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VwGH vom 22.11.2006, 2004/15/0138

VwGH vom 22.11.2006, 2004/15/0138

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Spasoje D in B, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/2115- W/03, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 1998 und 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von B, erzielte in den Streitjahren in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; er wohnte in einer unentgeltlichen Firmenunterkunft seines Dienstgebers. In den Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Streitjahre machte er die Aufwendungen für Familienheimfahrten nach B in Höhe von jährlich S 28.800,-- als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung dieser Fahrtauslagen als Werbungskosten fest, weil der Beschwerdeführer einer Aufforderung, weitere Unterlagen vorzulegen, nicht nachgekommen sei.

In den Berufungen gegen diese Bescheide führte der Beschwerdeführer aus, als ÖBB-Bediensteter wohne er seit vielen Jahren in einer sogenannten Dienstgeberunterkunft. In B besitze er ein Haus und einen landwirtschaftlichen Besitz, welcher in der Zeit seiner berufsbedingten Abwesenheit von seiner Ehefrau bewirtschaftet werde. Er und seine Ehefrau benötigten für den rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich eine Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels für seine Ehefrau sei auf Grund bestehender Quotenpflicht mit einer mehrjährigen Wartezeit verbunden. Außerdem könnte seiner Ehefrau ein Aufenthaltstitel mangels Vorliegens einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich nicht erteilt werden. Aus diesen Gründen habe seine Ehefrau um eine Aufenthaltsbewilligung für Österreich nicht angesucht. Er ersuche die Aufwendungen für die regelmäßigen Familienheimfahrten zu seiner Ehefrau an seinen Familienwohnsitz in B in der Höhe des großen Pendlerpauschales zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer eine Bescheinigung über seinen Grundbesitz in B, eine eidesstättische Erklärung über die Häufigkeit seiner Familienheimfahrten und die damit verbundenen Aufwendungen sowie eine Kopie des Amtsblattes der österreichischen Finanzverwaltung betreffend einen Erlass des Bundesministers für Finanzen vom (Protokoll über die Bundeslohnsteuertagung 2003) vor und verwies darauf, dass nach diesem Erlass bei Unterbringung des Steuerpflichtigen in einer Firmenunterkunft die Familienheimfahrten anzuerkennen seien.

Das Finanzamt wies die Berufungen mit Berufungsvorentscheidungen als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer stellte jeweils den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Darin führte er aus, dass auch private Gründe für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung berücksichtigungswürdig seien.

Er wiederholte seinen Hinweis auf den Erlass des Bundesministers für Finanzen vom und führte aus, dass die im Protokoll über die Bundeslohnsteuertagung 2003 angesprochene Sachverhaltskonstellation auf ihn zutreffe.

Er legte dem Antrag eine Fotokopie eines Artikels einer Tageszeitung bei, wonach auf Grund fremdenrechtlicher Bestimmungen im Rahmen der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen zum Zwecke der Familienzusammenführung von Fremden weder geregelt sei, wie die freien Quotenplätze auf die jeweiligen Antragsteller verteilt werden, noch vorhersehbar sei, wie lange die Angehörigen auf Familiennachzug warten müssten, noch klar sei, wie die Antragsteller die Reihung in der Warteliste überprüfen lassen könnten. Auf Grund der jährlichen geringen Anzahl der Quotenplätze sei mitunter mit jahrzehntelangen Wartezeiten zu rechnen. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei es für ihn nicht zumutbar, die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich vorzunehmen.

In Beantwortung eines Vorhaltes der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer mit Schreiben vom bekannt, dass der landwirtschaftliche Besitz in B im Wesentlichen der Eigenversorgung mit Lebensmitteln für ihn und seine Ehefrau diene. Einkünfte aus dieser Land- und Forstwirtschaft, wie sie das österreichische Steuerrecht kenne, lägen nicht vor. Nach der bereits vorgelegten Bescheinigung der zuständigen Republiksverwaltung werde im Wege eines komplizierten Verfahrens unabhängig von den im konkreten tatsächlich erzielten land- und forstwirtschaftlichen Einkünften ein jährliches Einkommen aus diesem Betrieb festgestellt.

In Beantwortung eines weiteren Vorhaltes führte er im Schreiben vom aus, dass es sich bei dem bescheinigten Einkommen aus der Landwirtschaft um ein sogenanntes "Katastereinkommen" handle. Während seiner Berufstätigkeit in Österreich werde dieser Betrieb von seiner Ehefrau bzw. sonstigen Familienmitgliedern gepflegt bzw. kultiviert. Er habe die Beschäftigung in Österreich angenommen, weil er in seinem Heimatstaat keine oder jedenfalls keine mit einer solchen Verdienstmöglichkeit wie in Österreich bei den österreichischen Bundesbahnen vorhanden gewesen sei. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich resultiere auch daraus, dass er gemeinsam mit mehreren Arbeitskollegen in einer Firmenunterkunft seines Dienstgebers untergebracht worden sei. Auf diesen Vorteil bzw. diese Kostenersparnis habe er nicht verzichten wollen und sei dies auch nicht zumutbar gewesen.

In Beantwortung eines weiteren Vorhaltes der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer im Schreiben vom aus, die Fahrten zu seinem Familienwohnsitz zu seiner Ehefrau in B seien ausschließlich durch die unselbständige Beschäftigung in Österreich veranlasst. Während seiner berufsbedingten Abwesenheit vom Familienwohnsitz werde sein dortiger Besitz von seiner Ehefrau und seiner übrigen Familie bewirtschaftet. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde sich dort, wo seine Ehefrau und seine sonstige Familie lebten, wo er Haus und Grundbesitz habe, wo seine Sprache gesprochen werde, wo seine Schriftzeichen Verwendung fänden und wo er seine Glaubensgemeinschaft habe. Sein bereits viele Jahre bestehender Aufenthalt als Gastarbeiter in Österreich diene ausschließlich dazu, möglichst viel ins Verdienen zu bringen. Die Kosten seiner Familienheimfahrten sollten entsprechend einer vorgelegten Bestätigung mit S 16.512,36 pro Jahr berücksichtigt werden.

Zur geforderten Aufgabe seiner Firmenunterkunft, um auf diese Weise seiner Ehefrau den Familiennachzug nach Österreich zu ermöglichen, sei Folgendes auszuführen: Die Anmietung einer privaten Unterkunft am Beschäftigungsort in Österreich, um der Ehefrau den Nachzug an den Beschäftigungsort zu ermöglichen, wäre für ihn mit zusätzlichen Kosten verbunden. Dies schmälere damit den in Österreich erzielten Verdienst. Die Kosten für die regelmäßigen Familienheimfahrten seien allemal geringer als die Kosten für die Anmietung einer entsprechenden Familienunterkunft am Beschäftigungsort in Österreich. Die Aufgabe des auf Grund des gänzlich unterschiedlichen Lohn-, Preis- und Kostenniveaus wesentlich kostengünstigeren Familienwohnsitzes im Heimatstaat sei nicht zumutbar. Die Aufgabe seiner unentgeltlichen Firmenunterkunft am Beschäftigungsort in Österreich, die er während seiner jahrzehntelangen unselbständigen Erwerbstätigkeit benütze, sei wirtschaftlich völlig unvernünftig, weil mit höheren Ausgaben verbunden, als die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in seinem Heimatstaat.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Nach Darstellung des - oben wiedergegebenen - Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im Erwägungsteil aus, weil der Beschwerdeführer bereits viele Jahre in Österreich tätig gewesen sei, müsse nicht mehr darauf eingegangen werden, ob Aufwendungen für Familienheimfahrten ohne Rücksicht darauf, ob der Familienwohnsitz aufgegeben worden sei oder nicht, anzuerkennen seien. Nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungsübung sei die Berücksichtigung derartiger Aufwendungen nur für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Begründung des auswärtigen Dienstverhältnisses gerechtfertigt. Für diesen Zeitraum, der jedoch schon weit zurückliege, wäre ein Abzug von Kosten der Familienheimfahrten möglich gewesen. Der Beschwerdeführer habe es jedoch aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen vorgezogen, den Familienwohnsitz in B zu belassen. Es sei der Familienwohnsitz aus in der privaten Lebensführung wurzelnden Gründen beibehalten worden. Die Verlegung des Familienwohnsitzes könne auch aus in der Privatsphäre liegenden Gründen unzumutbar sein, allerdings aus konkret erkennbaren Ausnahmesituationen. Der Beschwerdeführer habe jedoch nicht schlüssig darlegen können, dass die Wohnsitzverlegung für ihn unzumutbar gewesen wäre. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen gebrachten restriktiven Bestimmungen des Fremden- und Aufenthaltsgesetzes hätten für den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Begründung des Dienstverhältnisses und des Wohnsitzes in Österreich, der schon viele Jahre vor dem Inkrafttreten dieser Gesetze erfolgt sei, keine Relevanz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer hält seinen im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Standpunkt aufrecht, wonach die Unzumutbarkeit der Aufgabe des Familienwohnsitzes auf Dauer in privaten Umständen begründet sein könne.

Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e leg. cit. sind nicht abzugsfähig Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)Ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen (nach § 124a Z. 3 EStG 1988 für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nach dieser ständigen Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 97/13/0111, vom , 2001/14/0121, vom , 2003/13/0154, und vom , 2005/14/0046). Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten berücksichtigt werden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten. Solche Umstände können auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung rechtfertigen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z. 6, Tz 3, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache desjenigen Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen. Die berufliche Veranlassung von Aufwendungen, denen nach dem ersten Anschein eine nicht berufliche Veranlassung zu Grunde liegt, ist vom Steuerpflichtigen darzustellen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2003/13/0154, m.w.N.).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweist sich die Beschwerde im Ergebnis als begründet. Die belangte Behörde geht nämlich davon aus, dass die Berücksichtigung von Fahrtaufwendungen für Familienheimfahrten nur für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Begründung des auswärtigen Dienstverhältnisses gerechtfertigt sei. Damit hat sie aber verkannt, dass auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung gerechtfertigt sein kann. Ausgehend von dieser nicht zu teilenden Rechtsauffassung hat sie sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes durch seine Ehefrau und "sonstigen Familienmitgliedern" und der behaupteten beengten wirtschaftlichen Situation nicht auseinander gesetzt (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , 2003/13/0154, und vom , 2005/14/0046).

Dadurch hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am