VwGH vom 16.05.2012, 2009/21/0269
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI- 1020899/0004-II/3/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1972 geborene Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste gemäß seinen Angaben am nach Österreich ein. Hier stellte er einen Asylantrag, der mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom gemäß §§ 7 und 8 AsylG 1997 abgewiesen wurde.
Am heiratete der Beschwerdeführer die 1947 geborene K., eine österreichische Staatsbürgerin. Hierauf gestützt beantragte er noch im September 2004 die Erteilung eines Aufenthaltstitels.
Mit am in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom wurde die Ehe des Beschwerdeführers aus seinem alleinigen Verschulden geschieden.
Mit dem angefochtenen, im Devolutionsweg ergangenen Bescheid vom verhängte die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Das begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK mit seiner österreichischen Ehefrau K. nie geführt, sondern diese Ehe nur zu dem Zweck geschlossen habe, fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligungen zu erlangen.
Beweiswürdigend verwies die belangte Behörde insbesondere darauf, dass der Beschwerdeführer und K. über ihre wechselseitigen persönlichen Verhältnisse teils in völliger Unkenntnis gewesen seien. Außerdem sei es bei den niederschriftlichen Einvernahmen zu Widersprüchen über die Begleitumstände der Eheschließung und über die Wohnverhältnisse gekommen, auch habe K. - entgegen den insgesamt unglaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers - stets bestritten, mit diesem Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Selbst wenn man angesichts der Aussage der ehemaligen Ehefrau K. und von Zeugenaussagen davon ausgehen wollte, dass für eine kurze Zeit ein gemeinsamer Wohnsitz an der Anschrift von K. bestanden habe, sei dem Beschwerdeführer "damit nicht geholfen", weil "auf Grund der geschilderten Umstände" (dabei bezog sich die belangte Behörde erkennbar darauf, dass K. und die erwähnten Zeugen angegeben hatten, der Beschwerdeführer habe nur ca. ein Monat auf einer Couch im Wohnzimmer der K. genächtigt, während diese mit ihrer Tochter bzw. dem Vater ihrer Kinder das Schlafzimmer benützt habe) von einem Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht gesprochen werden könne.
Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle - so die belangte Behörde weiter - eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, was die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Damit sei zwar ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden, weil er nunmehr eine - in Österreich niederlassungsberechtigte - türkische Staatsangehörige geheiratet und mit dieser ein Kind habe. Außerdem sei er berufstätig und hielten sich einige seiner Geschwister und weitere Familienmitglieder in Österreich auf. Die gebotene Interessenabwägung habe aber zu Lasten des Beschwerdeführers auszugehen, weil sich sein insgesamt ca. sechsjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet zunächst auf einen unbegründeten Asylantrag und sodann auf seine Stellung als Angehöriger einer Österreicherin, die jedoch missbräuchlich erlangt worden sei, gestützt habe. Er habe sein Privat- und Familienleben in einem Zeitraum begründet, in dem er nicht davon habe ausgehen können, sich weiter in Österreich aufhalten zu können. Insbesondere sei ihm im Zeitpunkt seiner zweiten Eheschließung bekannt gewesen, dass gegen ihn wegen des Vorliegens einer Scheinehe ermittelt werde. (Auch) die aus der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ableitbare Integration sei als erheblich geschmälert anzusehen, weil er nur auf Grund der Scheinehe mit einer Österreicherin keine Berechtigung nach dem AuslBG benötigt habe. Was die in Österreich aufhältigen Geschwister anlange, so sei kein besonders enger Kontakt ersichtlich. Demgegenüber sei davon auszugehen, dass nach wie vor Beziehungen zum Herkunftsstaat bestünden, weil sich dort - neben zwei "Exfrauen" - sechs Kinder des Beschwerdeführers und sein Vater aufhielten. Schließlich sei es aber auch seiner nunmehrigen Ehefrau möglich, ihn in der Türkei zu besuchen, weil im Hinblick auf ihre türkische Staatsangehörigkeit keine sprachlichen oder kulturellen Barrieren bestünden.
Zusammenfassend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer durch Eingehen einer Scheinehe, auf die er sich im Rahmen eines niederlassungsrechtlichen Verfahrens berufen habe, das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen massiv verletzt habe. Dieser Verstoß wiege die im Hinblick auf die Aufenthaltszeit in Österreich und die familiären Beziehungen des Beschwerdeführers ihm zuzugestehende Integration auf, und es sei vom Überwiegen der öffentlichen Interessen an seiner Ausreise auszugehen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der bekämpfte Bescheid auf Basis der bei seiner Erlassung geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Soweit im Folgenden von Bestimmungen des FPG die Rede ist, wird daher auf die im August 2009 gültige Fassung Bezug genommen.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer den eben wiedergegebenen Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt habe. In diesem Zusammenhang führte sie aus, dass selbst dann, wenn für eine kurze Zeit ein gemeinsamer Wohnsitz an der Adresse der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers K. bestanden habe, angesichts der Angaben von K. und von weiteren Zeugen nicht von einem Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK zwischen dem Beschwerdeführer und K. gesprochen werden könne. Diese Beurteilung begegnet angesichts der besagten und insoweit von der belangten Behörde zugrunde gelegten Angaben, wonach der Beschwerdeführer mit K. keinen Geschlechtsverkehr gehabt und alleine auf einer Couch im Wohnzimmer genächtigt habe, und aus denen sich keine sonstige Nahebeziehung zwischen den Ehegatten ergibt, keinen Bedenken. Dass die belangte Behörde insoweit der Darstellung (insbesondere) der K. folgte, ist ebenso wenig zu beanstanden. Dass K. im Übrigen aber aussagte, es habe sich bei der Ehe mit dem Beschwerdeführer nicht um eine Scheinehe gehandelt, ist schon deshalb irrelevant, weil es im gegebenen Zusammenhang allein auf die Absicht des Fremden ankommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/21/0391, und aus jüngerer Zeit vom , Zl. 2010/18/0219).
Dass der Beschwerdeführer mit K. in einem Bett geschlafen habe, hat nur er selbst angegeben. Wenn die belangte Behörde dieser Darstellung angesichts der gegenteiligen Aussagen von K. und einer vom Beschwerdeführer selbst namhaft gemachten Zeugin (D.) nicht zu folgen vermochte und ihn insgesamt als unglaubwürdig beurteilte, so kann das nicht als unschlüssig erkannt werden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden eingeschränkten Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer hat sich vor der Niederlassungsbehörde auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin berufen. Er hat damit im Hinblick auf die wie dargestellt nicht zu beanstandenden Feststellungen der belangten Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt, was als schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens Grund für die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene negative Prognose in Bezug auf einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gibt (vgl. unter vielen jüngst das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0172).
Unter Bezugnahme auf seine Eheschließung mit einer über einen Aufenthaltstitel verfügenden türkischen Staatsangehörigen im Februar 2008 und die Geburt einer gemeinsamen Tochter im Juni 2009, die ebenfalls über einen Aufenthaltstitel verfüge, wendet sich der Beschwerdeführer gegen die behördliche Beurteilung nach § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG.
Die angesprochenen familiären Bindungen hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung jedoch ohnehin berücksichtigt. Sie gelangte davon ausgehend zu dem Ergebnis, dass mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers einhergehe. Sie wies aber - zutreffend - darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer nach Abweisung seines Asylantrages bezüglich seines weiteren Aufenthalts missbräuchlich auf seine Stellung als Angehöriger einer Österreicherin berufen habe. Sie führte weiter mit Recht ins Treffen, dass die nunmehrigen familiären Bindungen zu einem Zeitpunkt begründet wurden, als der Beschwerdeführer vom vorliegenden Aufenthaltsverbotsverfahren bereits Kenntnis hatte. Schließlich verwies die belangte Behörde auf noch bestehende Bindungen zur Türkei und darauf, dass der nunmehrigen Ehefrau des Beschwerdeführers infolge ihrer türkischen Staatsangehörigkeit (das gilt auch für das gemeinsame Kind) Besuche des Beschwerdeführers in der Türkei zuzumuten seien. Diesen Annahmen tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Jedenfalls im Hinblick darauf und angesichts des dem Beschwerdeführer anzulastenden massiven Verstoßes gegen das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, haftet dem bekämpften Bescheid auch im Grunde des § 66 FPG keine Rechtswidrigkeit an.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt als unberechtigt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
PAAAE-69512