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VwGH 21.02.2014, 2012/06/0059

VwGH 21.02.2014, 2012/06/0059

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauG Stmk 1995 §19 Z2;
BauRallg;
RS 1
Die Bewilligungspflicht nach § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 ist schon dann gegeben, wenn eine Nutzungsänderung vorliegt, die auf die in dieser Bestimmung angeführten öffentlichen Interessen von Einfluss sein kann. Die Frage der Bewilligungspflicht darf nicht mit der Frage der Bewilligungsfähigkeit verwechselt werden (Hinweis E vom , 2011/06/0094 zur Tir BauO 2001, und E vom , 2010/06/0238, zum Vlbg BauG 2001).
Normen
BauG Stmk 1995 §19 Z2;
BauG Stmk 1995 §41 Abs4;
BauRallg;
RS 2
Im E vom , 2005/06/0248, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine bewilligungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 etwa dann gegeben ist, wenn bei Vorliegen einer Baubewilligung für einen Bankbetrieb in den hierfür vorgesehenen Räumlichkeiten aber eine Gaststätte (Wettcafe) betrieben wird. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass durch eine solche Nutzung beispielsweise die Änderung für den Brandschutz und die Hygiene von Einfluss sein kann, wobei die Frage einer möglichen konkreten Beeinträchtigung erst im Bewilligungsverfahren zu prüfen ist. Der Behörde ist nicht entgegenzutreten, wenn sie gegenständlich von einer bewilligungspflichtigen Nutzungsänderung im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 ausgeht, weil die Nutzungsänderung von einem Lebensmittelgeschäft zu einer Gaststätte (Nichtraucher- und Raucherbereich, Küche, WC-Anlagen) durchaus vergleichbar ist mit jener von einem Bankbetrieb zu einer Gaststätte (Wettcafe) und jedenfalls auf die in dieser Bestimmung angeführten öffentlichen Interessen von Einfluss sein kann.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des J E in Graz, vertreten durch die Kaufmann & Lausegger Rechtsanwalts KG in 8020 Graz, Mariahilfer Straße 20, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 048350/2011/0002, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag gemäß § 41 Abs. 4 Stmk BauG 1995 (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 4 Stmk BauG 1995 "die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung des Gebäudes L-Gasse 25, Grundstücke Nr. 1033/27, 1033/28, EZ. 212, KG L, als Gaststätte, und zwar der südliche Teil des ehemaligen Lebensmittelgeschäftes als Speisesaal für Nichtraucher (ca. 117 m2) und für Raucher (ca. 106 m2) sowie Küche mit ca. 60 m2 und WC-Anlagen mit ca. 50 m2, mit sofortiger Wirkung aufgetragen".

2. Die dagegen erhobene Berufung vom wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom als unbegründet ab.

In ihrer Begründung legte sie dar, eine Bewilligungspflicht iSd § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 sei schon dann gegeben, wenn durch die Nutzungsänderung die in dieser Bestimmung genannten öffentlichen Interessen auch nur berührt werden könnten; die Frage ihrer möglichen Beeinträchtigung sei erst im Baubewilligungsverfahren zu prüfen. Die Frage der Bewilligungspflicht dürfe nicht mit der Frage der Bewilligungsfähigkeit verwechselt werden. Eine Geschäftsnutzung, wie sie vorliegend genehmigt sei, sei ihrer Natur nach unter den Kriterien des § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 in relevanter Weise anders zu beurteilen als ein Gastgewerbebetrieb, der wie hier eine Küche und Sanitärräume umfasse. Dies betreffe prinzipiell Fragen des Brandschutzes inklusive der Besucheranzahl, der Fluchtwegsituation und der Hygiene. Auch Nachbarinteressen seien durch den zusätzlichen bzw. erweiterten Gastgewerbebetrieb, der auch eine eigene Küche enthalte, tangiert (mögliche Geruchsimmissionen; Hinweis auf § 26 Abs. 1 Z. 1 und Z. 3 Stmk BauG 1995 sowie auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/05/0240, und vom , Zl. 2010/06/0238).

Des Weiteren seien raumordnungsrechtliche Interessen berührt, weil eine Erweiterung bzw. Neuanlage eines Gastgewerbebetriebs im Allgemeinen Wohngebiet stattfinde, deren Zulässigkeit nicht von vornherein bejaht werden könne, weil dies von der Betriebsweise (Typus, Öffnungszeiten etc.) abhänge (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0074), was im baupolizeilichen Auftragsverfahren nicht im Detail zu prüfen sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

4.1. Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage von Bedeutung:

Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995), im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Fassung LGBl. Nr. 13/2011:

"§ 19

Baubewilligungspflichtige Vorhaben

Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus

den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

...

2. Nutzungsänderungen, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Hygiene, die Sicherheit von baulichen Anlagen oder deren Teilen von Einfluss sein können oder die Nachbarrechte berühren oder wenn Bestimmungen des jeweils geltenden Raumordnungsgesetzes, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes berührt werden können;

...

§ 41

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

(4) Die Behörde hat die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung aufzutragen, wenn eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes von baulichen Anlagen oder Teilen derselben ohne Bewilligung vorgenommen wurde; Abs. 3 zweiter Satz gilt sinngemäß.

..."

4.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, gemäß § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 seien Nutzungsänderungen dann bewilligungspflichtig, wenn sie Einfluss auf Festigkeit, Brandschutz, Hygiene, Sicherheit sowie Nachbarrechte hätten. Da davon auszugehen sei, dass auch für das Lebensmittelgeschäft entsprechende Sanitärräumlichkeiten vorgeschrieben worden und vorhanden gewesen seien, habe auch die Nutzung von Räumlichkeiten als Gastgewerbetrieb, welche zuvor als Lebensmittelgeschäft genutzt worden seien, keinen Einfluss auf die "Festigkeit" des Gebäudes bzw. sei auch nicht zu befürchten, dass es durch die Nutzungsänderung zu einer Durchfeuchtung kommen könne. Dass es durch die Änderung der Nutzung der gegenständlichen Räumlichkeiten als Gastgewerbebetrieb zu einer Herabsetzung des (bereits bestehenden) Brandschutzes kommen könne, sei nicht ersichtlich, auch nicht, dass dadurch die in § 43 Abs. 2 Z. 3 Stmk BauG 1995 genannten Einwirkungen auftreten könnten. Die bereits vorhandenen sanitären Anlagen seien genehmigt, wodurch es zu keiner Berührung der öffentlichen Interessen im Punkt Hygiene komme. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Nutzungssicherheit des Bauwerkes berührt werden könne. Die für die Nutzung eines Lebensmittelmarktes erforderlichen Fluchtwege seien für eine Nutzung als Gastgewerbebetrieb ebenfalls ausreichend.

Der Immissionsschutz als Nachbarrecht sei grundsätzlich dahin zu verstehen, dass die jeweils geltende Widmungskategorie eingehalten werden müsse. Sowohl die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes als auch die neue Nutzung seien von der Widmungskategorie "Allgemeines Wohngebiet" umfasst, sodass davon auszugehen sei, dass es auch diesbezüglich zu keiner Berührung von Nachbarrechten komme.

Die gegenständliche Nutzungsänderung sei nicht unter § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 zu subsumieren, weshalb der baupolizeiliche Auftrag gemäß § 41 Abs. 4 Stmk BauG 1995 rechtswidrig und damit zu Unrecht erfolgt sei.

4.3. Die Bewilligungspflicht nach § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 ist schon dann gegeben, wenn eine Nutzungsänderung vorliegt, die auf die in dieser Bestimmung angeführten öffentlichen Interessen von Einfluss sein kann. Die Frage der Bewilligungspflicht darf nicht mit der Frage der Bewilligungsfähigkeit verwechselt werden (vgl. etwa das zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage nach der TBO 2001 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/06/0094, mit Verweis auf das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0238, zum Vlbg BauG 2001).

Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0248, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine bewilligungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 etwa dann gegeben ist, wenn bei Vorliegen einer Baubewilligung für einen Bankbetrieb in den hierfür vorgesehenen Räumlichkeiten aber eine Gaststätte (Wettcafe) betrieben wird. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass durch eine solche Nutzung beispielsweise die Änderung für den Brandschutz und die Hygiene von Einfluss sein kann, wobei die Frage einer möglichen konkreten Beeinträchtigung erst im Bewilligungsverfahren zu prüfen ist.

Der belangten Behörde ist nicht entgegenzutreten, wenn sie gegenständlich von einer bewilligungspflichtigen Nutzungsänderung im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 ausgeht, weil die Nutzungsänderung von einem Lebensmittelgeschäft zu einer Gaststätte (Nichtraucher- und Raucherbereich, Küche, WC-Anlagen) durchaus vergleichbar ist mit jener von einem Bankbetrieb zu einer Gaststätte (Wettcafe) und jedenfalls auf die in dieser Bestimmung angeführten öffentlichen Interessen von Einfluss sein kann.

5. Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am

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Normen
BauG Stmk 1995 §19 Z2;
BauG Stmk 1995 §41 Abs4;
BauRallg;
Schlagworte
Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4
Baubewilligung BauRallg6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2014:2012060059.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAE-69770