VwGH vom 22.03.2011, 2007/18/0025
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des MD in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 95/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Bescheid vom erließ die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) gestütztes Aufenthaltsverbot, welches auf die Dauer von zehn Jahren befristet wurde.
Einer gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom keine Folge. Dieser Bescheid wurde auf Grund einer vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2004/18/0032, - im Gefolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom , Rs. C-136/03 ("Dörr und Ünal") - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde erneut - nunmehr auf § 60 Abs. 1 und Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestützt - das in erster Instanz erlassene Aufenthaltsverbot.
In ihrer Begründung wies die belangte Behörde - soweit hier entscheidungswesentlich - darauf hin, der im Februar 1986 geborene Beschwerdeführer sei im Mai 1992 in Österreich eingereist. Er sei "im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung". Er lebe hier mit seiner Familie und gehe einer Erwerbstätigkeit nach. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer "dem Assoziationsabkommen" unterliege, fänden sich nicht.
Des Weiteren stellte die belangte Behörde dar, weshalb ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen des § 60 FPG zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots vorlägen und sich dies auch aus dem Blickwinkel des § 66 FPG nicht als unzulässig erweise.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , Zl. B 1618/06-10, ablehnte und die Beschwerde über gesonderten Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei mittlerweile klargestellt, dass nach dem FPG zur Entscheidung über Berufungen türkischer Staatsangehöriger, die in den Anwendungsbereich des ARB 1/80 fallen, der unabhängige Verwaltungssenat, nicht aber die Sicherheitsdirektion berufen sei. Sohin sei die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung nicht zuständig gewesen. Der Beschwerdeführer sei nämlich im Alter von sechs Jahren nach Österreich gekommen. Es sei ihm die Familienzusammenführung mit seiner Mutter gewährt worden. Nach Absolvierung der Pflichtschulzeit habe er auch zu arbeiten begonnen. Er falle in den Anwendungsbereich sowohl des Art. 6 als auch des Art. 7 ARB 1/80.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Die belangte Behörde führte in ihrer Begründung lediglich aus, es seien keine Anhaltspunkte für das Bestehen einer Berechtigung des Beschwerdeführers nach dem ARB 1/80 vorhanden.
Dem kann nicht beigepflichtet werden. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer der Nachzug zu seinen in Österreich lebenden türkischen Eltern genehmigt wurde. Darüber hinaus erliegt in den Verwaltungsakten eine Anfrage des Arbeitsmarktservices Linz vom , aus der hervorgeht, dass die Eltern des Beschwerdeführers unter der Voraussetzung eines ordnungsgemäßen Aufenthaltes - letzteres wurde von der Bundespolizeidirektion Linz bestätigt - ihrerseits über eine Berechtigung nach dem ARB 1/80 verfügten.
Nicht zuletzt wäre es aber auch schon im Hinblick auf das bereits erwähnte aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom angezeigt gewesen, eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob tatsächlich eine Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion iSd § 9 Abs. 1 Z 2 FPG bestehe, mithin auch dahingehend, ob der Beschwerdeführer über eine Berechtigung nach dem ARB 1/80 verfügte.
Da die belangte Behörde sohin in Verkennung der Rechtslage davon ausging, all dies sei für die gegenständliche Entscheidung nicht wesentlich, unterließ sie es, die in diesem Zusammenhang erforderlichen Feststellungen zu treffen, um eine abschließende Beurteilung vornehmen zu können, ob sie gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 FPG ihre Zuständigkeit zutreffend in Anspruch genommen hat, oder ob vielmehr infolge einer dem Beschwerdeführer zukommenden Berechtigung nach dem ARB 1/80 eine Zuständigkeit des örtlich zuständigen unabhängigen Verwaltungssenates gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG anzunehmen wäre (vgl. zur Frage der Zuständigkeit bei Vorliegen einer Berechtigung nach dem ARB 1/80 ausführlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0378, mwN).
Sohin war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-69618