Suchen Hilfe
VwGH vom 20.12.2017, Ra 2016/10/0069

VwGH vom 20.12.2017, Ra 2016/10/0069

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision der Vorarlberger Landesregierung in 6901 Bregenz, Römerstraße 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl. LVwG-303-001/R4-2015-8, betreffend Anerkennung eines Zeugnisses als Ersatz für die Diplomschilehrerprüfung (mitbeteiligte Partei: M F in B, vertreten durch Zachmann & Partner Rechtsanwälte in D-82140 Olching, Fritzstraße 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Spruchpunkt I. des Bescheides der Vorarlberger Landesregierung vom wurden der Mitbeteiligten gemäß § 29 des Schischulgesetzes iVm § 1 der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen nach dem Recht der Europäischen Union für Praktikanten, Schilehrer, Diplomschilehrer, Schiführer und Schischulleiter (im Folgenden: Anerkennungsverordnung) sowie gemäß der Verordnung der Landesregierung über den Ausbildungskurs und die Prüfung für Schilehrer sowie die Anerkennung von Prüfungen und Ausbildungen die von ihr vorgelegten (näher angeführten) Nachweise als Ersatz für die Ausbildung und Prüfung gemäß §§ 22, 26 Abs. 4 des Schischulgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung ("Schilehrerausbildung und Schilehrerprüfung") anerkannt. Mit Spruchpunkt II. dieses Bescheides erfolgte gemäß §§ 29 und 26 Abs. 4 des Schischulgesetzes iVm § 1 Anerkennungsverordnung sowie der Verordnung der Landesregierung über den Ausbildungskurs und die Prüfung für Diplomschilehrer eine Anerkennung als Diplomschilehrerin unter der Bedingung der Ablegung näher angeführter Prüfungen sowie einer mindestens dreimonatigen Tätigkeit als Lehrkraft in einer Schischule. Mit Spruchpunkt III. schrieb die Vorarlberger Landesregierung der Mitbeteiligten für die erfolgten Anerkennungen die Entrichtung von Verwaltungsabgaben vor.

2 Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die Vorarlberger Landesregierung der gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides erhobenen Beschwerde insofern Folge, als auf Basis der von der Mitbeteiligten weiters vorgelegten Nachweise hinsichtlich Ausbildung und Praxiszeiten eine Anerkennung als Diplomschilehrerin nach erfolgreich abgelegten Eignungsprüfungen auf dem Leistungsniveau "Diplomschilehrer" lediglich hinsichtlich der praktischen Prüfungsfächer "Schulefahren", "Geländefahren", und "praktisch methodische Übungen" und des theoretischen Prüfungsfachs "Berufskunde" erfolgte.

3 Mit dem aufgrund des von der Mitbeteiligten gestellten Vorlageantrags erlassenen gegenständlich angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (im Folgenden: LVwG) der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und erkannte das der Mitbeteiligten von der Technischen Universität München am ausgestellte Zeugnis über die staatliche Prüfung für Schilehrer nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Fachsportlehrer im freien Beruf gemäß § 29 Abs. 1 iVm § 23 Vorarlberger Schischulgesetz iVm § 1 der Anerkennungsverordnung als Ersatz für die Diplomschilehrerprüfung an.

4 In seiner Begründung ging das LVwG davon aus, dass sich die von der Mitbeteiligten absolvierte bayrische Ausbildung inhaltlich jedenfalls nicht wesentlich von der Vorarlberger Ausbildung zum Diplomschilehrer unterscheide, weil sämtliche Fächer mit nicht wesentlichen Unterschieden auch Gegenstand der Ausbildung bzw. Prüfung in Bayern seien. Ob allfällige zeitliche Unterschiede bzw. solche im Detail bestünden, könne auf Grund der Rechtslage dahingestellt bleiben. Die entscheidende Frage, ob bloße Unterschiede in der Dauer einer Ausbildung die Behörde des Aufnahmemitgliedstaats überhaupt berechtige, dem Inhaber eines Ausbildungsnachweises eines anderen Mitgliedstaats eine Ergänzungsprüfung aufzuerlegen, sei nach Art. 14 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (im Folgenden: Berufsqualifikationsrichtlinie) in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zu beurteilen. Dabei sei auf einen Vergleich der alten Fassung mit der neuen Fassung zurückzugreifen. Da Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2005/36/EG in der Stammfassung noch von "Abweichungen hinsichtlich Dauer oder Inhalt" gesprochen habe, in der durch die Richtlinie 2013/55/EU geänderten Fassung jedoch nur mehr von "Abweichungen hinsichtlich des Inhalts" die Rede sei, sei davon auszugehen, dass Ausgleichsmaßnahmen nur mehr dann zulässig seien, wenn Unterschiede zwischen den Ausbildungen bestünden, die über eine unterschiedliche Dauer der Ausbildung hinausgingen. Bloße Unterschiede in der Ausbildungsdauer der Fächer berechtigten somit zu keinen Ausgleichsmaßnahmen mehr, wenn innerhalb der kürzeren Dauer Inhalte absolviert würden, die sich nicht wesentlich von denen im Aufnahmemitgliedstaat unterschieden. Wenn nämlich der Normsetzer in einer Novellierung von zwei Alternativen eine eliminiere, könne dies nicht anders verstanden werden, als dass der Normsetzer die eliminierte Alternative künftig nicht mehr vorsehen wolle. Vor diesem Hintergrund könne die Sichtweise des Amtssachverständigen, wonach eine kürzere Ausbildung automatisch zwingend weniger Inhalt bedeute, nicht nachvollzogen werden. Wenn der Richtliniengeber dies von vornherein so verstanden hätte, hätte sich die zulässige Anführung der Abweichungen hinsichtlich der Dauer in der Stammfassung erübrigt, weil diese dann ohnehin unter "Abweichungen hinsichtlich des Inhalts" zu subsumieren gewesen wären. Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2005/36/EG habe in seiner Stammfassung auch noch die Möglichkeit vorgesehen, eine Eignungsprüfung bzw. einen Anpassungslehrgang vorzuschreiben, wenn die Ausbildungsdauer mindestens ein Jahr unter der im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildungsdauer liege. Auch diese Möglichkeit sei durch die Änderung mit der Richtlinie 2013/55/EU weggefallen. Daraus sei ebenso zu entnehmen, dass nach dem Willen des Normsetzers künftig Ausgleichsmaßnahmen nur mehr dann vorgeschrieben werden dürften, wenn inhaltlich wesentliche Unterschiede bestünden. Bloße wesentliche Unterschiede in der Ausbildungsdauer sollten nach dem offenbaren Willen des Richtliniengebers nicht mehr dazu führen, dass eine Anerkennung von der Ablegung einer Ausgleichsmaßnahme abhängig gemacht werde.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

6 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unzulässig zurück-, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. Abschnitts mit dem Titel "Ausbildungen, Prüfungen" des Vorarlberger Gesetzes über die Erteilung von Schiunterricht sowie über das Führen und Begleiten beim Schilaufen (Schischulgesetz), LGBl. Nr. 55/2002 idF LGBl. Nr. 18/2015, lauten:

"§ 22

Schilehrerprüfung

(1) Durch die Prüfung für Schilehrer ist festzustellen, ob die Kenntnisse und Fertigkeiten des Bewerbers für die fachkundige Erteilung von Unterricht im Schilauf (Alpiner Schilauf, Snowboarden, Telemarken und Langlauf) ausreichen.

(2) Die Prüfung für Schilehrer ist in einen theoretischen und in einen praktischen Teil zu gliedern. Sie erstreckt sich im theoretischen Teil insbesondere auf die Gegenstände Berufskunde, Unterrichtslehre, Erste Hilfe, Bewegungslehre, Schnee- und Lawinenkunde, Geländekunde, Ausrüstungskunde, Fremdsprache sowie Naturschutz. Im praktischen Teil erstreckt sich die Prüfung insbesondere auf die Gegenstände Schulefahren, Geländefahren, Sportlicher Schilauf und Schilauf abseits gesicherter Abfahrten.

(3) Die Prüfung für Schilehrer besteht aus zwei Teilprüfungen. Durch die erste Teilprüfung ist festzustellen, ob die Kenntnisse und Fertigkeiten des Bewerbers ausreichen, um Grundkenntnisse des Schilaufes zu vermitteln. Durch die zweite Teilprüfung ist zu ermitteln, ob die Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne des Abs. 1 ausreichen.

(4) Zur Prüfung für Schilehrer sind Personen zuzulassen, die

a) das 17. Lebensjahr vollendet haben; für die Zulassung zur ersten Teilprüfung genügt die Vollendung des 15. Lebensjahres, und

b) an einer entsprechenden Ausbildung nach § 27 teilgenommen haben. Voraussetzung für die Zulassung zur zweiten Teilprüfung ist überdies eine mindestens dreiwöchige Verwendung in einer Schischule.

§ 23

Diplomschilehrerprüfung

(1) Durch die Prüfung für Diplomschilehrer ist festzustellen, ob die Kenntnisse und Fertigkeiten des Bewerbers für die fachkundige Erteilung von Unterricht im Schilauf (Alpiner Schilauf, Snowboarden, Telemarken und Langlauf) in besonderem Maße gegeben sind.

(2) Die Prüfung ist in einen theoretischen und in einen praktischen Teil zu gliedern. Sie erstreckt sich im theoretischen Teil insbesondere auf die Gegenstände Berufskunde, Unterrichtslehre, Körperlehre und Erste Hilfe, Bewegungslehre, Alpinkunde, Schnee- und Lawinenkunde, Geländekunde, Kartenkunde und Orientierung, Ausrüstungskunde und Fremdsprachen. Im praktischen Teil erstreckt sich die Prüfung insbesondere auf die Gegenstände Schulefahren, Geländefahren, Sportlicher Schilauf und Schilauf abseits gesicherter Abfahrten sowie Bergrettungsübungen.

(3) Zur Prüfung für Diplomschilehrer sind Personen zuzulassen, die

a) mindestens drei Monate als Schilehrer Schiunterricht

erteilt haben sowie

b) an einer entsprechenden Ausbildung nach § 27 teilgenommen haben.

...

§ 29

Anerkennung von Ausbildungsnachweisen nach dem Recht der Europäischen Union

(1) Die Landesregierung hat im Einzelfall entsprechend der Richtlinie 2005/36/EG Ausbildungsnachweise, die Angehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union von einer zuständigen Stelle eines Mitgliedstaates ausgestellt worden sind, durch Bescheid als Ersatz für Prüfungen und Ausbildungen im Sinne dieses Abschnittes anzuerkennen. Bestehen wesentliche Unterschiede zur Qualifikation durch Prüfungen und Ausbildungen im Sinne dieses Abschnittes und sind diese nicht durch Kenntnisse, insbesondere aufgrund einer Berufspraxis, ausgeglichen, ist der antragstellenden Person eine entsprechende Eignungsprüfung bescheidmäßig vorzuschreiben. Wenn eine Qualifikation nach § 25 (Unternehmerprüfung) anerkannt werden soll, hat die Vorschreibung der antragstellenden Person die Wahl zwischen einer Eignungsprüfung und einem Anpassungslehrgang zu ermöglichen.

(2) Die Landesregierung kann durch Verordnung entsprechend der Richtlinie 2005/36/EG die näheren Vorschriften über die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen nach Abs. 1, insbesondere über die wesentlichen Unterschiede sowie den Inhalt und die Durchführung von Maßnahmen zum Ausgleich der wesentlichen Unterschiede, erlassen.

(3) Die Landesregierung kann durch Verordnung festlegen, inwieweit Ausbildungsnachweise gemäß Abs. 1 als Ersatz für Prüfungen und Ausbildungen im Sinne dieses Abschnittes gelten.

(4) Die Abs. 1 bis 3 gelten sinngemäß für Ausbildungsnachweise, die in Drittstaaten oder für Drittstaatsangehörige ausgestellt worden sind, soweit diese hinsichtlich der Anerkennung von Berufsqualifikationen nach dem Recht der Europäischen Union oder aufgrund eines Staatsvertrages gleichzustellen sind."

8 § 1 der Anerkennungsverordnung, LGBl. Nr. 6/2008, lautet

auszugsweise:

"§ 1

Voraussetzung für die Anerkennung

(1) Die Landesregierung hat auf Antrag Diplome, Prüfungszeugnisse oder Befähigungsnachweise über den Abschluss einer reglementierten Ausbildung im Sinne der Richtlinie 2005/36/EG, die einem Angehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union von einer zuständigen Stelle eines Mitgliedstaates ausgestellt worden sind, durch Bescheid als Ersatz für Prüfungen und Ausbildungen im Sinne des 7. Abschnittes des Schischulgesetzes und der dazu ergangenen Verordnungen anzuerkennen.

(2) Einem Nachweis gemäß Abs. 1 sind ein oder mehrere Ausbildungsnachweise gleichgestellt, die einem Angehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union von einer zuständigen Stelle eines Mitgliedstaates ausgestellt worden sind, sofern die antragstellende Person in den letzten zehn Jahren diesen Beruf vollzeitlich zwei Jahre oder während einer dieser Zeit entsprechenden Dauer teilzeitlich in einem Mitgliedstaat ausgeübt hat, der diesen Beruf nicht reglementiert.

(3) Bestehen wesentliche Unterschiede zwischen der nach Abs. 1 oder 2 nachgewiesenen Qualifikation und der Qualifikation durch Prüfungen und Ausbildungen, die im 7. Abschnitt des Schischulgesetzes und den dazu ergangenen Verordnungen geregelt sind, und sind diese nicht durch Kenntnisse, insbesondere aufgrund einer Berufspraxis, ausgeglichen, hat die Landesregierung die Anerkennung unter der Bedingung auszusprechen, dass die fehlende Qualifikation durch Ablegung einer Eignungsprüfung nachzuweisen ist. In diesem Bescheid ist auszusprechen, in welchen Bereichen die Qualifikation mangelhaft ist.

..."

9 Art. 14 der Berufsqualifikationsrichtlinie lautete in

seiner Stammfassung Nr. 2005/36/EG:

"Artikel 14

Ausgleichsmaßnahmen

(1) Artikel 13 hindert den Aufnahmemitgliedstaat nicht daran, in einem der nachstehenden Fälle vom Antragsteller zu verlangen, dass er einen höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang absolviert oder eine Eignungsprüfung ablegt:

a) wenn die Ausbildungsdauer, die er gemäß Artikel 13 Absatz 1 oder 2 nachweist, mindestens ein Jahr unter der im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildungsdauer liegt;

b) wenn seine bisherige Ausbildung sich auf Fächer bezieht,

die sich wesentlich von denen unterscheiden, die durch den

Ausbildungsnachweis abgedeckt werden, der im Aufnahmemitgliedstaat

vorgeschrieben ist;

c) wenn der reglementierte Beruf im Aufnahmemitgliedstaat

eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die im Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des entsprechenden reglementierten Berufs im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 sind, und wenn dieser Unterschied in einer besonderen Ausbildung besteht, die im Aufnahmemitgliedstaat gefordert wird und sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis abgedeckt werden, den der Antragsteller vorlegt.

...

(4) Für die Zwecke der Anwendung des Absatzes 1 Buchstaben b und c sind unter "Fächer, die sich wesentlich unterscheiden", jene Fächer zu verstehen, deren Kenntnis eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs ist und bei denen die bisherige Ausbildung des Migranten bedeutende Abweichungen hinsichtlich Dauer oder Inhalt gegenüber der im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildung aufweist.

..."

10 Mit der Richtlinie 2013/55/EU zur Änderung der Berufsqualifikationsrichtlinie erhielten die Absätze 1 und 4 des Art. 14 folgende Fassung:

"(1) Artikel 13 hindert den Aufnahmemitgliedstaat nicht

daran, in einem der nachstehenden Fälle vom Antragsteller zu

verlangen, dass er einen höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang

absolviert oder eine Eignungsprüfung ablegt,

a) wenn die bisherige Ausbildung des Antragstellers sich

hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit auf Fächer bezieht, die

sich wesentlich von denen unterscheiden, die durch den

Ausbildungsnachweis im Aufnahmemitgliedstaat abgedeckt werden,

b) wenn der reglementierte Beruf im Aufnahmemitgliedstaat

eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die im Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des entsprechenden reglementierten Berufs sind, und wenn sich die im Aufnahmemitgliedstaat geforderte Ausbildung auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis des Antragstellers abgedeckt werden."

"(4) Für die Zwecke der Absätze 1 und 5 sind unter ‚Fächer, die sich wesentlich unterscheiden' jene Fächer zu verstehen, bei denen Kenntnis, Fähigkeiten und Kompetenzen eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sind und bei denen die bisherige Ausbildung des Migranten wesentliche Abweichungen hinsichtlich des Inhalts gegenüber der im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildung aufweist."

11 Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass seitens des Landes Vorarlberg innerhalb der mit Art. 3 der Richtlinie 2013/55/EU festgelegten Umsetzungsfrist bis kein Rechtssetzungsakt zur Umsetzung dieser Richtlinie auf dem Gebiet des Schischulwesens ergangen ist. Dies deshalb, weil der Landesgesetzgeber davon ausgegangen ist, die Richtlinie 2013/55/EU zeitige in Bezug auf das in Geltung stehende Schischulgesetz keinen Umsetzungsbedarf (vgl. den Bericht zur Regierungsvorlage zur Sammelnovelle 2016, die der Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU dienen sollte, die aber das Schischulgesetz nicht als von der Umsetzungsverpflichtung berührt qualifiziert;

s. BerichtRV, Beilage 12/2016, Teil B, 1). Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht eine unmittelbare Wirkung des für das gegenständliche Verfahren interessierenden Art. 14 der Richtlinie 2013/55/EU annehmen wollte, käme man aus den nachstehenden Gründen nicht zu der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung.

12 Die vom Verwaltungsgericht praktizierte, ausschließlich den Wortlaut des Art. 14 der Berufsqualifikationsrichtlinie in seiner Stammfassung jenem der diesen ändernden Richtlinie 2013/55/EU gegenüberstellende Interpretation ist zu kurz gegriffen. Hätte der Richtliniengeber eine solch gravierende Änderung im Sinne einer Einschränkung der Voraussetzungen für die Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen durch gänzliche Außerachtlassung der Ausbildungsdauer beabsichtigt, wäre wohl eine entsprechende Offenlegung erfolgt. Weder dem Vorschlag für die Änderung der Richtlinie 2005/36/EG (KOM/2011/0883 endg - 2011/0435 (COD)) noch den Erwägungsgründen der Richtlinie kann jedoch ein Anhaltspunkt für eine solche Einschränkung entnommen werden.

13 Andererseits übersieht das VwG, dass sich der Inhalt eines Faches nicht nur über die Beschreibung des Unterrichtsstoffes definiert, sondern naturgemäß auch über die Dauer, in der dieser Fachinhalt vermittelt wird. Es liegt auf der Hand, dass mehr Ausbildungszeit regelmäßig eine intensivere und vertiefende Beschäftigung mit dem Lehrstoff ermöglicht und damit zu einer höheren Qualifikation beiträgt. Insofern fließt die Dauer einer Fachausbildung in den Inhalt des Faches ein.

In diesem Sinne kann aus der an Art. 14 Abs. 1 und 4 der Berufsqualifikationsrichtlinie vorgenommenen Änderung für sich nicht bereits abgeleitet werden, diese sei erfolgt, um die Einbeziehung des Umfangs einer Ausbildung gänzlich auszuschließen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Änderung erfolgt ist, um die in Art. 14 Abs. 1 lit. a der Stammfassung vorgesehene starre Jahresregel und die gesonderte Erwähnung der Dauer einer Ausbildung in Abs. 4 leg. cit. zu entfernen, weil diese angesichts der engen Verwobenheit von Inhalt und Dauer einer Ausbildung entbehrlich erscheint.

14 In diesem Zusammenhang ist auch auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Anerkennung von (ua im Ausland abgelegten) Prüfungen zu verweisen. Bei der dort zu prüfenden Gleichwertigkeit von Prüfungen ist entscheidend, welcher Stoff in welchem Schwierigkeitsgrad und in welchem Umfang vermittelt wird, wobei es entsprechender Darlegungen unter Heranziehung der jeweils zur Anwendung kommenden studienrechtlichen Vorschriften bedarf (vgl. etwa , oder , 2013/10/0186, jeweils mwN). Daraus erhellt, dass die Grundlage eines Vergleichs von Prüfungen die Gesamtheit von Inhalt, Umfang und Anforderung darstellt. Nichts anderes kann für die Beurteilung von Ausbildungen iSd Berufsqualifikationsrichtlinie gelten. Dass die Prüfmaßstäbe nicht ident sind, spielt für die Frage der Beurteilungsgrundlage keine Rolle.

15 Indem das Verwaltungsgericht aufgrund seiner vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Auslegung des Art. 14 der Berufsqualifikationsrichtlinie die zeitliche Dimension der von der Mitbeteiligten in Deutschland absolvierten Schilehrerausbildung völlig ausgeklammert hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016100069.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.

Fundstelle(n):
PAAAE-69791