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VwGH vom 14.11.2018, Ra 2016/08/0082

VwGH vom 14.11.2018, Ra 2016/08/0082

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision 1. des W K in P, und

2. der J Ges.m.b.H. in Wien, beide vertreten durch Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Hietzinger Kai 5/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW- 041/V/025/7358/2015-35 und VGW-041/V/025/7510/2015, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom sprach der Magistrat der Stadt Wien aus, der Erstrevisionswerber habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Zweitrevisionswerberin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten, dass es diese Gesellschaft als Dienstgeberin unterlassen habe, die zumindest von bis auf einer näher bezeichneten Baustelle beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten LD, IF und MK vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Wegen "dieser Verwaltungsübertretung" werde über den Erstrevisionswerber gemäß § 111 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 770,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage und zwei Stunden) verhängt. Gegenüber der Zweitrevisionswerberin wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG die Haftung für die verhängte Geldstrafe ausgesprochen.

2 Aufgrund der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen (sowohl gegen die Aussprüche hinsichtlich der Schuld als auch hinsichtlich der Strafe gerichteten) Beschwerde der revisionswerbenden Parteien sprach das Verwaltungsgericht Wien mit Beschluss vom aus: "Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG wird der Straf- und Kostenausspruch im angefochtenen Straferkenntnis aufgehoben." In seiner Begründung gab das Verwaltungsgericht den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses im Wortlaut wieder und führte aus, "ohne auf die dagegen rechtzeitig erhobene Beschwerde eingehen zu müssen", sei "der Straf- und Kostenausspruch im Straferkenntnis" aufzuheben gewesen. Die Verletzung der Meldepflicht stelle nämlich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf ) hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine gesondert zu verfolgende Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG dar, sodass auch hinsichtlich jeder dieser Meldepflichtverletzungen eine gesonderte Strafe zu verhängen sei. Da eine Aufteilung der im vorliegenden Fall verhängten Strafe auf drei Strafen nicht möglich sei, ohne die gesetzliche Mindeststrafe - selbst bei Berücksichtigung einer außerordentlichen Milderung der Strafe nach § 20 VStG - zu unterschreiten, sei "spruchgemäß" zu entscheiden gewesen.

3 Mit Straferkenntnis vom legte der Magistrat der Stadt Wien dem Erstrevisionswerber nochmals wortgleich dieselben strafbaren Handlungen wie zuvor in seinem Straferkenntnis vom zur Last und verhängte über den Erstrevisionswerber nunmehr gemäß § 111 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG "wegen dieser Verwaltungsübertretungen" drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 770,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils zwei Tage und zwei Stunden). Gegenüber der Zweitrevisionswerberin wurde erneut die Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängten Geldstrafen ausgesprochen.

4 Dagegen erhobenen die revisionswerbenden Parteien eine Beschwerde und brachten vor, die Zweitrevisionswerberin sei mit der Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten auf einer Baustelle beauftragt worden. Die Zweitrevisionswerberin habe ihrerseits dem slowakischen Unternehmen AP den Auftrag erteilt, auf der Baustelle Arbeiten zu verrichten. AP habe dazu mit LD und IF Werkverträge abgeschlossen. Die Tätigkeit des MK auf der Baustelle basiere auf einem von ihm mit der Zweitrevisionswerberin abgeschlossenen Werkvertrag. LD, IF und MK seien selbstständige slowakische Unternehmer im Geschäftsbereich der Elektroinstallation. Sie verfügten über slowakische Gewerbescheine und leisteten für ihre selbstständige Tätigkeit in der Slowakei Sozialversicherungsabgaben. Nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ergebe sich, dass sie während ihrer Tätigkeit in Österreich weiterhin slowakischen Rechtsvorschriften unterlägen. Mit (im Verfahren vorgelegten) "A1-Formularen" sei durch den slowakischen Sozialversicherungsträger bestätigt worden, dass es sich bei LD und IF um "entsandte" selbstständige slowakische Erwerbstätige handle. Diese Bestätigungen seien nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 bindend. Eine Verpflichtung zur Anmeldung zur Sozialversicherung in Österreich habe daher nicht bestanden.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die gegen das Straferkenntnis vom gerichtete Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 Das Verwaltungsgericht stellte fest, die Zweitrevisionswerberin, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Erstrevisionswerber sei, sei mit der Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten auf einer Baustelle beauftragt worden. Die Zweitrevisionswerberin habe ihrerseits mit dem slowakischen Unternehmen AP einen Vertrag geschlossen, nach dem sich AP verpflichtet habe, für die Zweitrevisionswerberin auf dieser Baustelle nicht näher definierte Elektroinstallationen zu einem Stundensatz von EUR 22,-- durchzuführen. Nach einem von LD und IF mit dem Unternehmen AP abgeschlossenen Vertrag seien LD und IF verpflichtet gewesen, zu einem Entgelt von EUR 17,-- pro Stunde Elektromontagearbeiten durchzuführen. MK habe sich gegenüber der Zweitrevisionswerberin mit Vertrag verpflichtet, für diese insbesondere die Montage von Elektroanlagen durchzuführen, wobei die Bezüge "projektbezogen vereinbart" werden sollten. Tatsächlich seien von LD, IF und MK von bis Elektroinstallationsarbeiten für die Zweitrevisionswerberin auf einer Baustelle verrichtet worden. Gemeinsam mit LD, IF und MK habe der bei der Zweitrevisionswerberin beschäftigte Dienstnehmer KR gearbeitet, der sie auch zur Arbeit eingeteilt und kontrolliert habe. Ein Recht, sich vertreten zu lassen, habe für LD, IF und MK nicht bestanden. Ihre täglichen Arbeitszeiten seien jedenfalls hinsichtlich des Beginns vorgegeben gewesen. Das Arbeitsentgelt sei aufgrund von Stundenlisten verrechnet worden. Zu LD und IF seien A1-Bescheinigungen nach der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vorgelegen, wonach sie in der Slowakei selbstständig erwerbstätig seien und als selbstständig erwerbstätige Personen nach Österreich entsandt worden seien.

7 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, die von LD, IF und MK für die Zweitrevisionswerberin durchgeführten Tätigkeiten seien nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für die Zweitrevisionswerberin erbracht worden. Ein konkretes Werk, das von LD, IF und MK herzustellen gewesen wäre, sei in den Verträgen nicht definiert worden. Es seien daher keine Werkverträge, sondern Dienstverhältnisse vorgelegen. Die slowakischen A1-Bescheinigungen seien für selbstständige Erwerbstätigkeiten ausgestellt worden. Tatsächlich habe es sich aber, wie dem Erstrevisionswerber bei zumutbarer Sorgfalt hätte auffallen müssen, um unselbstständige Tätigkeiten gehandelt. Zwar habe der Magistrat der Stadt Wien "nach Aufhebung durch das Verwaltungsgericht" einen "neuen Strafausspruch getroffen" und nunmehr "drei Einzelstrafen" verhängt. Dem stehe aber das Verschlechterungsverbot des § 42 VwGVG nicht entgegen, da diese Bestimmung nur für das Beschwerdeverfahren der Verwaltungsgerichte gelte.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

9 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass den zu LD und IF vorgelegten slowakischen A1- Bescheinigungen Bindungswirkung zukomme, die dem Eintritt einer Pflichtversicherung als Dienstnehmer in Österreich und damit auch der Annahme einer Meldepflichtverletzung entgegenstünde. Nach Aufhebung des Straferkenntnisses im Vorverfahren mit Beschluss vom verstoße die Verhängung der Strafen im nunmehr fortgesetzten Verfahren gegen das Verschlechterungsverbot des § 42 VwGVG.

10 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

11 Die Revision zeigt zunächst zutreffend auf, dass den zu LD und IF vorgelegten slowakischen A1-Bescheinigungen Bindungswirkung zukommt.

12 Art. 11 und 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) lauten auszugsweise samt Überschrift:

"Titel II

Bestimmung des anwendbaren Rechts

Artikel 11

Allgemeine Regelung

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) (...)

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine

Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

(...).

Artikel 12

Sonderregelung

(1) Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere entsandte Person ablöst.

(2) Eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedstaat eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und die eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet."

13 Die Art. 5, 14 und 19 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung (EG) Nr. 987/2009) lauten auszugsweise samt Überschrift:

"Artikel 5

Rechtswirkung der in einem anderen Mitgliedstaat

ausgestellten Dokumente und Belege

(1) Vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, sind für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden.

(2) Bei Zweifeln an der Gültigkeit eines Dokuments oder der Richtigkeit des Sachverhalts, der den im Dokument enthaltenen Angaben zugrunde liegt, wendet sich der Träger des Mitgliedstaats, der das Dokument erhält, an den Träger, der das Dokument ausgestellt hat, und ersucht diesen um die notwendige Klarstellung oder gegebenenfalls um den Widerruf dieses Dokuments. Der Träger, der das Dokument ausgestellt hat, überprüft die Gründe für die Ausstellung und widerruft das Dokument gegebenenfalls.

(3) Bei Zweifeln an den Angaben der betreffenden Personen, der Gültigkeit eines Dokuments oder der Belege oder der Richtigkeit des Sachverhalts, der den darin enthaltenen Angaben zugrunde liegt, nimmt der Träger des Aufenthalts - oder Wohnorts, soweit dies möglich ist, nach Absatz 2 auf Verlangen des zuständigen Trägers die nötige Überprüfung dieser Angaben oder dieses Dokuments vor.

(4) Erzielen die betreffenden Träger keine Einigung, so können die zuständigen Behörden frühestens einen Monat nach dem Zeitpunkt, zu dem der Träger, der das Dokument erhalten hat, sein Ersuchen vorgebracht hat, die Verwaltungskommission anrufen. Die Verwaltungskommission bemüht sich binnen sechs Monaten nach ihrer Befassung um eine Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte."

"Artikel 14

Nähere Vorschriften zu den Artikeln 12 und 13 der Grundverordnung

(1) ...

(2) ...

(3) Bei der Anwendung von Artikel 12 Absatz 2 der Grundverordnung beziehen sich die Worte ‚eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt' auf eine Person, die üblicherweise nennenswerte Tätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ausübt, in dem sie ansässig ist. Insbesondere muss die Person ihre Tätigkeit bereits einige Zeit vor dem Zeitpunkt, ab dem sie die Bestimmungen des genannten Artikels in Anspruch nehmen will, ausgeübt haben und muss während jeder Zeit ihrer vorübergehenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig ist, den für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Anforderungen weiterhin genügen, um die Tätigkeit bei ihrer Rückkehr fortsetzen zu können.

(4) Bei der Anwendung von Artikel 12 Absatz 2 der Grundverordnung kommt es für die Feststellung, ob die Erwerbstätigkeit, die ein Selbständiger in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, eine ‚ähnliche' Tätigkeit wie die gewöhnlich ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit ist, auf die tatsächliche Eigenart der Tätigkeit und nicht darauf an, ob dieser andere Mitgliedstaat diese Tätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit qualifiziert.

(5) ..."

"Artikel 19

Unterrichtung der betreffenden Personen und der Arbeitgeber

(1) Der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung anzuwenden sind, unterrichtet die betreffende Person sowie gegebenenfalls deren Arbeitgeber über die Pflichten, die in diesen Rechtsvorschriften festgelegt sind. Er gewährt ihnen die erforderliche Unterstützung bei der Einhaltung der Formvorschriften aufgrund dieser Rechtsvorschriften.

(2) Auf Antrag der betreffenden Person oder ihres Arbeitgebers bescheinigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung anzuwenden sind, dass und gegebenenfalls wie lange und unter welchen Umständen diese Rechtsvorschriften anzuwenden sind."

14 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seiner Rechtsprechung (vgl. Banks, C- 178/97) zu den Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr. 574/72 hinsichtlich der gemäß Art. 11a Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auszustellenden Bescheinigung E 101 ausgesprochen, dass sie den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, in den sich der Selbständige zur Ausführung einer Arbeit begibt, in Bezug auf die anzuwendenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bindet, solange sie nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt worden ist. Diese Bindungswirkung entsprach insoweit derjenigen, die der EuGH in seiner Rechtsprechung (vgl. insbesondere Fitzwilliam, FTS, C-202/97; , Herbosch Kiere, Rs C-2/05) hinsichtlich der gemäß Art. 11 Abs. 1 lit. a Verordnung (EWG) Nr. 574/72 zu Arbeitnehmern ausgestellten Bescheinigungen E 101 festgehalten hat (vgl. ).

15 In seinem Urteil vom , Alpenrind GmbH, C- 527/16, hat der EuGH zu Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 ausgesprochen, dass eine vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats aufgrund von Art. 12 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 - somit hinsichtlich entsandter Arbeitnehmer - ausgestellte A1-Bescheinigung nicht nur für die Träger des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, sondern auch für die Gerichte dieses Mitgliedstaats verbindlich ist (vgl. und 0014). Begründend hat der EuGH dazu unter Hinweis auf vorangegangene Entscheidungen insbesondere ausgeführt, dass mit der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 die Rechtsprechung des Gerichtshofs kodifiziert worden ist, indem darin der bindende Charakter der Bescheinigung E 101 und die ausschließliche Zuständigkeit des ausstellenden Trägers für die Beurteilung ihrer Gültigkeit verankert worden und ausdrücklich das Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten sowohl über die Richtigkeit der vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats ausgestellten Dokumente als auch über die Bestimmung der auf den betreffenden Arbeitnehmer anwendbaren Rechtsvorschriften übernommen worden ist (Rn. 43 des Urteils unter Hinweis auf A-Rosa Flussschiff, C-620/15; vgl. auch Altun ua., C-359/16, Rn. 47). Könnte der zuständige nationale Träger, abgesehen von Fällen des Betrugs oder des Rechtsmissbrauchs, eine A1-Bescheinigung von einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats des betreffenden Arbeitnehmers für ungültig erklären lassen, wäre das auf der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Trägern der Mitgliedstaaten beruhende System gefährdet (Rn. 46 des Urteils C-527/16).

16 Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass auch hinsichtlich einer nach

Art. 12 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 - somit hinsichtlich selbstständig Erwerbstätiger - ausgestellten A1-Bescheinigung gemäß Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 eine Bindung der Träger und der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, eintritt und auch insoweit die zu den Bescheinigungen E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ergangene Rechtsprechung zu übertragen ist. Diese Bindungswirkung bezieht sich nach der genannten Rechtsprechung auf die bescheinigte Anwendbarkeit der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaates hinsichtlich einer bestimmten Tätigkeit und nicht bloß darauf, welche Rechtsvorschriften für die Beurteilung der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Tätigkeit maßgeblich sind (vgl. nochmals ).

17 In seinem Urteil vom , Altun ua., C-359/16, hat der EuGH die Bindungswirkung von E 101 Bescheinigungen nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in Fällen, in denen diese betrügerisch erlangt wurden, eingeschränkt. Voraussetzung dafür, dass ein nationales Gericht in diesen Fällen die Bescheinigungen außer Acht lassen kann, ist jedoch zunächst, dass der ausstellende Träger mit in einer gerichtlichen Prüfung gesammelten Beweisen befasst wurde, die die Feststellung erlauben, dass die Bescheinigungen betrügerisch erlangt oder geltend gemacht wurden, und der ausstellende Träger es unterlassen hat, diese Beweise bei einer erneuten Prüfung der Bescheinigungen zu berücksichtigen. Auch diese Rechtsprechung ist auf die A1-Bescheinigungen nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zu übertragen (vgl. in diesem Sinn ; vgl. auch den Hinweis in EuGH C- 527/16, Rn. 46).

18 Im vorliegenden Fall wurden unstrittig vom zuständigen slowakischen Sozialversicherungsträger A1-Bescheinigungen über die Anwendung der slowakischen Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit hinsichtlich der von LD und IF im Zeitraum vom bis ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgestellt, wobei als Ort der Tätigkeit jeweils der Betrieb der Zweitrevisionswerberin genannt wurde.

19 Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass diese A1- Bescheinigungen betrügerisch bzw. rechtsmissbräuchlich erlangt worden wären bzw. der zuständige slowakische Sozialversicherungsträger mit einer Prüfung der Richtigkeit der Bescheinigungen befasst worden wäre. Ausgehend davon ergibt sich eine Bindung der österreichischen Gerichte und Behörden hinsichtlich der Anwendbarkeit der slowakischen Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit auf die von LD und IF ausgeübten Tätigkeiten. Dies steht dem Eintritt einer Pflichtversicherung als Dienstnehmer in Österreich und damit auch der Annahme einer Meldepflichtverletzung entgegen.

20 Im Ergebnis zutreffend zeigt die Revision weiters auf, dass sich das angefochtene Erkenntnis auch unter Beachtung des unbekämpft gebliebenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtes vom als rechtswidrig erweist. Mit diesem hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass der "Straf- und Kostenausspruch" im angefochtenen Straferkenntnis vom "aufgehoben" werde, und dazu begründend darauf verwiesen, dass entgegen dem angefochtenen Straferkenntnis drei Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG vorlägen. Der Magistrat der Stadt Wien sowie das Verwaltungsgericht im nunmehr angefochtenen Erkenntnis haben diesen Beschluss scheinbar als Aufhebung und Zurückverweisung im Sinn des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG - und nicht als ersatzlose, die Sache endgültig erledigende Aufhebung - verstanden. Es entspricht allerdings der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass für die Bedeutung einer Aussage im Spruch einer Entscheidung weder maßgebend ist, wie sie die Behörde - im Nachhinein - verstanden wissen wollte, noch wie sie der Empfänger verstand, sondern wie ihr Inhalt objektiv zu verstehen ist. Im Zweifel ist der Inhalt des Spruches an den für ihn maßgebenden generellen Vorschriften zu messen (vgl. , mwN).

21 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Verwaltungsgerichte in Verwaltungsstrafsachen jedenfalls, also ohne dass die ausnahmsweise nach § 28 VwGVG bestehende Möglichkeit zur Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde zum Tragen kommen könnte, in der Sache selbst zu entscheiden haben (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist). Diese grundsätzliche Verpflichtung zu einer reformatorischen Entscheidung ist schon verfassungsgesetzlich vorgegeben (Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG) und wird einfachgesetzlich in § 50 VwGVG wiederholt bzw. konkretisiert (vgl. ; , Ra 2016/02/0271, jeweils mwN).

22 Es trifft zu, dass die Verletzung der Verpflichtung, einen Dienstnehmer zur Pflichtversicherung anzumelden, nicht gemeinsam mit anderen unterlassenen Anmeldungen weiterer Dienstnehmer als einheitliches (fortgesetztes) Delikt angesehen werden kann und die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers daher eine - gesondert zu verfolgende - Verwaltungsübertretung im Sinne des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG darstellt (vgl. ; , 2013/08/0041). In seiner Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2014 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) nach § 51 Abs. 6 VStG (nunmehr § 42 VwGVG) es nicht untersagt, dass die Berufungsbehörde, wenn die Behörde erster Instanz vom Vorliegen nur einer Verwaltungsübertretung ausgegangen ist, in Abänderung der rechtlichen Subsumtion das angelastete Verhalten als mehrere Verwaltungsübertretungen beurteilt, sofern insgesamt keine höhere Strafe verhängt wird (vgl. etwa ; , 2002/05/0036 (in diesem Fall hatte das Verschlechterungsverbot zur Folge, dass die gesetzliche Mindeststrafe unterschritten wurde)). In seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/11/0066, hat der Verwaltungsgerichtshof - mit näherer Begründung - diese Rechtsprechung auf das Verfahren der Verwaltungsgerichte übertragen und ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht, das verpflichtet ist, in Verwaltungsstrafsachen immer in der Sache selbst zu entscheiden und die dazu erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, und das in Verwaltungsstrafsachen in seiner Ermessenskontrolle nicht beschränkt ist, in Fällen, in denen von der Verwaltungsbehörde in Verstoß gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG eine Gesamtstrafe anstelle von Einzelstrafen verhängt wurde, eine neue, den Vorgaben nach § 19, 22 VStG und § 42 VwGVG Rechnung tragende Strafbemessung vorzunehmen hat. Eine ersatzlose Behebung des Straf- und Kostenausspruchs des angefochtenen Bescheides kommt dagegen nicht in Betracht.

23 Mit Erkenntnis vom , Ra 2017/21/0185, hat der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Bescheid in einer Verwaltungsstrafsache "aufgehoben" wurde, eine gleichzeitige Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens aber nicht erfolgt ist, unter Verweis auf die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung in der Sache als ersatzlose, die Sache endgültig erledigende Aufhebung gedeutet. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass eine Aufhebung, mit der die Sache weder zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens zurückverwiesen noch endgültig erledigt wird, dem VwGVG - anders als dem VwGG in Bezug auf die nicht meritorischen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes - fremd ist. Aus der Bindungswirkung einer ersatzlosen Aufhebung folgt aber - auch ohne gleichzeitige Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 VStG -, dass in derselben Sache grundsätzlich kein neuer Bescheid ergehen darf. Ein neuerlich in derselben Sache ergangenes Straferkenntnis erweist sich daher in einem solchen Fall als rechtswidrig.

24 Von dem in diesem Verfahren behandelten verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis unterscheidet sich der vorliegende Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom - neben der gewählten Entscheidungsform - dadurch, dass nach dem Wortlaut des Spruches lediglich eine Aufhebung des "Straf- und Kostenausspruches" erfolgte. Eine (ausdrückliche) Entscheidung hinsichtlich des Ausspruches über die Schuld unterblieb. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Aussprüche über Schuld und Strafe trennbar sind (vgl. etwa , mwN). Im Fall der Bestätigung des Ausspruches über die Schuld könnte im folgenden Verfahren nur mehr der Strafausspruch gegenständlich sein, weil hinsichtlich der Schuld, also hinsichtlich der als erwiesen angenommenen Tat und der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, Teilrechtskraft eingetreten wäre (vgl. ).

25 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass in Fällen, in denen wegen der Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestehen, die Begründung einer Entscheidung zur Auslegung eines Spruchs heranzuziehen ist (vgl. etwa , mwN). Auch der Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes ist aber im vorliegenden Fall nicht zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht - entgegen dem Spruch seines Beschlusses - eine (rechtswidrige) Zurückverweisung der Sache an den Magistrat der Stadt Wien - in seiner Gesamtheit bzw. allenfalls auch nur hinsichtlich eines trennbaren Teiles - vornehmen hätte wollen. Aus der Begründung ergibt sich dagegen, dass das Verwaltungsgericht eine inhaltliche Behandlung der - insbesondere die Frage des Bestehens von Meldepflichten nach dem ASVG relevierenden - Beschwerde ausdrücklich nicht als erforderlich erachtet hat. Das hat das Verwaltungsgericht erkennbar damit begründet, dass schon die unrichtige Qualifikation der strafbaren Handlungen als eine statt drei Verwaltungsübertretungen - wobei dies richtigerweise auch den Ausspruch über die Schuld betrifft - bzw. die dafür verhängte Gesamtstrafe nicht korrigierbar seien. Vor diesem Hintergrund ist der angefochtene Beschluss als eine ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses in seiner Gesamtheit - somit auch hinsichtlich des Ausspruches über die Schuld - wegen der dargestellten Mängel (in der Diktion des Verwaltungsgerichtes des "Strafausspruches") zu deuten, zumal die Entscheidung sonst - hinsichtlich des Ausspruchs zur Schuld - unvollständig geblieben wäre, obwohl die Beschwerde erkennbar zur Gänze erledigt werden sollte. Das neuerlich in derselben Sache ergangene Straferkenntnis vom war daher - auch hinsichtlich der verhängten Verwaltungsstrafe wegen Nichtanmeldung des MK zur Sozialversicherung - rechtswidrig.

26 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

27 Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG nicht erforderlich. Ferner konnte auch gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da das Verwaltungsgericht, ein Tribunal iSd EMRK, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. ).

28 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2013/08/0154).

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016080082.L00
Schlagworte:
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

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