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VwGH 29.04.2015, 2012/06/0075

VwGH 29.04.2015, 2012/06/0075

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
RS 1
Es ist zutreffend, dass die Sanierung des Verfahrensmangels des Parteiengehörs auch dadurch erfolgen kann, dass den Parteien mit dem Berufungsbescheid die Entscheidungsgrundlagen bekannt gegeben werden und sie die Möglichkeit haben, sich in ihrer Vorstellung dagegen zu wenden (Hinweis E vom , 2001/05/0024). Es ist weiters zutreffend, dass nicht jeder Verfahrensmangel zur Aufhebung des Gemeindebescheides durch die Vorstellungsbehörde zu führen hat, sondern nur ein wesentlicher Verfahrensmangel, bei dessen Vermeidung eine andere Entscheidung der Gemeindebehörde möglich gewesen wäre (Hinweis Erkenntnisse vom , 642/70, vom , 97/06/0094, und vom , 99/06/0010).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/05/0200 E RS 1
Normen
RS 2
Zwar ist die Vorstellungsbehörde berechtigt, von sich aus das Ermittlungsverfahren zu ergänzen. Liegt ein entscheidungswesentlicher Mangel des Verfahrens vor und macht die Vorstellungsbehörde von der ihr so gegebenen Möglichkeit aber keinen Gebrauch, dann muss sie den Bescheid der Gemeinde aufheben (Hinweis E vom , 2011/05/0200).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde 1. des W S, 2. des I H, beide in P, beide vertreten durch Dr. Franz M. Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/I, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B- 12.10-H228/2012-5, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. R S, 2. G S, beide in L, 3. Gemeinde H), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bauansuchen vom beantragten die mitbeteiligten Parteien (im Folgenden: Bauwerber) die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Schweinestalles mit Güllelager, zweier CCM Silos, einer Trockenanlage und einer Hackgutheizung mit Hackgutlager auf dem Grundstück Nr. 9, KG S., in der mitbeteiligten Gemeinde.

Mit Verfügung der mitbeteiligten Gemeinde vom erfolgte die Kundmachung und Ladung zur Bauverhandlung am .

In ihren im Wesentlichen gleichlautenden Einwendungen vom  machten die Beschwerdeführer geltend, der bereits bestehende Schweinestall überschreite schon jetzt die Zumutbarkeit der Geruchsbelästigung; eine Erweiterung von Schweinestall und Güllelager würde ihre Lebensqualität und die ihrer Familien auf das "unerträglichste herabsetzen". Die Trockenanlage sei für die Nachtstunden (ab 22 Uhr bis 6 Uhr) abzustellen. "Sollte dem nicht zugestimmt werden kann einer Erweiterung der Trockenanlage nicht zugestimmt werden."

Die Beschwerdeführer waren bei der am durchgeführten Bauverhandlung, die auf dem Baugrundstück stattfand, anwesend. Die Verhandlung wurde unterbrochen und am im Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde fortgesetzt. Die schriftlich erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführer wurden erörtert. Diese brachten des Weiteren vor, beim Aufmixen der Gülle entstehe eine unzumutbare, nicht zu beschreibende Geruchsbelästigung, die sich über mehrere Tage hinziehe. Beim medizinischen Gutachten Dris. X sei der IST-Zustand der anrainenden Personen nicht erhoben worden. Ein medizinischer Leitfaden für die Beurteilung von Geruch, Geräuschen, Gesundheit usw. wäre zu berücksichtigen. Es werde der "Einwand der Festmistlagerung vorgebracht", derzeit werde der Festmist in die Güllegrube abgeleitet. Der Erstbeschwerdeführer machte geltend, dass die Geruchsbelästigung durch das Umrühren und Ausführen der Gülle an der Nordseite des Schweinestalles zu seinem Wohnhaus hin unerträglich sei.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde den Bauwerbern die Baubewilligung unter Auflagen erteilt.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Berufungen des Zweitbeschwerdeführers vom und des Erstbeschwerdeführers vom wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

2. Mit gleichlautenden Bescheiden der belangten Behörde vom wurde der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen (1. Vorstellungsbescheid). Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, die Gemeindebehörden seien betreffend die projektbezogenen Geruchsimmissionen nicht nach § 52 AVG vorgegangen, weder sei ein Gutachten eines Amtssachverständigen eingeholt noch sei ein nicht amtlicher Sachverständige (bescheidmäßig) bestellt und beeidet, noch sei begründet worden, weshalb dies unterlassen worden sei; die Gemeindebehörden hätten sich vielmehr mit einem von den Bauwerbern vorgelegten Privatgutachten des DI Y (vom ) samt Ergänzung (vom ) begnügt. Würden nicht nach Maßgabe des § 52 AVG Amtssachverständige oder von der Behörde bestellte sonstige Sachverständige herangezogen, sondern Gutachten anderer Sachverständiger ("Privatgutachten") von einer Partei vorgelegt, so seien diese einer Überprüfung durch Sachverständige im Sinne des § 52 AVG zu unterziehen (Plausibilitätsprüfung; Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/05/0099, vom , Zl. 2002/05/0751 und vom , Zl. 98/04/0242). Diese Überprüfung sei unterblieben, was im gegenständlichen Fall einen wesentlichen Verfahrensmangel begründe, wobei es in diesem Zusammenhang (unterbliebene Überprüfung des Privatgutachtens durch einen Sachverständigen im Sinne des § 52 AVG) nicht zulässig sei, die Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, sie hätten selbst ein Privatgutachten zur Untermauerung ihres Standpunktes beibringen können. Da sohin die immissionstechnische Beurteilung ohne Prüfung auf Plausibilität nicht geeignet gewesen sei, den medizinischen Gutachten zugrunde gelegt zu werden, seien durch das mangelhafte Ermittlungsverfahren jedenfalls Rechte der Beschwerdeführer verletzt worden.

3. Nach Verfahrensergänzung durch Einholung eines agrartechnischen Gutachtens des Amtssachverständigen Mag. Dr. Z und einer weiteren distriktsärztlichen Stellungnahme Dris. X vom gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit (Ersatz)bescheid vom den Berufungen keine Folge und bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom vollinhaltlich. In der Begründung wird zur aufgetragenen Verfahrensergänzung wie folgt ausgeführt:

"... Zusammengefasst wird daher festgehalten, dass der von der Aufsichtsbehörde angenommene Verfahrensmangel für die Behebung und Zurückverweisung des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde Hengsberg vom nicht vorgelegen hat.

Die belangte Behörde hat aber (natürlich) dennoch in Entsprechung des Bescheides der Aufsichtsbehörde mit Schreiben vom an die Fachabteilung 17A der Steiermärkischen Landesregierung ein Ersuchen um Plausibilitätsprüfung der vorgelegten Unterlagen zum Bauverfahren (der Bauwerber) vorgelegt.

Mit Befund und Gutachten des amtlichen Sachverständigen Mag. Dr. (Z) (GZ ...) wurden die Gutachten, die die Grundlage des bekämpften Bescheides darstellten, vollinhaltlich bestätigt, sohin eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt.

Im Anschluss an das Gutachten des amtlichen Sachverständigen Mag. Dr. (Z) wurde nochmals um distriktsärztliche Stellungnahme Dris. (X) ersucht. Dieser kam ... zu dem Ergebnis, dass beim vorliegenden, bewilligten Bauvorhaben eine Gesundheitsgefährdung durch Lärm- und Geruchsimmission nicht zu erwarten ist. Sämtliche Grenzwerte, insbesondere jene der Geruchs- und Lärmbelästigung liegen im ortsüblichen Rahmen."

In ihren (als Berufungen bezeichneten) Vorstellungen vom  machten die Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, weder das Gutachten des Mag. Dr. Z noch das neuerliche Gutachten Dris. X seien ihnen zur Kenntnis gebracht worden. In einem Gutachten für einen Schweinestall in L sei durch Gutachter festgestellt worden, dass eine extreme Geruchsbelästigung innerhalb eines Umkreises von 170 m vorliege.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellungen als unbegründet ab (2. Vorstellungsbescheid).

Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, das zu bebauende Grundstück sei im geltenden Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde als Freiland ausgewiesen. Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk BauG 1995 habe der Nachbar keinen Anspruch darauf, dass das Vorhaben schlechthin mit dem Flächenwidmungsplan übereinstimme, sondern nur, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden sei. Die Widmungskategorie Freiland sehe keinen Immissionsschutz vor. Ein Mitspracherecht unabhängig von der Flächenwidmung räume dem Nachbarn allerdings § 13 Abs. 12 Stmk BauG 1995 ein. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Schweinestall grundsätzlich in der Widmungskategorie Freiland zulässig sei, sei im Folgenden zu prüfen, ob durch die geplante bauliche Anlage eine unzumutbare oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarn zu erwarten sei. Hinsichtlich der zu erwartenden Geruchsimmissionen sei von den Bauwerbern ein agrartechnisches Gutachten von DI Y vom samt Ergänzung vom vorgelegt worden. Dieses Gutachten sei als Grundlage für die Entscheidung der Baubehörde herangezogen worden. Im Wesentlichen komme der Sachverständige in seiner Beurteilung zum Ergebnis, dass bei Errichtung des geplanten Stalles wie vorgesehen und bei Verbesserung der Abluftführung beim Stall 2 wie beschrieben die Belästigungsgrenze in Richtung Norden geringfügig größer sei als der Abstand zum do. Grundstück, aber geringer als der Abstand zum Wohnhaus. Nach Süden sei der Abstand zum Wohnhaus größer als die Belästigungsgrenze. Durch Erhöhung des "Kamines" auf 10 m über Boden (Aufstockung um ca. 2 m) könne die Situation verbessert werden, die Belästigungsgrenze verringere sich diesfalls nach Norden auf 70 m und sei somit gleich mit dem Abstand bis zur Grundstücksgrenze und verringere sich nach Süden auf 79 m. Dieses Gutachten sei auch Grundlage für die ursprüngliche medizinische Beurteilung gewesen. Aufgrund der behebenden Entscheidung durch die belangte Behörde seien im fortgesetzten Verfahren seitens des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde mit Schreiben vom die Unterlagen zum gegenständlichen Bauvorhaben an die Fachabteilung 17A der Steiermärkischen Landesregierung mit dem Ersuchen um Plausibilitätsprüfung in Bezug auf die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus der Nutztierhaltung in Stallungen übermittelt worden. Im Rahmen dieser Plausibilitätsprüfung sei die Geländeklimatologie durch eine Ortsbegehung erhoben worden. Der Gutachter Mag. Dr. Z komme zusammengefasst in seiner abschließenden Beurteilung zum Ergebnis, dass es durch den Stallneubau zu keiner Zunahme der Geruchsintensität komme bzw. diese sich im Rahmen der ortsüblichen Kerngröße bewege und habe somit das agrartechnische Gutachten des DI S bestätigt.

Die Ergebnisse der Beweisaufnahme (agrartechnisches Gutachten des DI Y vom bzw. vom , schalltechnisches Gutachten des Ing. W vom bzw. vom sowie die Plausibilitätsprüfung des Mag. Dr. Z vom ) seien abschließend einer neuerlichen distriktsärztlichen Beurteilung durch Dr. X unterzogen worden. Dr. X komme in seiner medizinischen Stellungnahme vom zu dem Schluss, dass durch die baulichen Ausführungen eine Gesundheitsgefährdung weder durch Lärm- noch durch Geruchsimmissionen zu erwarten sei, vielmehr würden die Immissionen bei fachgerechter Ausführung und bei sachgemäßem Betrieb der Anlagen das ortsübliche Ausmaß nicht überschreiten.

Somit könne der festgestellte wesentliche Mangel aufgrund der neuerlichen immissionstechnischen Beurteilung nach erfolgter Prüfung auf Plausibilität als saniert angesehen werden und könnten die vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde als unbegründet abgewiesenen Einwendungen hinsichtlich Geruch- und Lärmbelästigung im Sinne des § 13 Abs. 12 Stmk BauG 1995 schlüssig nachvollzogen werden.

Die Verletzung des Parteiengehörs bilde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Um dies beurteilen zu können, müsse der Vorstellungswerber jene entscheidenden Tatsachen bekannt geben, die der Behörde wegen dieser Unterlassung unbekannt geblieben seien. Es genüge nicht, die Verletzung einer Verfahrensvorschrift, in diesem Fall die Verletzung des Parteiengehörs, aufzuzeigen, sondern es müsse auch konkret dargetan werden, welches Vorbringen im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet worden wäre und inwiefern die Behörde dadurch zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/12/0105).

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Gemeinde - in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6.1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde von Bedeutung:

Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995) idF LGBl. Nr. 88/2008 (das Bauansuchen stammt vom - siehe dazu die Übergangsbestimmung zur Novelle LGBl. Nr. 13/2011, § 119j):

"§ 13

Abstände

...

(12) Lässt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine unzumutbare oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarn erwarten oder ist dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich, hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben.

...

§ 26

Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist

2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 77 Abs. 1)

4.

die brandschutztechnische Ausführung der Außenwände von Bauwerken an der Nachbargrenze (§ 52 Abs. 2)

5. die Vermeidung einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung bzw. unzumutbaren Beeinträchtigung (§ 57 Abs. 2, § 58, § 60 Abs. 1, § 66 zweiter Satz und § 88)

6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6).

..."

6.2. Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, sie seien der seitens der Baubehörde durchgeführten "angeblichen" Verfahrensergänzung (Plausibilitätsprüfung des Amtssachverständigen Mag. Dr. Z, ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Distriktarztes Dr. X) nicht beigezogen worden. Weder seien sie von ergänzenden Befundaufnahmen verständigt, noch seien ihnen Gutachten oder ergänzende Stellungnahmen der Sachverständigen zur Durchsicht und Stellungnahme übermittelt worden.

Aus dem angefochtenen Bescheid gehe hervor, dass die Plausibilitätsprüfung durch den Amtssachverständigen ausschließlich in Hinblick auf die vom Bewilligungsprojekt ausgehenden Geruchs- bzw. Gasemissionen stattgefunden habe und es zu keiner Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der Lärmemissionen gekommen sein könne, zumal sich derartiges nicht im Rahmen einer Ortsbegehung zur Erhebung der Geländeklimatologie ergeben könne, sondern nur im Rahmen von umfangreichen Lärmmessungen; eine Plausibilitätsprüfung sei daher - sofern überhaupt - nach wie vor vollkommen unzureichend erfolgt. Mangels Beiziehung der Beschwerdeführer zur Stellungnahme zu den Beweisergebnissen im ergänzten Verfahren sei es diesen jedoch nicht möglich gewesen, auf die dementsprechenden Mängel im ergänzten Verfahren hinzuweisen. Bei Beiziehung der Beschwerdeführer wäre deutlich zutage getreten, dass das Projekt aufgrund der von ihm ausgehenden Geruchs- und Schallemissionen und der viel zu geringen Gebäudeabstände, insbesondere zum Wohnhaus des Erstbeschwerdeführers, nach wie vor nicht bewilligungsfähig sei.

Die belangte Behörde übergehe, dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde im Ergebnis noch immer keine ordnungsgemäße, nachvollziehbare und umfassende Prüfung dahingehend vorgenommen habe, ob durch die geplante bauliche Anlage eine unzumutbare oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarn zu erwarten sei.

6.3. Nach § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Nach § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer zufolge und von der Aktenlage gedeckt, wurden ihnen weder vor der Berufungsentscheidung im zweiten Rechtsgang noch mit dem Berufungsbescheid die im Zuge der Verfahrensergänzung eingeholten Gutachten des Mag. Dr. Z und des Dr. X zur Kenntnis gebracht. Nun ist es zwar zutreffend, dass die Sanierung des Verfahrensmangels des Parteiengehörs auch dadurch erfolgen kann, dass den Parteien mit dem Berufungsbescheid die Entscheidungsgrundlagen bekannt gegeben werden und sie die Möglichkeit haben, sich in ihrer Vorstellung dagegen zu wenden. Es ist weiters zutreffend, dass nicht jeder Verfahrensmangel zur Aufhebung des Gemeindebescheides durch die Vorstellungsbehörde zu führen hat, sondern nur ein wesentlicher Verfahrensmangel, bei dessen Vermeidung eine andere Entscheidung der Gemeindebehörde möglich gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0200, mwN).

Im vorliegenden Fall ist allerdings von einer derartigen Wesentlichkeit des mangelnden Parteiengehörs auszugehen, haben doch die Beschwerdeführer in ihrer Vorstellung - ungeachtet dessen, dass im Berufungsbescheid - wie dargestellt - nicht der Inhalt des Gutachtens in allen wesentlichen Teilen, sondern nur das Gutachten "im engeren Sinn" wiedergegeben wurde (der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG unterliegt sowohl der Befund als auch die darauf als Gutachten beruhenden sachverhaltsbezogenen Schlussfolgerungen - vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/04/0196, mwN), begründet die Ausführungen des Amtssachverständigen Mag. Dr. Z in Frage gestellt, insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen einer extremen Geruchsbelästigung. Damit wurde auch die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Sachverständigenäußerung zutreffend in Frage gestellt, wofür es nicht nötig ist, den Darlegungen des Sachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I (1998), S. 839 unter E 252 ff zitierte hg. Judikatur). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem behördlichen Eingehen auf das Vorstellungsvorbringen in der Sache ein anderes Ergebnis erzielt worden wäre.

Zwar ist die Vorstellungsbehörde berechtigt, von sich aus das Ermittlungsverfahren zu ergänzen. Liegt ein entscheidungswesentlicher Mangel des Verfahrens vor und macht die Vorstellungsbehörde von der ihr so gegebenen Möglichkeit aber keinen Gebrauch, dann muss sie den Bescheid der Gemeinde aufheben (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom ).

Die Ansicht der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, bei der Stellungnahme des Mag. Dr. Z handle es sich (nur) um eine Überprüfung des Gutachtens der Bauwerber im Hinblick auf seine Plausibilität und nicht um "die Erstellung eines neuen Gutachtens", weshalb es nicht notwendig gewesen sei, diesbezüglich Parteiengehör zu wahren, ist jedenfalls verfehlt.

7. Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser schon aus diesem Grund, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr. 8/2014).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
Schlagworte
Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der
Vorstellungsbehörde
Besondere Rechtsgebiete Baurecht
Gutachten Parteiengehör
Parteiengehör Sachverständigengutachten
Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:2012060075.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAE-69792