VwGH vom 17.11.2011, 2009/21/0285
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom , Zl. FW-15349, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gelangte am nach Österreich und brachte am nächsten Tag einen Asylantrag ein, der im Instanzenzug mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom rechtskräftig abgewiesen wurde.
In der Folge stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) idF BGBl. I Nr. 29/2009.
Dieser Antrag wurde mit dem angefochtenen, im Namen des Landeshauptmannes von Tirol erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst (der belangten Behörde) vom unter Bezugnahme auf § 44 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist zunächst, dass die vorliegende Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zulässig ist, weil nach § 3 Abs. 2 zweiter Satz NAG gegen Entscheidungen über Anträge auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG eine Berufung nicht zulässig ist.
Die genannte Bestimmung und § 11 NAG lauten in der hier maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 (auszugsweise):
"Niederlassungsbewilligung - beschränkt
§ 44.
(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und
2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.
Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. ...
Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
…
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
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1. | … |
2. | der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird; |
3. | der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist; |
4. | der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte; |
… |
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. ..."
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von dem einleitend wiedergegebenen Sachverhalt aus und folgerte daraus, der Beschwerdeführer sei "seit nachweislich durchgängig" und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und habe sich "somit nicht bereits vor dem in Österreich" befunden. Ergänzend stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer verfüge über keine Beschäftigungsbewilligung, weil "die Beschäftigung aufgrund eines Negativbescheides eingestellt" worden sei, und über keine ortsübliche Unterkunft, weil er (nur) eine "Personalunterkunft" habe. Weiters verfüge er über keine Krankenversicherung und über keine Unterhaltsmittel.
Unter der Überschrift "Integration/besonders berücksichtigungswürdige Gründe" führte die belangte Behörde dann aus, der Beschwerdeführer sei unbescholten und in Österreich 2004, 2005 und 2009 bei näher genannten Unternehmen als Arbeiter berufstätig gewesen. Er verfüge über keine Kenntnisse der deutschen Sprache. In Österreich habe er familiäre Bindungen zu seinem Neffen und zu seinem Schwager, seine Ehefrau und die drei Kinder befänden sich in der Türkei. Im Hinblick darauf kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer sei in Österreich nicht besonders integriert.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung folgerte die belangte Behörde, die Erteilungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführer über keine ortsübliche Unterkunft, kein Einkommen und keine Krankenversicherung verfüge. Dazu komme, dass auch eine nachhaltige Integration nicht bestehe.
Dieser Begründung hält die Beschwerde neben der achtjährigen Dauer seines (überwiegend legalen) Aufenthalts entgegen, der Beschwerdeführer habe in Österreich eine neue Heimat gefunden, wo er eine große Zahl von Freunden und Verwandten habe und insofern ein intaktes soziales Netz vorfinde. Zahlreiche seiner Freunde und Bekannten hätten sich spontan bereit erklärt, für ihn eine Patenschaftserklärung abzugeben. Der Beschwerdeführer habe auch zwei tragfähige Patenschaftserklärungen vorgelegt, was im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt worden sei. Der Beschwerdeführer verfüge auch über eine ortsübliche Unterkunft, wofür er eine Bestätigung des (letzten) Arbeitgebers, eines Hotelbetriebes, vorgelegt habe. Sobald dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung erteilt werde, könne er bei diesem Unternehmen wieder zu arbeiten beginnen und werde dann auch wieder versichert sein. So sei auch dem Versicherungsdatenauszug zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit 2007 in diesem Betrieb gearbeitet habe und versichert gewesen sei. Sein Deutsch erscheine zwar bei Vorsprachen bei der Behörde wegen seiner Verunsicherung mangelhaft, doch spreche der Beschwerdeführer tatsächlich ausreichend Deutsch. Darüber hinaus werde er im Oktober 2009 einen Deutschkurs besuchen und aller Voraussicht nach dann die Prüfung A 2 bestehen. Die Kinder des Beschwerdeführers seien mittlerweile erwachsen und die Beziehung zu seiner Ehefrau sei aufgrund der langen Trennung tiefgreifend zerrüttet. Aus diesen Umständen wird in der Beschwerde abschließend gefolgert, der Beschwerdeführer erfülle sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung "eines Bleiberechts".
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid tragend auf das Fehlen der in § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG enthaltenen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgestellt und darüber hinaus das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe iSd § 44 Abs. 4 NAG verneint. Auf die - in der Beschwerde auch gerügte - Feststellung, der Beschwerdeführer habe sich nicht bereits vor dem in Österreich befunden, wurde die Antragsabweisung jedoch nicht gestützt. Diesem offenbar irrtümlich unterlaufenen Fehler kommt daher keine Relevanz zu.
In Bezug auf die genannten Erteilungsvoraussetzungen ist es aber unbestritten, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde weder über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt noch ein ausreichendes eigenes Einkommen nachgewiesen hat. Vielmehr wurde das laut Arbeitsvertrag vom bis befristete Beschäftigungsverhältnis mit dem erwähnten Hotelbetrieb als Abwäscher (laut Versicherungsdatenauszug) am beendet. Betreffend das Vorbringen in der Beschwerde über die Zusage einer neuerlichen Beschäftigung für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels, ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer hinreichend konkretisierten (Wieder )Einstellungszusage im Administrativverfahren nicht behauptet und auch keine diesbezüglichen Nachweise vorgelegt wurden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0109, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zlen. 2010/21/088 bis 0091). Zum erforderlichen Nachweis eines Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft ist dem Beschwerdeführer schließlich zu entgegnen, dass sich die Bestätigung seines letzten Arbeitgebers vom lediglich darauf bezog, dass der Beschwerdeführer "bei uns im Hotel seinen Hauptwohnsitz registriert hat und dort auch tatsächlich wohnt". Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG im vorliegenden Fall nicht gegeben waren.
Nach § 44 Abs. 4 NAG könnte allerdings deren Fehlen durch die Vorlage einer Patenschaftserklärung substituiert werden. Eine Patenschaftserklärung ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 18 NAG die notariell oder gerichtlich beglaubigte und für mindestens drei Jahre gültige Erklärung Dritter mit (Wohn )Sitz im Inland, dass sie für die Erfordernisse einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet sowie bei der Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Vollziehung der Schubhaft, einschließlich der Aufwendungen für den Ersatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder der Grundversorgung entstehen, wobei die die Leistungsfähigkeit des Dritten begründenden Mittel in der Patenschaftserklärung zu bezeichnen sind; deren Vorhandensein ist durch geeignete Nachweise zu belegen.
Nun hat zwar S.A.C., der seinen Beruf mit "Hilfsarbeiter" angegeben hat, für den Beschwerdeführer am eine formularmäßige Patenschaftserklärung abgegeben, jedoch entgegen der genannten gesetzlichen Verpflichtung in dieser Erklärung das vorgesehen Feld über die "genau zu bezeichnenden Mittel" nicht ausgefüllt und auch keinen diesbezüglichen Nachweis vorgelegt. Eine - kommentarlos - nachträglich der belangten Behörde übermittelte Lohnabrechnung für Juni 2009 ist dafür aber schon deshalb nicht geeignet, weil sie in erheblichem Umfang Sonderzahlungen enthält. Auch in der Beschwerde wird zur Leistungsfähigkeit des S.A.C. kein näheres Vorbringen erstattet, sondern die Patenschaftserklärung nur pauschal als "tragfähig" bezeichnet. Im Übrigen wurde in der Patenschaftserklärung auch noch eine zweite Person genannt, für die S.A.C. unter einem eine Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 18 NAG abgegeben hat. Eine in der Beschwerde auch - ohne nähere Konkretisierung - angesprochene zweite Patenschaftserklärung ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund begründet es keinen relevanten Begründungsmangel, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Patenschaftserklärung - laut Gegenschrift: wegen der eben dargelegten Mängel - nicht ausdrücklich berücksichtigt hat.
Da sohin der Antragsbewilligung schon das Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 NAG entgegenstand, käme es auf eine Beurteilung des Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers gar nicht mehr an. Ungeachtet dessen ist zur Vollständigkeit aber noch anzumerken, dass die Meinung der belangten Behörde, es seien im vorliegenden Fall keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 44 Abs. 4 NAG vorgelegen, im Ergebnis auch nicht zu beanstanden ist. Der (ohne familiäre Bindungen in Österreich lebende) Beschwerdeführer weist - bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt - lediglich eine Beschäftigungsdauer in dem genannten Hotelbetrieb von etwa eineinhalb Jahren und davor kurzfristige Tätigkeiten bei anderen Unternehmen in der Dauer von insgesamt vierzehn Monaten sowie eine Gesamtaufenthaltsdauer von ca. acht Jahren auf. Das reicht unter Bedachtnahme auf die weiteren Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers für sich genommen noch nicht, um einen so hohen Integrationsgrad zu begründen, dass die belangte Behörde einen "besonders berücksichtigungswürdigen Fall" hätte annehmen müssen (vgl. das eine ähnliche Konstellation betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0178).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-69568