VwGH vom 11.12.2012, 2012/05/0190

VwGH vom 11.12.2012, 2012/05/0190

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des MMag. Dr. G R in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Oppolzergasse 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-553/11, betreffend die Abweisung eines Baugesuches (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. Dr. E G in Wien, 2. P KEG in Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde, des vorgelegten, angefochtenen Bescheides sowie der weiters vorgelegten Beilage (Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom ) geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer einer bebauten Liegenschaft, an der Wohnungseigentum begründet ist. Die mitbeteiligten Parteien sind weitere Wohnungseigentümer. Mit Bauansuchen vom beantragte der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung (MA) 37/19, die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Herstellung einer gartenseitigen geständerten Holzterrassenkonstruktion (im Garten) anschließend an das Erdgeschoß des Gebäudes. Sämtliche weiteren Miteigentümer der Liegenschaft, insbesondere auch die mitbeteiligten Parteien, hatten ihre Zustimmung zum Bauvorhaben schriftlich erteilt.

Mit Bescheid der MA 37/19 vom wurde die angestrebte Baubewilligung erteilt. Dagegen erhoben die beiden mitbeteiligten Parteien Berufung und zogen ihre Zustimmungserklärung zurück.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung Folge gegeben und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abgeändert, dass die angestrebte Bewilligung versagt werde. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass die für die Erteilung der angestrebten Baubewilligung erforderliche Zustimmung aller Miteigentümer zum Vorhaben der Entscheidung der Berufungsbehörde nicht (mehr) vorliege (Hinweis auf hg. Judikatur). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers könne diese Zustimmung bis zur rechtskräftigen Erteilung der Baubewilligung auch in einer Berufung formlos zurückgezogen werden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) hat der Bauwerber für das Baubewilligungsverfahren näher bezeichnete Einreichunterlagen vorzulegen, darunter nach lit. c die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist; sie kann auch durch Unterfertigung der Baupläne nachgewiesen werden.

§ 134 Abs. 3 BO lautet:

"(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen."

Der Beschwerdeführer vertritt - wie schon im Berufungsverfahren - die Auffassung, ein Miteigentümer sei nicht berechtigt, die einmal erteilte Zustimmung zu widerrufen. Überdies habe er die beiden Mitbeteiligten geklagt und es habe das angerufene Bezirksgericht mit Urteil vom (zugestellt am ) ausgesprochen, es werde festgestellt, dass die beiden Mitbeteiligten nicht berechtigt seien, ihre Zustimmung zum Vorhaben zu widerrufen. Dagegen hätten die beiden Mitbeteiligten allerdings fristgerecht Berufung erhoben.

Dem ist Folgendes zu erwidern: Die Zustimmung des Grundeigentümers muss "liquid" vorliegen, das heißt, es darf nicht strittig sein, ob der Grundeigentümer (der Miteigentümer) seine Zustimmung erteilt hat. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Zustimmung des Miteigentümers bis zur Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides rechtserheblich, kann daher auch im Berufungsverfahren mit der Wirkung zurückgezogen werden, dass die Baubewilligung nicht mehr erteilt werden darf. Die Zustimmung muss nämlich auch im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides liquid vorliegen (ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes; siehe dazu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2011/05/0160, mwN, oder auch vom , Zl. 2008/05/0175). Der Grund für die Verweigerung oder Zurückziehung einer Zustimmung zum Baubewilligungsansuchen durch den Grundeigentümer (Miteigentümer) ist baurechtlich nicht relevant (siehe das zuvor genannte hg. Erkenntnis vom ). Wohl kann die Zustimmung durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden (siehe die Nachweise bei Moritz , BauO für Wien4, 177); eine dem entgegenstehende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung lag im Verwaltungsverfahren aber jedenfalls nicht vor.

An der Wirksamkeit der Zurückziehung der Zustimmungserklärung vermag der vorgetragene Umstand nichts zu ändern, dass die beiden Mitbeteiligten in der Bauverhandlung keine Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben hatten und demzufolge nach Auffassung des Beschwerdeführers ihre Parteistellung im Sinne des "§ 42 AVG" verloren hätten. Maßgeblich ist hier nicht § 134 Abs. 3 dritter Satz BO (betreffend die Parteistellung von Eigentümern bzw. Miteigentümern benachbarter Liegenschaften, die dann Parteien sind, wenn ihre Nachbarrechte berührt werden und sie rechtzeitig Einwendungen erheben), sondern § 134 Abs. 3 erster Satz BO (worin das Erheben von Einwendungen durch Miteigentümer zur Erlangung oder auch Beibehaltung der Parteistellung nicht vorgesehen ist).

Da sich somit schon aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung (rechtswidrige Abweisung des Baugesuches, weil auf die Zurückziehung der Zustimmungserklärung nicht Bedacht zu nehmen gewesen wäre) nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am