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VwGH vom 16.06.2011, 2007/18/0117

VwGH vom 16.06.2011, 2007/18/0117

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des AN in W, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Mekis, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/78925/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am in seiner Heimat die österreichische Staatsbürgerin P geheiratet. Am habe er erstmals einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. "Seitdem" sei der Beschwerdeführer in Österreich auf Dauer niedergelassen. Zuletzt sei er im Besitz eines Niederlassungsnachweises gewesen.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach den §§ 186 (gemeint: 156) Abs. 1 und Abs. 2, 161 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wobei ein Teil von zehn Monaten bedingt nachgesehen worden sei, rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer als faktischer Machthaber der V Bau GmbH im Zeitraum von Juni bis September 2001 gemeinsam mit zwei Mittätern im bewussten und gewollten Zusammenwirken einen Bestandteil des Vermögens dieser GmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger gewesen sei, nämlich Geldbeträge, die auf Grund erbrachter Leistungen von dieser vereinnahmt worden wären, dadurch, dass einer der Mittäter die Gelder sofort nach ihrem Eingang von den Konten der GmbH behoben und an die beiden Mittäter überbracht habe, bei Seite geschafft habe, und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der V Bau GmbH, u.a. der Wiener Gebietskrankenkasse sowie Finanzbehörden, vereitelt habe, wobei der Schaden zumindest EUR 233.000,-- (der in den Verwaltungsakten erliegenden Urteilskopie zufolge richtig:

EUR 248.222,58) betragen habe.

Auf Grund der Bestimmung des § 87 FPG - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - sei im vorliegenden Fall zur Beurteilung, ob die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig sei, § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG heranzuziehen.

"Durch die Verurteilung wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida" habe der Beschwerdeführer seine besondere Gefährlichkeit für die Gesellschaft deutlich zum Ausdruck gebracht. Er habe im Jahr 2001 gemeinsam mit zwei Mittätern, mit denen er verwandt sei, ein Unternehmen unter Verwendung eines gefälschten Ausweises gegründet. Die Täter hätten nicht vorgehabt, Dienstnehmer- oder Dienstgeberanteile an die Wiener Gebietskrankenkassa oder Steuern jeglicher Art an die Finanzbehörden abzuführen oder anfallende Schulden zu zahlen. Durch die solcherart kalkulierten Preise hätten der Beschwerdeführer und seine Mittäter kostengünstig Aufträge lukrieren, bis zur Konkurseröffnung wirtschaften und verdiente Gelder vereinnahmen können. Die Barentnahmen durch einen der Mittäter zwischen Juni und September 2001 hätten einen Betrag von insgesamt etwa EUR 231.000,-- ausgemacht. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes nachhaltig berühre. Das festgestellte Täterverhalten, so habe auch das Strafgericht ausgeführt, sei ein weit verbreitetes; das damit zusammenhängende Motiv der Täter kein weit hergeholtes, sondern in der Baubranche als geradezu alltäglich anzusehen. Sohin könne eine positive Verhaltensprognose nicht erstellt werden.

Im Rahmen der nach § 66 FPG durchzuführenden Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer seit mehr als acht Jahren im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen sei und hier mit seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern lebe. Es sei sohin mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein nicht unbeträchtlicher Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Die Integration des Beschwerdeführers sei aber insofern zu relativieren, als die jeglicher Integration innewohnende soziale Komponente durch das schwerwiegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers deutlich gemindert sei. In Anbetracht der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr habe er hinzunehmen, dass es ihm künftig verwehrt sei, gemeinsam mit seiner Familie in Österreich zu leben. Seine persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet hätten gegenüber den hier berührten öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Des Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, dass sie unter Berücksichtigung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und seiner familiären und privaten Situation davon ausgehe, ein Wegfall des Grundes für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes könne nicht vor Verstreichen eines Zeitraumes von zehn Jahren angenommen werden.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer verweist auf die bisherige Dauer seines Aufenthaltes, die aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und seine drei Kinder, welche ebenfalls österreichische Staatsbürger seien, sowie darauf, dass er einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Auf Grund dessen erwirtschafte er ein regelmäßiges monatliches Nettoeinkommen im Ausmaß von etwa EUR 1.500,-- (14-mal jährlich). Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Die belangte Behörde erkannte zutreffend, dass sie auf Grund des § 87 FPG bei der Prüfung, ob im gegenständlichen Fall die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig sei, auf den im § 86 Abs. 1 FPG enthaltenen Maßstab abzustellen hatte.

Nach § 86 Abs. 1 (erster bis vierter Satz) FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (nur) dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei der demnach hier zu treffenden Prognosebeurteilung kommt es wie bei den in Relation zu dieser Bestimmung ein geringeres Maß verlangenden Gefährdungsprognosen nach § 60 Abs. 1 FPG und § 56 Abs. 1 FPG und ebenso wie jener nach § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG, die gegenüber § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG einen noch strengeren Maßstab aufstellt, in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen letztlich immer auf das diesen zugrunde liegende Verhalten an. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0241, mwN).

Vor diesem Hintergrund ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die im angefochtenen Bescheid (auch) enthaltenen, auf generalpräventive Überlegungen abzielenden Ausführungen der Rechtfertigung der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht dienen können. Gerade im Rahmen der Beurteilung nach § 86 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde anhand des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers, wobei aber auch das nach Begehung der Straftat gezeigte Verhalten zu berücksichtigen ist, darzulegen, dass die in § 86 Abs. 1 FPG genannten Kriterien erfüllt seien; insbesondere auch, dass vom betreffenden Fremden im Entscheidungszeitpunkt (immer noch) eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Dabei hat die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung, die erst im Februar 2007 getroffen wurde, auf den Umstand, dass das strafbare Verhalten vom Beschwerdeführer bereits in der Zeit zwischen Juni und September 2001 gesetzt worden war und seitdem Wohlverhalten vorlag, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer die Richtigkeit seines Vorbringens zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht abgesprochen wurde, nicht ausreichend Bedacht genommen.

Aus den Feststellungen ergibt sich - im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen -, dass der Beschwerdeführer bereits seit längerer Zeit (wieder) in geordneten Verhältnissen lebt und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Ausführungen, inwieweit und aus welchen Gründen eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr immer noch als - insbesondere - gegenwärtig im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG einzustufen wäre und die Annahme gerechtfertigt sei, es bestehe auch im Entscheidungszeitpunkt immer noch Gefahr, er könnte wieder strafbare Handlungen, wie die hier in Rede stehenden, begehen, kann dem angefochtenen Bescheid letztlich nicht entnommen werden. Vielmehr stellte die belangte Behörde tragend darauf ab, dass "vorliegend kein Zweifel" an der Erfüllung der Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG bestehe und das (damalige) "Täterverhalten" in der "Baubranche ein leider geradezu alltägliches" sei. Ausgehend davon kann aber nach dem oben Gesagten nicht davon gesprochen werden, die belangte Behörde hätte in gesetzmäßiger Weise das Bestehen einer Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG dargelegt (vgl. insbesondere zur Notwendigkeit, die Änderung von Lebensumständen im Rahmen der Prognosebeurteilung zu berücksichtigen, wiederum das bereits genannte Erkenntnis vom ).

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-69777