VwGH 18.03.2013, 2012/05/0196
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BauO NÖ 1996 §74 Abs1; BauO NÖ 1996 §74 Abs4; BauRallg; |
RS 1 | Die Gesetzmäßigkeit der Versagung einer baubehördlichen Bewilligung wegen Widerspruches zu einer Bausperre setzt voraus, dass das gegenständliche Bauvorhaben dem im Wortlaut der Bausperre angeführten oder aus einer Planbeilage (für jedermann) ersichtlichen Zweck widerspricht. Steht fest, dass ein Bauvorhaben die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplanes weder erschwert noch verhindert, so besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Baubewilligung. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/05/0308 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der CA in P, vertreten durch die List Rechtsanwälte GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1631/001-2011, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde P), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem bei der mitbeteiligten Gemeinde am eingelangten Baugesuch vom kam die Beschwerdeführerin um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den (so die Baubeschreibung) "Umbau eines bestehenden Einfamilienhauses auf" auf dem Grundstück Nr. X/47 im Gemeindegebiet ein (im Bauansuchen, für das ein Formular verwendet wurde, sind bei der Beschreibung des Vorhabens die Rubriken "Neu- und Zubauten von Gebäuden" sowie "Abänderung von Bauwerken" angekreuzt).
Mit Erledigung vom teilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin mit, dass das verfahrensgegenständliche Baugrundstück von der Bausperre, die für das Bauland-Agrargebiet verhängt worden sei, umfasst sei, weil das Baugrundstück aus dem Grundstück Nr. X-5 hervorgegangen sei. Der Verordnungstext sei im Internet auf der näher bezeichneten Webseite der Gemeinde nachlesbar. Gemäß § 20 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (in der Folge kurz: BO) habe die Baubehörde vorerst unter anderem zu prüfen, ob dem Bauvorhaben eine Bausperre entgegenstehe. Sei dies der Fall, sei der Antrag abzuweisen. Dies treffe im Beschwerdefall zu.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom wurde das Baugesuch abgewiesen, was mit dem Widerspruch des Vorhabens zur erlassenen Bausperre begründet wurde. Die Beschwerdeführerin habe in einem Schreiben vom vorgebracht (Anmerkung: dieses befindet sich nicht in den vorgelegten Gemeindeakten), dass die Bausperre (Verordnung vom ) für das verfahrensgegenständliche Grundstück nicht erlassen worden sei, weil das betroffene Grundstück in der Verordnung nicht genannt sei. Es sei der Baubehörde der Teilungsplan vom zur Schaffung des Baugrundstückes Nr. X/47 aus dem Grundstück Nr. X/5 jedenfalls seit dem bekannt und es sei im Dezember 2010 "beurkundet" worden, dass der Plan die Voraussetzung des § 10 Abs. 2 BO erfülle. Mit Bescheid vom sei für die Grundstücksteilung eine Ergänzungsabgabe von EUR 31.172,42 vorgeschrieben worden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Gemeinderat die Bausperre lediglich für die in der Verordnung taxativ aufgezählten Grundstücke, nicht aber auch für das verfahrensgegenständliche Baugrundstück erlassen habe.
Es sei zwar richtig (so die Baubehörde weiter), dass die Teilung des Grundstückes (gemeint: die Abteilung des Baugrundstückes aus dem Grundstück Nr. X/5) der Baubehörde vor der Sitzung des Gemeinderates vom angezeigt worden sei. Es sei auch zutreffend, dass mit Bescheid vom eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben worden sei, dabei dürfe aber nicht außer Acht bleiben, dass eine Teilungsanzeige und die "daraus resultierenden Amtshandlungen" (der Baubehörde) keine Verpflichtung zur tatsächlichen Durchführung der angezeigten Teilung darstellten. Der Gemeinderat habe sich daher am Tag der Sitzung, nämlich am (gemeint: bei der Beschlussfassung über die Bausperre), nur auf den aktuellen Grundbuchsstand beziehen können und an diesem Tag sei das Baugrundstück, welches aus dem Grundstück Nr. X/5 hervorgegangen sei, im Grundbuch nicht existent gewesen. Dies ebensowenig am Tag der Kundmachung der Bausperre, nämlich am , weil der betreffende Grundbuchsbeschluss vom erst danach ergangen sei. Damit gelte die Bausperre auch für das neu gebildete Baugrundstück.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, die mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom als unbegründet abgewiesen wurde. Zusammengefasst schloss sich die Berufungsbehörde der Beurteilung der Behörde erster Instanz an.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, die mit dem nun angefochtenen Bescheid ebenfalls als unbegründet abgewiesen wurde. Auch die belangte Behörde teilte die Beurteilung der Gemeindebehörden.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 532/12-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten (ergänzten) Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit, hilfsweise Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß §12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die maßgebliche, mehrfach genannte Verordnung des Gemeinderates (beschlossen am 30. und durch Anschlag am kundgemacht), die nach ihrem § 4 mit dem ersten Tag der Kundmachung, nämlich am in Kraft trat, bezieht sich auf drei einzeln genannte Grundstücke, darunter auf das Grundstück Nr. X/5 (das Grundstück Nr. X/47 ist nicht genannt) und lautet auszugsweise:
"§ 2
Zweck der Bausperre
Das Örtliche Raumordnungsprogramm soll in diesem Bereich abgeändert werden. Der von der Bausperre betroffene Bereich hat derzeit die Widmung Bauland - Agrargebiet. Die zeitgemäße Anpassung dies(es) Flächenwidmungsplanes im Hinblick auf die tatsächliche und mögliche Nutzung hat in verstärktem Maß eindeutig einen Regulierungsbedarf in raumplanerischer Hinsicht für diesen Bereich ergeben.
Dieser Regulierungsbedarf entsteht unter anderem auf Grund möglicher fehlender Abschirmungsmaßnahmen zu bestehenden, umliegenden Nutzungen (Autobahn, Betriebsgebiet und Wohngebiet). Durch die Überarbeitung und dauernde Kontrolle des örtlichen Raumordnungsprogramms soll sichergestellt werden, dass die Ortsstruktur und der Charakter der Marktgemeinde Perchtoldsdorf erhalten werden und die Widmungsfestlegungen entsprechend den neuen Bedürfnissen entwickelt werden können.
§ 3
Ziel der Bausperre
Um sicherzustellen, dass keine Bebauung bzw. Grundteilung erfolgt, welche den Intentionen des Örtlichen Raumordnungsprogramms zuwiderläuft, wird die gegenständliche Verordnung erlassen. Die Widmungsänderung zielt einerseits auf eine Anpassung der Widmungsfestlegung in Bezug auf die tatsächliche Nutzung ab und andererseits soll die mögliche Wohnbaulandwidmung auf mögliche fehlende Abschirmungsmaßnahmen zu bestehenden, umliegenden Nutzungen (Autobahn, Betriebsgebiet und Wohngebiet) hin untersucht und überprüft werden. Bis dahin soll sichergestellt werden, dass keine neuen Wohnansiedlungen erfolgen, die der zukünftigen Festlegung widersprechen."
Gemäß § 20 Abs. 3 iVm Abs. 1 Z 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) hat die Baubehörde einen Bauantrag schon im Vorprüfungsverfahren abzuweisen, wenn dem Vorhaben eine Bausperre entgegensteht.
§ 74 BO lautet:
"§ 74
Bausperre
(1) Wenn die Erlassung oder die Änderung des Bebauungsplans beabsichtigt ist, dann darf der Gemeinderat zur Sicherung seiner Ziele mit Verordnung eine Bausperre erlassen. In dieser Verordnung ist der Zweck der Erlassung oder Änderung des Bebauungsplans anzuführen.
(2) Die Bausperre darf sich auf einzelne Grundstücke, auf ein bestimmtes Gebiet oder auf ganze Katastralgemeinden erstrecken.
(3) Die Bausperre tritt 2 Jahre nach ihrer Kundmachung außer Kraft, wenn sie nicht früher aufgehoben wird. Sie kann vor dem Ablauf dieser Frist einmal für 1 Jahr verlängert werden.
(4) Die Bausperre hat die Wirkung, dass eine Bauplatzerklärung (§ 11 Abs. 2) nicht erfolgen und eine Baubewilligung (§ 23) nicht erteilt werden darf, wenn durch sie der Zweck der Bausperre gefährdet würde. Bauverfahren, die im Zeitpunkt der Kundmachung der Bausperre bereits anhängig waren, werden hiedurch nicht berührt."
Unzutreffend ist - wie auch der Verfassungsgerichtshof im oben genannten Ablehnungsbeschluss festgehalten hat - die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass sich die Verordnung vom nicht auch auf das Baugrundstück beziehe. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass gemäß § 7a Abs. 2 des Vermessungsgesetzes Grundstücke durch Grundbuchsbeschluss (oder im Zuge der Neuanlegung des Grundbuches) neu gebildet oder gelöscht werden, das Baugrundstück daher vor Verbücherung des Teilungsplanes, die mit Beschluss des Grundbuchsgerichtes (erst) vom erfolgte, rechtlich nicht existent war. Vielmehr erfasste die Verordnung vom , wie die Behörden des Verwaltungsverfahrens zutreffend erkannt haben, das damals noch ungeteilte Grundstück X/5 (und damit auch die Fläche des erst später entstandenen Baugrundstückes).
Die Gesetzmäßigkeit der Versagung einer baubehördlichen Bewilligung wegen Widerspruches zu einer Bausperre setzt voraus, dass das gegenständliche Bauvorhaben dem im Wortlaut der Bausperre angeführten oder aus einer Planbeilage (für jedermann) ersichtlichen Zweck widerspricht. Steht fest, dass ein Bauvorhaben die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplanes weder erschwert noch verhindert, so besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Baubewilligung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0308, mwN.).
Die Beschwerdeführerin bringt hiezu vor, projektgemäß würde keinesfalls eine Bebauung oder neue Wohnansiedlung erfolgen, die einer allfälligen zukünftigen Widmungsfestlegung widersprechen könnte, denn es gebe bereits auf dem Baugrundstück ein Gebäude, das lediglich umgebaut werden solle. Mit dem beabsichtigten Umbau des bestehenden Gebäudes würde somit keinesfalls eine neue Wohnansiedlung erfolgen. Eine Begründung dafür, inwiefern das Vorhaben der Beschwerdeführerin einer allfälligen zukünftigen Widmungsfestlegung widersprechen würde, enthalte der angefochtene Bescheid nicht.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu: Projektgegenstand ist (so die Projektunterlagen) der Umbau eines bestehenden Einfamilienhauses. Weder die Gemeindebehörden noch die belangte Behörde haben in ihren Bescheiden begründet, weshalb angesichts dessen eine "neue Wohnansiedlung" projektiert sei, und somit ein Widerspruch zum Ziel der Bausperre bestehe. Es trifft zwar der Einwand der mitbeteiligten Gemeinde in ihrer Gegenschrift zu, dass dieser Begründungsmangel erst in der (verbesserten) Beschwerde vorgetragen wurde (in der Berufung wurde lediglich die Gesetzwidrigkeit der Bausperre-VO behauptet), das bedeutet aber nicht, dass der Einwand im Hinblick auf das sich aus § 41 VwGG ergebende Neuerungsverbot unbeachtlich wäre, weil dieses Neuerungsverbot den (zutreffenden) Einwand nicht hindert, die Behörden hätten nicht begründet, weshalb die Bausperrenverordnung auf das konkrete Vorhaben überhaupt anwendbar sei.
Da die belangte Behörde diesen schon im gemeindebehördlichen Verfahren unterlaufenen Begründungsmangel verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO NÖ 1996 §74 Abs1; BauO NÖ 1996 §74 Abs4; BauRallg; |
Schlagworte | Baubewilligung BauRallg6 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2012050196.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAE-69531