VwGH vom 11.11.2004, 2004/16/0028
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der R Gesellschaft mbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. Gregor Schett, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 1, vom , Zl. ZRV/0176- Z 1W/02, betreffend Zahlungserleichterung in einer Angelegenheit der Mineralölsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage hat das Finanzamt für Verbrauchssteuern und Monopole in Wien der beschwerdeführenden Gesellschaft im Jahre 1990 Mineralölsteuer für die Jahre 1987 bis 1990 zur Zahlung vorgeschrieben.
Am brachte die steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft beim Hauptzollamt Wien einen als "Ansuchen um Stundung" bezeichneten Schriftsatz ein, in dem es heißt:
"Auftrags der Pflichtigen ersuchen wir um Stundung eines Betrages in Höhe von S 21,529.322,-- und begründen dieses Ansuchen wie folgt:
Die seitens des Finanzamts an die Firma A. überwiesenen Beträge in Höhe von S 17,484.482,78 wurden von uns von der Firma A. angefordert.
Der Differenzbetrag in Höhe von S 4,044.839,22 setzt sich aus eingewiesenen Säumniszuschlägen, bzw. Zinsen zusammen, die nicht zurecht bestehen.
Wir ersuchen um Stundung bis eine persönliche Klärung betreffend der Zinsen mit Ihnen getroffen wurde, bzw. bis der Überweisungsbetrag von der Firma A. auf unserem Konto einlangt."
Das Hauptzollamt Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab und verpflichtete die beschwerdeführende Gesellschaft zur Zahlung des Betrages von S 21,529.322,-- binnen zwei Wochen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, privatrechtliche Ansprüche gegenüber Dritten bzw. die Behauptung des Nichtbestehens eines Abgabenanspruches seien nicht geeignet, eine Stundung zu rechtfertigen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Gesellschaft vor, es sei "dem Pflichtigen nicht möglich S 21,529.322,-- auf einmal bzw. kurzfristig an das Zollamt zu überweisen. Bei einem Jahresgewinn in Höhe von ca. S 3,600.000-- stellt die Zahlung eine erhebliche Härte für den Betrieb dar."
Die Einbringung des aushaftenden Betrages sei in keiner Weise gefährdet, weil die betriebsführende Gesellschaft die B. Aktiengesellschaft & Co sei. Zum Bestehen privatrechtlicher Ansprüche sei festgehalten, dass die Behörde darauf hingewiesen worden sei, "daß bei Gutschrift des zu refundierenden Mineralölsteuerbetrages auf das Konto der Firma A. AG, der Betrag nie an die (beschwerdeführende Gesellschaft) weitergeleitet werden wird." Es folgen Ausführungen über ein die A AG betreffendes Verfahren und ein abschließender Hinweis: "In Anbetracht des Amts bekannten, seit Jahren andauernden Verfahrens bitten wir um Stattgabe, bis noch alle offenen Punkte mit Herrn Dr. K besprochen sind."
Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Wien vom als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin beantragte in der Folge die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte vor, der von ihr geforderte Rückstand setze sich aus Zinsen und Säumniszuschlägen bzw. aus einem vom Finanzamt K an die A AG rückbezahlten Betrag zusammen. Für die Zinsen und Säumniszuschläge sei ein Nachsichtsansuchen eingebracht worden, der verbleibende Betrag (Mineralölsteuer) sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft bereits an die A AG bezahlt worden, weil in den Lieferungen bzw. den ausgestellten Rechnungen die Mineralölsteuer enthalten gewesen sei. Mit Bescheid vom seien der A AG diese Beträge gutgeschrieben und von dieser im Dezember 1993 verwendet worden. Wären diese Bescheide nicht von Amts wegen zu Gunsten der A AG erlassen worden, könnten diese Beträge der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht angelastet werden. Die vorgeschriebene Mineralölsteuer hätte die Behörde von der A AG zur Verfügung gehabt. Eine Doppelbesteuerung sei nicht möglich und verfassungswidrig. Die A AG habe die Mineralölsteuer von der beschwerdeführenden Gesellschaft sowie vom Finanzamt K erhalten. Es liege somit eine Bereicherung der A AG vor. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe gegen die A AG im Jahre 1997 "zwecks Zahlung der Mineralölsteuer" eine Klage über S 17,446.022,-
- eingebracht.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung gab sie das Verwaltungsgeschehen sowie die einschlägige Rechtslage und die von ihr als maßgebend erachtete Rechtsprechung wieder. In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde zu dem Schluss, dass der bloße Hinweis der beschwerdeführenden Gesellschaft auf einen Jahresgewinn in der Höhe von ca. S 3,6 Millionen nicht geeignet sei, das Vorliegen einer erheblichen Härte bei sofortiger Entrichtung der Abgaben darzustellen. Die Entrichtung einer rechtskräftig festgesetzten Abgabe für sich allein sei keine erhebliche Härte. Auch die bloße Erwartung, Abgaben auf Grund eines Nachsichtansuchens überhaupt nicht entrichten zu müssen, rechtfertige eine Stundung nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde; der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtzahlung einer verjährten Abgabenschuld verletzt.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt; die beschwerdeführende Gesellschaft hat darauf repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Gesellschaft wendet sich nicht gegen die - wegen Verletzung der Konkretisierungspflicht (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 2001/15/0056, und vom , Zl. 99/17/0416) zu Recht erfolgte - Abweisung des Stundungsansuchens; sie sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin gelegen, dass er - in Bestätigung und Übernahme des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides - den Ausspruch enthält, dass die Abgabenschuld innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides zu entrichten sei. In Bezug auf diese Abgabenschuld sei jedoch bereits mit Einhebungsverjährung eingetreten.
In diesem Zusammenhang ist zunächst zu klären, welche Bedeutung dem von der beschwerdeführenden Gesellschaft für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ins Treffen geführten Spruchteil zukommt. Vorauszuschicken ist, dass mit dem Budgetbegleitgesetz 2000, BGBl. I Nr. 142/2000, unter anderem die Bestimmungen der BAO über den Säumniszuschlag neu gefasst und die §§ 217 bis 221a in dem neu geregelten § 217 zusammengefasst wurden. Gemäß § 323 Abs. 8 BAO sind die §§ 210 Abs. 6, 212 Abs. 2 lit. a, 212 Abs. 3, 212a Abs. 7, 214 Abs. 5, 217 sowie 230 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem entsteht. Auf Abgaben, für die der Abgabenanspruch vor dem entsteht, sind die §§ 212 Abs. 3 sowie 218 Abs. 2 und 6 (jeweils in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 142/2000) weiterhin mit der Maßgabe anzuwenden, dass die dort genannten Zweiwochenfristen jeweils einen Monat betragen.
Im vorliegenden Fall ist der Abgabenanspruch unbestritten spätestens im Jahre 1990 entstanden, somit die Rechtslage vor der genannten Novelle maßgebend:
Wurde (nach der alten Rechtslage) einem zeitgerecht eingebrachten Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs. 1 BAO) nicht stattgegeben, so war gemäß § 218 Abs. 2 BAO für die Zahlung der Abgabe eine Nachfrist von zwei Wochen (im Beschwerdefall nunmehr vier Wochen) zu setzen, mit deren ungenütztem Ablauf die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages eintrat.
Nach § 217 Abs. 3 BAO trat die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages mit dem ungenützten Ablauf der zuletzt endenden Zahlungsfrist ein, wenn eine gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungsfrist spätestens mit dem Ablauf des Fälligkeitstages oder einer sonst für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist begann.
Wurde eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so trat gemäß § 217 Abs. 1 BAO mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung unter anderem nicht gemäß § 218 hinausgeschoben worden ist.
Gemäß § 220 Abs. 1 BAO wurde der Säumniszuschlag im Zeitpunkt des Eintrittes der Verpflichtung zu seiner Entrichtung fällig. Die Nachfrist des § 218 Abs. 2 BAO schob somit die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages hinaus (vgl. Ritz, Kommentar zur BAO2, Rz 6 zu §§ 218, 219 BAO).
Der von der beschwerdeführenden Gesellschaft als rechtswidrig erachtete Spruchteil über die Entrichtung der Abgabenschuld binnen zwei Wochen hat nach dem Gesagten ausschließlich die Bedeutung, dass die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages, die wiederum in einem eigenen Bescheid auszusprechen ist (vgl. Ritz, a.a.O., Rz 1 zu § 220 BAO), hinausgeschoben wurde. Ein normativer Abspruch über die Zahlung der Hauptforderung erfolgte dadurch nicht. Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft in den Mittelpunkt ihrer Beschwerde gerückten Verjährungsfrage kommt daher allein aus dem Umstand, dass ein solcher Abspruch erfolgt ist, keine Bedeutung zu. Dadurch, dass die Behörde das Ansuchen wegen der behaupteten Einhebungsverjährung nicht etwa zurück-, sondern abgewiesen hat, ist die beschwerdeführende Gesellschaft nämlich nicht beschwert; in beiden Fällen wären keine Stundungszinsen angefallen (vgl. Stoll, Kommentar zur BAO, III, 2257).
Als begründet erweist sich die Beschwerde allerdings, wenn sie bei dem in Rede stehenden Ausspruch die von der erstinstanzlichen Behörde gesetzte und von der belangten Behörde übernommene Frist von zwei Wochen rügt; gemäß § 323 Abs. 8 BAO wäre nämlich eine Frist von einem Monat zu setzen gewesen. Durch die von der Behörde angeordnete Frist träte der Zahlungsverzug und damit die Möglichkeit der Verhängung eines Säumniszuschlages um zwei Wochen früher ein. Die beschwerdeführende Gesellschaft wäre aber durch die Fristverkürzung wiederum nur dann beschwert, wenn die Einhebung der Abgabenschuld nicht verjährt wäre. Die Frage der Verjährung ist aus diesem Grund für den Verfahrensausgang wesentlich.
Die Beurteilung, ob Verjährung eingetreten ist, setzt ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen voraus, und zwar auch dann, wenn im Verwaltungsverfahren noch keine Verjährungseinrede erhoben wurde, zumal Verjährung im Abgabenverfahren von Amts wegen wahrzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 87/14/0173).
Die von der belangten Behörde erstmals in der Gegenschrift dargestellte Chronologie des Verwaltungsgeschehens vermag das Unterbleiben einer Auseinandersetzung mit der Verjährungsfrage im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen. Zudem kann auch anhand des vorgelegten Verwaltungsaktes keine Beurteilung vorgenommen werden, weil die belangte Behörde ihren eigenen Verwaltungsakt, auf den sie in der Gegenschrift zum Nachweis von Unterbrechungshandlungen mehrmals verweist, nicht vorgelegt hat.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde zu der von der beschwerdeführenden Gesellschaft im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgeworfenen Verjährungsfrage Feststellungen zu treffen haben, insbesondere über den Beginn der Verjährung und die von ihr in der Gegenschrift behaupteten Unterbrechungshandlungen. Erst anhand dieser Feststellungen kann beurteilt werden, ob der Verjährungseinwand der beschwerdeführenden Gesellschaft - mit den oben dargestellten Folgen - zu Recht besteht.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am