VwGH vom 29.01.2013, 2012/05/0219

VwGH vom 29.01.2013, 2012/05/0219

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der E H in Wien, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-316/12, betreffend eine Bausache (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2003/05/0066, vom , Zlen. 2005/05/0121 und 0123, und vom , Zl. 2010/05/0218, zu entnehmen. Daraus ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin eines auf dem Los 11 einer Kleingartenanlage im 10. Bezirk in Wien befindlichen Hauses ist, das abweichend von der ihr erteilten Baubewilligung errichtet wurde (diesbezüglich gibt es einen vollstreckbaren Beseitigungsauftrag und es wurde auch die Ersatzvornahme angeordnet - siehe dazu das zuvor genannte Erkenntnis vom ). Allerdings gilt ein von der Beschwerdeführerin eingereichtes, im Verhältnis zur ursprünglich erteilten Baubewilligung anderes Bauvorhaben gemäß der Erledigung des Magistrates der Stadt Wien, MA 37/10, vom als gemäß § 8 des Wiener Kleingartengesetzes in Verbindung mit § 70 der Bauordnung für Wien (BO) als bewilligt.

Auf Grund des Vorbringens und der vorgelegten Bescheide beider Instanzen geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem weiteren Sachverhalt aus:

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin, die Frist für die Vollendung des mit einer näher bezeichneten Erledigung bewilligten Bauvorhabens um sechs Monate zu verlängern (nach dem Aktenzeichen ist die zuvor genannte Erledigung vom gemeint).

Hierüber entschied der Magistrat der Stadt Wien, MA 37/10, mit Erledigung vom (dessen Qualifikation als Bescheid im Beschwerdeverfahren strittig ist) wie folgt:

"Gemäß § 74 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (BO) wird für die Vollendung der zur Zl: MA 37/10 (...) bewilligten Errichtung eines Kleingartenwohnhauses auf der im Betreff genannten Liegenschaft zurückgewiesen."

Zur Begründung heißt es, da im Wiener Kleingartengesetz 1996 eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist nicht vorgesehen sei, habe das Ansuchen zur Verlängerung der Bauvollendungsfrist um sechs Monate zurückgewiesen werden müssen.

Im Kopf der Erledigung sind das Aktenzeichen, das Datum, die Bezeichnung des Bauplatzes und der Betreff ("Zurückweisung für die Bauvollendung Fristverlängerung") genannt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen und die (als Bescheid qualifizierte) angefochtene erstinstanzliche Erledigung mit der Maßgabe bestätigt, dass sie zu lauten habe:

"Gemäß § 8 Abs. 13 des Wiener Kleingartengesetzes 1996 (WKlG 1996) in Verbindung mit § 74 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (BO) wird der Antrag von (Beschwerdeführerin) vom auf Verlängerung der Frist für die Bauvollendung der mit Bewilligung der Magistratsabteilung 37/10, Zl. (...), bewilligten Errichtung eines Kleingartenwohnhauses auf der im Betreff genannten Liegenschaft abgewiesen."

Nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der Berufung heißt es zur Begründung, dass nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für die verfahrensgegenständliche Kleingartenanlage einschließlich der gegenständlichen Parzelle die Widmung Grünland-Erholungsgebiet-Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen festgesetzt sei.

Nach weiterem Hinweis auf § 1 Abs. 2 und Abs. 2 sowie auf § 8 Abs. 13 WKlG 1996 führte die belangte Behörde aus, gemäß § 74 Abs. 1 BO könne die Bauvollendungsfrist in begründeten Ausnahmefällen verlängert werden, wenn öffentliche Rücksichten nicht entgegenstünden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Ausnahmefall dann begründet, wenn trotz zumutbarer Bemühungen nicht zu erwartende Hindernisse aufgetreten seien (Hinweise auf hg. Judikatur). Im Hinblick auf § 1 Abs. 1 WKlG 1996, wonach, soweit das Gesetz nichts anderes bestimme, die Bauordnung für Wien zur Anwendung gelange, seien keine Gründe erkennbar, weshalb eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist im Sinne des § 74 Abs. 2 BO - unter den dort angeführten Voraussetzungen - nicht auch im Kleingartengebiet möglich wäre (Hinweis auf Moritz, Bauordnung für Wien4, Anmerkung zu § 8 Abs. 13 WKlG 1996).

Im Beschwerdefall lasse sich jedoch weder dem Vorbringen der Beschwerdeführerin noch der Aktenlage entnehmen, dass ein begründeter Ausnahmefall im Sinne der zuvor wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen würde. Aus der Aktenlage gehe vielmehr hervor, dass auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft ein Bauwerk ohne entsprechende Baubewilligung errichtet worden sei und die Beschwerdeführerin mit der gegenständlichen Baubewilligung eine nachträgliche Sanierung dieses Bauwerkes herbeiführen habe wollen. Diese Sanierung, welche mannigfaltige bauliche Änderungen auch hinsichtlich der bebauten Fläche und der Gebäudehöhe nach sich ziehen würde, sei jedoch nach der Aktenlage, bis jetzt "nicht ernsthaft realisiert" worden. Seitens der Beschwerdeführerin seien somit keinerlei für die Verwirklichung des Bauvorhabens bedeutsamen Maßnahmen vorgenommen und es wären diesbezüglich keinerlei zumutbare Bemühungen gesetzt worden, um den konsensgemäßen Zustand entsprechend der nun maßgeblichen Bewilligung herzustellen. Der in § 74 Abs. 2 BO als Voraussetzung für die Gewährung einer Verlängerung der Bauvollendungsfrist angeführte begründete Ausnahmefall liege somit im Beschwerdefall nicht vor.

Angesichts dessen sei somit der Berufung der Erfolg zu versagen und der angefochtenen Bescheid mit einer Maßgabe, welche lediglich der Konkretisierung gedient habe, zu bestätigen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt zusammengefasst vor, die Behörde erster Instanz habe das Begehren zurückgewiesen und habe somit keine Sachentscheidung getroffen. Die belangte Behörde sei somit nicht berechtigt gewesen, in der Sache selbst zu entscheiden. Überdies sei der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides verstümmelt und lasse nicht erkennen, worüber entschieden worden sei. In Wahrheit liege auf Grund dieses Mangels überhaupt kein erstinstanzlicher Bescheid vor, sodass auch deshalb die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen sei, in der Sache selbst zu entscheiden; aus diesem Gesichtspunkt hätte sie die Berufung zurückweisen müssen.

Dem ist folgendes zu entgegnen:

§ 1 des Wiener Kleingartengesetzes 1996, LGBl. Nr. 56/1997 (das Gesetz zuletzt in der Fassung LGBl. Nr. 47/2010) lautet:

"§ 1. (1) Dieses Gesetz ist auf Flächen mit der Widmung 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet' und 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen' sowie auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzte Flächen anzuwenden.

(2) Soweit dieses Gesetz nicht anderes bestimmt, gilt die Bauordnung für Wien."

§ 8 leg. cit. trifft nähere Bestimmungen zu Baubewilligungen. Gemäß dessen Abs. 13 wird die Einreichung von Unterlagen unwirksam, wenn binnen zwei Jahren ab vollständiger Vorlage bei der Behörde mit der Bauführung nicht begonnen oder der Bau nicht innerhalb zweier Jahre nach Baubeginn vollendet wird.

Nach § 74 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (BO) kann die Bauvollendungsfrist "in begründeten Ausnahmefällen" verlängert werden, wenn öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen.

Richtig ist wohl, dass der Spruch der erstinstanzlichen Erledigung sprachlich verstümmelt ist, es ist aber schon in Verbindung mit dem Kopf der Erledigung (dem Betreff) klar, worüber entschieden wurde. Es trifft (schon daher) nicht zu, dass (wegen der aufgezeigten sprachlichen Verstümmelung) die angefochtene erstinstanzliche Erledigung kein Bescheid wäre.

Richtig ist auch, dass die Behörde erster Instanz das Begehren "zurückgewiesen" hat, weil es ihrer Auffassung nach an einer entsprechenden Rechtsgrundlage mangle. Diese "Zurückweisung mangels Rechtsgrundlage" war aber im Beschwerdefall eine (abweisliche) Sachentscheidung (vgl. dazu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/02/0289 - mangels Rechtsgrundlage ist das Begehren abzuweisen, und vom , Zl. 97/11/0267 - die "Zurückweisung" mangels Rechtsgrundlage ist ein Vergreifen im Ausdruck).

Davon ausgehend hat die belangte Behörde ihre Entscheidungsbefugnis nach § 66 Abs. 4 AVG nicht überschritten und war daher berechtigt, eine Sachentscheidung zu treffen.

Die belangte Behörde hat näher begründet, weshalb der Fristverlängerungsantrag der Beschwerdeführerin inhaltlich nicht berechtigt sei. Dagegen führt die Beschwerdeführerin nichts aus und sie zeigt insbesondere nicht auf, dass entgegen der Annahme der belangten Behörde ein "begründeter Ausnahmefall" für eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist vorläge.

Somit war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am