VwGH vom 22.10.2009, 2009/21/0293

VwGH vom 22.10.2009, 2009/21/0293

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom , Zl. 2Fr-44/09, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidausfertigung ergibt sich Folgendes:

Der am nach Österreich gekommene Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am selben Tag einen Asylantrag. Das Bundesasylamt wies diesen - im Wesentlichen mit einer Verfolgungsgefahr wegen der Teilnahme an einer Demonstration am in Teheran begründeten - Antrag mit Bescheid vom gemäß § 6 Z 3 Asylgesetz 1997 ab, weil das Vorbringen zur Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entsprach. Unter einem erklärte das Bundesasylamt die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran für zulässig. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom abgewiesen.

Nach der Mitteilung über die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens stellte der Beschwerdeführer an die Fremdenpolizeibehörde einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung und begehrte mit Eingabe vom unter Vorlage einer (vom datierenden) Gerichtsladung die Wiederaufnahme des Asylverfahrens. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer habe es schuldhaft unterlassen, im seinerzeitigen Asylverfahren ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten und diesbezügliche Beweismittel vorzulegen. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde, der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, mit Beschluss vom ab.

Im Zuge des gegen den Beschwerdeführer bereits ab Anfang Februar 2009 geführten - hier gegenständlichen - Ausweisungsverfahrens stellte er mit Schriftsatz vom neuerlich den Antrag an die Bundespolizeidirektion Klagenfurt auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in den Iran, den er unter Vorlage einer weiteren Ladung eines iranischen Gerichtes aus dem Jahr 2005 und seines Taufscheines nunmehr auch mit der Verfolgungsgefahr für Konvertiten begründete. Das Verfahren ist noch anhängig. Schließlich brachte der Beschwerdeführer am einen (ebenfalls noch nicht erledigten) Antrag ein, ihm gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) idF BGBl. I Nr. 29/2009 eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zu erteilen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom war der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (der belangten Behörde) vom keine Folge gegeben.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach zusammengefasster Darstellung des Ganges des Asylverfahrens, nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsinhaltes und nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer halte sich seit der rechtskräftigen Erledigung des Wiederaufnahmeantrages mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Interesse am Verbleib in Österreich sei zwar durchaus gewichtig, aber keineswegs so stark ausgeprägt, dass das maßgebliche gegenläufige Interesse an der Aufenthaltsbeendigung in den Hintergrund zu treten habe. Die öffentliche Ordnung werde nämlich schwerwiegend beeinträchtigt, wenn Fremde illegal nach Österreich einreisen und sich nach rechtskräftigem negativem Abschluss des Asylverfahrens weiterhin in Österreich aufhalten. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Zudem bestehe keine Möglichkeit, den unberechtigten Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren.

Auch wenn die Ausweisung aufgrund der während des Aufenthalts in Österreich entstandenen (in der Berufung näher angeführten) Bindungen einen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers iSd § 66 Abs. 1 FPG - in dessen Familienleben werde hingegen nicht eingegriffen, weil er nicht verheiratet sei - bewirke, so sei dieser zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend erforderlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme nämlich gerade den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Dem Beschwerdeführer werde zwar "zu Gute gehalten", dass er mehrere Deutschkurse besucht habe und die deutsche Sprache in Wort und Schrift bereits gut beherrsche sowie dass er unbescholten und grundsätzlich bereit sei, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Der Beschwerdeführer gehe aber keiner Beschäftigung nach und verweise nur auf eine im Mai 2008 ausgeübte Tätigkeit als Abwäscher. Das bedeute, dass er am Arbeitsmarkt nicht integriert und nicht selbsterhaltungsfähig sei. Weil der Beschwerdeführer aufgrund der ihm während des Asylverfahrens zukommenden vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nicht damit habe rechnen können, in Österreich dauernd zu verbleiben, werde das Gewicht der privaten Interessen überdies dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden seien, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach seine Abschiebung in den Iran unzulässig sei, hielt die belangte Behörde noch entgegen, dass über den diesbezüglichen Antrag die Bundespolizeidirektion Klagenfurt noch zu entscheiden habe. Zudem sei mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden verbunden, unverzüglich auszureisen. Damit werde nicht ausgesprochen, in welchen Staat der Fremde auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

1.2. Die Beschwerde gesteht zu, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

2.1. Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."

2.2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Unzulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG verweist der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die lange Dauer seines Aufenthaltes in Österreich von (im Bescheiderlassungszeitpunkt) fast acht Jahren, der überwiegend rechtmäßig gewesen sei. Bei einer Aufenthaltsdauer von mindestens fünf Jahren sei grundsätzlich von einer soziale Verankerung auszugehen, wobei der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 7 Abs. 2 AsylG 2005 verweist. Er sei nicht nach Österreich gekommen, um sich hier niederzulassen, sondern damit er um Asyl ansuche, wozu er die Möglichkeit - wie nahezu alle Asylwerber - nur durch eine illegale Einreise gehabt habe. Die Integration des Beschwerdeführers sei auch nicht zu relativieren, weil der von ihm eingebrachte Asylantrag nicht aussichtslos gewesen sei, zumal er im Wiederaufnahmeverfahren durch die Vorlage einer Ladung die Anhängigkeit eines gerichtlichen Strafverfahrens im Iran nachgewiesen habe. Für die lange Dauer des Asylverfahrens sei er nicht verantwortlich; ihm könne aber auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, von den in einem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht zu haben. Zu berücksichtigen sei, dass er als Asylwerber nur unter erschwerten Bedingungen eine Beschäftigungsbewilligung erlangen könne, weshalb seine diesbezügliche Bereitschaft als ausreichend anzusehen sei. Der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für ein "sogenanntes humanitäres Bleiberecht" in Form der in § 44 Abs. 4 NAG vorgesehenen "Niederlassungsbewilligung - beschränkt", habe immer über eine ortsübliche Unterkunft (seit Anfang Oktober 2008 über eine Mietwohnung) verfügt, spreche sehr gut Deutsch und sei unbescholten. Er habe einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und sei ein überzeugter und seine Religion praktizierender Christ als aktives Mitglied in einem näher bezeichneten katholischen Seelsorgeverband. Demnach hätte die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchzuführende Interessenabwägung zu Gunsten der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ausfallen müssen, weil die Auswirkungen der verfügten Ausweisung ungleich schwerer wiegen würden als die Abstandnahme von dieser Maßnahme.

2.2.2. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde die in der Beschwerde angeführten und weitgehend schon in der Berufung vorgebrachten integrationsbegründenden Umstände erkennbar ohnehin in die Interessenabwägung einbezogen hat. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde aus den genannten Umständen aber nicht ableiten müssen, seine Ausweisung aus Österreich sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig:

2.2.2.1. Voranzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass der Meinung des Beschwerdeführers, diese Kriterien seien an die spezifische Situation von Asylwerbern anzupassen bzw. unterschiedlich zu gewichten, nicht gefolgt werden kann. Vielmehr kommt es bei der Abwägung nach § 66 FPG nur auf das tatsächliche Bestehen der maßgeblichen Umstände und auf den erworbenen Integrationsgrad an. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in diesem Sinn schon wiederholt ausgesprochen, dass an Hand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen ist, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0233, mwN).

2.2.2.2. Bei dieser Interessenabwägung ist für den vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der fast achtjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich durch eine illegale Einreise erlangt wurde und - soweit er rechtmäßig war - auf einem von den zuständigen Behörden als offensichtlich unbegründet erachteten Asylantrag bzw. auf einem erfolglos gebliebenen Wiederaufnahmeantrag beruhte. Im Hinblick auf dieses Ergebnis des Asylverfahrens ist die seinerzeitige illegale Einreise des Beschwerdeführers - anders als er meint - sehr wohl als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die Interessenabwägung einzubeziehen. Seit Erlassung des Beschlusses des Asylgerichtshofes vom ist der Aufenthalt des Beschwerdeführers als unrechtmäßig zu qualifizieren (siehe dazu unten Punkt 4.3.1.) und lediglich im Hinblick auf die danach im Jahr 2009 gestellten Anträge nach § 51 FPG und nach § 44 Abs. 4 NAG als vorläufig geduldet anzusehen (siehe dazu unten Punkt 3.2. und Punkt 4.3.4.).

Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie in dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. unter vielen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0311; siehe in diesem Sinn unter Bezugnahme auf seine Judikatur zur fremdenrechtlichen Ausweisung auch die jüngst ergangenen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. U 992/08, und Zl. U 1104/08).

2.2.2.3. Demgegenüber reichen die geltend gemachten - nur das Privat- und nicht auch das Familienleben des Beschwerdeführers betreffenden - Umstände auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden und hätte akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen. Bei der Bewertung des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass er auf Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, dass er dauernd in Österreich würde verbleiben können. Deshalb ist das Gewicht der mittlerweile erlangten Integration (v.a. Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises, Deutschkenntnisse, Engagement als Christ und ortsübliche Unterkunft) dadurch gemindert, dass er sich während der meisten Zeit des Inlandsaufenthalts seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0253, mwN; vgl. etwa auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 825/07, mit Hinweisen auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte; siehe nunmehr auch den oben zitierten § 66 Abs. 2 Z 8 FPG). In diesem Zusammenhang meint der Beschwerdeführer noch, der Gesetzgeber halte dieses Kriterium im Hinblick auf die mit der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 geschaffene Möglichkeit eines humanitären Bleiberechtes für "Altfälle" (in Form der Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG) für unanwendbar. Dieser Auffassung kann aber schon mangels entsprechender Anhaltspunkte im Gesetz und im Hinblick auf den bei Ausweisungen anzulegenden anderen Beurteilungsmaßstab (siehe dazu unten Punkt 4.3.3.) nicht gefolgt werden.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer - abgesehen von geringfügigen Beschäftigungen - am Arbeitsmarkt nicht integriert, somit auf fremde Unterstützungsleistungen angewiesen und daher als mittellos und nicht als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist. Angesichts der erst im Alter von 27 Jahren erfolgten Ausreise aus dem Iran ist auch nicht zu erkennen, dass eine Reintegration bei einer Rückkehr dorthin unmöglich oder unzumutbar wäre. Letztlich fällt aber auch die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht entscheidend ins Gewicht und dem Beschwerdevorbringen ist schließlich auch noch zu erwidern, dass sich aus der Regelung des § 7 Abs. 2 AsylG 2005 im vorliegenden Zusammenhang nichts gewinnen lässt, weil sie sich auf Asylberechtigte bezieht und somit keine Rückschlüsse auf die Stellung von ehemaligen (abgelehnten) Asylwerbern zulässt (vgl. auch dazu das schon genannte Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0233).

2.2.2.4. Im Ergebnis ist es somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat, wobei ergänzend anzumerken ist, dass die in der Beschwerde zur Stützung des eigenen Standpunktes zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 16/08, und B 1918/07, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Konstellationen betrafen, in denen es um die Trennung von österreichischen oder von in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen ging. Aber auch den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2004/21/0124, und vom , Zl. 2005/21/0374, liegen nicht vergleichbare Sachverhalte mit wesentlich stärkeren Inlandsbindungen zugrunde.

3.1. Unter dem Gesichtspunkt des der Behörde bei Ausweisungsentscheidungen eingeräumten Ermessens verweist der Beschwerdeführer neuerlich auf das ihm bei einer Rückkehr in den Iran drohende Strafverfahren wegen Landesverrats und wegen Beleidigung des religiösen Führers, in dem ihn allenfalls die Todesstrafe oder eine Prügelstrafe oder eine Freiheitsstrafe unter unzumutbaren Haftbedingungen, somit jedenfalls eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung, erwarte. Außerdem sei er mittlerweile zum christlichen Glauben übergetreten und das islamische Recht sehe für Apostasie (Abfall vom islamischen Glauben) die Todesstrafe vor. Dazu komme, dass sich die Lage von religiösen Minderheiten seit dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinejad im Juni 2005 generell noch weiter verschlechtert habe und die allgemeine Sicherheits- und Menschenrechtslage seit den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 eskaliert sei.

Angesichts dieser gravierenden, gegen eine Abschiebung des Beschwerdeführers sprechenden Umstände hätte die belangte Behörde in der Begründung ihrer Entscheidung darlegen müssen, warum sie von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht habe. Da nicht auszuschließen sei, dass die belangte Behörde bei Bedachtnahme auf das Faktum, dass über den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers nach § 51 FPG noch nicht abgesprochen worden sei, zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre, habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem Begründungsmangel belastet.

3.2. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Abschiebung im Ausweisungsverfahren keine rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse vom , Zl. 2007/21/0311, und vom , Zl. 2006/21/0176; in diesem Sinne auch Punkt III.3. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , B 825/07). Die Frage, ob die Aufenthaltsbeendigung mit Art. 3 EMRK im Einklang steht, ist Gegenstand anderer Verfahren. Eine allfällige, die Abschiebung unzulässig machende Gefährdungs- oder Bedrohungssituation im Heimatstaat ist nämlich vor allem im Verfahren über die Gewährung internationalen Schutzes nach dem AsylG 2005, im Verfahren nach § 51 FPG und im Verfahren über die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG zu prüfen (siehe idS etwa zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0269, mwN). Ein anhängiges Verfahren nach § 51 FPG steht somit - anders als der Beschwerdeführer meint - auch unter Ermessensgesichtspunkten der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen (vgl. dazu etwa das zur insoweit im Wesentlichen inhaltsgleichen Rechtslage des Fremdengesetzes 1997 ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2001/21/0164). Dem Interesse des Beschwerdeführers, die Entscheidung über seinen Feststellungsantrag im Inland abwarten zu dürfen, wird ohnehin durch die Bestimmung des § 51 Abs. 4 und 5 FPG ausreichend Rechnung getragen, wonach der Fremde - außer in den dort näher angeführten Zurückweisungsfällen - bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag in den betreffenden Staat nicht abgeschoben werden darf.

3.3. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang noch darauf verweist, dass er im Falle der Stattgebung seines Feststellungsantrages und der Gewährung von mindestens zwei Abschiebungsaufschüben mit einer Mindestgesamtdauer von einem Jahr einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für besonderen Schutz nach § 69a Abs. 1 Z 1 NAG habe, steht das der erlassenen Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Auf allfällige zukünftige Entwicklungen braucht aber nicht Bedacht genommen werden, weil die Ausweisung gemäß § 59 Abs. 2 FPG ohnehin gegenstandslos wird, wenn dem Betroffenen ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt werden sollte.

4.1. In den weiteren Ausführungen beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass er von der - seit der am in Kraft getretenen Novellierung des NAG durch BGBl. I Nr. 29/2009 - wieder bestehenden Möglichkeit, einen Antrag auf Erteilung eines sogenannten "humanitären Aufenthaltstitels", nämlich einer quotenfreien "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG, zu stellen, am Gebrauch gemacht habe. Über diesen Antrag sei noch keine in Rechtskraft erwachsene Entscheidung ergangen, wobei die Erfolgsaussichten - wie in der Beschwerde näher begründet wird - "nicht als gering zu erachten" seien. Die zur Vorläuferbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG, also des § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es dem der Fremdenpolizeibehörde eingeräumten Ermessen widerspreche, wenn diese noch vor einer in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels von ihrer Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung Gebrauch mache, sei somit jedenfalls auf die seit geltenden Rechtslage wieder anzuwenden. Es könne daher nicht als im Sinne des Gesetzes angesehen werden, dass die belangte Behörde von ihrer Ermächtigung zur Ausweisung im Sinne des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch mache, obwohl über die Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" iSd § 44 Abs. 4 NAG vorliege, der bejahendenfalls zur Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung führen müsse, noch nicht rechtskräftig abgesprochen worden sei. Schon deshalb sei der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

4.2.1. Dem allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend die erwähnte Fremdenrechtsnovelle BGBl. I Nr. 29/2009 ist zu entnehmen, dass die Neuordnung des "humanitären Aufenthalts" in erster Linie dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 246, 247/07 u.a., Rechnung tragen und eine "verfassungskonforme Regelung unter Wahrung der Integrität und des geordneten Vollzugs des Fremdenwesens" gewährleisten soll (RV 88 BlgNR 24. GP 1). In dem genannten Erkenntnis (Punkt III.2.1.3.2. der Entscheidungsgründe) bemängelte der Verfassungsgerichtshof, die §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 und 3 NAG stellten unter dem Aspekt humanitärer Gründe wesentlich auf Interessen von Fremden - auch solcher, für die besondere Umstände aus Art. 8 EMRK ein Recht auf Erteilung eines Aufenthaltstitels begründen können - ab, würden aber generell die Möglichkeit ausschließen, dass der einzelne Rechtsschutzsuchende diese Interessen als seine Rechte unabhängig vom Tätigwerden der Behörden geltend machen könne. Aus rechtsstaatlichen Gründen sei es jedoch unzulässig, in diesen Fällen lediglich ein Tätigwerden der Behörden von Amts wegen vorzusehen und keine Antragstellung des - in seinen Rechten betroffenen - Einzelnen zuzulassen. Entsprechend dieser Kritik wurde daher nunmehr im Gesetz auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel die Möglichkeit einer Antragstellung durch den Fremden vorgesehen.

4.2.2. Zum Verständnis des vom Gesetzgeber nunmehr vorgesehenen Systems für Verfahren zur Erteilung sogenannter humanitärer Aufenthaltstitel, in denen Fremden zur Gewährleistung ihres Rechts auf Privat- und/oder Familienleben nach Art. 8 EMRK eine unbeschränkte oder beschränkte Niederlassungsbewilligung zu erteilen ist (§§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 NAG) bzw. in "Altfällen" im Hinblick auf einen hohen Grad der Integration eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gewährt werden kann (§ 44 Abs. 4 NAG), und deren Verhältnis zu Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG ist zunächst auf die diesbezüglichen, mit der genannten Novelle neu geschaffenen bzw. geänderten Bestimmungen und (auszugsweise) auf die Erläuterungen in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 88 BlgNR 24. GP) zu verweisen:

4.2.2.1. Die §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 3 und 4 NAG sowie die §§ 44a und 44b Abs. 1 bis 3 NAG und der damit im Zusammenhang stehende § 11 Abs. 3 NAG lauten:

"Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt

§ 43. ...

(2) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, und

3. der Drittstaatsangehörige die Integrationsvereinbarung nach § 14 Abs. 5 Z 2 bis 5 oder 7 erfüllt hat, oder im Falle der Minderjährigkeit,


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a)
noch nicht der allgemeinen Schulpflicht unterliegt;
b)
im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat, oder
c) im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 des Schulorganisationsgesetzes) besucht und der Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' im vorangegangenen Schuljahr positiv beurteilt wurde oder die Schulnachricht am Ende des ersten Semesters des laufenden Schuljahres im Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' eine positive Leistung ausweist oder er bis zum Entscheidungszeitpunkt die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand 'Deutsch' durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist. Niederlassungsbewilligung - beschränkt

§ 44. ...

(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt. Die §§ 44b Abs. 2 sowie 74 gelten.

Besondere Verfahrensbestimmungen

§ 44a. Die Behörde hat einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit der Zustellung der gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 oder § 105 Abs. 7 FPG zu übermittelnden Entscheidung an die Behörde.

§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a vor, sind Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend (§ 10 AsylG 2005,§ 66 FPG) unzulässig ist, oder

3. die Sicherheitsdirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in der Stellungnahme festgestellt hat, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(2) Liegt kein Fall des Abs. 1 Z 1 oder 2 vor, hat die Behörde unverzüglich die der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordnete Sicherheitsdirektion von einem Antrag gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 zu verständigen und eine begründete Stellungnahme zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen, insbesondere ob eine Ausweisung auf Dauer oder bloß vorübergehend unzulässig ist, einzuholen. Bis zum Einlangen der begründeten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG gehemmt. § 25 Abs. 2 gilt sinngemäß.

(3) Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 sowie 44 Abs. 3 und 4 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz.

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. ...

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3 die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;


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4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."

4.2.2.2. Zu diesen Bestimmungen führen die ErläutRV (88 BlgNR 24. GP 2 und 10 bis 13) - soweit hier wesentlich - aus:

"Allgemeiner Teil

(...)

Ausgehend von der Grundannahme, dass das Vorliegen der Gründe gemäß Art. 8 EMRK möglichst nur von einer zuständigen Behörde geprüft werden soll und 'Kettenanträge' bei unterschiedlichen Behörden hintanzuhalten sind, sieht der Entwurf einerseits vor, dass die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde einen Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen hat, wenn die dauerhafte Unzulässigkeit einer Ausweisung gemäß Art. 8 EMRK in einem asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahren bereits festgestellt wurde. Anderseits ist ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf Art. 8 EMRK als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine Ausweisung bereits als zulässig erachtet wurde, es sei denn, die Umstände haben sich seither maßgeblich geändert. Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf Art. 8 EMRK gestellt und liegt noch keine Ausweisungsentscheidung vor, so ist zwingend die Fremdenpolizeibehörde mit dem Fall zu befassen. Ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens geboten, so ist dieser in Form einer 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' oder 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' zu erteilen.

(...)

Der Entwurf sieht darüber hinaus vor, dass die Behörde Drittstaatsangehörigen, die sich nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhalten ('Altfälle'), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag und im Hinblick auf den Grad der Integration, eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' gemäß § 44 Abs. 4 NAG erteilen kann. Der Nachweis der Selbsterhaltungsfähigkeit kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung erbracht werden. Gegen Entscheidungen in diesen Fällen ist eine Berufung nicht zulässig. Eine Erteilung gemäß § 44 Abs. 4 NAG bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Inneres gemäß § 74 NAG. Dieser wird in Ausübung seiner Zustimmungsbefugnis vom Beirat zur Beratung besonders berücksichtigungswürdiger Fälle gemäß § 75 NAG beraten. Hiezu hat der Beirat binnen vier Wochen eine begründete Empfehlung abzugeben."

"Besonderer Teil

Zu Artikel 3 (Änderung des Niederlassungs- und

Aufenthaltsgesetzes):

Zu Z 16 (§ 43 Abs. 2 und 3):

Mit dem neuen Abs. 2 erhält die 'Niederlassungsbewilligung -

unbeschränkt' über die bisherigen Z 1 und 2 hinaus einen erweiterten Anwendungsbereich. Eine Erteilung kann jedenfalls nur an Drittstaatsangehörige erfolgen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, und ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag möglich, wobei der Antrag entsprechend der Voraussetzung, dass sich der Drittstaatsangehörige im Bundesgebiet aufhalten muss, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist.

Die Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' gemäß Abs. 2 unterliegt nicht der Quotenpflicht.

Als kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen normieren die Z 1 bis 3 des Abs. 2 weiters, dass ... die Erteilung des Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (§ 11 Abs. 3) und ...

(...)

Zu Z 17 (§ 44 Abs. 3 und 4):

Abs. 3 normiert die Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' aus Gründen des Art. 8 EMRK und entspricht dabei inhaltlich § 43 Abs. 2, verzichtet allerdings auf die Erfüllung der Integrationsvereinbarung gemäß § 43 Abs. 2 Z 2. Damit wird die 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' gleichsam als Grundform eines auf Grund des Art. 8 EMRK gebotenen Aufenthaltstitels festgelegt. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen zur Erlangung einer 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' auf Antrag oder von Amts wegen sind wiederum in den §§ 44a und 44b geregelt. Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu § 43 Abs. 2 verwiesen.

Abs. 4 ermöglicht die Erteilung einer quotenfreien 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' für besonders berücksichtigungswürdige 'Altfälle'. Als Voraussetzungen sieht Abs. 4 vor, dass gegen den Betreffenden kein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot (§ 11 Abs. 1 Z 1 und 2) erlassen wurde, keine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 11 Abs. 1 Z 4) vorliegt, er seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und der im Verfahren festgestellte durchgängige Aufenthaltszeitraum mindestens zur Hälfte rechtmäßig gewesen ist. (...) Die Entscheidung über die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach Abs. 4 hat unter Berücksichtigung des Grades der Integration des Fremden zu erfolgen. Diese Beurteilung hat sich insbesondere an den in Abs. 4 genannten Kriterien zu orientieren, welche wiederum im Wesentlichen den auch zu Z 4 des § 11 Abs. 3 von der Judikatur entwickelten Kriterien entsprechen. Dabei ist aber jedenfalls zu beachten, dass die Beurteilung des Integrationsgrades gemäß Abs. 4 nicht in einer gesamtheitlichen Prüfung der Kriterien zu Art. 8 EMRK besteht, sondern lediglich in einer 'isolierten' Bewertung des zitierten Integrationsgrades. Es soll eben gerade auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abs. 4 an 'Altfälle' ermöglicht werden, denen gemäß den Kriterien des § 11 Abs. 3 ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre. Die Qualifikation eines Falles als 'besonders berücksichtigungswürdig' wird sich im Allgemeinen auch entlang der Beurteilung des Integrationsgrades und an der bisherigen Praxis zum ehemaligen § 72 in vergleichbaren Fällen zu orientieren haben. (...)

Der Stichtag stellt vor dem Hintergrund der rechtlichen Entwicklungen seit diesem Zeitpunkt und in Verbindung mit dem auf Grund bisherigen Zeitablaufs jedenfalls fast fünfjährigen Aufenthalt des Fremden in Österreich, einen sachorientierten Anknüpfungspunkt dar. Seit der mit in Kraft getretenen Asylgesetz-Novelle 2003 (BGBl. I Nr. 101/2003) haben auch die Asylbehörden über Ausweisungen zu entscheiden. Die damalige Neuregelung bestimmte, dass alle am anhängigen Verfahren mit einer Ausweisungsentscheidung zu verbinden waren, wenn kein Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde (§ 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF der Novelle 2003). Aufgrund der völker- und verfassungsrechtlichen Vorgaben war dabei Art. 8 EMRK natürlich zu beachten. Es scheint daher zielführend - soferne nicht ohnedies (auch) ein Fall des § 11 Abs. 3 vorliegt und somit die §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 zur Anwendung gelangen - nur Fälle für diesen spezifischen Aufenthaltstitel zuzulassen, in denen der Fremde seit in Österreich durchgehend aufhältig ist. Damit sind all jene Fälle umfasst, in denen vor der Asylgesetz-Novelle 2003 keine Ausweisungsentscheidungen durch die Asylbehörden im Rahmen des Asylverfahrens getroffen wurden. Folgeanträge sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn sich der Sachverhalt nicht maßgeblich geändert hat. Dabei hat sich der geänderte Sachverhalt bereits aus dem begründeten Antragsvorbringen zu ergeben. Ist das nicht der Fall, so kann die Behörde den Antrag ohne weitere Ermittlungsschritte zurückweisen.

Die Behörde hat jede Entscheidung in Fällen des § 44 Abs. 4, sei sie positiv oder negativ, dem Bundesminister für Inneres unverzüglich unter Darstellung der maßgeblichen Gründe zur Kenntnis zu bringen (§ 73 Z 3 (neu)). Wie schon bisher in den Fällen der §§ 72 bis 74 soll die Erteilung dieses spezifischen Aufenthaltstitels nur nach Zustimmung des Bundesministers für Inneres möglich sein. Siehe dazu auch die Erläuterungen zu § 74 (neu). In diesen Fällen ist gemäß § 3 Abs. 2 (neu) eine Berufung nicht möglich.

Die Inlandsantragstellung (und damit eine Abweichung von § 21 Abs. 1) ist in den Fällen der Abs. 3 und 4 schon auf Grund der Tatsache, dass ein entsprechender Antrag bei der zuständigen Behörde im Inland zu stellen ist, vorgegeben. Liegen Verfahrensmängel vor, so ist zusätzlich ein Antrag gemäß § 19 Abs. 8 (neu) zu stellen.

Zu Z 18 (§§ 44a und 44b):

Die §§ 44a und 44b sehen besondere Verfahrensvorschriften für die Erteilung von Niederlassungsbewilligungen beschränkt und unbeschränkt gemäß §§ 44 Abs. 2 und 43 Abs. 3 vor.

§ 44a bestimmt, dass diese von Amts wegen zu erteilen sind, wenn eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Damit wird klargestellt, dass nur rechtskräftige und auf Dauer für unzulässig erklärte Ausweisungen zur amtswegigen Erteilung eines Titels nach §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 führen sollen, da ein Aufenthaltsrecht erst nach endgültigem Abschluss des vorgelagerten asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahrens sinnvoll ist und auch nur dann, wenn die Ausweisung aufgrund der individuellen Umstände des Betroffenen dauerhaft nicht möglich sein wird. Eine bloß vorübergehende Unzulässigkeit der Ausweisung aus Gründen des Art. 8 EMRK kann demnach gemäß § 44a jedenfalls nicht zur Erteilung eines Titels führen. § 44a stellt damit das wesentliche Bindeglied zwischen NAG, Asylgesetz 2005 und FPG dar, indem es in den Fällen einer auf Dauer unzulässigen Ausweisungsentscheidung die gleichsam 'automatische' Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter den in den §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 normierten Voraussetzungen - vorsieht und damit dem Bedürfnis Rechnung trägt, nicht auszuweisenden Fremden ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu gewähren. Ein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels ist in diesen Fällen nicht vorgesehen. (...)

§ 44b regelt die Erteilung von Niederlassungsbewilligungen beschränkt und unbeschränkt gemäß §§ 44 Abs. 2 und 43 Abs. 3 auf begründeten Antrag, wenn die Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 44a nicht festgestellt wurde.

Gemäß Abs. 1 sind Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung bereits rechtskräftig erlassen wurde (Z 1), rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist (Z 2), oder die Sicherheitsdirektion in ihrer Stellungnahme nach Abs. 2 diesen Umstand feststellt (Z 3). In allen Fällen hat die Zurückweisung nur dann zu erfolgen, wenn aus dem Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht hervorkommt. Diese Bestimmung normiert den Grundsatz, dass die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde eine bereits getroffene Ausweisung zu beachten und den Antrag daher mittels Formalentscheidung zurückzuweisen hat. Das gleiche gilt für Entscheidungen, mit welchen die Ausweisung lediglich als vorübergehend unzulässig festgestellt wurde. Auch hier soll es, der Gesamtsystematik des Entwurfs folgend, zu keiner Erteilung eines Aufenthaltstitels kommen. Die ebenfalls zur Zurückweisung führende Stellungnahme der Sicherheitsdirektion im Sinne der Z 3 wird in Fällen zum Tragen kommen, in welchen die Zulässigkeit einer Ausweisung bereits im Asylverfahren zu prüfen war, jedoch noch kein Ausspruch über den Aspekt der Dauerhaftigkeit zu erfolgen hatte. Die Fremdenpolizeibehörden sollen in diesen Fällen nicht formal abzusprechen haben, sondern lediglich die 'Dauerhaftigkeit' beurteilen (siehe auch Abs. 2 und die Erläuterungen zu § 125 Abs. 10 FPG). Eine Zurückweisung soll nur dann nicht erfolgen, wenn sich die Verhältnisse, sei es durch Zeitablauf oder auf Grund persönlicher Umstände, soweit geändert haben, dass eine neuerliche Beurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK notwendig ist. Dabei kommt es weder darauf an, ob die Ausweisung in einem asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahren ausgesprochen wurde, noch ob es sich um eine Ausweisung nach dem AsylG 2005 oder dem FPG oder nach früheren asyl- oder fremdenrechtlichen Bestimmungen (wie z. B. FrG 1997, Asylgesetz 1997) handelt. Wird ein Antrag nach Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen, so wird die zuständige Fremdenpolizeibehörde davon jedenfalls zu verständigen sein, damit diese unter Beachtung der gegebenen Umstände aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Fremden setzen kann.

Gemäß Abs. 2 hat die Behörde, wenn kein Fall des Abs. 1 Z 1 oder 2 vorliegt, unverzüglich die der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordnete Sicherheitsdirektion von der Antragstellung zu verständigen und eine begründete Stellungnahme zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen einzuholen. Abs. 2 stellt somit einerseits sicher, dass die Fremdenpolizeibehörden von Anträgen gemäß § 44b Kenntnis erlangen und anderseits in ihrem Zuständigkeitsbereich tätig werden können. In jedem Fall ist die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde über das Vorgehen der Fremdenpolizeibehörde zu informieren. Gemäß § 66 Abs. 3 FPG (neu) wird die Fremdenpolizeibehörde formal über die Ausweisung abzusprechen haben. Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisungsentscheidung vor, so ist diese daher selbstverständlich zu erlassen und sind unter Berücksichtigung des § 46 Abs. 1 FPG entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu setzen. Andernfalls ist die Zulässigkeit der Ausweisung mit Bescheid zu verneinen und im Falle der dauerhaften Unzulässigkeit nach § 44a vorzugehen. (...)

Im Zeitraum bis zum Einlangen der Stellungnahme ist die Entscheidungsfrist gemäß § 73 Abs. 1 AVG gehemmt. Der Verweis auf § 25 Abs. 2 bestimmt, dass das Verfahren einzustellen ist, wenn eine rechtskräftige Aufenthaltsbeendigung (Ausweisung, Aufenthaltsverbot) vorliegt.

Weiters wird in Abs. 3 - analog zu § 69a - klargestellt, dass ein Antrag gemäß Abs. 1 sowie ein Antrag nach § 44 Abs. 4 kein Aufenthalts- und Bleiberecht begründet.

(...)"

4.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Rechtslage bereits judiziert, dass im Inland zu stellende Anträge nach § 43 Abs. 2 NAG sowie nach § 44 Abs. 3 und 4 NAG gemäß § 44b Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen und sohin an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Fremden und an der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG nichts ändern können (siehe das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0217). Anders als der Beschwerdeführer meint, ist es in diesen Fällen - wie im Folgenden näher ausgeführt werden wird - aber auch nicht aus Ermessensgründen geboten, von einer Ausweisung Abstand zu nehmen.

4.3.2. In Bezug auf Anträge nach § 43 Abs. 2 NAG und § 44 Abs. 3 NAG knüpft das sich aus § 44a iVm § 44b Abs. 1 NAG ergebende System der Beurteilung derartiger Anträge an die nicht bloß vorübergehend gegebene (Un-)Zulässigkeit einer Ausweisung an und setzt - abgesehen vom Fall des § 44b Abs. 1 Z 3 NAG - voraus, dass eine (positive oder negative) Ausweisungsentscheidung bereits erlassen wurde. Demzufolge sprechen die Materialien auch von einem "vorgelagerten asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahren".

Vor diesem Hintergrund ist aber auch nicht zu erkennen, dass in jenen Fällen, in denen bei Einleitung des Verfahrens auf Erteilung von humanitären Niederlassungsbewilligungen gemäß § 43 Abs. 2 NAG oder gemäß § 44 Abs. 3 NAG noch keine rechtskräftige Ausweisungsentscheidung vorlag, die Erlassung einer Ausweisung während dieser Verfahren unzulässig sein soll. In diesem Sinn stellen auch die zitierten Materialien klar, dass die gemäß § 44b Abs. 2 NAG befasste Sicherheitsdirektion bzw. die ihr unterstellten Fremdenpolizeibehörden bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisungsentscheidung diese "selbstverständlich" zu erlassen haben. Damit im Einklang steht die Anordnung, dass insoweit in diesen humanitären Niederlassungsbewilligungsverfahren der Ablauf der Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG gehemmt ist und diese Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 25 Abs. 2 NAG einzustellen sind, wenn eine erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme in Rechtskraft erwächst.

Demnach lässt sich aus dem Gesetz für Verfahren zur Erteilung von Niederlassungsbewilligungen nach den §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 NAG ein "Primat der Ausweisung" ableiten. Eine Verpflichtung, mit der Erlassung einer - bei Verfahrenseinleitung noch nicht bestehenden - Ausweisung bis zur rechtskräftigen Erledigung der genannten Niederlassungsbewilligungsverfahren zuzuwarten, würde diesem System widersprechen und wäre sohin nicht im Sinne des Gesetzes.

4.3.3. Demgegenüber ergibt sich die Zulässigkeit der Erlassung einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG trotz anhängigen Verfahrens auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG aus dem unterschiedlichen Beurteilungsmaßstab. Auch wenn eine Ausweisung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt und wenn aus der demnach gegebenen Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG folgt, dass auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten ist (§ 11 Abs. 3 NAG), kann nämlich trotzdem ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinne § 44 Abs. 4 NAG gegeben sein. Diese Absicht des Gesetzgebers wird in den oben wiedergegebenen Materialien dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nach der für sogenannte "Altfälle" geschaffenen Sonderregelung gerade auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels ermöglicht werden soll, obwohl ihnen gemäß den Kriterien des § 11 Abs. 3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre. Die Beurteilung nach § 44 Abs. 4 NAG habe sich demnach insbesondere an den dort genannten Kriterien (Selbsterhaltungsfähigkeit, schulische und berufliche Ausbildung, Beschäftigung und Deutschkenntnisse) zu orientieren, welche wiederum im Wesentlichen den auch zur Z 4 des § 11 Abs. 3 NAG ("Grad der Integration") von der Judikatur entwickelten Kriterien entsprächen. Dabei sei aber jedenfalls - so die ErläutRV weiter - zu beachten, dass "die Beurteilung des Integrationsgrades gemäß § 44 Abs. 4 NAG nicht in einer gesamtheitlichen Prüfung der Kriterien zu Art. 8 EMRK besteht, sondern lediglich in einer 'isolierten' Bewertung des zitierten Integrationsgrades" (vgl. dazu auch Klingenbrunner, Die Fremdenrechtsnovelle 2009, migralex 2009, 38, Punkt IV.).

Im Hinblick auf die erwähnten unterschiedlichen Beurteilungskriterien in Bezug auf die Frage der Unzulässigkeit einer Ausweisung unter dem Gesichtpunkt des Art. 8 EMRK und in Bezug auf die Frage des Vorliegens (eines wegen des erreichten hohen Integrationsgrades) besonders berücksichtigungswürdigen "Altfalles" stehen die diesbezüglichen Entscheidungen somit in keinem zwingenden inhaltlichen Zusammenhang, sodass die beiden Verfahren ohne Weiteres nebeneinander geführt werden können. Es besteht daher kein Grund, mit der Ausweisung bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag nach § 44 Abs. 4 NAG zuzuwarten.

Für dieses Ergebnis sprechen auch verfahrensökonomische Gesichtspunkte. Liegen nämlich die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach der genannten Bestimmung nicht vor und ist der diesbezügliche Antrag daher zurück- oder abzuweisen, dann sollte zur Effektuierung einer in diesem Fall gebotenen Außerlandesschaffung die Möglichkeit bestehen, bereits in einem (parallel geführten) fremdenpolizeilichen Verfahren eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu verfügen. Wird dem Fremden hingegen die beantragte Niederlassungsbewilligung doch erteilt, dann wird die Ausweisung - wie schon oben im Punkt 3.3. erwähnt - ohnehin gemäß § 59 Abs. 2 FPG gegenstandslos.

4.3.4. Ein Zuwarten mit der Ausweisung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG ist aber auch nicht deshalb geboten, weil der Fremde sonst für die Dauer dieses Verfahrens nicht ausreichend vor einer Abschiebung geschützt wäre.

Die §§ 43 Abs. 2 sowie 44 Abs. 3 und 4 NAG sehen die Erteilung (quotenfreier) Niederlassungsbewilligungen unter den dort jeweils angeführten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ergibt sich nicht nur - wie in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich angesprochen - das Recht (und die Pflicht) zur Stellung des Antrages im Inland, sondern daraus ist auch zwingend das Recht abzuleiten, die Entscheidung über den Antrag im Inland abwarten zu dürfen. Da die Erteilung der genannten humanitären Niederlassungsbewilligungen jeweils den Aufenthalt des Antragstellers in Österreich voraussetzt, hätte nämlich jedes Verlassen des Bundesgebietes zur Konsequenz, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden könnte, und zwar auch dann, wenn dieses Verlassen zwangsweise herbeigeführt wird. Mit anderen Worten:

Durch eine Abschiebung des Fremden in Durchsetzung einer bestehenden Ausweisung während des anhängigen Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels könnten dessen Erfolgsaussichten unterlaufen werden. Die Fragen, ob einem Antragsteller gemäß § 43 Abs. 2 NAG oder gemäß § 44 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung eines Privat- und/oder Familienlebens eine Niederlassungsbewilligung nach den genannten Bestimmungen zu erteilen ist oder ob dem Antragsteller in einem "Altfall" im Hinblick auf seinen hohen Integrationsgrad nach § 44 Abs. 4 NAG eine Niederlassungsbewilligung gemäß dieser Norm gewährt werden könne, blieben diesfalls von der Niederlassungsbehörde ungeprüft. Damit könnten die durch die Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 neu geschaffenen Regelungen über den humanitären Aufenthalt durch eine Abschiebung während des Verfahrens völlig "ausgehebelt" werden. Eine derartige Absicht kann dem Gesetzgeber, der ja die Forderung des Verfassungsgerichtshofes in dem oben genannten Erkenntnis vom , G 246, 247/07 u.a., nach der - aus rechtsstaatlichen Gründen im Hinblick auf einen möglichen Grundrechtseingriff gebotenen - Einräumung eines dem Einzelnen zukommenden Antragsrechtes Rechnung tragen wollte, nicht unterstellt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller während des Verfahrens zur Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels - grundsätzlich (siehe zu dieser wesentlichen und für die Praxis besonders bedeutsamen Einschränkung noch unten) - nicht abgeschoben werden darf (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2009/21/0149).

Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu der Regelung des § 44b Abs. 3 NAG, wonach Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 sowie 44 Abs. 3 und 4 NAG "kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz" begründen. Mit dieser, auf ein "Recht nach dem NAG" abstellenden Formulierung wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Fremde nach Stellung der genannten Anträge und vor deren Erledigung, somit während des laufenden Verfahrens, zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet wäre oder - bei Bestehen einer durchsetzbaren Ausweisung - abgeschoben werden dürfte und somit sein Aufenthalt in dieser Zeit nicht einmal geduldet wäre (vgl. idS auch der bereits erwähnte Beschluss vom , Zl. AW 2009/21/0149). Das ist auch den oben zitierten Materialien nicht zu entnehmen. Dass dem Begriff "Bleiberecht nach dem NAG" ein über den bloßen Abschiebungsschutz hinausgehender Inhalt zukommen muss, ergibt sich im Übrigen auch aus § 21 Abs. 6 iVm Abs. 3 NAG, steht doch das in dieser Konstellation ebenfalls nicht bestehende Bleiberecht (u.a.) einer "nachweislich nicht möglichen oder nicht zumutbaren Ausreise" gegenüber, bei der wohl eine Abschiebung vor der Antragserledigung nicht in Betracht zu ziehen ist. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch auf die zu § 44b Abs. 3 NAG inhaltsgleiche Regelung in § 69a Abs. 2 vorletzter Satz NAG zu verweisen, die sich (u.a.) auch auf den Fall des § 69a Abs. 1 Z 1 NAG bezieht, in dem im Hinblick auf das Bestehen einer Gefahr im Sinne des § 50 FPG eine Abschiebung während laufenden Verfahrens ebenfalls nicht im Sinne des Gesetzes scheint.

Dem in den ErläutRV (88 BlgNR 24. GP 2) auch zum Ausdruck gebrachten Anliegen des Gesetzgebers, "Kettenanträge" bei unterschiedlichen Behörden hintanzuhalten, somit missbräuchlichen - in der Absicht, die Durchsetzung bestehender Ausweisungen zu unterlaufen, gestellten - Anträgen auf humanitäre Niederlassungsbewilligung entgegenzuwirken, ist dahingehend Rechnung zu tragen, dass bezüglich eines Antrages, der (als unzulässig oder wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen ist, kein Abschiebungsschutz besteht. In solchen Zurückweisungsfällen lässt sich nämlich für die Gewährung von Abschiebungsschutz während laufenden Verfahrens keine sachliche Rechtfertigung finden (idS auch die oben im Punkt 3.2. schon erwähnte Bestimmung des § 51 Abs. 4 und 5 FPG, welche die gesetzgeberischen Intentionen bei einer vergleichbaren Ausgangslage zum Ausdruck bringt). Andernfalls bestünde - entgegen der vom Gesetzgeber verfolgten Absicht - etwa in den in der Praxis wohl häufigsten, nicht "Altfälle" betreffenden Konstellationen des § 44b Abs. 1 Z 1 und 2 NAG, die Möglichkeit, trotz rechtskräftiger Ausweisung, in der die Frage der Zulässigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK bereits geprüft wurde, mit einem (mangels diesbezüglicher Sachverhaltsänderung) unzulässigen Antrag die Abschiebung zu verhindern. Gleiches gilt sinngemäß für zurückzuweisende Folgeanträge. Diesbezüglich ist daher kein Abschiebungsschutz anzunehmen. Auch das wurde - worauf hinzuweisen ist - bereits in der Begründung des schon genannten Beschlusses vom zum Ausdruck gebracht.

4.3.5. Zusammenfassend ergibt sich somit, dass weder die Beschwerdeausführungen noch die angestellten Überlegungen zum Verhältnis von Ausweisung zum Verfahren auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ausreichend Anlass geben, von der schon zur geltenden Rechtslage ergangenen Judikatur abzugehen, wonach die Anhängigkeit eines Verfahrens nach den §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 NAG sowie nach § 44 Abs. 4 NAG der Erlassung einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG nicht entgegensteht.

5. Somit lässt bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am