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VwGH vom 21.03.2014, 2012/06/0008

VwGH vom 21.03.2014, 2012/06/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der M P in Graz, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A 17-038069/2008/0010, betreffend einen Unterlassungsauftrag (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom erging (u.a.) an die Beschwerdeführerin der Auftrag, "die Verwendung des Kellergeschoßes beim bestehenden Wohnhaus zu Wohnzwecken" in Graz auf einem näher angeführtem Grundstück sofort zu unterlassen.

In ihrer Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Kind den gegenständlichen Keller, der als vollwertige Wohnung ausgebaut sei, zu bewohnen. Diese Kellerwohnung bestehe seit rund 50 Jahren unverändert, sodass eindeutig ein "rechtmäßiger Bestand" im Sinne des § 40 Abs. 1 Stmk BauG 1995 vorliege.

In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde am gab die Beschwerdeführerin an, "ca. im Jahre 2000 bis 2001 im Kellergeschoß ein WC und ein Bad" eingebaut zu haben. "Vorher war kein Bad und WC im Kellergeschoß vorhanden". Sie sei ca. im Jahre 2001 in das Kellergeschoß gezogen und nutze dieses seither zu Wohnzwecken.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde.

Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, anlässlich einer örtlichen Erhebung durch ein Organ der Baubehörde sei festgestellt worden, dass das Kellergeschoss beim bestehenden Wohnhaus auf einem näher angeführten Grundstück in Graz zu Wohnzwecken verwendet worden sei, ohne dass hiefür eine baubehördliche Bewilligung erteilt worden sei. Die Änderung des Verwendungszweckes sei unter § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 zu subsumieren und bedürfe schon vor ihrer Durchführung einer Bewilligung. Zum Berufungsvorbringen, dass die gegenständliche Wohnnutzung im Keller schon vor dem stattgefunden habe, sei auszuführen, dass dies auf Grund der Aussage der Beschwerdeführerin sowie des J S auszuschließen sei, weil von beiden bestätigt worden sei, eine Veränderung in den Räumlichkeiten (u.a. Änderung einer Mauer und Einbau von Sanitärräumlichkeiten) habe jedenfalls nach dem stattgefunden; somit sei ein allfälliger Konsens für die Kellerräumlichkeiten untergegangen. Es liege kein rechtmäßiger Bestand im Sinne des § 40 Stmk BauG 1995 vor.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage von Bedeutung:

Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995), im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides idF LGBl. Nr. 13/2011:

"Baubewilligungspflichtige Vorhaben

§ 19

Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus

den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

...

2. Nutzungsänderungen, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Hygiene, die Sicherheit von baulichen Anlagen oder deren Teilen von Einfluss sein können oder die Nachbarrechte berühren oder wenn Bestimmungen des jeweils geltenden Raumordnungsgesetzes, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes berührt werden können;

...

Baubewilligungsfreie Vorhaben

§ 21

...

(2) Baubewilligungsfrei sind überdies:

1. der Umbau einer baulichen Anlage oder Wohnung, der keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirkt;

...

Benützungsbewilligung

§ 38

(1) Der Bauherr hat nach Vollendung von Neu-, Zu- oder Umbauten (§ 19 Z. 1) ... und vor deren Benützung um die Erteilung der Benützungsbewilligung anzusuchen.

...

(7) Die Benützungsbewilligung kann bei einer der genannten Voraussetzungen auch für einen in sich abgeschlossenen Teil der baulichen Anlage erteilt werden.

Rechtmäßiger Bestand

§ 40

(1) Bestehende bauliche Anlagen und Feuerstätten, für die eine Baubewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen ist und diese nicht nachgewiesen werden kann, gelten als rechtmäßig, wenn sie vor dem errichtet wurden.

(2) Weiters gelten solche bauliche Anlagen und Feuerstätten als rechtmäßig, die zwischen dem und errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären.

...

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

§ 41

...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

(4) Die Behörde hat die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung aufzutragen, wenn eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes von baulichen Anlagen oder Teilen derselben ohne Bewilligung vorgenommen wurde; Abs. 3 zweiter Satz gilt sinngemäß.

..."

4.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das von der Behörde erster Instanz bzw. auch das von der belangten Behörde durchgeführte Verfahren genüge nicht den Vorschriften der § 37 ff AVG. Abgesehen von der Einvernahme der Beschwerdeführerin und des J S sei kein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Im Hinblick auf den im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatz der materiellen Wahrheit sei jede Behörde verpflichtet, bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens von Amts wegen vorzugehen. Es wäre der Behörde oblegen, in Anbetracht der Zeugeneinvernahme einen Ortsaugenschein durchzuführen, um entsprechende Feststellungen hinsichtlich der vorgenommenen Veränderungen in der Kellerwohnung treffen zu können. Sinnvoll wäre es jedenfalls gewesen, den Zeugen J S und die Beschwerdeführerin vor Ort zu vernehmen, um die angeblichen Umbauarbeiten genauer in Augenschein nehmen zu können. Es wäre die Feststellung zu treffen gewesen, dass durch die erfolgten Veränderungen das äußere Erscheinungsbild der baulichen Anlage nicht verändert worden sei. Infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung habe die Behörde überhaupt keine Ermittlung angestellt, so dass das Verfahren offenkundig mangelhaft geblieben sei.

Es seien nicht alle beantragten Zeugen einvernommen worden; die belangte Behörde habe es auch unterlassen, die vorgelegten Bestätigungen der E H, der A F sowie des R S in die Entscheidung einfließen zu lassen. Bei Aufnahme dieser Beweise hätte sich gezeigt, dass die gegenständliche Kellerwohnung bereits seit 1956 nahezu durchgehend in der bestehenden Form bewohnt worden sei.

Der angefochtene Bescheid gründe sich ferner auf Feststellungen, welche im Akteninhalt keine Deckung fänden. So sei nach Ansicht der belangten Behörde eine Wohnnutzung der Kellerräumlichkeiten auf Grund der Zeugenaussagen auszuschließen. Diese Schlussfolgerung stehe aber ausdrücklich im Widerspruch zu den Zeugenaussagen und den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigungen (wird näher ausgeführt). Die verfahrensgegenständliche Kellerwohnung bestehe seit rund 50 Jahren unverändert, weshalb diese einen "rechtmäßigen Bestand" nach § 40 Abs. 1 Stmk BauG 1995 darstelle. Es liege keine vorschriftswidrige Nutzung vor, welche wiederum nach § 41 Abs. 4 Stmk BauG 1995 Voraussetzung eines Unterlassungsauftrages wäre. Die durchgeführten Veränderungen (Veränderung einer Mauer und Einbau von Sanitärräumlichkeiten) seien lediglich als Umbau einer Wohnung, der keine Änderungen der äußeren Gestalt bewirkt hätte, und somit bewilligungsfrei nach § 21 Abs. 2 Stmk BauG 1995 zu qualifizieren. Durch sie könne auch der unstrittig vorliegende rechtmäßige Bestand nach § 40 Stmk BauG 1995 nicht untergegangen sein.

Selbst wenn man der Rechtsansicht der belangten Behörde folgte, dass durch den Einbau von Sanitärräumlichkeiten eine Nutzungsänderung im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 erfolgt sei, so würde diese Nutzungsänderung lediglich den betroffenen Sanitärraum und nicht die gesamte Kellerwohnung betreffen. Da in Bezug auf die übrigen Räumlichkeiten keine Nutzungsänderung eingetreten sei, könne für diese Bereiche auch nicht der rechtmäßige Bestand nach § 40 Stmk BauG 1995 untergegangen sein.

4.3. Der Zweck des § 40 Abs. 1 Stmk BauG 1995 als "Sanierungsbestimmung" liegt darin, bei vor dem bestehenden Bauten von ihrer Rechtmäßigkeit auszugehen. Solange bewiesen werden kann, dass eine bauliche Anlage vor dem errichtet wurde und nach wie vor in dieser Form besteht, hat sie nach den Bestimmungen des Gesetzes als rechtmäßig zu gelten, und es ist unerheblich, ob und inwieweit das Bauwerk seinerzeit rechtmäßig errichtet worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/06/0123).

§ 40 Abs. 1 Stmk BauG 1995 kommt - bei gleichheitskonformer Auslegung - nicht nur zur Anwendung, wenn vor dem eine bauliche Anlage "errichtet" im engeren Wortsinn wurde, sondern auch bei konsensbedürftigen Nutzungsänderungen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0036). Die Prüfung nach § 40 Stmk BauG 1995 umfasst somit auch die Prüfung der "rechtmäßigen Nutzung".

Ein baupolizeilicher Auftrag darf in Beachtung insbesondere des Grundrechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums immer nur im unbedingt notwendigen Ausmaß ergehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0118). Bei einem einheitlichen Bauwerk ist grundsätzlich der gesamte Bau Gegenstand des baupolizeilichen Auftrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0231). Bei Unteilbarkeit des Baues verliert auch der konsensmäßig vorhandene Bestand durch den konsenslosen Neubestand seinen Konsens (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0149).

4.4. Zunächst ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie aufgrund der unstrittig (nach dem ) durchgeführten Maßnahmen im Kellergeschoß (erstmaliger Einbau von Sanitärräumlichkeiten) grundsätzlich von einer bewilligungspflichtigen Nutzungsänderung im Sinne des § 19 Z. 2 Stmk BauG 1995 ausgeht. Eine Baubewilligung für diese Nutzungsänderung liegt unstrittig nicht vor.

Zur Frage der rechtmäßigen Nutzung gemäß § 40 Abs. 1 Stmk BauG 1995 in Bezug auf das gesamte Kellergeschoß liegt dem angefochtenen Bescheid die Rechtsansicht zu Grunde, dass allein schon die oben angeführte Nutzungsänderung den Auftrag zur Unterlassung der Nutzung des gesamten Kellergeschosses zu Wohnzwecken rechtfertige. Dies wird damit begründet, dass eine Wohnnutzung im Keller vor dem nach den Zeugenaussagen auszuschließen sei, weil die Änderung der Mauer und der Einbau der Sanitärräumlichkeiten nach dem erfolgt seien und somit "ein allfälliger Konsens für die Kellerräumlichkeiten untergegangen" sei.

Mit dieser Ansicht (nämlich, dass ein allfälliger Konsens für die Nutzung des Kellergeschosses zu Wohnzwecken untergegangen ist) ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:

Nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, auch zu der im Verwaltungsakt erliegenden planlichen Darstellung der Kellerwohnung, wurden die neu geschaffenen Sanitärräumlichkeiten in die bestehende Wohneinheit integriert. Ein Auftrag zur Unterlassung der Nutzung lediglich hinsichtlich dieser (konsenslosen) Änderungen kommt nicht in Frage (siehe § 38 Abs. 7 Stmk BauG 1995 betreffend die Benützungsbewilligung). Da somit Unteilbarkeit vorliegt, macht die konsenslose Nutzungsänderung auch den "Altbestand", selbst wenn dieser konsensgemäß gewesen sein sollte, konsenslos.

Der Auftrag zur Unterlassung der Verwendung des (gesamten) Kellergeschoßes zu Wohnzwecken ist demnach nicht als rechtswidrig zu erkennen.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr. 8/2014).

Wien, am