VwGH vom 31.05.2012, 2012/06/0081

VwGH vom 31.05.2012, 2012/06/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde der HP in S, vertreten durch Dr. Beate Schauer, Rechtsanwältin in 2460 Bruck/Leitha, Hauptplatz 10-11, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 07-B-BRM-1350/1-2012, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. SD in E, 2. Gemeinde S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin bekämpft als Nachbarin eine dem Erstmitbeteiligten (Bauwerber) erteilte Baubewilligung für Zu- und Umbauten bei einem bestehenden Wohnhaus im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich, machte die Beschwerdeführerin geltend, die Baubewilligung dürfe nicht erteilt werden, weil es an einer (gehörigen) Verbindung zu einer öffentlichen Fahrstraße mangle. Der bestehende Verbindungsweg führe über ihr Grundstück und sei (deshalb) rechtswidrig zur Verbindungsstraße gemäß dem Kärntner Straßengesetz 1991 erklärt worden.

Der Bürgermeister erteilte mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung. Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin ebenfalls als unbegründet abgewiesen und dabei ausgeführt, Vorschriften betreffend das Erfordernis der Verbindung des Baugrundstückes zu einer öffentlichen Fahrstraße begründeten kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/05/0140), weshalb das diesbezügliche umfangreiche Vorbringen der Beschwerdeführerin ins Leere gehe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.

Im Beschwerdefall ist die Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62 (Wiederverlautbarung - K-BO 1996), idF LGBl. Nr. 16/2009 anzuwenden.

Gemäß § 17 Abs. 2 lit. a K-BO 1996 darf, soweit im Beschwerdefall erheblich, die Baubewilligung nur erteilt werden, wenn eine der Art, Lage und Verwendung des Vorhabens entsprechende Verbindung zu einer öffentlichen Fahrstraße besteht.

§ 23 K-BO 1996 trifft nähere Bestimmungen zu den Parteien des Baubewilligungsverfahrens und zu den Einwendungen, die im Baubewilligungsverfahren erhoben werden können. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

"(2) Anrainer sind:

a) die Eigentümer (Miteigentümer) der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke und aller weiteren im Einflussbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke sowie

b) entfällt

(3) Anrainer im Sinn des Abs 2 dürfen gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, dass sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;
b)
die Bebauungsweise;
c)
die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;
d)
die Lage des Vorhabens;
e)
die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;
f)
die Bebauungshöhe;
g)
die Brandsicherheit;
h)
den Schutz der Gesundheit der Anrainer;
i)
den Immissionsschutz der Anrainer."
Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass der Beschwerdeführerin als Nachbarin im Hinblick auf das in § 17 Abs. 2 lit. a K-BVO 1996 vorgesehene Erfordernis für die Bewilligung eines Bauansuchens, nämlich eine entsprechende Verbindung des Baugrundstückes zu einer öffentlichen Fahrstraße, kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 23 Abs. 3 leg. cit. zukommt (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/06/0092, oder auch vom , Zl. 2005/05/0147, mwN; vgl. auch das von der belangten Behörde genannte hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/05/0041, BauSlg 882/1987).
Mangels entsprechenden Mitspracherechts kann die Beschwerdeführerin im Baubewilligungsverfahren (darum ging es und nicht um ein Verfahren nach dem Straßengesetz) und demzufolge im Anschluss daran in diesem Beschwerdeverfahren daher nicht mit Erfolg die Frage thematisieren, ob der fragliche Weg zu Recht oder zu Unrecht zur öffentlichen Straße erklärt wurde.
Die Beschwerdeführer haben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und (gegebenenfalls) die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom , Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom , Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EuGH hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen (exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.
Diese Voraussetzungen liegen auch im Beschwerdefall vor: Der Beschwerdefall ist durch die Rechtslage und die bisherige ständige Rechtsprechung geklärt; die Beschwerdeführerin kann ihr in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachtes Ziel, die Öffentlichkeitserklärung dieses Weges zu Fall zu bringen, in diesem Beschwerdeverfahren nicht erreichen. Es geht ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am