VwGH vom 19.01.2017, Ra 2016/08/0114

VwGH vom 19.01.2017, Ra 2016/08/0114

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der Ärztekammer für Kärnten in K, vertreten durch Dr. Gernot Murko, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W209 2016158- 1/36E, betreffend Anpassung des Stellenplans gemäß § 343 Abs. 1b ASVG (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Peter Bernhart, Dr. Bernhard Fink, Mag. Klaus Haslinglehner, Dr. Bernd Peck, Mag. Kornelia Kaltenhauser, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landesschiedskommission für Kärnten), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei den Aufwand in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nachdem eine im gegenständlichen Stellenplan betreffend die Festsetzung der Zahl und der örtlichen Verteilung der Vertragsärztinnen und -ärzte vorgesehene Vertragsarztstelle eines Facharztes aus dem Fachgebiet der Radiologie in A. (Planstelle nach Dr. G. L.) nach deren Freiwerden am mangels Einvernehmen zwischen der revisionswerbenden Ärztekammer und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auch nach Ablauf eines Jahres nicht nachbesetzt worden war, sprach die belangte Behörde auf Antrag der revisionswerbenden Ärztekammer vom auf Ausschreibung und Nachbesetzung der Vertragsarztstelle gemäß § 343 Abs. 1b ASVG aus, dass diese nachzubesetzen sei. Dagegen hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben.

2 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den genannten Antrag abgewiesen und damit gemäß § 343 Abs. 1b letzter Satz ASVG den im Rahmen des Gesamtvertrages zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der revisionswerbenden Partei iSd § 342 Abs. 1 Z 1 festgelegten Stellenplan im Sinn eines Wegfalls der genannten Stelle als Vertragsarzt angepasst.

3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der politische Bezirk S. (in dem die streitgegenständliche Vertragsarztstelle liegt) über zwei "Akutkrankenanstalten" (Krankenanstalten iSd § 2 Abs. 1 KAKuG) mit radiologischen Abteilungen (das Krankenhaus B. in S. und das D.Krankenhaus in F.) verfüge. Im Bezirk seien zwei (nach dem Gesamtvertrag so genannte) "§ 2-Planstellen" für Radiologie vorgesehen, wobei die Facharztstelle in A. (seit dem ) unbesetzt sei. Weitere für einen Teil der Bewohner gut erreichbare Facharztstellen würden sich außerhalb des Bezirks in F. und K. befinden. Der Bezirk S. weise im Wesentlichen drei Ballungsräume auf, nämlich die Gemeinden S., A. und F. (mit Teilen jeweils benachbarter Gemeinden). Weniger dicht besiedelte Gebiete lägen im Gtal (mit den Gemeinden B., E., K. und H.), Xtal (mit den Gemeinden S., G., W., G. und D.) und Ytal (mit der Gemeinde M.). Für die Bewohner der Gemeinden M., F. sowie der benachbarten Gemeinde N. sei die ambulante Inanspruchnahme radiologischer Leistungen im Krankenhaus F. von Vorteil gegenüber jener in der radiologischen Facharztstelle in A.. Die Bewohner der (zwischen F. und A. gelegenen) Gemeinde M. hätten es annähernd gleich weit nach F. und nach A.. Dasselbe gelte für die Bewohner des Xtales. Für einige Gemeinden des Xtales (z.B. G.) sei die Facharztstelle in F. kürzer und schneller erreichbar als jene in A.. Lediglich die Bewohner des nördlichen Gtales hätten einen höheren Zeitaufwand, wenn sie die radiologische Versorgung in S. (anstatt in A.) in Anspruch nehmen müssten. Mit dem Pkw würde der zusätzliche Zeitaufwand rund 15 Minuten betragen.

4 Im Bezirk S. sei - wie in ganz K. - ein stetes Abnehmen der extramural (außerhalb einer Krankenanstalt) nachgefragten bzw. erbrachten radiologischen Leistungen festzustellen. Feststellungen zu den intramural (in den genannten Krankenanstalten) erbrachten ambulanten Leistungen, die Aufschluss über das Inanspruchnahmeverhalten und somit zu Veränderungen der Morbidität (Krankheitshäufigkeit bezogen auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe) ermöglichen würden, seien mangels vorhandener Daten nicht möglich. Mangels wissenschaftlicher Evidenz könne nicht festgestellt werden, dass mit dem Anteil der älter werdenden Bevölkerung auch das Inanspruchnahmeverhalten steigen würde.

5 Feststellungen zur Bevölkerungsdichte und -struktur könnten unterbleiben, weil diese nichts über die "Versorgungswirksamkeit einzelner Einrichtungen" aussagen würde.

6 Feststellungen dazu, "ob der Bezirk S. tatsächlich eine überdurchschnittlich hohe Strukturdichte aufweist, wie dies die von der (mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) eingeholten Gutachten belegen sollen", könnten ebenfalls unterbleiben, weil organisatorische Aspekte bzw. Öffnungszeiten oder Abwesenheitszeiten eines Arztes deutlich mehr Einfluss darauf haben könnten, wie viele Patienten versorgt würden.

7 Festzustellen sei aber, dass die radiologische Ordination des Dr. R. in S. nach Schließung der radiologischen Ordination Dr. L. in A. um durchschnittlich rund ein Drittel mehr Fallzahlen aufweise und damit den Ausfall der Planstelle in A., die in der Vergangenheit lediglich ein Drittel des Bedarfs abgedeckt habe, fast zur Gänze habe kompensieren können.

8 Daran könne auch das Anlaufen des Brustkrebs-Früherkennungsprogrammes nichts ändern, weil dadurch - wie im Bedarfsgutachten der J. Forschungsgesellschaft (vom September 2013) schlüssig dargelegt - nur ein geringfügiger Anstieg der Fallzahlen zu erwarten sei. Die Fallzahlenentwicklung in den beiden Ordinationen Dr. R. (S.) und Dr. L. (A.) würde sich aus der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am vorgelegten Tabelle "Fallzahlentwicklung FÄ für Radiologie" (§ 2- Kassen ohne Bauern) ergeben.

9 Aus der genannten, im Akt erliegenden Tabelle ergibt sich, dass Dr. L. vom 3. Quartal 2008 bis zum 2. Quartal 2013 pro Quartal durchschnittlich 1.215 Fälle betreut hat, während Dr. R. im gleichen Zeitraum durchschnittlich 2.260 Fälle pro Quartal versorgte. Nach Weggang des Dr. L versorgte Dr. R in der Folge vom 3. Quartal 2013 bis zum 2. Quartal 2014 durchschnittlich 3.162 Fälle pro Quartal.

10 Dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei - so das Verwaltungsgericht weiter -, wonach im D.Krankenhaus in F. nach dem Weggang von Dr. L. eine Zunahme von 6.021 Fällen zu verzeichnen gewesen sei, komme keine Bedeutung zu. Die Zunahme sei lediglich auf CT- und MRT-Untersuchungen zurückzuführen, welche die hier zu beurteilenden, in der Ordination des Dr. L. in A. erbrachten (konventionellen) radiologischen Leistungen nicht betreffen würden.

11 Das D.Krankenhaus in F. bestätigte in einem im Akt erliegenden Schreiben vom , dass es über Zuweisung von niedergelassenen Ärzten radiologische Leistungen ambulant erbringe, dass mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse darüber keine direkte Abrechnung erfolge und dass es in der Zeit vom bis 22.351 Fälle radiologischer Leistungen und in der Zeit vom bis zum

28.372 Fälle radiologischer Leistungen gegeben habe. Das Krankenhaus B. in S. bestätigte in einem im Akt erliegenden Schreiben vom , dass ambulante Patientinnen und Patienten nicht von niedergelassenen Ärzten, aber von den hausinternen Ambulanzen zugewiesen würden, und zwar vom bis 15.531 Fälle und vom bis 15.461 Fälle.

12 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass die revisionswerbende Partei mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger iSd § 341 Abs. 1 ASVG einen Gesamtvertrag abgeschlossen habe. (Es handelt sich um den im Akt erliegenden Gesamtvertrag vom idF des Zusatzübereinkommens vom ). In dem Gesamtvertrag sei ein Stellenplan vereinbart worden, der für den Bezirk S. zwei Radiologie-Planstellen vorsehe. (Es handelt sich um den im Akt erliegenden "Stellenplan der § 2-Kassen für Kärnten" mit Stand . Demnach habe der Ordinationssitz von Fachärzten jeweils innerhalb der Ortsgrenzen der jeweiligen Bezirkshauptstädte zu liegen. Für den Bezirk S. gelte die Sonderregelung, dass einige der vereinbarten Facharztstellen im Ortsgebiet A. zu liegen hätten und dass die zum Stichtag für F. vereinbarte Planstelle für Radiologie nach deren Freiwerden nach A. verlegt werde. In einem "Sideletter" zum Zusatzübereinkommen 2014 vom hielten die genannten Vertragsparteien fest, dass bei den Fachärzten für Radiologie im Falle des Freiwerdens einer Kassenplanstelle (wie bisher) von der Kasse die Zustimmung zur Ausschreibung eingeholt werden müsse.)

13 Gemäß § 343 Abs. 1b ASVG müsse die Ausschreibung einer frei werdenden Planstelle unterbleiben, solange zwischen der zuständigen Ärztekammer und dem zuständigen Träger der Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG kein Einvernehmen über den Bedarf der Nachbesetzung bestehe. Die Planstelle des Dr. L. in A. sei seit dem nicht ausgeschrieben worden. Bestehe nach Ablauf eines Jahres nach Beendigung eines Einzelvertrages immer noch kein Einvernehmen, so entscheide die Landesschiedskommission auf Antrag einer der beiden Vertragsparteien über den Bedarf einer Nachbesetzung. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung könne die Planstelle nicht ausgeschrieben werden. Der Stellenplan gelte ab Rechtskraft einer Entscheidung der Nichtnachbesetzung als angepasst.

14 Aus den Gesetzesmaterialien zu dem mit BGBl. I Nr. 162/2015 eingeführten § 347 Abs. 3a ASVG sei ableitbar, dass der (vom Kärntner Gesundheitsfonds in Auftrag gegebene und im Juni 2015 von der Landeszielsteuerungskommission beschlossene) Regionale Strukturplan Gesundheit - Kärnten 2020 (RSG 2020) das Verwaltungsgericht nicht binde. Dieses habe sich inhaltlich mit den Kriterien der dynamischen Stellenplanung des § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG auseinander zu setzen und (lediglich) unter Bedachtnahme auf den RSG 2020 sowie unter Berücksichtigung sämtlicher ambulanter Versorgungsstrukturen, der örtlichen Verhältnisse und der Verkehrsverhältnisse, der Veränderung der Morbidität sowie der Bevölkerungsdichte und - struktur eigenständig zu beurteilen, ob im Bezirk S. - wie im RSG 2020 vorgesehen - mit nur einer Radiologen-Planstelle eine ausreichende ärztliche Versorgung sichergestellt sei.

15 Soweit die Einsparung der Planstelle in A. für einen Teil der Bevölkerung zu einem erhöhten Zeit- und Fahrtkostenaufwand führe, sei darauf nicht Bedacht zu nehmen, weil durch den Stellenplan nur eine ausreichende medizinische Versorgung der Bevölkerung sichergestellt sein solle. Die Frage des zeitlichen und finanziellen Aufwandes der Erreichbarkeit (soweit dadurch die Inanspruchnahme der Leistungen im Ergebnis nicht verunmöglicht werde) sei nach § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG im konkreten Fall nicht entscheidend. Hinweise darauf, dass durch den Wegfall der Planstelle in A. die Inanspruchnahme radiologischer Leistungen für einen Teil der Versicherten verunmöglicht würde, hätten sich nicht ergeben.

16 § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG nenne als weiteres Kriterium der dynamischen Stellenplanung die Veränderung der Morbidität. Darüber könne das Inanspruchnahmeverhalten der Bevölkerung Auskunft geben. Feststellungen hiezu seien aber nur zu den extramural nachgefragten radiologischen Leistungen möglich gewesen, die im Bezirk S. - wie im gesamten Bundesland K - im Abnehmen begriffen seien. Eine Ermittlung der intramural erbrachten ambulanten radiologischen Leistungen sei nicht möglich gewesen. Auch bestünde - wie bereits ausgeführt - keine wissenschaftliche Evidenz, dass eine älter werdende Bevölkerung ein früheres Inanspruchnahmeverhalten zur Folge habe. Dies werde durch eine Vergleichsstudie der Xuniversität bestätigt, die sich mit insgesamt acht internationalen Studien zu diesem Thema und deren (divergierenden) Ergebnissen auseinandergesetzt habe. (In dieser im Jahr 2011 erstellten Studie "Evidenzrecherche zur These der ‚Kompression der Morbidität'" wird u.a. darauf hingewiesen, dass in Österreich ein Potenzial für die "Kompression der Morbidität" bestehe, denn "im internationalen Vergleich verbringt die österreichische Bevölkerung überdurchschnittlich viele Jahre mit eingeschränkter Gesundheit"). Da zur Veränderung der Morbidität keine Feststellungen getroffen werden könnten, habe dieses Kriterium bei der Beurteilung einer ausreichenden Versorgung unberücksichtigt zu bleiben.

17 Dem von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgelegten Gutachten (dem bereits erwähnten Bedarfsgutachten der J. Forschungsgesellschaft mbH zur extramuralen radiologischen Versorgung im Bezirk S. vom September 2013) sei darin zu folgen, "dass die Strukturdichte keine Rückschlüsse auf die Versorgungswirksamkeit einzelner Einrichtungen zulässt". Mangels hinreichender Aussagekraft hätten Feststellungen unterbleiben können, "ob der Bezirk S. tatsächlich eine überdurchschnittlich hohe Strukturdichte aufweist, wie dies die von der (mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) eingeholten Gutachten belegen sollen".

18 Festzuhalten sei, dass die vorhandenen intramuralen Versorgungsstrukturen zu berücksichtigen seien. § 26 Abs. 1 Z 3 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz - KAKuG stünde der Erbringung ambulanter Untersuchungen und Behandlungen durch das Krankenhaus in S. nicht entgegen.

19 Schließlich sehe auch der RSG 2020 eine Streichung der Planstelle für einen Facharzt der Radiologie in A. vor. Ein Abweichen davon wäre zwar zulässig, wenn das Ergebnis der Bedarfsprüfung nach den Kriterien der dynamischen Stellenplanung klar von den Empfehlungen des RSG 2020 abweiche. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass die Kriterien des § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG einen weiten Spielraum böten, um den Verhandlungsspielraum für eine einvernehmliche Nachbesetzung nicht zu sehr einzuengen. Soweit zu den Kriterien der dynamischen Stellenplanung Feststellungen möglich gewesen seien, würden diese jedenfalls der Empfehlung des RSG 2020 nicht entgegenstehen, zumal sich auch aus der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgelegten Tabelle über die Entwicklung der Fallzahlen im Bereich der radiologischen Leistungen ableiten lasse, dass für die Versicherten des Bezirks S. trotz Nichtnachbesetzung der Facharztstelle für Radiologie in A. eine ausreichende Versorgung mit radiologischen Leistungen gegeben sei. Die Ordination Dr. R. in S. würde nach der Schließung der Ordination Dr. L. in A. (mit ) rund ein Drittel mehr Fälle aufweisen. Dies lege den Schluss nahe, dass der Ausfall der Planstelle in A., die in der Vergangenheit lediglich ein Drittel des Bedarfs an extramuralen radiologischen Leistungen abgedeckt habe, fast zur Gänze habe kompensiert werden können. Soweit die Fallzahlen beider Ordinationen zusammen vor der Schließung geringfügig höher gewesen seien, was auf einen nicht abdeckbaren Bedarf schließen lassen könnte, sei zu berücksichtigen, dass der Bedarf auch im gesamten Bundesland K stetig abnehme. Der Bedarf könne jedenfalls auch durch die vorhandenen intramuralen ambulanten Versorgungsstrukturen abgedeckt werden, sofern die höhere Inanspruchnahme vor der Schließung der Ordination des Dr. L in A. nicht ohnehin nur auf die angebotsinduzierte Nachfrage auf Grund zweier in unmittelbarer Nachbarschaft bestehender Planstellen zurückzuführen sei.

20 Die Fallzahlen würden belegen, dass die im genannten Bedarfsgutachten und im Strukturplan (Strukturplan zur extramuralen radiologischen Versorgung in Kärnten - Gutachten der J. Forschungsgesellschaft m.b.H. vom September 2013) sowie im RSG 2020 getroffene Empfehlung, die Planstelle in A. nicht nachzubesetzen, bislang zu keiner Unterversorgung der Bevölkerung des Bezirks S. geführt habe. Da die Fallzahlen im Bezirk S. im Abnehmen begriffen seien und sich auch keine Anhaltspunkte für eine Trendumkehr ergeben würden, sei davon auszugehen, dass es auch in absehbarer Zukunft - jedenfalls bis 2020 - nicht zu einer Unterversorgung mit radiologischen Leistungen kommen werde.

21 Die von der revisionswerbenden Partei behaupteten bzw. mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Gutachten (von Hon.Prof. Dr. L. C. von der Wuniversität vom über die extramurale Versorgung im Bezirk S.) belegten geringeren Folgekosten, kürzeren Wegstrecken und die Stärkung des Patienteninteresses seien auf Grund der Vorgaben des ÖSG 2012 (Österreichischer Strukturplan Gesundheit) und der dynamischen Stellenplanung des § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG für die Bedarfsfrage nicht entscheidend. Feststellungen dazu hätten unterbleiben können.

22 Soweit § 342 Abs. 1 Z 1 letzter Halbsatz ASVG vorsehe, dass einem Patienten in der Regel die Auswahl zwischen mindestens zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten oder einem Vertragsarzt und einer Vertrags-Gruppenpraxis freigestellt sein soll, sei darauf hinzuweisen, dass dies nur eine Empfehlung darstelle und daher der Nichtnachbesetzung der Planstelle in A. nicht entgegenstünde.

23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragt. Der (nunmehrige) Vorsitzende der belangten Behörde hat eine Stellungnahme erstattet. Die revisionswerbende Ärztekammer hat darauf repliziert.

24 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

25 1. Die revisionswerbende Ärztekammer führt zur Zulässigkeit der Revision aus, es fehle an einer Rechtsprechung zur Frage der Bindungswirkung des Bundesverwaltungsgerichts an die Ergebnisse der Strukturpläne gemäß § 84a Abs. 1 bzw. nach § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG. Es gehe um die Frage, wie sich "die Verwaltungsgerichtshöfe" mit derartigen Strukturplänen, im Konkreten mit dem RSG 2020, auseinanderzusetzen hätten. Die Strukturpläne seien keine gesetzlichen Normen, sondern lediglich Planungsunterlagen. Der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) gelte nach § 59j Z 1 KAKuG als objektiviertes Sachverständigengutachten. Eine vergleichbare Regelung existiere für den Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG) nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich mit dem RSG 2020, der bestenfalls als Privatgutachten gewertet werden könne, von Amts wegen durch Beiziehung eines (Amts-)Sachverständigen auseinanderzusetzen gehabt.

Die Ausführungen des RSG 2020,

"die quellbezogene Inanspruchnahme von Leistungen der konventionellen Radiologie ist heterogen und reicht von 60% der Benchmarks bis 131%. (...) Nach Anpassung der demografischen Entwicklung und der Reduktion von Varianzen im Leistungsgeschehen kommt es zu einer Reduktion der Planstellen um insgesamt zwei für Kärnten."

seien nicht nachvollziehbar und aussageleer. Das Verwaltungsgericht habe sich bei seiner Feststellung, mit dem Anteil der älter werdenden Bevölkerung sei keine Steigerung des Inanspruchnahmeverhaltens verbunden, auf eine veraltete Studie gestützt, der überdies nur zu entnehmen sei, dass die längere Lebenserwartung (in Österreich) nicht zu einer "Kompression der Morbidität" führe. Die Feststellung, wonach im Zuge der Maßnahme "Früherkennung durch Mammographie" nur ein geringfügiger Anstieg der Fallzahlen zu erwarten sei, stehe im Widerspruch zu den Ausführungen des Privatsachverständigen L. C.. Das Verwaltungsgericht hätte zur Überprüfung der vorliegenden Privatgutachten einen Sachverständigen beiziehen müssen.

Überdies sei die Verfasserin des RSG 2020 ident mit der Verfasserin der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgelegten Privatgutachten (dem bereits genannten Bedarfsgutachten bzw. dem Strukturplan). Es handle sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weil tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stünden.

26 Auch die Unterlassung der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung sei grob fehlerhaft und führe zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis. Die Parteien hätten ein diametral entgegengesetztes Vorbringen erstattet und mit Privatgutachten untermauert. Das Verwaltungsgericht habe in wesentlichen Bereichen neue Feststellungen getroffen und die stattgebende Entscheidung der Landesschiedskommission in eine abweisende abgeändert.

27 Die Revision ist zulässig und im Ergebnis berechtigt:

28 2. Die Krankenversicherungsträger sind gemäß § 23 Abs. 5 ASVG insbesondere verpflichtet, für die Krankenbehandlung der Versicherten und ihrer Familienangehörigen ausreichend Vorsorge zu tragen.

29 Gemäß § 116 Abs. 1 ASVG trifft die Krankenversicherung insbesondere Vorsorge für die Früherkennung von Krankheiten und für den Versicherungsfall der Krankheit. Die Versicherten haben gemäß § 132b Abs. 1 ASVG zudem Anspruch auf jährlich eine Vorsorge(Gesunden)untersuchung.

30 Gemäß § 133 Abs. 1 ASVG muss die im Versicherungsfall der Krankheit zu gewährende Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

31 Die ärztliche Hilfe als Teil der genannten Krankenbehandlung wird den von der Krankenversicherung umfassten Personen (unter der Voraussetzung des Zustandekommens eines Gesamtvertrages) gemäß § 133 Abs. 2 dritter Satz iV insbesondere mit § 338 Abs. 2 ASVG grundsätzlich als (direkt mit dem Krankenversicherungsträger verrechnete) Sachleistung mit freier Arztwahl gewährt (zur Bedeutung des für die Erfüllung des Versorgungsauftrages der Sozialversicherung zu schaffenden Netzes von Vertragsärzten durch Gesamt- und Einzelverträge vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B2487/95, VfSlg. 14840/1997, und vom , G 64/98, VfSlg. 15456/99).

32 § 135 ASVG lautet auszugsweise:

"§ 135. (1) Die ärztliche Hilfe wird durch Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen, durch Wahlärzte und Wahl-Gruppenpraxen (§ 131 Abs. 1) sowie durch Ärzte in eigenen Einrichtungen (oder Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger gewährt. (...)

(2) In der Regel soll die Auswahl zwischen mindestens zwei zur Behandlung berufenen, für den Erkrankten in angemessener Zeit erreichbaren Ärzten oder Gruppenpraxen freigestellt sein. Bestehen bei einem Versicherungsträger eigene Einrichtungen für die Gewährung der ärztlichen Hilfe oder wird diese durch Vertragseinrichtungen gewährt, muß die Wahl der Behandlung zwischen einer dieser Einrichtungen und einem oder mehreren Vertragsärzten (Wahlärzten) bzw. einer oder mehreren Vertrags-Gruppenpraxen (Wahl-Gruppenpraxen) unter gleichen Bedingungen freigestellt sein. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen vorgesehen sind, müssen diese in den Ambulatorien, bei den freiberuflich tätigen Vertragsärzten und in den Vertrags-Gruppenpraxen gleich hoch sein.

(3) (...)."

33 Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragsärzte oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Krankenbehandlung als Sachleistung in Anspruch, sondern z.B. einen Wahlarzt, so gebührt ihm gemäß § 131 Abs. 1 ASVG der Ersatz der Kosten dieser Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 v.H. des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre.

34 3. Voraussetzung für ein funktionierendes ärztliches Sachleistungssystem sind ausreichende Vertragseinrichtungen (vgl. Felten/Mosler in SV-Komm § 133 ASVG Rz 8), die eine qualitativ hochwertige und umfassende Versorgung der Versicherten mit den gesetzlichen und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherstellen, gleichzeitig aber die Finanzierbarkeit der Gesundheitsversorgung gewährleisten. Um das gesundheitspolitische Ziel einer ausreichenden Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu vertretbaren Kosten zu erreichen, hat der Gesetzgeber im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens den Zugang zum Markt beschränkt (vgl. zu den verschiedenen Aspekten Scholz, Marktzugang im ambulanten Gesundheitswesen (2004)).

35 4.1. § 338 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2013 lautet

samt Überschriften:

"SECHSTER TEIL

Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den Angehörigen des ärztlichen und zahnärztlichen Berufs, des Dentisten-, Hebammen-, und Apothekerberufs sowie zu den Krankenanstalten und anderen Vertragspartnern/Vertragspartnerinnen

ABSCHNITT I

Gemeinsame Bestimmungen

Regelung durch Verträge

§ 338. (1) Die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den freiberuflich tätigen Ärzten/Ärztinnen, Zahnärzten/Zahnärztinnen, Gruppenpraxen nach den §§ 52a und 52b des Ärztegesetzes 1998 und § 26 des Zahnärztegesetzes, BGBl. I Nr. 126/2005, Dentisten/Dentistinnen, Hebammen, Apothekern/Apothekerinnen, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen/Psychologinnen, freiberuflich tätigen Psychotherapeuten/Psychotherapeutinnen, freiberuflich tätigen Heilmasseuren/Heilmasseurinnen, Pflegepersonen, die medizinische Hauskrankenpflege nach § 151 erbringen, und anderen Vertragspartnern/Vertragspartnerinnen werden durch privatrechtliche Verträge nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geregelt. Diese Verträge bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der schriftlichen Form. Die Verträge sowie allfällige Änderungen und Zusatzvereinbarungen sind vom Hauptverband im Internet zu veröffentlichen. Nach jeder fünften Änderung ist vom Hauptverband eine konsolidierte Fassung zu veröffentlichen.

(2) Durch die Verträge nach Abs. 1 ist die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen. Eigene Einrichtungen der Versicherungsträger dürfen für die Versorgung mit diesen Leistungen nur nach Maßgabe der hiefür geltenden gesetzlichen Vorschriften herangezogen werden.

(2a) Die Versicherungsträger haben sich beim Abschluss von Verträgen nach Abs. 1 an den von der Bundesgesundheitskommission im Rahmen des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) beschlossenen Großgeräteplan zu halten. Dieser Großgeräteplan ist nach Abstimmung mit der Sozialversicherung, bezüglich der nicht landesfondsfinanzierten Krankenanstalten sowie des extramuralen Bereiches auch nach Abstimmung mit der für diese Krankenanstalten in Betracht kommenden gesetzlichen Interessensvertretung im Einvernehmen mit den Ländern festzulegen. Verträge die dem widersprechen, sind ungültig.

(3) Die Abs. 1, 2 und 2a gelten entsprechend für die Regelung der Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu den Krankenanstalten.

(4) Die Versicherungsträger sind ermächtigt, den Vertragspartnern alle die Versicherten (Angehörigen) betreffenden Informationen zu erteilen, soweit sie für die Erbringung von Leistungen aus dem Vertrag notwendig sind."

36 § 342 Abs. 1 ASVG in der hier maßgeblichen Fassung

BGBl. I Nr. 147/2009 lautet auszugsweise:

"Inhalt der Gesamtverträge

§ 342. (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:

1. die Festsetzung der Zahl und der örtlichen Verteilung der Vertragsärztinnen und -ärzte (Vertrags-Gruppenpraxen) unter Bedachtnahme auf die regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) mit dem Ziel, dass unter Berücksichtigung sämtlicher ambulanter Versorgungsstrukturen, der örtlichen Verhältnisse und der Verkehrsverhältnisse, der Veränderung der Morbidität sowie der Bevölkerungsdichte und -struktur (dynamische Stellenplanung) eine ausreichende ärztliche Versorgung im Sinne des § 338 Abs. 2 erster Satz der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten und deren Angehörigen gesichert ist; in der Regel soll die Auswahl zwischen mindestens zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten oder einem Vertragsarzt und einer Vertrags-Gruppenpraxis freigestellt sein;

1a. allfällige Regelungen für Investitionsabgeltungen an den/die bisherigen/bisherige Stelleninhaber/in unter anteiliger Anrechnung auf das Honorarvolumen für den Fall, dass eine im Stellenplan enthaltene Planstelle gestrichen und somit nicht nachbesetzt wird, und weder vom/von der bisherigen Stelleninhaber/in noch von einem/einer anderen Arzt/Ärztin in dessen/deren bisherigen Räumlichkeiten oder mit dessen/deren bisherigen Einrichtungen eine vertrags- oder wahlärztliche Tätigkeit ausgeübt wird; Veräußerungserlöse sind auf die Investitionsabgeltung anzurechnen;

2. die Auswahl der Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen, Abschluß und Lösung der mit diesen zu treffenden Abmachungen (Einzelverträge);

3. (...)."

37 § 343 ASVG lautet auszugsweise:

"Aufnahme der Ärzte in den Vertrag und Auflösung des Vertragsverhältnisses

§ 343. (1) Die Auswahl der Vertragsärztinnen/Vertragsärzte und der Vertrags-Gruppenpraxen und der Abschluss der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Arzt/der Ärztin oder der Gruppenpraxis erfolgt nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer. (...)

(1a) (...)

(1b) Solange kein Einvernehmen über den Bedarf der Nachbesetzung einer frei werdenden Planstelle zwischen der zuständigen Ärztekammer und dem zuständigen Träger der Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 342 Abs. 1 Z 1 besteht, kann diese Planstelle nicht ausgeschrieben werden. Besteht nach Ablauf eines Jahres nach Beendigung eines Einzelvertrages immer noch kein Einvernehmen, so entscheidet die Landesschiedskommission (§ 345) auf Antrag einer der beiden Vertragsparteien über den Bedarf der Nachbesetzung unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 342 Abs. 1 Z 1. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung kann die Planstelle nicht ausgeschrieben werden. Der Stellenplan gilt ab Rechtskraft einer Entscheidung der Nicht-Nachbesetzung als angepasst.

(1c) Im Falle der Stilllegung einer Planstelle (Abs. 1a (richtig: 1b)) darf der betroffene Sozialversicherungsträger das bisher vom Vertragsarzt/von der Vertragsärztin der jeweiligen Planstelle abzudeckende Leistungsvolumen innerhalb von fünf Jahren ab Freiwerden der Stelle nicht durch einen neuen Vertrag mit anderen Leistungsanbietern/-anbieterinnen abdecken.

(2) (...)."

38 § 347 Abs. 3a ASVG lautet auszugsweise:

"(3a) Die Kommissionen haben bei ihren Entscheidungen zu prüfen, ob der Hauptverband und die Sozialversicherungsträger die Rahmenbedingungen nach § 84a Abs. 1 (zB Österreichischer Strukturplan Gesundheit) oder nach § 342 Abs. 1 Z 1 (Regionale Strukturpläne Gesundheit) eingehalten haben und ihrerseits die Ergebnisse dieser Strukturpläne ihren Entscheidungen in einschlägigen Angelegenheiten zu Grunde zu legen."

39 Der Stellenplan für Vertragsärzte ist gemäß § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG Gegenstand einer Regelung des zwischen dem Hauptverband und der zuständigen Ärztekammer abzuschließenden Gesamtvertrages. Die Regelung der Beziehungen zwischen den Krankenversicherungsträgern und den Ärzten - mit den im § 342 ASVG näher umschriebenen Inhalten - durch Gesamtvertrag ist keine bloße Option, die beliebig durch den Abschluss schuldrechtlicher Verträge substituiert werden könnte, sondern vom Gesetz zwingend vorgegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/08/0005).

40 4.2. Die Übertragung der Regelungsbefugnis betreffend den Stellenplan an die Parteien des Gesamtvertrages erfolgte vor allem deshalb, weil der Gesetzgeber erwartet, dass die wegen der gegensätzlichen Interessen erforderliche Konfliktlösung besser von den Betroffenen und ihren Vertretungen (Hauptverband und den Ärztekammern) als vom Staat selbst erledigt werden kann. Der Einigungscharakter der Gesamtverträge verschafft ihnen auch die Vermutung der Richtigkeit. Der Gesetzgeber bringt das "freie Spiel der Kräfte" zum Einsatz, von dem er sich einen gerechten Interessenausgleich erhofft, für dessen Versagen er aber in Gestalt der §§ 131a und 131b sowie 348 ASVG Vorsorge trifft. Um das Kräftegleichgewicht nicht zu beeinträchtigen, gibt es weder einen Abschlusszwang noch eine dauerhafte Zwangsschlichtung. Das Gesetz hat den Gesamtvertrag zulässigerweise nur schwach prädeterminiert, damit sich das freie Spiel der Kräfte entfalten und das Verhandlungsergebnis die Vermutung der Richtigkeit für sich beanspruchen kann (vgl. Kneihs/Mosler in SV-Komm § 338 ASVG Rz 8ff, mwN; zur Richtigkeitsvermutung der zum Gesamtvertrag gehörigen Honorarordnung iSd § 342 Abs. 2 ASVG vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B1658/01, VfSlg. 16.607/2002; zu §§ 342 f ASVG und zum Gesamtvertrag als unionsrechtskonforme Sonderbestimmungen des Vergaberechts vgl. Kneihs/Mosler in SV-Komm, § 342 Rz 13 ff; Kletter in Sonntag, ASVG,§ 338 Rz 16 ff und § 343 Rz 7 f; Scholz, Marktzugang im ambulanten Gesundheitswesen (2004), 175 ff).

41 4.3. Bei der Stellenplanung sollen sich die Parteien der Gesamtverträge von dem Ziel leiten lassen, dass "unter Berücksichtigung sämtlicher ambulanter Versorgungsstrukturen" eine ausreichende ärztliche Versorgung iSd § 338 Abs. 2 erster Satz ASVG gesichert ist (§ 342 Abs. 1 Z 1 ASVG).

42 Als ambulante Versorgungsstruktur iSd § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG ist u.a. das bestehende Sachleistungsangebot durch Ambulanzen von öffentlichen, privaten gemeinnützigen oder sonstigen Krankenanstalten mit Kassenverträgen (Spitalsambulanzen bzw. Anstaltsambulatorien) zu berücksichtigen, allerdings nur insoweit, als die bestehende Erbringung dieser Versorgungsleistungen zulässig ist.

43 In öffentlichen Krankenanstalten der im § 2 Abs. 1 Z 1 und 2 KAKuG angeführten Art sind Personen, die einer Aufnahme in eine Anstaltspflege nicht bedürfen, gemäß § 26 Abs. 1 Z 3 KAKuG (bzw. § 48 Abs. 1 lit. c Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 - K-KAO) unter anderem dann ambulant zu untersuchen oder zu behandeln, wenn es

"zur Anwendung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit solchen Behelfen, die außerhalb der Anstalt in angemessener Entfernung vom Wohnort des Patienten nicht in geeigneter Weise oder nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung stehen",

notwendig ist.

44 Die medizinische Betreuung in Anstaltsambulatorien hat somit gegenüber der so genannten extramuralen medizinischen Versorgung der Bevölkerung subsidiären Charakter (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/11/0055, mwN; M.Potacs, Ambulante und extramurale Leistungen von Krankenanstalten, RdM 2010, 214ff; Reschin Resch/Wallner (Hrsg),

Gmundner Medizinrechtskongress 2010 (2011), S 44ff, Eilmansberger/Rüffler, Inanspruchnahme von Spitalsambulanzen aus Sicht des nationalen und EU-Beihilfenrechts, RdM 2011, 187ff; abwägend Steiner, Zum Versorgungsauftrag öffentlicher Krankenanstalten, RdM 2010, 168; aM Grillberger, Zum Konkurrenzschutz gegen ambulante Behandlungen im Krankenhaus, WBl 1999, 146ff).

45 Soweit aber in der Vergangenheit ärztliche Versorgungsleistungen zulässigerweise iSd § 26 Abs. 1 Z 3 KAKuG abgedeckt worden sind, weil Versorgungsstrukturen im niedergelassenen Bereich - zB wegen nicht nachfragegerechter Ordinationszeiten, wegen unzureichender Ordinationseinrichtungen oder wegen fehlender Möglichkeiten der Arztwahl (vgl. zum Vorhandensein eines einzigen Facharztes einer bestimmten Fachrichtung in einem größeren Raum ) - nicht in geeigneter Weise oder nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung standen, ist das betreffende Leistungsangebot als ambulante Versorgungsstruktur iSd § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG zu berücksichtigen (vgl. zu ähnlichen Gesichtspunkten iZm dem Konkurrenzschutz gegenüber selbständigen Ambulatorien Resch in Resch/Wallner (Hrsg), Gmundner Medizinrechtskongress 2010 (2011), S 41 und 43).

46 4.4. Bei Erstellung des Stellenplanes durch die Parteien des Gesamtvertrages ist der die Wahlfreiheit betreffend ärztlicher Dienstleistungen sichernden Anordnung des § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG Rechnung zu tragen, wonach in der Regel die Auswahl zwischen mindestens zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten oder einem Vertragsarzt und einer Vertrags-Gruppenpraxis freigestellt sein soll. Ein Abgehen vom Grundsatz, für eine Auswahlmöglichkeit Vorsorge zu treffen, bedürfte einer besonderen Rechtfertigung. Diese könnte zB darin liegen, dass im Einzugsbereich genehmigte eigene Einrichtungen bzw. Vertragseinrichtungen zur Verfügung stehen, die dem Versicherten eine (in diesem Fall freilich dem § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG nicht völlig gleichwertige) Wahl zwischen verschiedenen konkreten Sachleistungserbringern ermöglichen, oder zB darin, dass bei technischen oder diagnostischen Gesundheitsdienstleistungen das durch die Auswahlmöglichkeit zu schützende besondere Vertrauensverhältnis zum behandelnden Arzt in der Regel eine geringere Rolle spielen könnte.

47 4.5. Im Übrigen ist bei der Beurteilung des Einzugsgebiets für eine Vertragsarztstelle eine Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen nicht gegeben (vgl. in diesem Sinne auch das die Bedarfsprüfung für ein Ambulatorium betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/11/0079).

48 5. § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG ordnet an, dass die Festsetzung der Zahl und der örtlichen Verteilung der Vertragsärztinnen und - ärzte (Vertrags-Gruppenpraxen) "unter Bedachtnahme auf die regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG)" zu erfolgen hat. Dies gilt auch für den Fall der späteren Anpassung eines Stellenplans (§ 343 Abs. 1b ASVG).

49 5.1. Strukturpläne werden auf der Grundlage des Art. 4 der vom Bund und den Ländern getroffenen Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, BGBl. I Nr. 105/2008, sowie - im vorliegenden Fall - gemäß § 12 Abs. 2 Z 6 Kärntner Gesundheitsfondsgesetz - K-GFG erstellt und gemäß § 12 Abs. 4 K-GFG auf der Homepage des Kärntner Gesundheitsfonds veröffentlicht. Sie sind - gemeinsam mit der vom Bund und den Ländern getroffenen Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit, BGBl. I Nr. 200/2013, und den dazu ergangenen Bundes- und Landesgesetzen - Bausteine eines gesundheitspolitischen Konzepts, mit denen das Handeln der einzelnen beteiligten Rechtsträger auch in Anbetracht teilweise divergenter Interessen strukturübergreifend koordiniert und gesteuert werden soll.

50 Die Nahtstelle dieses Steuerungsmechanismus zu den Sozialversicherungsträgern bilden §§ 84a ff ASVG idF des Gesundheitsreformgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 81. Gemäß § 84a Abs. 1 ASVG haben sich der Hauptverband und die Sozialversicherungsträger zur nachhaltigen Sicherstellung der Versorgung der Versicherten an einer regionen- und sektorenübergreifenden Planung, Steuerung und Finanzierung des Gesundheitswesens zu beteiligen. Der Hauptverband und die Sozialversicherungsträger haben die dabei abgestimmten Ergebnisse (z.B. Österreichischer Strukturplan Gesundheit) in ihrem Verwaltungshandeln und bei der Planung und Umsetzung der Versorgung der Versicherten mit dem Ziel eines optimierten Mitteleinsatzes durch koordiniertes Vorgehen zu beachten.

51 5.2. Ein RSG hat keine Verordnungsqualität. Es bestand erkennbar keine Absicht des Gesetzgebers, eine Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung zu erteilen. Überdies würde eine solche - von der Landeszielsteuerungskommission erlassene - Verordnung zum Grundsatz der Trennung der Vollzugsbereiche von Bund und Ländern in einen Widerspruch geraten. Die Formulierung "Bedachtnahme" in § 342 Abs. 1 Z 1 iVm § 343 Abs. 1b und § 347 Abs. 3a ASVG legt eine Bindung der Gesamtvertragsparteien an die Planungsvorgaben des RSG (nur) in der Form nahe, dass sie diese ihren Verhandlungen zu Grunde zu legen haben, was gegebenenfalls durch die Landesschiedskommission überprüft wird. Eine den RSG betreffende Verordnungsermächtigung (die nach dem Gesagten hier nicht vorliegt) würde zudem vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzips (Art. 18 B-VG) einer ausreichenden Determinierung der Verordnung durch den Gesetzgeber bedürfen. Eine bloße Delegation der inhaltlichen Ausrichtung dieser Verordnung an die Landeszielsteuerungskommissionen wäre verfassungswidrig (vgl. Schrattbauer, Rechtsnatur und rechtliche Verbindlichkeit der Strukturpläne im Gesundheitswesen, SozSi 2016, 168 ff).

52 Das schließt es nicht aus, dass ein Verwaltungsgericht nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren (insbesondere nach allfälliger Einholung eines Sachverständigengutachtens) und ordnungsgemäßer Beweiswürdigung bestimmte tatsächliche Angaben eines RSG zu Feststellungen erhebt.

53 6. Der Gesetzgeber hat sich mit Rücksicht auf die komplexe sozialpolitische Aufgabenstellung im Zusammenhang mit der Gestaltung des Stellenplans dafür entschieden, die Planungs- und Steuerungsentscheidungen bzw. die dazugehörige Normsetzungsbefugnis dem vertraglichen Zusammenwirken von Sozialversicherungsträgern mit den Ärztekammern anzuvertrauen, dem eine besondere Richtigkeitsvermutung zukommt (siehe oben 4.2.). Die im Gesamtvertrag mit dem Stellenplan wirksamen Mechanismen des Interessenausgleichs entsprechen jenen, die zB auch beim sozialpartnerschaftlichen Abschluss von Kollektivverträgen gemäß § 2 ArbVG zu vernünftigen, zweckentsprechenden und praktisch durchführbaren Normen führen, die Außenseiterwirkung haben und zu Satzungen erklärt werden können (§§ 12 und 18 ArbVG).

54 Diese Konzeption ermöglicht die sozialpolitisch ausgewogene Gestaltung regionaler Sachleistungsversorgungsstrukturen, ohne auf eine explizite Diskussion uU vielfältiger, unvollständiger, widersprüchlicher oder in ihrer Aussagekraft schwer einschätzbarer Details der - sehr allgemein gehaltenen - Kriterien des § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG ("ausreichende ärztliche Versorgung") zurückgreifen zu müssen, zumal hier der Beurteilungskraft durch Sachverständigengutachten Grenzen gesetzt sind (vgl. die vom Verwaltungsgericht dargestellten Bemühungen des RSG (2020)).

55 7.1. Die Gesetzesmaterialien zum 4. SRÄG 2009 (476 BlgNR 24. GP. S 5f) begründen die Einführung der "dynamischen Stellenplanung" durch § 342 Abs. 1 Z 1 iVm § 343 Abs. 1b ASVG idF BGBl. I Nr. 147/2009 wie folgt:

"Zu Art. 1 Teil 1 Z 7 (§ 342 Abs. 1 Z 1 ASVG):

Für die Festsetzung der Zahl und der örtlichen Verteilung der Vertragsärztinnen und -ärzte (Vertrags- Gruppenpraxen) sollen neben der örtlichen Verhältnisse und Verkehrsverhältnisse sowie der Bevölkerungsdichte und -struktur künftig sämtliche ambulante Versorgungsstrukturen sowie die Veränderung der Morbidität als Kriterium (dynamische Stellenplanung) berücksichtigt werden. Die Regelung ist auch für Zahnärztinnen/Zahnärzte, Dentistinnen/Dentisten und die in § 349 Abs. 2 genannten Personen, sobald ein Gesamtvertrag zu Stande kommt, durch gesetzliche Verweise entsprechend anzuwenden.

Nach § 84a ASVG haben sich der Hauptverband und die Sozialversicherungsträger an einer regionen- und sektorenübergreifenden Planung, Steuerung und Finanzierung des Gesundheitswesens zu beteiligen und die dabei abgestimmten Ergebnisse in ihrem Verwaltungshandeln und bei der Planung und Umsetzung der Versorgung der Versicherten mit dem Ziel eines optimierten Mitteleinsatzes durch koordiniertes Vorgehen zu beachten. Diesem Auftrag kann die Sozialversicherung nur nachkommen, wenn eine gewisse Flexibilisierung bei den Stellenplänen, die ja Teil des Gesamtvertrages sind, möglich ist.

In Übereinstimmung dazu sieht die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens im Art. 1 Abs. 2 Z 9 auch vor, dass bei der gemeinsamen Steuerung und Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitswesens der Grundsatz zu beachten ist, dass (...) zwischen den Gesundheitssektoren das Prinzip "Geld folgt Leistung" gilt."

56 Eine von einem Gesamtvertrag völlig unabhängige Festlegung eines Stellenplanes durch eine Verwaltungsbehörde (die Landesschiedskommission) bzw. durch ein Gericht wäre durch die Kriterien des § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG nicht hinreichend determiniert. Dazu kommt, dass Gutachten von Sachverständigen bei den hier vorliegenden komplexen und äußerst schwer berechenbaren Sachverhalten mit den dazugehörigen sozialpolitischen Fragestellungen an ihre Grenzen stoßen. Der (nicht bindende) RSG vermag diese Defizite nicht auszugleichen. An ihn kann - anders als an die genannte Einigung der Vertragspartner - keine Richtigkeitsvermutung anknüpfen.

57 Vor diesem Hintergrund kommt der mit BGBl. I Nr. 147/2009 eingeführten "dynamischen Stellenplanung" nach § 343 Abs. 1b ASVG in verfassungskonformer Auslegung lediglich die Funktion zu, die grundsätzliche Einigung über den Stellenplan, dem jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesamtvertrages die genannte Richtigkeitsvermutung beizumessen ist, anzupassen, wenn sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben sollten oder wenn sich erweist, dass die Vertragspartner bei ihrer Einigung evident von unzutreffenden Prämissen ausgegangen sind (vgl. aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu § 4 F-VG 1948, wonach im Fall eines Einvernehmens über eine finanzausgleichsrechtliche Regelung die Sachlichkeit der in den Verhandlungen erzielten Lösung vermutet wird, dessen Erkenntnisse vom , G 248/02, VfSlg. 16849/2003, und vom , G 5/07, VfSlg. 18606/2008).

58 Eine solche Anpassung des Stellenplans könnte sich als erforderlich erweisen, wenn seit dem Zeitpunkt der genannten Einigung über die für eine Besetzung zur Verfügung gestellten Stellen wesentliche Änderungen entweder im Bereich des Bedarfs an ärztlicher Versorgung oder im Bereich der zur Verfügung stehenden ambulanten Versorgungsstrukturen eingetreten sind, sodass das im § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG festgelegte Ziel durch den veralteten Stellenplan nunmehr verfehlt wird.

59 Das Abstellen auf zwischenzeitlich erfolgte wesentliche Änderungen der Verhältnisse im Rahmen der "dynamischen Stellenplanung" ist eine Konsequenz daraus, dass - wie mehrfach betont - der Einigungscharakter des Gesamtvertrages diesem auch die Vermutung der Richtigkeit verschafft (vgl. M. Risak, Stellenplan für Kassenärzte, Recht der Medizin 2015/143, wonach mit der "dynamischen" Stellenplanung offensichtlich auf Änderung des Bedarfs an einer Kassenplanstelle nach Abschluss des Stellenplans reagiert werden soll, und zwar letztlich in Form einer Anpassung des Stellenplans auch gegen den Willen einer der Parteien des Gesamtvertrages).

60 Das Gericht hat grundsätzlich von dieser ursprünglichen Richtigkeit des Stellenplans auszugehen und nicht aus Anlass des Verfahrens nach § 343 Abs. 1b ASVG selbst eine gänzlich neue Stellenplanung mit eigenständiger, von der ursprünglichen Stellenplanung allenfalls abweichender sozialpolitischer Gewichtung vorzunehmen.

61 Maßgeblicher Stichtag für die Beurteilung des Eintritts relevanter Änderungen ist die letzte einvernehmliche Festlegung bzw. Abänderung des Stellenplans als gemäß § 341 Abs. 1 Z 1 ASVG erforderlicher Regelungsteil des Gesamtvertrages. An der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Versorgungslage ist zu messen, inwieweit in Bezug auf die oben ausführlich dargestellten Beurteilungskriterien des § 341 Abs. 1 Z 1 ASVG bis zum Entscheidungszeitpunkt wesentliche tatsächliche oder rechtliche Änderungen in der Versorgungslage eingetreten sind, die eine Anpassung des Stellenplans rechtfertigen.

62 7.2. Derartige wesentliche Änderungen sind indes nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen (unbeschadet der allenfalls berechtigten Verfahrens- und Beweisrüge der revisionswerbenden Partei insbesondere betreffend die Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) nicht hervorgekommen.

63 Aus einer Abnahme der Bevölkerung in den letzten zehn Jahren im Bezirk S. um ca. 4 % kann in Anbetracht der seit 2008 (für die Zeit davor liegen keine Zahlen vor) im Wesentlichen immer gleich gebliebenen Fallzahlen der beiden radiologischen Vertragsarztstellen bis zur Beendigung des Vertrages mit Dr. L. am (kontinuierlich etwa ein Drittel der Fallzahlen bei Dr. L., zwei Drittel bei Dr. R.) nicht der Schluss gezogen werden, es wären im zur Rede stehenden Einzugsgebiet nach dem Zeitpunkt der letzten Festlegung des Stellenplanes im Rahmen des Gesamtvertrages vom (der für den Bezirk S. zwei Stellen von Radiologen vorsieht) tatsächliche Änderungen eingetreten, die einen relevanten Einfluss auf die in § 342 Abs. 1 Z 1 ASVG genannten Zielsetzungen gehabt hätten.

64 8. Da das Verwaltungsgericht infolge unrichtiger Rechtsanschauung keine Feststellungen über relevante Änderungen betreffend den Bedarf an ärztlichen Dienstleistungen und die zur Verfügung stehende ambulante Versorgungsstruktur im Einzugsgebiet der gegenständlichen Planstelle nach den oben dargestellten gesetzlichen Vorgaben getroffen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

65 9. Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung war aus folgenden Gründen nicht erforderlich: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072). Im gegenständlichen Fall ist der für den Verwaltungsgerichtshof entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt und es hängt die Entscheidung einzig von der Lösung rein rechtlicher Fragestellungen ab. In der Revision wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Überdies wird das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG im fortgesetzten Verfahren eine mündliche Verhandlung durchzuführen haben.

66 Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

67 10. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013. Ein Ersatz der Eingabengebühr war im Hinblick auf § 110 ASVG nicht zuzusprechen.

Wien, am