VwGH vom 05.12.2019, Ra 2016/08/0109
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der K S in H, vertreten durch die Dax Wutzlhofer & Partner Rechtsanwälte GmbH in 7400 Oberwart, Wienerstraße 8A, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 33.26-2362/2015-39, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Die belangte Behörde erkannte mit Straferkenntnis vom die Revisionswerberin schuldig, sie habe es als Dienstgeberin unterlassen, 22 näher genannte - am um 18.30 Uhr an einem näher genannten Ort im Rahmen eines Maturaballs als Barpersonal beschäftigte - nach dem ASVG in der Krankenversicherung (Vollversicherung) pflichtversicherte Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Sie habe hierdurch Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG begangen und werde hierfür mit 22 Geldstrafen von jeweils EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen) zuzüglich Kosten belegt.
1.2. Die Revisionswerberin erhob gegen das Straferkenntnis Beschwerde mit dem wesentlichen Vorbringen, sie habe das Barpersonal nicht beschäftigt. Sie habe eine Eventagentur betrieben und in deren Rahmen einige Tätigkeiten für die Maturanten im Zuge des Maturaballs ausgeführt, unter anderem habe sie die Organisation und Einteilung des Barpersonals übernommen. Die Beschäftigung der betreffenden Personen sei jedoch im Auftrag und auf Rechnung der Maturanten erfolgt, die auch die Entlohnung vorgenommen hätten. Die Maturanten seien aus dem auf ihre Rechnung bzw. ihr Risiko geführten Betrieb ausschließlich berechtigt und verpflichtet gewesen. Sie seien daher als Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG zu erachten.
Die Revisionswerberin bekämpfte ferner die Höhe der verhängten Strafen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde insoweit Folge, als es die verhängten Geldstrafen auf jeweils EUR 365,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag) zuzüglich Kosten herabsetzte. Im Übrigen gab es der Beschwerde nicht Folge.
2.2. Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung die nachstehenden Feststellungen zugrunde:
Die Revisionswerberin habe im Tatzeitpunkt eine Eventagentur betrieben und in deren Rahmen auch einige Maturabälle organisiert.
Was den hier gegenständlichen, mit Beginn am in der Halle der Stadtwerke H veranstalteten Maturaball der Handelsakademie H betreffe, so habe die Revisionswerberin vorweg Kontakt mit dem aus sechs Maturanten bestehenden Ballkomitee aufgenommen. Dieses habe den Ball zu organisieren gehabt, wozu (insbesondere auch) die Anmietung der Halle, der Abschluss von Versicherungen, die Bestimmung der Verantwortlichkeiten, die Dekoration, die Organisation der Sponsoren, der Musik, der Getränke und des Personals gehörten. Haupteinnahmequelle des Balls seien Sponsoring, Loseverkauf, Mehlspeisenverkauf und Getränkeverkauf in den Bars gewesen.
Die Revisionswerberin habe ein Angebot über ihre Leistungen (Abnahme durch die Feuerwehr, Security, Organisation und Einteilung des Barpersonals, Warenübernahme, Bestückung der Bars mit Getränken, etwaige Nachbestellungen, Warenrückgabe) zum Preis von EUR 900,-- gelegt. Das Ballkomitee habe dieses Angebot angenommen.
Die Revisionswerberin habe in den Gesprächen mit dem Ballkomitee auch darauf hingewiesen, dass dieses die Verträge mit dem Barpersonal abschließen müsse. Eine Woche vor dem Ball habe sie eine entsprechende Anzahl inhaltsgleicher Werkverträge (in denen als Auftraggeber jeweils das Ballkomitee angeführt war) übermittelt. Die Namen der Auftragnehmer seien in den Verträgen noch nicht enthalten und die Unterschriften noch nicht geleistet gewesen. In der Folge hätten Mitglieder des Ballkomitees die Verträge blanko unterfertigt, "ohne sich über allfällige Rechtsfolgen Gedanken zu machen und als werkvertragliche Auftraggeber auftreten zu wollen".
Wesentlicher Punkt der (schon erörterten) Vereinbarung zwischen der Revisionswerberin und dem Ballkomitee sei die Akquirierung des Barpersonals durch die Revisionswerberin gewesen. Diese habe in der Folge das Barpersonal organisiert, indem sie Bekannte angesprochen habe, wobei der größte Teil schon einmal auf Bällen für sie gearbeitet und über ein entsprechendes Fachwissen verfügt habe. Das Barpersonal habe unmittelbar vor Beginn des Maturaballs die Werkverträge (fertig ausgefüllt und) unterzeichnet. In welcher Bar jeweils welche Personen zu arbeiten hatten, habe die Revisionswerberin entweder im voraus mitgeteilt oder unmittelbar vor Beginn des Balls abgesprochen. Das Ballkomitee habe insoweit keine Einteilung vorgenommen.
Der Stundenlohn für das Barpersonal von EUR 12,-- bzw. bei Raucherbars EUR 15,-- sei zwischen dem Ballkomitee und der Revisionswerberin abgesprochen worden. Die Auszahlung sei am Ende des Balls (in den frühen Morgenstunden des ) in Gegenwart eines Mitglieds des Ballkomitees aus der Ballkasse erfolgt.
Auf dem Ball habe es mehrere Bars gegeben, wobei für jede Bar ein Maturant für Aufbau, Dekoration und Abbau zuständig gewesen sei. In den Bars hätten neben dem (durch die Revisionswerberin akquirierten) Barpersonal auch die Maturanten selbst mitgeholfen; ferner hätten traditionsgemäß die Viertklässler (Schüler) mitgearbeitet, wobei diesen vom Barpersonal gesagt worden sei, was zu tun sei. Die Revisionswerberin habe während des Balls auch von Zeit zu Zeit nachgeschaut und veranlasst, dass die Schüler dort arbeiteten, wo ein größerer Bedarf bestanden habe; zudem habe sie alle zwei Stunden kontrolliert, ob die vorgesehene Ablöse der Schüler funktionierte. Es erscheine (wie das Verwaltungsgericht in der Beweiswürdigung ergänzend festhielt) unwahrscheinlich, dass die Revisionswerberin dabei nicht auch das von ihr akquirierte Barpersonal mitkontrolliert habe. Ebenso sei ein Mitglied des Ballkomitees "durchgegangen" und habe darauf geachtet, dass die Schüler nicht zu lange arbeiteten.
Mit dem durch die Revisionswerberin akquirierten Barpersonal habe das Ballkomitee keinen Kontakt gehabt, dies weder vor noch während des Balls. Das Ballkomitee habe (wie das Verwaltungsgericht in der Beweiswürdigung ergänzend festhielt) das Barpersonal weder kontrolliert, noch habe es Arbeitsanweisungen erteilt. Auch in Bezug auf die Arbeitszeit habe es keine Vorgaben gemacht, die Revisionswerberin habe aber vorweg mitgeteilt, was auf anderen Bällen üblich sei.
Die Personalkosten seien zu Lasten des Gewinns des Maturaballs gegangen. Die Revisionswerberin habe den mit ihr vereinbarten Betrag von EUR 900,-- am in Rechnung gestellt und ausbezahlt erhalten.
Wie das Verwaltungsgericht weiters festhielt, seien im Zuge der finanzpolizeilichen Kontrolle die 22 Personen hinter den Bars angetroffen worden. Sie hätten - laut den ausgefüllten Personenblättern - für die Revisionswerberin gearbeitet und von dieser Arbeitsanweisungen erhalten.
2.3. Die rechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind wie folgt zusammenzufassen:
2.3.1. Bartätigkeiten würden üblicher Weise im Rahmen von Dienstverträgen ausgeführt; Werkverträge schieden schon deshalb aus, weil diese eine erfolgsabhängige Leistung (Herstellung eines Werks) voraussetzten. Vorliegend seien die Bartätigkeiten nicht erfolgsabhängig gewesen, vielmehr habe es sich um Dienstleistungen gehandelt. Es sei daher vom Vorliegen von Dienstverträgen auszugehen.
Bei den vom Ballkomitee blanko unterfertigten und später vom Barpersonal gegengezeichneten Verträgen habe es sich (demnach) um keine Werkverträge gehandelt. Allerdings hätten die Vereinbarungen auch keinerlei dienstvertragliche Elemente aufgewiesen. Folglich seien die Verträge als Scheingeschäfte im Sinn des § 539a ASVG zu werten, verdeckte Geschäfte seien die Dienstverträge zwischen der Revisionswerberin und dem Barpersonal gewesen.
2.3.2. Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG sei als Dienstgeber derjenige zu erachten, für dessen Rechnung der Betrieb geführt werde, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis stehe, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen habe oder ihn auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweise.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei für die Frage, auf wessen Rechnung ein Betrieb geführt werde, in dem ein Dienstnehmer beschäftigt werde, wesentlich, wer nach rechtlichen (nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet werde, wen also das Risiko des Betriebs im Gesamten unmittelbar treffe. Entscheidend sei, ob der Betrieb dem in Frage kommenden Dienstgeber wirtschaftlich zuzurechnen sei, mithin auf seine Rechnung und Gefahr betrieben werde.
Für die Beurteilung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt werde, sei in erster Linie das Eigentum am Betrieb maßgeblich. Ein Betrieb liege insbesondere dann vor, wenn der Dienstgeber über eine eigene Betriebsstätte verfüge, die mit eigenen Betriebsmitteln ausgestattet sei und in der er die oberste Geschäfts- und Betriebsleitung innehabe.
2.3.3. Vorliegend sei die Revisionswerberin beim Maturaball im Rahmen ihrer Eventagentur tätig gewesen. Sie habe die übernommenen Aufgaben ausgeführt und das vereinbarte Entgelt vom Ballkomitee ausbezahlt erhalten. Die Revisionswerberin sei Eigentümerin ihres Betriebs (der Agentur) gewesen, sie habe die oberste Geschäfts- und Betriebsleitung inne gehabt. Sie sei aus den Geschäften im Rahmen des Betriebs unmittelbar berechtigt und verpflichtet gewesen, es habe sie das Risiko des Betriebs getroffen. Zwar habe sie versucht, ihre Funktion als Dienstgeberin "auszulagern", indem die Löhne durch das Ballkomitee ausgezahlt worden seien, was aber nichts an ihrer Dienstgebereigenschaft ändere.
2.3.4. Das Verwaltungsgericht nahm ferner Erörterungen zu den Kriterien für die Dienstnehmereigenschaft des Barpersonals vor. Es hielt dabei unter anderem fest, die Revisionswerberin habe das Barpersonal akquiriert, für seine Einteilung gesorgt, es kontrolliert, seine Arbeitszeiten vorgegeben und die Höhe seines Entgelts mit dem Komitee vereinbart.
Weiters tätigte das Verwaltungsgericht Ausführungen zum Verschulden und zur Strafbemessung.
2.4. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.
3.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision, in der - unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht wird, die Revisionswerberin sei nicht als Dienstgeberin im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG zu erachten. Vielmehr sei das Barpersonal auf Basis der abgeschlossenen Verträge unmittelbar durch die Maturanten beschäftigt worden, die auch die Entlohnung vorgenommen hätten. Das Barpersonal habe keinerlei Leistungen im Rahmen des Betriebs der Eventagentur der Revisionswerberin erbracht, sondern ausschließlich im Rahmen des Betriebs des Maturaballs. Der Ballbetrieb und damit die Tätigkeit des Barpersonals sei jedoch den Maturanten zuzurechnen, diese seien daraus ausschließlich und unmittelbar berechtigt und verpflichtet gewesen, sie habe das Risiko im Gesamten unmittelbar getroffen. Die Revisionswerberin sei nur Mittelsperson bei der Indienstnahme des Barpersonals durch die Maturanten gewesen.
3.2. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Revision ist aus dem von der Revisionswerberin geltend gemachten Grund zulässig und auch berechtigt.
5.1. Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber ihn durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist.
5.2. Zur Frage, auf wessen Rechnung (und Gefahr) ein Betrieb geführt wird, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass dies jene Person ist, die nach rechtlichen (nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird. Es kommt also darauf an, wen das Risiko des Betriebs im Gesamten unmittelbar trifft (vgl. ).
Unter einem Betrieb im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG ist - unter Rückgriff auf die Judikatur zu § 34 Abs. 1 ArbVG - jede organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer eine Person (Personengemeinschaft) mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht (vgl. ).
Unter einem Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das dienstliche Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Dienstnehmers im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zum Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG zu verstehen (vgl. ). Es erfordert einen übereinstimmenden Willen, dass (abhängige) Dienste entgeltlich geleistet und entgegengenommen werden (vgl. ; , Ro 2014/08/0046).
6.1. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen verpflichtete sich die Revisionswerberin gegenüber den - durch das Ballkomitee vertretenen - Maturanten unter anderem zur Organisation (Akquirierung) des für den Ball erforderlichen Barpersonals. Die diesbezügliche Vereinbarung ist ihrer Rechtsnatur nach als Dienstverschaffungsvertrag zu werten, übernahm doch die Revisionswerberin im eigenen Namen gegenüber den Maturanten die Pflicht, diesen das für den Ball benötigte Barpersonal zu vermitteln (vgl. eingehend ). Dass zu jenem Zeitpunkt zwischen der Revisionswerberin und dem Barpersonal, das zum größten Teil bereits früher auf Bällen für sie gearbeitet hatte, (aufrechte) Dienstverhältnisse bestanden hätten, wurde nicht vorgebracht und ist auch nicht hervorgekommen (diesfalls wäre nämlich von einem Leiharbeitsverhältnis auszugehen gewesen (vgl. neuerlich VwGH 92/08/0264; Ro 2014/08/0046)).
6.2. Die Revisionswerberin sprach in der Folge - in Erfüllung der mit dem Ballkomitee getroffenen Vereinbarung - Bekannte an, um diese als Barpersonal für den Maturaball zu akquirieren. Auch darin kann - mangels eines übereinstimmenden Willens, dass (abhängige) Dienste durch das Barpersonal gegenüber der Revisionswerberin geleistet und von dieser entgegengenommen werden - kein Eingehen eines Dienstverhältnisses zwischen der Revisionswerberin und dem Barpersonal gesehen werden. Die Revisionswerberin wies nämlich in den Gesprächen mit dem Ballkomitee darauf hin, dass dieses selbst die Verträge mit dem Barpersonal abschließen müsse. Sie übermittelte zu dem Zweck auch inhaltsgleiche Verträge (in denen das Ballkomitee als Auftraggeber angeführt war), die zunächst von Mitgliedern des Ballkomitees und - nach ergänzender Anführung des jeweiligen Namens und der Funktion - auch vom Barpersonal unterzeichnet wurden. Im Hinblick darauf ist jedoch von einem übereinstimmenden Willen der Beteiligten dahin auszugehen, dass (abhängige) Dienste durch das Barpersonal gegenüber den Maturanten geleistet und von diesen entgegengenommen werden.
6.3. Dem steht auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung, die Mitglieder des Ballkomitees hätten die Verträge mit dem Barpersonal unterfertigt, "ohne sich über allfällige Rechtsfolgen Gedanken zu machen und als werkvertragliche Auftraggeber auftreten zu wollen", nicht entgegen. Dass die von Mitgliedern des Ballkomitees und vom Barpersonal unterfertigten Verträge unbeachtliche Scheingeschäfte gewesen wären, weil die Vertragsparteien überhaupt nicht rechtsgeschäftlich tätig werden wollten (vgl. erneut VwGH Ra 2016/08/0074), ist nach den getroffenen Feststellungen auszuschließen. Ein allfälliger geheimer Vorbehalt (eine sogenannte Mentalreservation) auf Seiten der Mitglieder des Ballkomitees wäre jedenfalls unbeachtlich gewesen (vgl. OGH RIS-Justiz RS0119373, RS0014160 (T7)). Im Übrigen spricht gegen die Annahme eines solchen Vorbehalts, dass nach den Feststellungen das Komitee den Maturaball zu organisieren und dabei (zwangsläufig) die notwendigen Verträge abzuschließen hatte; warum dabei ein Vertragsabschluss mit dem - auch tatsächlich in den Bars beschäftigten - Barpersonal nicht gewollt gewesen wäre, ist nicht zu sehen.
7.1. Ergänzend ist festzuhalten, dass es sich bei den zwischen den Maturanten und dem Barpersonal abgeschlossenen Verträgen um Dienstverträge - und nicht um Werkverträge - handelte. Das Barpersonal verpflichtete sich zur Dienstleistung im Sinn einer Überlassung der Arbeitskraft zur zeitweiligen Verfügung durch die Maturanten unter Eingliederung in den Ballbetrieb, hingegen übernahm es nicht die Herstellung eines Werks im Sinn der Erbringung einer individualisierten erfolgsabhängigen "gewährleistungstauglichen" Leistung (vgl. zur Abgrenzung auch ; , Ra 2016/08/0056). Soweit die schriftlichen Vereinbarungen zwischen dem Barpersonal und den Maturanten als "Werkverträge" bezeichnet und auch inhaltlich mit typisch werkvertraglichen Bestimmungen ausgestaltet wurden, ist darin eine Umgehungskonstruktion zu erblicken, um die Anwendung der Bestimmungen für Dienstverhältnisse (unter anderem über die Versicherungspflicht nach dem ASVG) zu vereiteln. Derartige Umgehungsgeschäfte stehen jedoch dem rechtswirksamen Zustandekommen (abhängiger) Dienstverhältnisse nicht entgegen (vgl. ).
7.2. Das Barpersonal wurde auch in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Maturanten beschäftigt (vgl. zu den maßgeblichen Kriterien etwa ). So lag eine Bindung des Barpersonals an den von den Maturanten vorgegebenen Arbeitsort (angemietete Halle der Stadtwerke H, wo der Maturaball veranstaltet wurde) und an die von den Maturanten in Absprache mit der Revisionswerberin vorgegebene Arbeitszeit vor. Eine Weisungs- und Kontrollunterworfenheit des Barpersonals im arbeitsbezogenen Verhalten lag insoweit vor, als für das Ballkomitee bzw. für die Maturanten (die nach den Feststellungen selbst in den Bars mithalfen), während der Durchführung ihres Balls jedenfalls die Möglichkeit bestand, auf die Tätigkeit des Barpersonals durch Weisungen und Kontrollen entsprechend einzuwirken (vgl. auch ). Soweit die Revisionswerberin Anweisungen erteilte, indem sie das Barpersonal vor Beginn des Balls einteilte, und auch während des Balls Kontrollen durchführte, geschah dies im Rahmen des ihr vom Ballkomitee erteilten Auftrags und daher als Mittelsperson der Maturanten. Ferner war von der persönlichen Arbeitspflicht des Barpersonals auszugehen, bestanden doch für das Vorliegen eines Vertretungsrechts, das auch tatsächlich ausgeübt worden wäre bzw. mit dessen Ausübung ernsthaft zu rechnen gewesen wäre, keine Anhaltspunkte (vgl. ). Die wirtschaftliche Abhängigkeit ergab sich zwangsläufig aus der persönlichen Abhängigkeit.
7.3. Nach dem Vorgesagten waren sämtliche Voraussetzungen für die Annahme abhängiger Beschäftigungsverhältnisse des Barpersonals gegenüber den Maturanten erfüllt. Diese bestanden - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - auch in Einbindung in einen auf Rechnung der Maturanten geführten Betrieb.
8.1. Ausgehend von der obigen Definition (Punkt 5.2.) war der Maturaball als Betrieb im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG iVm. § 34 Abs. 1 ArbVG zu erachten, handelte es sich dabei doch um eine organisatorische Einheit, innerhalb derer die Maturanten mit technischen und immateriellen Mitteln (unter anderem dem Betrieb von Bars, in denen das Barpersonal in Beschäftigung stand) die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse (Lukrierung finanzieller Mittel) fortgesetzt verfolgten. Der Maturaball wurde auf Rechnung und Gefahr der Maturanten betrieben, weil diese nach rechtlichen Gesichtspunkten aus den getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet waren. Die Maturanten traten als Veranstalter auf und führten die gesamte Organisation durch, indem sie (unter anderem) die Anmietung der Halle, den Abschluss von Versicherungen, die Bestimmung der Verantwortlichkeiten tätigten sowie die Dekoration, die Sponsoren, die Musik, die Getränke, das Personal (unter anderem für die Bars) besorgten. Die damit verbundenen Kosten hatten sie aus den Einnahmen der Ballveranstaltung (vor allem Sponsorengelder, Erlöse aus dem Verkauf von Losen, Mehlspeisen und Getränken) zu bestreiten. Auch das dem Barpersonal zustehende Entgelt zahlten sie am Ende des Maturaballs unmittelbar aus der Ballkasse aus.
8.2. Davon ausgehend waren jedoch die Maturanten als Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG des - im Rahmen des Ballbetriebs in abhängigen Dienstverhältnissen nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG beschäftigten - Barpersonals zu erachten. Es trafen sie daher auch die Meldepflichten nach § 33 Abs. 1 ASVG. Soweit demgegenüber das Verwaltungsgericht von der Dienstgebereigenschaft der Revisionswerberin ausging und dieser eine Verletzung der Meldepflichten anlastete, behaftete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit.
9. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
10. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die zusätzlich verzeichnete Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist (vgl. ). Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2016080109.L00 |
Schlagworte: | Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Dienstnehmer Begriff Wirtschaftliche Abhängigkeit |
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