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VwGH vom 09.11.2010, 2009/21/0366

VwGH vom 09.11.2010, 2009/21/0366

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des O, vertreten durch Mag. Werner Purr, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 49/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA7C-2-9.O/1775-2009, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am nach Österreich gekommene Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am nächsten Tag einen Asylantrag, der mit Wirksamkeit vom in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen wurde. Unter einem wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers, der seit mit einer auf den Cayman Islands niedergelassenen britischen Staatsangehörigen verheiratet ist, nach Nigeria verfügt.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) idF BGBl. I Nr. 29/2009, der mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmann von Steiermark (der belangten Behörde) vom abgewiesen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die vorliegende Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zulässig ist, weil nach § 3 Abs. 2 zweiter Satz NAG gegen Entscheidungen über Anträge auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG eine Berufung nicht zulässig ist.

Der gegenständliche Antrag stützt sich auf § 44 Abs. 4 NAG. Diese Bestimmung und der auch für einen solchen Antrag geltende § 11 NAG - in der hier maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 - lauten (auszugsweise):

"Niederlassungsbewilligung - beschränkt

§ 44.

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. ..."

"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

...

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen."

Zu § 44 Abs. 4 NAG führen die Gesetzesmaterialien (ErlRV 88 BlgNR 24. GP 11) auszugsweise aus:

"Abs. 4 ermöglicht die Erteilung einer quotenfreien 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' für besonders berücksichtigungswürdige 'Altfälle'. Als Voraussetzungen sieht Abs. 4 vor, dass gegen den Betreffenden kein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot (§ 11 Abs. 1 Z 1 und 2) erlassen wurde, keine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 11 Abs. 1 Z 4) vorliegt, er seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und der im Verfahren festgestellte durchgängige Aufenthaltszeitraum mindestens zur Hälfte rechtmäßig gewesen ist. (...) Liegen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 (Unterkunft, Krankenversicherungsschutz, Unterhalt) nicht vor, so kann dies durch die Vorlage einer Patenschaftserklärung ersetzt werden. Es handelt sich um die Substituierung allgemeiner - und nicht besonderer - Erteilungsvoraussetzungen, weshalb die Patenschaftserklärung, wenn nötig, auch im Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels (erstmals) beigebracht werden kann."

Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Auffassung, der Beschwerdeführer habe seine "Selbsterhaltungsfähigkeit" nicht nachweisen können, weil von ihm lediglich Nachweise über den Verkauf einer Straßenzeitung und über die Ausübung einer sogenannten "Remunerantentätgkeit" beim Magistrat der Stadt Graz vorgelegt worden seien. Die "erforderliche Selbsterhaltungsfähigkeit" orientiere sich an der Bestimmung des § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG, wonach der Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen dürfe. Das sei nur dann gegeben, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes - für eine Einzelperson (damals):

EUR 772,40 - habe. Daran anknüpfend ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer habe einen derartigen Nachweis - offenbar weil die Summe der durch die vorgelegten Bestätigungen belegten monatlichen Einkünfte aus den genannten Tätigkeiten nur EUR 685,50 beträgt - nicht erbracht, "zumal auch die, ohnehin zweifelhaften, Nachweise der Ehegattin auf den Cayman Islands nicht im Rahmen einer gesellschaftlichen und vor allem beruflichen Integration im österreichischen Bundesgebiet gewertet werden können". Auch eine tragfähige Patenschaftserklärung sei nicht vorgelegt worden.

Ungeachtet der Bezugnahme auf die im § 44 Abs. 4 NAG ausdrücklich als maßgebliches Kriterium für den Grad der Integration genannte "Selbsterhaltungsfähigkeit" sind die wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde dahin zu verstehen, dass ihrer Auffassung nach schon die - nur durch die Vorlage einer Patenschaftserklärung substituierbaren - allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG nicht erfüllt sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint, wobei insoweit auch die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln nachzuweisen, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. das - ebenfalls eine Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG betreffende - hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2010/21/0088 bis 0091, mwN).

Entgegen der Meinung der belangten Behörde ist der Beschwerdeführer dieser Verpflichtung in ausreichender Weise nachgekommen:

Über entsprechende Aufforderung der belangten Behörde legte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters nicht nur Nachweise über sein Einkommen aus der Beschäftigung als Hilfsarbeiter "im Geschäftsbereich Grünraum" bei den Wirtschaftsbetrieben der Stadt Graz, das mit durchschnittlich EUR 355,50 pro Monat errechnet wurde, und aus der Tätigkeit als Verkäufer der Zeitung Megaphon, das monatlich EUR 330,-- betrage, vor, sondern er hatte schon davor seine finanziellen Verhältnisse auch durch Kontoauszüge belegt. Danach wies ein auf den Beschwerdeführer lautendes Bausparkonto zum ein Guthaben von EUR 4.489,65 auf und auf dem (Giro )Konto bestand zum Zeitpunkt der Erstellung der vorgelegten Übersicht, aus der auch die Kontobewegungen seit ersichtlich sind, am ein Guthaben von EUR 6.179,27. Darauf ist die belangte Behörde überhaupt nicht eingegangen, obwohl es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 11 Abs. 5 NAG entspricht, dass der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Spareinlagen erbracht werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0659, mwN).

Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer in dem genannten Schriftsatz geltend gemacht, seine Ehefrau erziele aus der Vermietung von Appartements ein monatliches Einkommen von 4.000,-- KYD (das entspricht etwa 3.500,-- EUR), sodass ihm ein Unterhaltsergänzungsanspruch von 500,-- EUR gegenüber seiner Ehefrau, die außerdem noch als Lehrerin tätig sei, zustehe. Auch das hat die belangte Behörde zu Unrecht nicht berücksichtigt, obwohl der Beschwerdeführer dazu ein Schreiben seiner Ehefrau und Urkunden betreffend die Bewertung der Appartementanlage vorgelegt hatte. Soweit die belangte Behörde diese Belege als "ohnehin zweifelhafte Nachweise" angesehen hat, fehlt hiefür aber eine schlüssige Beweiswürdigung.

Im Übrigen ist noch anzumerken, dass die belangte Behörde bei der Beurteilung der Integration des Beschwerdeführers auch seine nach der Aktenlage von Mai 2004 bis Mai 2007 ausgeübte weitere Berufstätigkeit für eine Zeitungs- und Werbemittelverteilungsgesellschaft, die von ihm absolvierten Deutschkurse und seine Wohnverhältnisse einzubeziehen gehabt hätte.

Der angefochtene Bescheid war aber schon aus den vorgenannten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c 4VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-69779