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VwGH vom 19.04.2012, 2009/21/0349

VwGH vom 19.04.2012, 2009/21/0349

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des L, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI- 1013789/0002-II/3/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Er war mit einer serbischen Staatsangehörigen verheiratet, von der er am geschieden wurde. Der Ehe entstammen zwei Söhne, geboren 1981 bzw. 1984.

Im August 2003 war dem Beschwerdeführer von der deutschen Botschaft in Belgrad ein Visum mit einmonatiger Gültigkeitsdauer ausgestellt worden. Lt. eigenen Angaben befand sich der Beschwerdeführer in der Folge bis Anfang 2005 in Deutschland, von wo aus er dann nach Österreich gefahren sei. Hier sei er geblieben, um seinen 1984 geborenen Sohn "zu sehen", der in Wien bei seiner Mutter (der geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers) wohne.

Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. Im Hinblick darauf stellte er am einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG".

Die Bundespolizeidirektion Wien (BPD) leitete wegen des Verdachtes des Vorliegens einer Scheinehe Ermittlungen ein. In einem Bericht über eine "Hauserhebung" vom ist festgehalten, dass den Wohnungsnachbarn der (behaupteten) Ehewohnung der Beschwerdeführer "gänzlich unbekannt" sei; lt. Angaben der Nachbarn wohne die Ehefrau des Beschwerdeführers mit ihrem - erwachsenen - Sohn dort alleine, es sei kein anderer Mann "wahrgenommen" worden. An der Wohnadresse der "Ex-Gattin" des Beschwerdeführers, wo auch dessen 1984 geborener Sohn wohne, hätte sich jedoch unter Vorweis von Lichtbildern ergeben, dass der Beschwerdeführer in der unmittelbaren Nachbarschaft ein- bis zweimal pro Woche gesehen werde.

Mit Bescheid vom erließ die BPD hierauf gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot. Dabei ging sie davon aus, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin zu dem Zweck geschlossen habe, um rechtsmissbräuchlich eine Aufenthaltsberechtigung bzw. einen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen; er habe sich in einem Verfahren zur Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung" auf diese Ehe berufen, obwohl er kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt habe. Das begründete sie mit dem oben wiedergegebenen Bericht vom und damit, dass der Beschwerdeführer und seine österreichische Ehefrau bei Einvernahmen am widersprüchliche Angaben - insbesondere zum Verlauf des der Einvernahme vorangegangenen Abends - gemacht hätten. Außerdem habe sich ergeben, dass die ehemalige serbische Ehefrau des Beschwerdeführers gemeinsam mit diesem 2003 ein deutsches Visum beantragt habe und gemeinsam mit ihm im August 2003 aus Serbien ausgereist sei; diesbezüglich wies die BPD noch darauf hin, dass der Beschwerdeführer lt. seinen Angaben seine erste Frau schon vor der Scheidung am verlassen habe.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom ab. Sie erklärte, sich den Ausführungen der BPD "im Zusammenhang mit dem (vom Beschwerdeführer) behaupteten gemeinsamen Ehe- und Familienleben mit (seiner) österreichischen Gattin vollinhaltlich" anzuschließen und diese zum Inhalt ihres Bescheides zu erheben. Ergänzend wies die belangte Behörde auf weitere Widersprüche in den Einvernahmen des Beschwerdeführers und seiner österreichischen Ehefrau hin. Außerdem nahm sie auf die im Berufungsverfahren erfolgte Einvernahme des Sohnes der Ehefrau des Beschwerdeführers Bezug, aus der für den Beschwerdeführer "nichts gewonnen werden" könne, weil die Aussagen dieses Zeugen höchst widersprüchlich gewesen seien. Insgesamt ergebe sich eindeutig, dass der Beschwerdeführer ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK mit seiner österreichischen Ehefrau nie geführt, sondern diese Ehe offensichtlich zu dem Zweck geschlossen habe, um fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligungen zu erlangen. Dies rechtfertige die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach den §§ 86 und 87 FPG. Damit sei zwar ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden, insgesamt sei jedoch von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an einer Ausreise des Beschwerdeführers auszugehen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der bekämpfte Bescheid auf Basis der bei seiner Erlassung geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Soweit im Folgenden von Bestimmungen des FPG die Rede ist, wird daher auf die im Oktober 2009 gültige Fassung Bezug genommen.

Der Beschwerdeführer ist Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. aus jüngster Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0170).

Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer den Aufenthaltsverbotstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht habe, sodass ein Aufenthaltsverbot nach § 86 Abs. 1 FPG verhängt werden könne.

Den zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe angestellten beweiswürdigenden Überlegungen der BPD und in der Folge der belangten Behörde (siehe oben) hält der Beschwerdeführer entgegen, dass er und seine Ehefrau das Kennenlernen und das gemeinsame Eheleben übereinstimmend geschildert hätten. Auch der im Berufungsverfahren einvernommene Sohn seiner Ehefrau habe deponiert, dass es ein Zusammenleben gäbe. Es sei daher davon auszugehen, dass keine Scheinehe vorliege.

An diesem Vorbringen ist richtig, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau bei den am erfolgten Einvernahmen durchaus auch übereinstimmende Angaben tätigten. Zutreffend ist auch, dass der Sohn der Ehefrau des Beschwerdeführers jedenfalls im Ergebnis eine Scheinehe in Abrede stellte. Dass die Aussage dieses Zeugen aber, wie von der belangten Behörde festgehalten, insgesamt widersprüchlich war (etwa betreffend die Intensität des Kontaktes zum Beschwerdeführer), bestreitet die Beschwerde nicht. Sie versucht auch gar nicht, die von den Behörden aufgezeigten - unstrittigen - Divergenzen in den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau aufzuklären. Mit der belangten Behörde ist in diesem Zusammenhang besonders darauf hinzuweisen, dass der Ablauf des letzten Abends vor der Einvernahme am unterschiedlich dargestellt wurde. Während der Beschwerdeführer angegeben hatte, vor seiner Ehefrau nach Hause gekommen zu sein, dann mit ihr zu Abend gegessen zu haben und noch vor der Ehefrau schlafen gegangen zu sein, hatte diese ausgeführt, sie wäre vor dem Beschwerdeführer nach Hause gekommen, habe dann alleine gegessen und sei ihrerseits vor dem Beschwerdeführer zu Bett gegangen.

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des eingangs erwähnten "Hauserhebungsberichtes" vom begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden eingeschränkten Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Daran vermag auch der zu den Ergebnissen des genannten Berichtes vom erstattete Hinweis in der Beschwerde, der Beschwerdeführer besuche die Wohnung seiner "Exfrau", um den Kontakt mit seinem Sohn aufrecht erhalten zu können, nichts zu ändern.

Im Hinblick auf dieses Ergebnis und unter Bedachtnahme auf die zuvor dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Beurteilung, dass bezüglich des Beschwerdeführers die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Auch die behördliche Interessenabwägung nach § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer verweist diesbezüglich darauf, dass er "in Wien sozial vollkommen integriert" sei. Den - zutreffenden - Überlegungen der belangten Behörde, sein Verhalten stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und die erlangte Integration werde dadurch relativiert, dass sie auf einer Aufenthaltsehe beruht, vermag der Beschwerdeführer damit jedoch nichts entgegenzusetzen. Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt als unberechtigt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-69736