VwGH vom 03.05.2012, 2012/06/0034
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der O GenmbH in O, vertreten durch Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Evangelische Kirchengasse 2, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom , Zl. OW-02-04- 100-12, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:
1. Gemeinde B, 2. I D und 3. R D, beide Letztere in B, beide vertreten durch Mag. Clemens Schmied, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rilkeplatz 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 sowie der zweit- und der drittmitbeteiligten Partei zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2010/06/0211, und vom , Zl. 2011/06/0113, zu entnehmen. In einem ersten Bauverfahren hatte die Beschwerdeführerin (Bauwerberin) die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung von acht Reihenhäusern (in zwei Blöcken zu je vier Objekten) samt Carports und Einfriedungen auf einem Areal im Gemeindegebiet beantragt. Dieses Gesuch wurde in der Folge zurückgezogen. Im nunmehrigen Bauverfahren geht es um ein geändertes Vorhaben: Die Beschwerdeführerin beantragte mit der am bei der Gemeinde eingebrachten Eingabe vom die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung von vier Reihenhäusern in einem Block samt Carports und Einfriedungen. Die Gebäude sind zweigeschossig geplant. Die nunmehrige Zweitmitbeteiligte und der nunmehrige Drittmitbeteiligte (kurz: Nachbarn) sind Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes, das sich auf der anderen Seite der G-Straße gegenüber dem Bauplatz befindet und erhoben Einwendungen gegen das Vorhaben, darunter gegen die vorgesehene Gebäudehöhe. Für das gegenständliche Gebiet gibt es (neue) Bebauungsrichtlinien vom .
Der Bürgermeister erteilte mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung. Die Berufung der Nachbarn blieb erfolglos. Über ihre Vorstellung behob die belangte Behörde mit Bescheid vom den Berufungsbescheid vom und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit dem eingangs genannten Erkenntnis vom , Zl. 2011/06/0113, hob der Verwaltungsgerichtshof den Vorstellungsbescheid vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und führte dabei unter anderem aus:
"Anders als die früheren Bebauungsrichtlinien normieren die nunmehrigen Bebauungsrichtlinien vom eine zulässige Geschoßanzahl; im betreffenden Gebiet sind - grundsätzlich - drei Geschoße zulässig. Dass das nunmehrige Vorhaben diesen Vorgaben nicht entspräche, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht behauptet.
Um allerdings drei oder auch zwei Geschoße realisieren zu können, bedarf es einer gewissen Höhenentwicklung des Gebäudes. Dies ist im Beschwerdefall nach § 3 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 1 der nunmehrigen Bebauungsrichtlinien zu beurteilen, wobei sich § 3 Abs. 1 lit. c der nunmehrigen Richtlinien ('Gebäudehöhe und äußere Gestaltung der Bauten') inhaltlich nicht von § 3 Abs. 1 lit. c der früheren Richtlinien unterscheidet.
Die Zulässigkeit der projektierten Gebäudehöhe (zum Begriff 'Gebäudehöhe' vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/06/0030, und vom , Zl. 2010/06/0074) ist im Beschwerdefall nach den Kriterien des § 3 Abs. 1 lit. c der nunmehrigen Bebauungsrichtlinien zu beurteilen. Kein Kriterium im Sinne dieser Bestimmung ist allerdings die von den Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift ins Spiel gebrachte 'Kuppenlage' des Vorhabens (gemeint ist sichtlich, dass die projektierten vier Reihenhäuser dadurch höher wirken).
Ob die projektierten Gebäudehöhen im Einklang mit der umgebenden Bebauung stehen ('Anpassen' im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. c der Bebauungsrichtlinien) ist (naturgemäß) unter Bedachtnahme auf die 'umgebende Bebauung' zu beurteilen. Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Erweiterung des von der Beschwerdeführerin vorgelegten (Privat )Gutachtens auch um weitere Gebäude in der Nähe verlangt, das vorgelegte Gutachten als unzureichend erachtet (wobei die Mitbeteiligten hiezu vortragen, das Gutachten erfasse speziell besonders hohe Gebäude) und eine Klarstellung des Umfanges des Untersuchungsgebietes vermisst hat."
Die Aufhebung erfolgte deshalb, weil die belangte Behörde verkannt hatte, dass die projektierte Anzahl der Geschoße nunmehr (anders als im früheren Bauverfahren - siehe das ebenfalls eingangs genannte hg. Erkenntnis vom ) grundsätzlich zulässig sei, wenngleich es, wie dargelegt, unabhängig davon auf die zulässige Gebäudehöhe ankomme.
In Umsetzung des Erkenntnisses vom hob die belangte Behörde mit Bescheid vom den Berufungsbescheid vom auf.
Im fortgesetzten Berufungsverfahren erstattete DI R. T. im Auftrag der Beschwerdeführerin (Bauwerberin) ein ergänzendes, positives Privatgutachten vom . Über Auftrag der Berufungsbehörde überprüfte der Amtssachverständige Ing. W. B. das Gutachten und kam in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom ebenfalls zu einer positiven Beurteilung. Die Nachbarn äußerten sich unter Anschluss eines Privatgutachtens vom mit Schriftsatz vom ablehnend.
Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates vom wurde der Berufung der Nachbarn abermals keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom bestätigt. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, folgte die Berufungsbehörde den Gutachten T. und kam zum Ergebnis, dass die projektierte Gebäudehöhe nach den Kriterien des § 3 Abs. 1 lit. c (der maßgeblichen Bebauungsrichtlinien) mit der umgebenden Bebauung im Einklang stehe.
Die Nachbarn erhoben Vorstellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den bekämpften Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen.
Nach zusammengefasster Darstellung des Gutachtens T. und des Verfahrensganges führte die belangte Behörde zur Begründung aus, im Beschwerdefall sei die Zulässigkeit der projektierten Gebäudehöhe (der nördlichen Gebäudefront der Reihenhausanlage) nach den Kriterien des § 3 Abs. 1 lit. c der Bebauungsrichtlinien vom zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe oder sich dieser anpasse, seien alle jene Liegenschaften einzubeziehen, die miteinander nach der überwiegend herrschenden faktischen Bebauung ein im wesentlich einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bildeten. Nur auf dieser Weise könne der Beurteilungsmaßstab geschaffen werden. In der Rechtsprechung werde auch immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass konkrete Feststellungen über die Grenzen des Bezugsbereiches (Abgrenzung des Gebietes, das als Maßstab herangezogen werden solle) getroffen werden müssten.
Zu den vorliegenden Gutachten (T.) vom und vom sei festzustellen, dass eine Festlegung des Beurteilungsgebietes unter dem Gesichtspunkt, inwieweit Grundstücke nach der überwiegend herrschenden faktischen Bebauung ein im Wesentlichen einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bildeten, nicht erfolgt sei. Die exakte Abgrenzung des Beurteilungsgebietes - wie immer diese Abgrenzung sachlich gerechtfertigt sei - sei unverzichtbar, weil der Baubestand im Beurteilungsgebiet vollständig erfasst werden müsse. Weder die dem ergänzenden Gutachten angeschlossene planliche Darstellung des Beurteilungsgebietes noch die verbalen Ausführungen im Gutachten ließen eine schlüssige Aussage über ein konkretes Beurteilungsgebiet zu. In der planlichen Darstellung seien vier Kreise mit demselben Mittelpunkt (Mitte des Baugrundstückes) eingezeichnet, mit Radien von 80 m, 130 m, 230 m und 280 m. Jede Kreisfläche stelle ein Beurteilungsgebiet dar. Die Abgrenzung von Beurteilungsgebieten in dieser Form sei im Gegenstandsfall schon deshalb ungeeignet, weil die Kreislinien die Grundstücke und Gebäude teilten, die Grundstücke und Gebäude somit in zwei Beurteilungsgebiete ragten oder - in einzelnen Fällen (es folgen Beispiele) - über das größte dargestellte Beurteilungsgebiet hinausragten und eine Zuordnung dieser Grundstücke und Gebäude zu einem bestimmten Beurteilungsgebiet unterblieben sei.
Im ergänzenden Gutachten vom werde von nicht nachvollziehbaren Tatsachen und einer unrichtigen Behauptung ausgegangen. Die belangte Behörde habe in ihrem Bescheid vom an keiner Stelle das Beurteilungsgebiet verbindlich festgelegt und deshalb die Einbeziehung näher bezeichneter Grundstücke in das weitere Verfahren gefordert. Sie habe lediglich eine beispielsweise Aufzählung von Grundstücken an solchen Straßen vorgenommen, die der Sachverständige in seinem Gutachten vom erwähnt habe.
Näher bezeichnete Grundstücke lägen nicht alle, wie auf Seite 4 des ergänzenden Gutachtens ausgeführt, innerhalb der Kreisfläche mit einem Radius von 180 m (wurde näher ausgeführt). Weiters werde im Befund von insgesamt 36 Objekten gesprochen. Es liege aber lediglich eine Befundung (Traufen- und Firsthöhe) von 32 Objekten vor (diese werden aufgezählt). In der Schlussfolgerung des ergänzenden Gutachtens werde keinem der Beurteilungsgebiete mit den Radien von 80 m, 130 m, 230 m und 280 m der Vorzug gegeben. Alle vier Beurteilungsgebiete seien im gleichen Maße geeignet, als Beurteilungsgebiet für das gegenständliche Bauvorhaben zu gelten. Diese Aussage stehe im Widerspruch zu der Aussage im Gutachten, das Beurteilungsgebiet mit einem Radius von 250 m sei fachlich logisch und aus der Sicht des Gutachters richtig, und setze sich nicht mit der Frage der Zulässigkeit des im Befund genannten Beurteilungsgebietes mit einem Radius von 180 m auseinander.
Deshalb sei die Berufungsbehörde zu Unrecht davon ausgegangen, es sei das Ermittlungsverfahren als ausreichend zu beurteilen und das Beurteilungsgebiet mit einem Radius von 280 m anzunehmen. Der Sachverhalt bedürfe vielmehr einer Aufklärung.
Weiters könne es im Beschwerdefall nicht als zutreffend angesehen werden, wenn in den Gutachten vom und vom nicht die tatsächlichen Gebäudehöhen auf den zum Vergleich herangezogenen Grundstücken angeführt würden. In den Gutachten würden Traufenhöhen und Firsthöhen genannt, die Gebäudehöhen fehlten aber. Was nun die Frage der Gebäudehöhen anlange, sei hervorzuheben, dass das Burgenländische Baugesetz (und nicht minder das Raumplanungsgesetz) hiezu keine näheren Regelungen enthielten. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich mit der Problematik der Auslegung des Begriffes "Gebäudehöhe" im Burgenland in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0030, näher befasst und habe darauf verwiesen, dass der Inhalt einer in einem Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung grundsätzlich nach den maßgeblichen Normen im Zeitpunkt der Beschlussfassung zu beurteilen sei, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen Abweichendes anordneten. Dieser Grundsatz habe auch im Beschwerdefall zu gelten. Deshalb erweise sich die Bausache als noch nicht spruchreif. Es fehlten Erhebungen auf gutachtlicher Basis zu den Fragen der Grenzen des Beurteilungsgebietes und der Höhen der Gebäude im Beurteilungsgebiet.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Auch die mitbeteiligten Nachbarn haben in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die maßgebliche Rechtslage ist dem eingangs genannten Vorerkenntnis vom zu entnehmen.
Im Beschwerdefall ist insbesondere strittig, ob die projektierten Gebäudehöhen im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. c der Bebauungsrichtlinien vom im Einklang mit der "umgebenden Bebauung" stehen (die Datierung der Bebauungsrichtlinien mit 26. "Oktober" 2010 in der Beschwerde beruht auf einem offensichtlichen Schreibfehler).
Der angefochtene Bescheid enthält zwei tragende Aufhebungsgründe: einerseits mangle es an einer exakten Abgrenzung des Beurteilungsgebietes (auch seien die Ausführungen unstimmig), andererseits mangle es an einer näher Befassung mit den Gebäudehöhen.
Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, bei der Angabe "180 m" im Gutachten handle es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, gemeint seien vielmehr 280 m. Auch erfassten die Gutachten T. alle Objekte. Auf dem einen Grundstück gebe es drei "fast gleiche Objekte", ebenso auf einem weiteren Grundstück (Hinweis auf Lichtbilder). "Stellvertretend für die fast gleichen Objekte" auf den beiden Grundstücken sei jeweils ein Objekt repräsentativ beschrieben worden (30 Einzelobjekte und je ein Objekt stellvertretend für die jeweils anderen beiden auf den beiden genannten Grundstücken). Daraus ergebe sich, dass das Gutachten eben 36 Objekte umfasse. Auch stelle die belangte Behörde hinsichtlich des Begriffes "Gebäudehöhe" zu Unrecht auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0030, ab, denn bei Erlassung der Bebauungsrichtlinien vom (richtig) habe es keine gesetzliche Definition dieses Begriffes gegeben.
Dem ist Folgendes zu entgegnen: Die Beschwerdeausführungen vermögen daran nichts zu ändern, dass es dem Gutachten T., wie von der belangten Behörde hervorgehoben, an einer klaren Abgrenzung des Beurteilungsgebietes mangelt oder auch - dies vor dem Hintergrund der Beschwerdeausführungen - einer näheren Begründung, weshalb die "umgebende Bebauung" im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. c der Bebauungsrichtlinien gerade durch sämtliche Objekte in einem Umkreis von 280 m repräsentiert werde (und nicht etwa durch ein kleines, allenfalls auch unregelmäßig geformtes Gebiet).
Die maßgeblichen Bebauungsrichtlinien enthalten keine Definition des Begriffes "Gebäudehöhe". Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Auslegung dieses rechtserheblichen Begriffes im Vorerkenntnis vom auf seine früheren Erkenntnisse vom , Zl. 2010/06/0030, und vom , Zl. 2010/06/0074, verwiesen.
Soweit im Übrigen im ergänzenden Gutachten T. vom auf Seite 2 im Zusammenhang mit der Wiedergabe unterschiedlicher Auffassungen zur projektierten Gebäudehöhe ausgeführt wird, es sei "die Differenz der Höhenvergleiche" nicht wesentlich, weil eine Bebauung mit mindestens zwei Geschoßen gemäß den Bebauungsbestimmungen zulässig sei, wird verkannt, dass es gemäß dem Vorerkenntnis vom nach § 3 Abs. 1 lit. c der Bebauungsrichtlinien vom auf die Gebäudehöhe unabhängig von der grundsätzlich zulässigen Anzahl von Geschoßen ankommt.
Die dargestellten Mängel haften im Übrigen auch dem Gutachten B. vom an.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-69703