VwGH vom 29.04.2010, 2009/21/0286
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI-1013763/0002-II/3/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid vom erließ die im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom - gegen den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, ein auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.
In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei erstmals Ende Dezember 1999 nach Österreich gekommen und habe erfolglos die Gewährung von Asyl begehrt. Hierauf sei er im Juli 2000 nach Italien ausgereist. In der Folge sei gegen den Beschwerdeführer ein in Rechtskraft erwachsenes, bis befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Das nächste Mal sei der Beschwerdeführer am im Bundesgebiet betreten und sodann auch in Schubhaft genommen worden; hierauf habe er einen weiteren Asylantrag gestellt. Nachdem dieser Antrag Ende Jänner 2004 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei, habe der Beschwerdeführer Österreich wieder verlassen. Er sei jedoch bereits am bei einem neuerlichen illegalen Einreiseversuch von Italien kommend aufgegriffen worden.
In der Folge, nämlich am , habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin Nicole Z. geheiratet. Am habe er sodann unter Berufung auf diese Ehe einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt.
In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides schloss sich die belangte Behörde den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid an und erhob diese zum Inhalt ihrer Entscheidung. Insbesondere wurde auf die umfangreichen Erhebungen und das "Geständnis" von Nicole Z. hinsichtlich des Eingehens einer Scheinehe verwiesen. Diese hatte bei der Vernehmung am (letztlich) zugestanden, über Vermittlung eines Pakistani oder Inders mit dem Beschwerdeführer eine Scheinehe zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangen zu sein. Den Beschwerdeführer habe sie erst kurz vor der Anmeldung zur Hochzeit kennen gelernt. Sie habe sofort nach der Heirat vom Vermittler (von den versprochenen EUR 5.000,--) einen Teilbetrag von EUR 1.500,-- zur Begleichung von Schulden bei ihrer Mutter erhalten. An der gemeinsamen Wohnadresse sei sie nie gewesen; es habe keine eheliche Gemeinschaft bestanden. Die diesbezügliche Rechtfertigung des Beschwerdeführers, dass seine Ehefrau lediglich aufgrund eines Streits falsche Angaben gemacht habe, sei - so führte die belangte Behörde dazu in der Bescheidbegründung noch aus - nicht glaubwürdig, zumal diese ihr "Geständnis" in keiner Weise nachträglich widerrufen oder abgeschwächt habe.
Der Beschwerdeführer halte sich - so die belangte Behörde weiter - seit 1999 mit kurzen Unterbrechungen in Österreich auf, sodass allein schon deshalb von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen sei. Bei der diesbezüglichen Interessenabwägung sei aber zu berücksichtigen, dass das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile eine tatsächliche und erhebliche Gefahr im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Aus der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers als Küchenhilfe bei McDonalds lasse sich auch nichts gewinnen, weil der Zugang zum Arbeitsmarkt nur durch das Eingehen einer Scheinehe möglich gewesen sei, sodass die durch die Arbeit bewirkte Integration in ihrer Bedeutung stark gemildert sei. Weiters sei zu bemerken, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt zunächst auf unbegründete Asylanträge gestützt und das bis Ende September 2006 bestehende Aufenthaltsverbot "stetig ignoriert" habe. Insgesamt seien daher die öffentlichen Interessen an der Beendigung des nur durch das Eingehen einer Scheinehe legitimierten Aufenthalts des Beschwerdeführers höher zu bewerten als sein Interesse an einem Verbleib in Österreich, sodass der Eingriff in die gemäß Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers gerechtfertigt erscheine.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit Nicole Z. Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0167, mit weiteren Hinweisen).
Die belangte Behörde stützte die Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, in erster Linie auf die den Abschluss einer sogenannten "Scheinehe" zugestehenden Angaben der Nicole Z. in ihrer Vernehmung am . In Bezug auf diese Beweiswürdigung wird in der Beschwerde gerügt, der Beschwerdeführer habe in seinen Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass entgegen den "offenbar aus Zorn" getätigten Behauptungen seiner Ehefrau keine Scheinehe vorliege. Trotzdem habe es die belangte Behörde unterlassen, Nicole Z. noch einmal zu vernehmen. Die belangte Behörde wäre jedoch "dazu angehalten gewesen", die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers noch einmal auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen.
Entgegen diesem Beschwerdevorbringen bestand eine solche Verpflichtung im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auf eine bloße Bestreitung der Angaben seiner Ehefrau beschränkte, ohne in seinen Stellungnahmen und in der Berufung nähere Details anzuführen, die gegen die Richtigkeit dieser zeugenschaftlichen Angaben und für das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sprechen könnten. Der nur ganz allgemein gehaltene Hinweis auf ein mögliches Motiv für die angeblich unrichtigen Angaben der Nicole Z. ("einen Streit") genügt dafür nicht. Ein diesbezüglich ausreichendes Vorbringen findet sich aber auch in der Beschwerde nicht, sodass es überdies an einer entsprechenden Relevanzdarstellung des behaupteten Verfahrensmangels fehlt.
Soweit die Beschwerde noch die Unterlassung der persönlichen Anhörung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde bemängelt, ist ihm zu erwidern, dass in fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion (oder vor der an ihre Stelle tretenden Bundesministerin für Inneres) weder ein Recht auf eine mündliche Berufungsverhandlung noch ein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden. Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer - was von ihm nicht bestritten wird - ausreichend Gelegenheit gehabt, sich Parteiengehör zu verschaffen (vgl. zum Ganzen aus der letzten Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0112, mit weiteren Nachweisen; siehe auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0273). Überdies ist dazu noch anzumerken, dass sich dem Erhebungsbericht vom entnehmen lässt, der Beschwerdeführer habe nicht einvernommen werden können, "da er Ladungen keine Folge leistet bzw. immer anruft und vorgibt, krank zu sein."
Außerdem ist der Beschwerde aber auch in diesem Zusammenhang keine ausreichende Relevanzdarstellung zu entnehmen. Einerseits wird nämlich nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen den Angaben des Beschwerdeführers eine höhere Glaubwürdigkeit hätte zugemessen werden sollen als der detaillierten Aussage seiner Ehefrau. Andererseits wird den - diese Aussage bestätigenden - weiteren Ermittlungsergebnissen überhaupt nicht entgegen getreten. So bezog sich die belangte Behörde - durch den Verweis auf die Begründung des Erstbescheides - unter anderem auch darauf, dass sich bei einem unter der Mobiltelefonnummer von Nicole Z. erfolgten Anruf am ein "österreichischer Mann" (später als Horst B. identifiziert) gemeldet habe, der sich im Zuge des Gesprächs als deren Freund ausgegeben habe. Damit im Einklang steht, dass die Mutter von Nicole Z. nichts von der Eheschließung mit dem Beschwerdeführer gewusst und angegeben habe, ihre Tochter sei bei ihr gemeldet und wohne auch dort, nächtige aber manchmal "bei einem Bekannten" an einer näher angeführten Adresse in Wien 4; und zwar an jener Adresse, die auch von der Behörde als damaliger Aufenthaltsort der Nicole Z. ermittelt worden war und an der Horst B. seinen Wohnsitz hatte. Schließlich war Nicole Z. am auch nicht darüber informiert, dass sie (so wie schon davor der Beschwerdeführer) seit an einer Adresse in Wien 10 angemeldet worden war, wobei sie für diese Wohnung nach eigenen Angaben auch keinen Schlüssel besessen hat.
Vor diesem Hintergrund hegt der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm (insoweit nur eingeschränkt) zukommenden Prüfungsbefugnis keine Bedenken gegen die behördliche Beweiswürdigung. Auf Basis der darauf gegründeten Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe durfte die belangte Behörde aber - wie erwähnt - davon ausgehen, dass die Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt ist. Das wird von der Beschwerde auch nicht in Abrede gestellt.
Im Mittelpunkt der Beschwerdeausführungen steht die Kritik an der nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung, der allerdings keine Berechtigung zukommt. Die belangte Behörde hat nämlich der während des - zugestanden sehr langen - Aufenthalts in Österreich erlangten Integration zu Recht entgegen gehalten, dass sich dieser zunächst auf unberechtigte Asylanträge gründete und dann auf die rechtsmissbräuchliche Schließung einer Scheinehe stützte. Überdies wurde dem Beschwerdeführer auch zutreffend vorgeworfen, das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot bei seiner (zumindest zweimaligen) Rückkehr nach Österreich 2003/2004 missachtet zu haben. Angesichts dessen hat der Beschwerdeführer nicht nur das sehr bedeutende öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen beeinträchtigt, sondern ihm ist im Sinne des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG auch entgegen zu halten, dass die unter dem Gesichtspunkt des "Privatlebens" iSd Art. 8 EMRK maßgebenden Umstände in einem Zeitraum entstanden sind, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Demzufolge ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass insbesondere die durch die Berufstätigkeit erlangte Etablierung am Arbeitsmarkt in ihrem Gewicht deutlich gemindert ist. Das gilt sinngemäß auch für die weiteren, in der Beschwerde vorgebrachten integrationsbegründenden Aspekte, wie freundschaftliche Beziehungen und Integration in das gesellschaftliche Leben, wobei allerdings beides nicht näher dargestellt wird. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem von ihm erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Daran kann weder die in der Beschwerde auch ins Treffen geführte strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers noch der Inlandsaufenthalt naher Verwandter (erwachsene Schwester und deren Kinder), mit denen er allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, etwas ändern (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0169; siehe zum Ganzen auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1150/07). Diesbezüglichen Feststellungsmängeln kommt somit entgegen der Beschwerdemeinung keine Relevanz zu.
In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-69574