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VwGH vom 12.07.2012, 2012/06/0017

VwGH vom 12.07.2012, 2012/06/0017

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/06/0051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Dr. Waldstätten sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerden 1. des Bürgermeister der Stadtgemeinde N, 2. der Stadtgemeinde N, beide vertreten durch die Hajek Boss Wagner Rechtsanwälte OG in 7000 Eisenstadt, Blumengasse 5 (Beschwerde zu Zl. 2012/06/0017), und 3. der K K in N, vertreten durch Dr. Peter Böck, Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl, Obere Hauptstraße 27 (Beschwerde zu Zl. 2012/06/0051), gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom , Zl. ND-02-02-244-17-2011, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 und der Drittbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in den Beschwerden und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus, der in den relevanten Punkten jenem gleicht, der dem hg. Erkenntnis vom , Zlen 2011/06/0213 und 2012/06/0018 zugrunde lag:

Mit Schreiben vom beantragte die Drittbeschwerdeführerin die Erteilung einer Baufreigabe für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einfriedung und Carport auf einem näher genannten Grundstück in der zweitbeschwerdeführenden Stadtgemeinde. Laut Baubeschreibung hat das Einfamilienhaus Abmessungen von 10,32 m x 8,32 m und eine Wohnnutzfläche von 121,18 m2. Das gegenständliche Grundstück ist als "Baugebiet für Erholungs- oder Fremdenverkehrseinrichtungen" (im Folgenden kurz: BF) gewidmet.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitbeschwerdeführenden Stadtgemeinde vom wurde der Drittbeschwerdeführerin die beantragte Baufreigabe gemäß § 17 Abs. 4 Bgld. BauG erteilt; der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Im Rahmen eines Aufsichtsverfahren forderte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (BH) den Bauakt an und ersuchte die Landesdirektion, Stabstelle Raumordnung und Wohnbauförderung (im Folgenden kurz: LAD-RO), um rechtliche Stellungnahme dazu, ob die gegenständlich erteilte baubehördliche Bewilligung im Hinblick auf

§ 25 Burgenländisches Raumplanungsgesetz (Bgld. RPlG) in einem als Baugebiet für Erholungs- oder Fremdenverkehrseinrichtungen gewidmeten Bereich rechtlich möglich sei, obwohl kein rechtswirksamer Teil- bzw. Bebauungsplan vorliege. Dies verneinte die LAD-RO in ihrer Stellungnahme vom im Wesentlichen mit der Begründung, das verfahrensgegenständliche Wohnhaus diene der dauernden Wohnversorgung bzw. der Begründung eines Hauptwohnsitzes; dies stehe im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan; der Bescheid sei daher für nichtig zu erklären. Die Drittbeschwerdeführerin wies in ihrer Stellungnahme vom zu der von der LAD-RO geäußerten Rechtsansicht darauf hin, dass eine Nichtigerklärung der erteilten Baubewilligung für sie einen existenzgefährdenden wirtschaftlichen Schaden darstellen würde, weil sie für den Hausbau ein Darlehen aufgenommen habe. Das Aufsichtsrecht sei u.a. unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter auszuüben. Da keine nachteiligen Wirkungen durch die als rechtswidrig erkannte Bauführung auf die mit der Widmung verfolgten planerischen Zielsetzungen verbunden seien, dürfe die Baufreigabe aufgrund des Schonungsprinzips nicht wegen Nichtigkeit aufgehoben werden. Auch die Zweitbeschwerdeführerin wandte sich in ihrem Schreiben vom mit näherer Begründung gegen die Nichtigerklärung der verfahrensgegenständlichen Baufreigabe. In einer ergänzenden Stellungnahme vom ging die LAD-RO auf die Stellungnahmen der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen ein, hielt ihre Stellungnahme vom , wonach der Bescheid für nichtig zu erklären sei, jedoch vollinhaltlich aufrecht. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wiederholten nochmals ihre bereits zuvor eingenommenen Standpunkte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die Baufreigabe des Bürgermeisters der Stadtgemeinde N vom betreffend die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einfriedung und Carport gemäß § 86 und § 91 Abs. 1 Z 4 Burgenländische Gemeindeordnung 2003 (Bgld. GemO 2003) iVm § 33 Burgenländisches Baugesetz 1997 (Bgld. BauG) und § 14 Abs. 3 lit. g iVm § 20 Abs. 1 und 6 Bgld. RPlG als nichtig auf. Begründend führte sie - wie bereits in dem dem hg. Erkenntnis vom , Zlen 2011/06/0213 und 2012/06/0018, zugrunde liegenden angefochtenen Bescheid - im Wesentlichen aus, dass Gebiete mit der Sonderwidmung BF nicht der dauernden Wohnversorgung, sondern der Erholung in der Freizeit bzw. Urlaubszeit dienten. Die Erteilung der Baufreigabe für das Einfamilienhaus der Drittbeschwerdeführerin, das als Hauptwohnsitz diene und ganzjährig bewohnt werde, stelle einen mit Nichtigkeit bedrohten Widerspruch zum Flächenwidmungsplan dar. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 86 Abs. 6 iVm § 91 Bgld. GemO kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Baufreigabe derart bedeutende tatsächliche Wirkungen auf die durch die verletzten Rechtsvorschriften geschützten Normzwecke entfalte, dass ein Eingriff in die Rechtskraft dieses Bescheides als strengstes Mittel der Gemeindeaufsicht gerechtfertigt erscheine. Die vorgebrachten wirtschaftlichen Privatinteressen der Drittbeschwerdeführerin könnten im gegenständlichen Fall die geschützten öffentlichen Interessen nicht überwiegen.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof gab der belangten Behörde gemäß § 35 Abs. 2 VwGG Gelegenheit, alles vorzubringen, was geeignet ist, das Vorliegen der im hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2011/06/0213 und 2012/06/0018, aufgezeigten Rechtsverletzung als nicht gegeben erkennen zu lassen. Hievon machte sie keinen Gebrauch.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu 1.): Gemäß § 94 Abs. 3 Bgld. GemO i.d.F. LGBl. Nr. 33/2010 ist die Gemeinde berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132 B-VG) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144 B-VG) Beschwerde zu führen. Eine Legitimation des Bürgermeisters, eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof einzubringen, ist hingegen nicht vorgesehen. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war daher mangels Beschwerdelegitimation zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluss vom , Zlen. 2011/06/0213 und 2012/06/0018).

Zu 2.): Die vorliegend zu klärenden Rechtsfragen gleichen jenen, die dem hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2011/06/0213 und 2012/06/0018, zugrunde lagen. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen. Demnach verstößt die dauernde Wohnnutzung eines Wohnhauses als Hauptwohnsitz - wie von der Drittbeschwerdeführerin beabsichtigt - gegen die gemäß § 14 Abs. 3 lit. g Bgld. RPlG als BF ausgewiesene Flächenwidmung. Die Baufreigabe ist daher gemäß § 20 Abs. 6 Bgld. RPlG als nichtig zu erklären, sofern das gemäß § 86 Abs. 6 Bgld. GemO zu berücksichtigende Prinzip der möglichsten Schonung erworbener Rechte Dritter dem nicht entgegensteht.

Diesbezüglich ist der gegenständliche Sachverhalt ebenfalls mit jenem vergleichbar, der dem bereits zitierten hg. Erkenntnis Zlen. 2011/06/0213 und 2012/06/0018 zugrunde lag. Auch im vorliegenden Fall überschreitet die gegebene Widmungswidrigkeit wohl das Maß der Geringfügigkeit, die Rechtswidrigkeit der erteilten Baufreigabe liegt aber - in Ermangelung einer vorherigen höchstgerichtlichen Klärung - nicht in einem Ausmaß vor, die im vorliegenden Fall das schärfste Aufsichtsmittel, nämlich die Nichtigerklärung einer rechtskräftigen Baubewilligung, erforderlich macht.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 35 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren der Zweitbeschwerdeführerin auf Ersatz der Eingabegebühr war abzuweisen, weil diese von der Errichtung derselben befreit ist; gemäß § 48 Abs. 1 Z 1 VwGG besteht nur Anspruch auf Ersatz jener Gebühren, die die jeweilige Partei zu entrichten hat . Das Mehrbegehren der Drittbeschwerdeführerin war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist.

Wien, am