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VwGH 03.05.2012, 2012/06/0030

VwGH 03.05.2012, 2012/06/0030

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §4 Abs3;
BauRallg;
RS 1
Die nachbarschützende Wirkung (siehe § 26 Abs. 1 lit. a Vlbg. BauG) des § 4 Abs. 3 Vlbg. BauG gewährt auch einen Schutz vor den dort bezeichneten Gefahren während der Bauausführung, weil auf die "Bebauung" abgestellt wird (in diesem Sinne der Motivenbericht zu § 4 Abs. 3 BauG in Germann/Hämmerle, aaO, S. 37).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/06/0103 E RS 3

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der S M in G, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in 6840 Götzis, Am Garnmarkt 3, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom , Zl. BHFK-II-4151-2011/0015, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. J GmbH in S, 2. Gemeinde G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/06/0015, zu entnehmen.

Mit Eingabe vom (mit Planunterlagen eingebracht am ) kam die erstmitbeteiligte Partei (Bauwerberin) um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 13 Wohneinheiten (bestehend aus drei Objekten, nämlich a, b und c) samt einer Tiefgarage für 19 Pkw und (oberirdisch) 7 Besucherabstellplätzen auf einer Liegenschaft im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde ein. Die Zu- bzw. Abfahrt von (zu) der Tiefgarage und den Abstellplätzen erfolgt im seitlichen Bereich des Hauses a unmittelbar zur Landesstraße. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstückes, das zum Teil an die zu bebauende Liegenschaft grenzt (und zwar im Bereich des Hauses b). Sie erhob verschiedene Einwendungen gegen das Vorhaben.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wurde die angestrebte Baubewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen erteilt. Im Abschnitt A Punkt 38 wurde unter Hinweis auf § 29 Abs. 6 des Vorarlberger Baugesetzes vorgeschrieben, dass das Bauvorhaben bis spätestens zum fertigzustellen sei. In der Begründung des Bescheides wird darauf verwiesen, dass sich gemäß § 1 der Stellplatzverordnung der Gemeinde vom in der geltenden Fassung für das Bauvorhaben ein Bedarf von 26 Pkw-Abstellplätzen davon sieben als Besucherplätze, ergebe.

Die Berufung und die Vorstellung der Beschwerdeführerin blieben erfolglos. Mit dem eingangs genannten hg. Erkenntnis vom wurde der Vorstellungsbescheid vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil sich die Behörden entscheidend auf von der Bauwerberin vorgelegte Gutachten (geotechnische Stellungnahme und sprengtechnische Stellungnahme) gestützt hatten, ohne diese näher zu überprüfen.

Daraufhin behob die belangte Behörde in Umsetzung dieses Erkenntnisses mit Bescheid vom den Berufungsbescheid vom .

In der Folge kam es zu einem ergänzenden Ermittlungsverfahren, in dem ein Gutachten des geologischen Amtssachverständigen Dr. B. vom und ein sprengtechnisches Gutachten des Sachverständigen DI G. vom eingeholt wurden. Die Beschwerdeführerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Berufungsbescheid vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, ergänzend wurden einige weitere Auflagen vorgeschrieben. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Vorstellung, der mit Bescheid der belangten Behörde vom Folge gegeben wurde, weil die ergänzend vorgeschriebenen Auflagen zu wenig konkretisiert worden waren.

Schließlich wurde mit Berufungsbescheid vom der Berufung der Beschwerdeführerin abermals keine Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid aber um eine Reihe von Auflagen (gemäß den Vorschlägen des Sachverständigen DI G. in seinem Gutachten vom ) ergänzt.

Zusammenfassend kam die Berufungsbehörde zum Ergebnis, dass die eingeholten Gutachten schlüssig und vollständig seien. Die Beschwerdeführerin habe Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, sie sei den Gutachten nicht entsprechend entgegengetreten. Mit den ergänzenden Vorschreibungen sei sichergestellt, dass die Liegenschaft der Beschwerdeführerin nicht gefährdet wäre.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Zur Begründung heißt es zusammenfassend, die Einholung eines lärmtechnischen und lufthygienischen Gutachtens bezüglich der bewilligten Parkplätze und Tiefgaragenplätze sei entbehrlich gewesen, denn die sieben oberirdischen Besucherparkplätze und die kurze Zufahrt für die 19 Tiefgaragenplätze seien so auf der Nordostseite des Hauses a situiert, dass sie gegenüber der Liegenschaft der Beschwerdeführerin, welche sich im Südwesten befinde, völlig abgeschirmt würden und deshalb ortsunübliche Auswirkungen durch Immissionen im Zusammenhang mit dem Pkw-Verkehr von vornherein ausgeschlossen werden könnten. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass auf einer als Baufläche-Mischgebiet gewidmeten Fläche (wie dem Baugrundstück) auch betriebliche Immissionen hinzunehmen wären, sofern sie das Wohnen nicht wesentlich störten. Letzteres könne im vorliegenden Fall ohne Weiteres ausgeschlossen werden.

Ein Immissionsschutz komme der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Verwendung des zu errichtenden Bauwerkes zu, nicht jedoch hinsichtlich der Bauausführung. Überdies seien die von den Sachverständigen empfohlenen Auflagen nunmehr vollständig in den Baubewilligungsbescheid aufgenommen worden, damit werde ein größtmöglicher Schutz der angrenzenden Grundstücksnachbarn gewährleistet.

Die Beschwerdeführerin habe ausreichend Gelegenheit gehabt, zu den eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebliche Rechtslage ist zunächst im eingangs genannten Vorerkenntnis vom zu entnehmen. Hervorzuheben sind § 4 Abs. 3 und § 8 (seit der Novelle LGBl. Nr. 29/2011 Abs. 1) des Vorarlberger Baugesetzes (BauG) - der Beschwerdeführerin als Nachbarin kommt diesbezüglich ein Mitspracherecht zu:

"(§ 4) (3) Ein Baugrundstück darf nur so bebaut werden, dass weder das Bauwerk selbst noch Nachbargrundstücke durch Lawinen, Wasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u.dgl. gefährdet werden."

"§ 8

Immissionsschutz

(1) Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen dürfen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen."

Für das Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde besteht eine Verordnung der Gemeindevertretung vom (in der Fassung der Verordnung vom ) hinsichtlich der Mindestanzahl von Abstellplätzen für Kraftwägen. Nach § 1 Z 1 lit. e sind bei Wohnanlagen zwei Abstellplätze pro Wohnung, davon 0,5 Abstellplätze für Besucher der Wohnanlage vorgesehen; nach § 1 Abs. 3 leg. cit. können die Abstellplätze als Einstell- oder Abstellplätze ausgeführt werden. Bei Wohnanlagen ab zehn Wohneinheiten müsse jedoch ein Einstellplatz pro Wohnung in einer unterirdischen Sammelgarage ausgeführt werden.

Zum Beschwerdevorbringen ist zunächst auszuführen: Es trifft zu, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides die Vorstellung mit datiert wird. Dabei handelt es sich aber um einen offenkundigen Schreibfehler, es kann vielmehr nicht fraglich sein, dass über die letzte Vorstellung, nämlich jene vom entschieden wurde.

Die Beschwerdeführerin vertritt weiters die Auffassung, im Beschwerdefall würden mehr als die erforderlichen Pflichtstellplätze errichtet, sodass es erforderlich gewesen wäre, ein immissionstechnisches und ein ärztliches Gutachten hinsichtlich der zu erwartenden, auf ihre Liegenschaft einwirkenden Immissionen einzuholen. Dies sei zu Unrecht unterblieben.

Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift darauf, dass gemäß der Verordnung der Gemeindevertretung vom (in der Fassung der Verordnung vom ) ohnedies nur die erforderliche Anzahl an Pflichtstellplätzen errichtet wird.

Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Vorbringen auf diese Verordnung zu verweisen, auf die schon im erstinstanzlichen Bescheid Bezug genommen wurde. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass mehr als die Pflichtstellplätze errichtet werden, ist demnach nicht nachvollziehbar. Damit scheidet aber eine diesbezügliche Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin aus (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0152).

Die nachbarschützende Wirkung des § 4 Abs. 3 BauG gewährt auch einen Schutz vor den dort bezeichneten Gefahren während der Bauausführung (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/06/0103, und vom , Zl. 2009/06/0039). Zur Umsetzung des Projektes (Baugrube) sind auch Sprengungen erforderlich. Zu diesem Komplex gibt es eine geologische und eine sprengtechnische Begutachtung, die Berufungsbehörde hat dazu eine Reihe von Auflagen vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerin hält zusammenfassend die Gutachten für unzureichend und die Auflagen ebenso für unzureichend aber auch unbestimmt.

Die diesbezüglichen Einwände der Beschwerdeführerin sind unberechtigt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit Auswirkungen durch Sprengungen auf Nachbargrundstücke überhaupt von der nachbarschützenden Wirkung des § 4 Abs. 3 BauG umfasst sind. Die Beschwerdeführerin hatte Gelegenheit, zu den eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen. Sie ist ihnen nicht substantiiert und auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Dem kann sie nun nicht mit Erfolg entgegenhalten, es hätte ja noch zu einer weiteren Beweisaufnahme kommen können und sie hätte dann nach dem - aus ihrer Sicht endgültigen - Abschluss des Beweisverfahrens Stellung nehmen können. Für eine weitere Beweisaufnahme bestand für die Berufungsbehörde bei der gegebenen Verfahrenslage kein Anlass.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sind die ergänzend, gemäß den Vorschlägen des Gutachtens vorgeschriebenen Auflagen ausreichend bestimmt, weil davon auszugehen ist, dass für die mit der Umsetzung befassten, entsprechend fachkundigen Personen der Inhalt objektiv eindeutig erkennbar ist (vgl. dazu beispielsweise die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, in E 66c zu § 59 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Gegenteiliges zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf.

Die Beschwerdeführerin trägt weiters vor, die Abweisung der Vorstellung bedeute eine inhaltliche "Bestätigung" des Berufungsbescheides, womit die belangte Behörde inhaltlich auch die Auflage im Abschnitt A Punkt 38. des erstinstanzlichen Bescheides "bestätige", wonach das Bauvorhaben bis fertigzustellen sei. Dieses Datum sei längst nicht mehr realisierbar, weil "sich nach derzeitigem Stand der Wissenschaften die Zeit nicht zurückdrehen lässt". Es liege somit ein undurchführbarer Bescheid vor, was ihn mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belaste.

Die Beschwerdeführerin lässt damit nicht erkennen, in welchem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht sie sich in diesem Zusammenhang als verletzt erachtet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §4 Abs3;
BauRallg;
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2012060030.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAE-69695