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VwGH vom 19.03.2015, 2012/06/0038

VwGH vom 19.03.2015, 2012/06/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der Ing. B K in P, vertreten durch Dr. Christoph Schwab, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Kolpingstraße 29, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Verk-980206/4-2011-Ba/Le, betreffend Enteignung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde P, vertreten durch die Holter-Wildfellner Rechtsanwälte OG in 4710 Grieskirchen, Uferstraße 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde dieser Stadtgemeinde die Bewilligung für den Ausbau des Kreuzungsbereiches Einmündung T-Weg in die L 517. Die dagegen (u.a.) von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde (im zweiten Rechtsgang) mit Bescheid vom als unbegründet ab.

Der Vorstellung (u.a.) der Beschwerdeführerin vom gab die belangte Behörde mit Bescheid vom keine Folge.

2. Die mitbeteiligte Gemeinde stellte mit Schreiben vom den Antrag auf Enteignung hinsichtlich der beabsichtigten Straßenbaumaßnahme.

Mit Bescheid vom sprach die Bezirkshauptmannschaft G (BH) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am aus, dass für den Kreuzungsausbau des Knotens L 517 K-Landesstraße mit der Gemeindestraße T-Weg das dauernde und lastenfreie Eigentum an dem näher bezeichneten Grundstück bzw. Grundstücksteil der Beschwerdeführerin, unbeschadet der genauen Vermessung in der Natur, von der mitbeteiligten Stadtgemeinde im Wege der Enteignung nach Maßgabe der vorgelegten Grundeinlöseunterlagen im Umfang von 585 m2 in Anspruch genommen werde.

3. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung vom , die mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt aus: "In ihrem Schreiben vom , …, teilt die (BH) mit, dass die (mitbeteiligte Stadtgemeinde) den Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung für die Ableitung der Straßenwässer aus dem Bereich Kreuzung (T-Weg) unter Mitbenützung einer bestehenden Drainage in ein Gewässer zurückgezogen habe, da die Ableitung der Straßenwässer in den bestehenden Mischwasserkanal erfolgen werde. Diese sei aber wasserrechtlich nicht bewilligungspflichtig, da es sich hierbei um einen bewilligungsfreien Indirekteinleiter im Sinne des § 32b Wasserrechtsgesetzes 1959 handle, soferne die Einleitung innerhalb des bewilligten Konsenses liege." Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen nach dem Wasserrechtsgesetz (Mitbenutzung einer bestehenden Drainage zur Ableitung von Straßenwässern, mögliche Beeinträchtigung des Trinkwasserbrunnens durch einsickernde Oberflächenwässer) seien daher ohne Belang. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang behaupte, trotz der Nichteinleitung der Straßenoberflächenwässer in die bestehende Drainage lägen wasserrechtlich relevante Tatbestände vor (z.B. die notwendige Verlegung der Drainagen durch den Straßenumbau, etc.), könne sich die belangte Behörde dieser Argumentation nicht anschließen. Wie dargelegt, habe eine Prüfung des Projekts durch die Wasserrechtsbehörde ergeben, dass nur die Mitbenützung der bestehenden Drainageanlagen zur Ableitung der Straßenoberflächenwässer in ein Gewässer wasserrechtlich bewilligungspflichtig gewesen wäre. Dass auch andere Tatbestände eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht auslösen würden, habe das Prüfungsverfahren durch die zuständige Behörde nicht ergeben.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Gemeinde - in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5.1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage von Bedeutung:

Oö. Straßengesetz 1991 (OÖ LStG 1991) idF LGBl. Nr. 61/2008

"§ 35

Enteignung

(1) Für den Bau einer öffentlichen Straße kann das Eigentum an Grundstücken oder die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung oder Aufhebung von dinglichen und obligatorischen Rechten an solchen im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Auch die für Grundflächen gemäß § 11 Abs. 1a, die Anlage von Ablagerungsplätzen, Zufahrten, Bauhöfen und anderen Baulichkeiten, wie Streumaterialsilos, sowie die zur Aufrechterhaltung von Verkehrsbeziehungen und zur Entnahme von Straßenbaumaterial notwendigen Grundstücke können im Wege der Enteignung erworben werden. Für den Bau einer Straße, die einer Bewilligung nach § 32 bedarf, darf die Enteignung nur nach Maßgabe dieser Bewilligung erfolgen. Auch für die Übernahme von bestehenden öffentlichen Straßen können das Eigentum und die erforderlichen Dienstbarkeiten (§ 5 Abs. 1) durch Enteignung in Anspruch genommen werden.

...

§ 36

Enteignungsverfahren

(1) Um die Enteignung ist unter Vorlage der zur Beurteilung der Angelegenheit erforderlichen Pläne und sonstigen Behelfe, insbesondere eines Verzeichnisses der hievon betroffenen Personen, der beanspruchten dinglichen Rechte und des voraussichtlichen Ausmaßes der beanspruchten Grundfläche sowie der erforderlichen Grundbuchsauszüge, die nicht älter als drei Monate sind, bei der Behörde anzusuchen. Zudem hat die antragstellende Straßenverwaltung glaubhaft zu machen, daß sie in offensichtlich geeigneter Weise, aber erfolglos, versucht hat, eine entsprechende privatrechtliche Vereinbarung über die Grundabtretung zu erwirken.

..."

Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) idF BGBl. I Nr. 87/2005 "Indirekteinleiter

§ 32b. (1) Wer Einleitungen in eine wasserrechtlich bewilligte Kanalisationsanlage eines anderen vornimmt, hat die gemäß § 33b Abs. 3 vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erlassenen Emissionsbegrenzungen einzuhalten. Abweichungen von diesen Anforderungen können vom Kanalisationsunternehmen zugelassen werden, soweit dieses sein bewilligtes Maß der Wasserbenutzung einhält. Einleitungen bedürfen der Zustimmung des Kanalisationsunternehmens.

..."

5.2. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage der allfälligen Notwendigkeit einer wasserrechtlichen Bewilligung zitiere die belangte Behörde lediglich aus einem Schreiben der BH, wonach seitens der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung für die Ableitung der Straßenwässer aus dem Bereich Kreuzung "T-Weg" unter Mitbenützung einer bestehenden Drainage in ein Gewässer zurückgezogen worden sei, da die Ableitung der Straßenwässer in den bestehenden Mischwasserkanal erfolgen werde, was aber wasserrechtlich nicht bewilligungspflichtig wäre, da es sich hierbei um einen bewilligungsfreien Indirekteinleiter im Sinn des § 32b des WRG 1959 handle, sofern die Einleitung innerhalb des bewilligten Konsenses liege.

Die belangte Behörde unterlasse aber eine Prüfung bzw. auch nur die Erhebung einer Behauptung, wonach die Zustimmung des Kanalisationsunternehmens im Sinn des § 32b WRG vorliege. Damit habe die belangte Behörde allerdings die Prüfung eines wesentlichen Punktes für eine Enteignung unterlassen, nämlich die Prüfung auf allfällige Hindernisse aus dem Bereich Wasserrecht. Fehle aber wie hier die Zustimmung des Kanalisationsunternehmens zur Einleitung, seien die Voraussetzungen für eine Enteignung jedenfalls nicht erfüllt.

Die belangte Behörde habe die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerin, wonach durch den Straßenumbau eine Verlegung der Drainagen notwendig wäre, mit der ausschließlichen Begründung abgewiesen, eine Prüfung des Projekts durch die Wasserrechtsbehörde hätte ergeben, dass nur die Mitbenützung der bestehenden Drainageanlagen zur Ableitung der Straßenoberflächenwässer in ein Gewässer wasserrechtlich bewilligungspflichtig gewesen wäre und dass das Prüfungsverfahren durch die zuständige Behörde auch nicht ergeben hätte, dass auch andere Tatbestände einer wasserrechtlichen Bewilligung bedürften. Dabei verkenne die belangte Behörde, dass es sich bei dieser "Prüfung" lediglich um den Inhalt des oben zitierten Schreibens der BH handle, somit jedenfalls um keinen Bescheid im rechtlichen Sinn. Schon aus formalen Gründen hätte sich daher die belangte Behörde nicht mit einem Verweis auf diese "Prüfung" durch die BH begnügen dürfen, sondern wäre zur eigenständigen Prüfung verpflichtet gewesen. Bei einer entsprechenden Überprüfung der materiellen Umstände wäre die belangte Behörde mit Sicherheit auch zu einem anderen Ergebnis gelangt, zumal die geplante Trasse die Verlegung zahlreicher Drainagen erforderlich mache und damit die lokalen Abflussverhältnisse grundlegend geändert würden, somit eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich sei.

Die Beschwerdeführerin habe des Weiteren geltend gemacht, dass es durch die Einleitung der Straßenoberflächenwässer in das Kanalsystem der mitbeteiligten Stadtgemeinde und nicht in die bestehenden Drainagen zu einer wesentlichen Änderung des Straßenprojekts gekommen und daher eine neuerliche Bewilligung nach dem OÖ LStG 1991 erforderlich sei. Diesen Einwand verwerfe die belangte Behörde unter Hinweis auf § 31 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit., wonach Umbaumaßnahmen, durch die die Anlagenverhältnisse nur unwesentlich verändert und die Schutzgüter des § 13 Abs. 1 leg. cit. sowie fremde Rechte in einem geringfügigeren Ausmaß berührt würden, wie zum Beispiel die Errichtung von Gehsteigen oder Radfahrwegen an öffentlichen Straßen, die Errichtung von Busbuchten oder die Errichtung von Abbiegespuren, bewilligungsfrei seien.

Um die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Bewilligungsfreiheit überhaupt prüfen zu können, wäre die mitbeteiligte Stadtgemeinde zur Vorlage von Detailplänen verpflichtet gewesen, die zeigten, wie die Führung des neuen Kanals überhaupt geplant sei, bzw. wäre die belangte Behörde zur Anforderung entsprechender Pläne verpflichtet gewesen. Tatsächlich werde nämlich voraussichtlich massiv in die Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen (wird näher ausgeführt). Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre das gesamte Verfahren nach dem OÖ LStG 1991 neu aufzurollen. Dies habe die belangte Behörde zu Unrecht verneint.

5.3. Die belangte Behörde verneinte die Notwendigkeit einer Bewilligung nach dem Wasserrechtsgesetz mit dem Hinweis auf eine Prüfung des Projekts durch die Wasserrechtsbehörde. Diese habe ergeben, "dass nur die Mitbenützung der bestehenden Drainageanlagen zur Ableitung der Straßenoberflächenwässer in ein Gewässer wasserrechtlich bewilligungspflichtig gewesen wäre. Dass auch andere Tatbestände eine wasserrechtliche Bewilligung auslösen würden, hat das Prüfungsverfahren durch die zuständige Behörde nicht ergeben".

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf grundsätzlich trotz des Fehlens einer wasserrechtlichen Bewilligung eine Enteignung ausgesprochen werden; die Enteignungsbehörde hat aber dann allenfalls entweder die Vorfrage, ob der erforderliche Bescheid erwirkt werden kann, selbst zu beurteilen oder gemäß § 38 AVG das Enteignungsverfahren zu unterbrechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0297). An dieser Stelle ist zu bemerken, dass zwar eine Enteignung voraussetzt, dass das Projekt auch verwirklicht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0076, mwN auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Dies bedeutet aber nicht, dass alle Voraussetzungen schon im Entscheidungszeitpunkt vorliegen müssen, zumal für manche davon (z.B. Antragsvoraussetzungen) das Eigentum oder die Zustimmung der Eigentümer notwendig sind. Sollten sich Hindernisse ergeben, die der Realisierung entgegenstehen, kommt es dann gegebenenfalls unmittelbar auf Grund der Verfassung zu einem Rückübereignungsanspruch (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis vom ).

Weder hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall das Verfahren ausgesetzt, noch liegt eine bindende Erledigung der Frage des Bestehens einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht durch die (zuständige) Behörde vor. Die belangte Behörde hat auch die Vorfrage nicht selbst beurteilt: Der bloße Verweis auf das Schreiben der BH vom , das weder entsprechende Feststellungen noch eine nachvollziehbare Begründung für das Nichtvorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht, sondern lediglich die Begründung für die Zurückziehung eines entsprechenden Antrages der mitbeteiligten Stadtgemeinde an die Wasserrechtsbehörde enthält, und das von der BH durchgeführte Prüfungsverfahren, stellt keine derartige Beurteilung dar. Im Übrigen hat die belangte Behörde auch nicht dargelegt, dass die Enteignung gleichsam die Voraussetzung für die Betreibung wasserrechtlicher Erfordernisse für das Projekt ist.

Zum Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde, die fehlende Zustimmung des Kanalisationsunternehmens zur Einleitung führe nicht dazu, dass die Direkteinleitung (gemeint wohl: Indirekteinleitung) bewilligungspflichtig werde, sondern dazu, dass eine solche nicht stattfinden könne (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/07/0167), ist zu bemerken, dass die Gegenschrift die Bescheidbegründung nicht ersetzen kann.

6. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG ohne Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr. 8/2014).

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-69720