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VwGH vom 29.04.2010, 2009/21/0340

VwGH vom 29.04.2010, 2009/21/0340

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI 1022005/001-II/3/2009, betreffend Versagung der Ausstellung eines Konventionsreisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, der sich davor (unter verschiedenen anderen Identitäten) bereits in Deutschland und in der Schweiz aufgehalten hatte, reiste am illegal nach Österreich ein. Ihm wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheid vom wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) - in Bestätigung des im Devolutionsweg ergangenen Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom - den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ab.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom wegen § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall und Abs. 2 Z 2 erster Fall und letzter Satz SMG (Besitz, Erwerb und gewerbsmäßiger Handel mit Suchtgift vorwiegend zur Deckung des Eigengebrauchs) und wegen § 125 Abs. 1 StGB (Sachbeschädigung) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten. Diesem Schuldspruch liege (in Bezug auf den erstangeführten Tatvorwurf) zugrunde, der Beschwerdeführer habe im Jahr 2005 in mehreren Fällen anderen Personen Suchtgift - Cannabis, Heroin und Kokain - gewerbsmäßig überlassen sowie Suchtgift zum Eigenkonsum erworben und besessen. Aus der Urteilsbegründung gehe hervor, dass der Beschwerdeführer zwei einschlägige Vorverurteilungen in der Schweiz aufweise. Mit weiterem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer abermals nach § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG (Besitz, Erwerb und Handel mit Suchtgift) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt worden. Dem Urteilsinhalt zufolge habe der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis Kokain für den Eigenbedarf erworben und besessen sowie am zwei Kugeln Heroin an einen verdeckten Ermittler verkauft. Schließlich sei über den Beschwerdeführer mit Gerichtsurteil vom wegen § 127 StGB (Diebstahl) eine Geldstrafe verhängt worden. Zudem sei "aus den einschlägigen Unterlagen" ersichtlich, dass gegen den Beschwerdeführer Einreise- bzw. Aufenthaltsverbote sowohl für Deutschland als auch für die Schweiz bestünden.

Daran anknüpfend meinte die belangte Behörde, im vorliegenden Fall sei hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer in den letzten Jahren bereits zweimal wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt worden sei, weil er Heroin, Kokain und Cannabis verkauft bzw. für den Eigenbedarf erworben habe, und dass er bereits zwei einschlägige Verurteilungen in der Schweiz aufweise. Es sei daher mit Recht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Konventionsreisepass benutzen werde, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen. Selbst wenn der Beschwerdeführer, wie er behaupte, eine entsprechende Therapie erfolgreich abgeschlossen habe, biete dieser Umstand keine Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer nicht neuerlich Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz (nunmehr:) unter Verwendung des Konventionsreisepasses begehen werde. Auch der Umstand, dass die beiden "Drogenverurteilungen" noch nicht lange zurück lägen und nicht getilgt seien, rechtfertige im Hinblick darauf, dass es sich bei Suchtgiftdelikten um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität mit besonders großer Wiederholungsgefahr handle, die Ansicht, bei einem Auslandsaufenthalt sei die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung des Konventionsreisepasses "immanent". Es sei daher der Versagungsgrund des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG verwirklicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften - § 94 Abs. 1 und 5 sowie § 92 Abs. 1 Z 3 FPG - lauten:

"Konventionsreisepässe

§ 94. (1) Konventionsreisepässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.

...

(5) Für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer und des Geltungsbereiches von Konventionsreisepässen sowie der Gültigkeitsdauer der Rückkehrberechtigung in Konventionsreisepässen gelten die Bestimmungen des Anhanges der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; im Übrigen gelten die § 88 Abs. 3 sowie §§ 89 bis 93.

Versagung eines Fremdenpasses

§ 92. (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

...

3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;"

Der Beschwerde ist insofern zu folgen, als die genannten innerstaatlichen Bestimmungen vor dem Hintergrund der entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Regelung, nämlich Art. 25 Abs. 1 der "Statusrichtlinie" (RL 2004/83/EG) auszulegen sind. Danach ist einem anerkannten Flüchtling ein Reisepapier auszustellen, es sei denn, es stünden zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegen (vgl. idS auch Art. 28 Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention). Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass diese Bedingung im Falle des Versagungsgrundes nach der Z 3 des § 92 Abs. 1 FPG bei grenzüberschreitendem Suchtgifthandel erfüllt ist.

In der Beschwerde wird die den bekämpften Bescheid tragende Annahme iSd genannten Bestimmung zunächst mit dem Argument bekämpft, für die Verwirklichung dieses Versagungsgrundes reiche es nicht, dass der Beschwerdeführer Suchtmittel für den Eigenkonsum besessen und zu dessen Finanzierung weitergegeben habe. Außerdem habe sich der Beschwerdeführer nach Verbüßung der beiden geringfügigen Freiheitsstrafen erfolgreich einer Therapie unterzogen und seine - für die Straftaten ursächliche - Suchtgifterkrankung überwunden. Der Suchtmittelmissbrauch sei auf die psychische Belastung während des mittlerweile abgeschlossenen Asylverfahrens zurückzuführen. Nunmehr konsumiere der Beschwerdeführer keine Suchtmittel mehr. Der Beschwerdeführer benötige den Konventionsreisepass dringend, um seine minderjährigen Kinder in der Schweiz (Tijan, geboren ) und in Deutschland (Otiene, geboren am ) besuchen zu können. Zu beiden Kindern habe er ein gutes Verhältnis, das aber massiv darunter gelitten habe, dass er sie nun schon einige Jahre hindurch nicht habe sehen können. Nach der langen Trennung wolle er den Kontakt nunmehr intensivieren. Die belangte Behörde habe sich nicht einmal ansatzweise mit den Auswirkungen der Versagung des beantragten Konventionsreisepasses auf den Beschwerdeführer und seine minderjährigen Kinder auseinander gesetzt.

Bei diesem Vorbringen wird außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer nicht nur in Österreich ungeachtet seiner ersten Verurteilung und Verbüßung der Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft in Bezug auf den Erwerb und Besitz von Kokain sofort wieder und in Bezug auf den Heroinhandel nach etwa eineinhalb Jahren rückfällig wurde, sondern schon aus der Zeit vor seiner Einreise nach Österreich Ende 2004 zwei einschlägige Verurteilungen in der Schweiz aufweist. Diesbezüglich wurde vom Beschwerdeführer im Übrigen gar nicht behauptet, die Tatbegehung sei auch dort nur vorgenommen worden, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtgift oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen. Vielmehr wurde ausdrücklich ein Zusammenhang zwischen dem Suchtmittelkonsum des Beschwerdeführers und der psychischen Belastung wegen einer allenfalls drohenden Abschiebung in seinen Herkunftsstaat während des unerledigten Asylverfahrens in Österreich hergestellt. Selbst wenn man nun die hier begangenen Straftaten gegen das Suchtmittelgesetz wegen der eigenen Gewöhnung an Drogen im Sinne des Beschwerdevorbringens auch aus fremdenrechtlicher Sicht in einem milderen Licht beurteilen wollte, so wäre das aber jedenfalls dadurch aufgewogen, dass der Beschwerdeführer die Straftaten während des offenen Asylverfahrens beging, also in gravierender Weise die Rechtsordnung jenes Staates missachtet hat, den er um Schutz vor Verfolgung ersucht hatte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bei der Persönlichkeitsbeurteilung etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2003/21/0184).

Angesichts des bisherigen, mehrfach einschlägig rückfälligen Verhaltens und der sich daraus ergebenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers, der auch einen Auslandsbezug aufweist, in Verbindung mit der bei Suchtgiftdelikten der vorliegenden Art gegebenen großen Wiederholungsgefahr kann der belangten Behörde somit nicht entgegen getreten werden, dass sie die Annahme nach § 92 Abs. 1 Z 3 FPG für gerechtfertigt erachtete, wobei es evident ist, dass ein Reisedokument den (grenzüberschreitenden) Handel mit Suchtgift jedenfalls erleichtern würde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0410; siehe auch das weitere Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0570, jeweils mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0095).

Die belangte Behörde musste aber auch nicht vom Wegfall der - wie erwähnt: sich in der Vergangenheit bereits verwirklichten - Wiederholungsgefahr ausgehen, weil der Beobachtungszeitraum seit Verbüßung der letzten Haftstrafe bis zur Erlassung des bekämpften Bescheides erst zwei Jahre beträgt. Angesichts dessen bietet auch ein bisheriger Erfolg einer Therapie keine Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer den Konventionsreisepass nicht zur Ausübung von Suchtgifthandel missbrauchen könnte. In diesem Zusammenhang stellt sich nämlich auch die Frage, wie der Beschwerdeführer den von ihm behaupteten Zweck des Besuches seiner Kinder in der Schweiz und Deutschland verwirklichen will, obwohl für diese Staaten - in der Beschwerde nicht bestritten - Einreise- bzw. Aufenthaltsverbote bestehen.

Im Übrigen ergibt sich aus dem mit der Beschwerde vorgelegten klinisch-psychologischen Befund vom , dass sich in der Anamnese Hinweise auf schwerwiegendes Suchtverhalten und massive Belastungen seit der Kindheit des Beschwerdeführers gezeigt hätten. Der Beschwerdeführer sehe in seiner reduzierten Belastbarkeit und depressiven Neigung die Gefahr eines möglichen Rückfalls in die Sucht. Es zeigten sich aber zum Untersuchungszeitpunkt aus psychologischer Sicht im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer nunmehr Arbeit habe, viel bete und Freunde außerhalb des Drogenmilieus gefunden habe, Ressourcen, die eine Überwindung des Suchtverhaltens unterstützten. Um eine Abstinenz - so der Befund abschließend - objektiv abklären zu können, seien regelmäßige Urinproben unter Aufsicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund musste die belangte Behörde aber - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht von einer vollständigen und erwiesen nachhaltigen Überwindung der Suchterkrankung ausgehen.

Zusammenfassend ist es somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Verwirklichung des Versagungsgrundes nach § 92 Abs. 1 Z 3 FPG angenommen hat. Einschränkungen bei den Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit den im Ausland lebenden Kindern sind demnach im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Gleiches gilt in Bezug auf in der Beschwerde angesprochene Probleme beim Identitätsnachweis.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am