschwerdeführern mit Schreiben vom mitgeteilt, dass der genannte Berufungsbescheid mit Zustellnachweis am zugestellt worden, die Vorstellung sohin verspätet eingegangen sei. Den Beschwerdeführern sei Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen gegeben worden. In ihrem Wiedereinsetzungsantrag hätten die Beschwerdeführer ausgeführt, dass in der Kanzlei der Beschwerdevertreter in nicht nachvollziehbarer Weise am der Datumsstempel auf eingestellt gewesen sei. Da eine Akteneinsicht bei der Stadtgemeinde X ergeben habe, dass der Bescheid seitens der Stadtgemeinde am abgefertigt, sohin erst an diesem Tag zur Post gegeben worden sei, könne der Bescheid der Gemeindevertretung keinesfalls am selben Tag der Kanzlei der Beschwerdevertreter zugestellt worden sein. Aus dem gegenständlichen Zustellnachweis gehe hervor, dass der Rückschein seitens der Postfiliale X am abgestempelt worden sei. Laut Auskunft des Postamtes X werde dieser Stempel am selben Tag angebracht, an dem die jeweilige Übernahme durch den Empfänger erfolge. Die im Empfangsbereich der Kanzlei der Beschwerdevertreter tätige Sekretärin L. nehme üblicherweise die einlangenden Schriftstücke entgegen und stemple diese jeweils mit dem aktuellen Eingangsstempel ab. Am sei Frau L. nach einem zweitägigen Urlaub zurückgekommen und der gegenständliche Irrtum sei passiert. Da der gegenständliche Bescheid am eingelangt sei, habe Frau L. die zweiwöchige Vorstellungsfrist ab errechnet und sohin als letzten Tag für die Vorstellung am vermerkt. Der Bescheid sei sohin erst am zugestellt worden. In der Sphäre der Vertreter der Beschwerdeführer liege gar kein Verschulden, wenn überhaupt liege bloß leichtes Verschulden vor.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, das Ereignis, das im gegenständlichen Fall zur Versäumung der Frist geführt habe, sei nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer das falsch eingestellte Datum auf dem Eingangsstempel der Kanzlei. Abgesehen hievon sei es den Beschwerdeführern nicht gelungen, die zweite Möglichkeit für die Fristversäumung durch ihr Vorbringen zweifelsfrei auszuschließen, nämlich, dass das Datum auf dem Rückschein korrekt und die Frist aus anderen Gründen versäumt worden sei. Folge man der Behauptung der Beschwerdeführer, sei zwar das Datum des Einlangens falsch dokumentiert worden, gleichzeitig aber die Fristberechnung bzw. Fristvormerkung vom Tag der behaupteten tatsächlichen Zustellung ausgehend erfolgt. Nach Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Zustelldatum generell einer besonderen Prüfpflicht unterliege, weil es für den Eintritt der formellen Rechtskraft und damit für das Ende von Fristen in Bezug auf die Erhebung von Rechtsmitteln von ausschlaggebender Bedeutung sei, weshalb ein Parteienvertreter die eingehende Post täglich, bei Abwesenheit sofort nach Rückkehr, sorgfältig zu kontrollieren habe, um Fehler bei der Anmerkung des Zustelldatums auszuschließen, führte die belangte Behörde aus, den Rechtsvertretern sei durchaus zuzurechnen, dass ihrer Sekretärin ein Fehler unterlaufen sei. Sie hätten sich nicht darauf verlassen dürfen, dass das Datum korrekt abgestempelt und eingetragen werde. Vielmehr müssten die Parteienvertreter selbst die eingehende Post kontrollieren und die Anmerkung des Zustelldatums sorgfältig überwachen. Es handle sich daher nicht um einen Fall eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses, weil die Beschwerdeführer dessen Eintritt bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt durchaus abwenden hätten können. Die Beschwerdeführer müssten alle Tatsachen darlegen, aus denen sich erkennen lasse, dass sie kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden treffe. Im gegenständlichen Fall sei lediglich dargelegt worden, dass der Datumsstempel der Kanzlei "in nicht nachvollziehbarer Weise" am auf eingestellt gewesen und der Irrtum der Sekretärin nach zweitägigem Urlaub passiert sei. Bei Rechtsvertretern sei ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Ein beruflich rechtskundiger Parteienvertreter habe seine Kanzlei so zu organisieren, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt und nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen sei. Durch richtigen Einsatz entsprechend qualifizierter Mitarbeiter und durch hinreichende, wirksame Kontrollen sei dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens soweit wie möglich ausgeschaltet werden. Im gegenständlichen Fall handle es sich daher um ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden, welches daher einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehe.

2. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde X vom als verspätet zurückgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Bescheid der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde X den Vertretern der Beschwerdeführer am nachweislich zugestellt worden sei. Die Vorstellung sei am bei der Salzburger Landesregierung eingebracht worden. Den Beschwerdeführern sei im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit gegeben worden, zur verspäteten Einbringung binnen 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben. Sie hätten - offenbar auch als Stellungnahme zur Verspätung zu verstehen - mit Schriftsatz vom einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, damit verbunden die neuerliche Einbringung der Vorstellung, eingebracht. Die belangte Behörde habe mit Bescheid vom den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Gemäß § 80 Abs. 3 der Salzburger Gemeindeordnung 1994 betrage die Vorstellungsfrist zwei Wochen ab Zustellung. Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeute dies, dass die Vorstellungsfrist mit Ablauf des geendet habe und die Vorstellung als verspätet eingebracht zu werten gewesen sei. Der in diesem Fall als Stellungnahme (zur Verspätung) zu verstehende Wiedereinsetzungsantrag bringe keinerlei Argumente vor, warum die Vorstellung dennoch als rechtzeitig zu werten gewesen wäre. Bei der Vorstellungsfrist handle es sich um eine gesetzliche Frist, die auch von der Behörde nicht verlängert werden könne.

3. Gegen den erstangefochtenen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2012/06/0094, gegen den zweitangefochtenen Bescheid die zur hg. Zl. 2012/06/0146 protokollierte Beschwerde, in denen jeweils Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in getrennten Gegenschriften - wie die mitbeteiligte Partei - die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

4.1. Gemäß § 80 Abs. 3 Salzburger Gemeindeordnung 1994 (GdO 1994), LGBl. Nr. 107/1994 in der Fassung LGBl. Nr. 12/2004, ist eine Vorstellung an die Landesregierung längstens innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des anzufechtenden Bescheides an gerechnet zu erheben. Unzulässige oder verspätete Vorstellungen sind von der Aufsichtsbehörde zurückzuweisen.

Die Behörde ist aus dem Grunde des § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet, dem Rechtsmittelwerber eine nach dem Akteninhalt offenkundige Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten.

4.2. Im vorliegenden Fall wurde nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrem auch als Stellungnahme zur Verspätung zu verstehenden Wiedereinsetzungsantrag das in der Kanzlei der Beschwerdevertreter am eingelangte Schriftstück mit dem Datumsstempel versehen, die Fristberechnung bzw. -vormerkung sei ausgehend vom erfolgt. Die Beschwerdeführer behaupten demnach, die Zustellung des den Fristenlauf auslösenden Schriftstückes sei - entgegen der Annahme der belangten Behörde in ihrem Vorhalt betreffend die Verspätung der Vorstellung - am erfolgt. Sie haben zum Beweis für ihr Vorbringen, insbesondere dass der Berufungsbescheid der Stadtgemeinde X vom erst am zur Post gegeben, demnach keinesfalls bereits an diesem Tag dem Beschwerdevertreter zugestellt und auch der Rückschein erst am seitens der Postfiliale X abgestempelt worden sei, Beweise angeboten.

Die belangte Behörde hat diese Beweise nicht aufgenommen und ist von dem auf dem Rückschein ersichtlichen Datum ausgegangen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde wären jedoch die angebotenen Beweise zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Vorstellung aufzunehmen gewesen:

Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO iVm § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0019, mwN).

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern die Verspätung ihrer Vorstellung unter Hinweis auf die am erfolgte Zustellung des Berufungsbescheides vorgehalten. Dem gegenüber behaupten die Beschwerdeführer - wie dargestellt - die Unrichtigkeit des auf dem Rückschein befindlichen Datumsstempels und eine Zustellung erst am .

Dadurch, dass die belangte Behörde ungeachtet eines entsprechend begründeten Vorbringens Ermittlungen zur Zustellung des Berufungsbescheides der Stadtgemeinde X unterlassen hat, hat sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der zweitangefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

4.3. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist zur Einreichung einer Vorstellung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand u.a. zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Ausgehend von einer nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführer am erfolgten Zustellung des Berufungsbescheides der Stadtgemeinde X an den Beschwerdevertreter wurde die Vorstellung rechtzeitig erhoben. Mangels (behaupteter) Fristversäumnis ist aber für eine Wiedereinsetzung kein Raum, sodass die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen hat.

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am