VwGH vom 15.05.2019, Ra 2016/08/0056
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision 1. des D S in L und
2. der V Gesellschaft m.b.H in Wien, beide vertreten durch Mag. Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Florianigasse 7/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-041/070/31800/2014, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht die Bestrafung des Erstrevisionswerbers durch die belangte Behörde gemäß § 33 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG zu neun Geldstrafen von je EUR 770,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von je zwei Tagen), weil der Erstrevisionswerber es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Zweitrevisionswerberin und damit als deren gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener zu verantworten habe, dass die Zweitrevisionswerberin (wobei auch deren Solidarhaftung nach § 9 Abs. 7 VStG ausgesprochen wurde) es als Dienstgeberin unterlassen habe, neun näher genannte in bestimmten Zeiträumen zwischen dem 3. und als Peepshow-Tänzerinnen beschäftigte, nach dem ASVG voll- bzw. teilversicherte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung anzumelden.
2.2. Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig.
3. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in mehreren Punkten behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.
4.1. Die Revisionswerber behaupten das Vorliegen von Verfahrensmängeln, weil das Verwaltungsgericht die mündliche Verhandlung zunächst zur Vernehmung der Tänzerinnen vertagt habe, in der Folge jedoch - ohne die Parteien zu verständigen und diesen Gelegenheit zu abschließenden Prozesshandlungen zu geben - das Verfahren geschlossen und das angefochtene Erkenntnis gefällt habe, worin eine gröbliche Verletzung des Parteiengehörs und der Grundsätze eines fairen Verfahrens zu erblicken sei.
4.2. Bei einer behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision auch von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang - im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen - konkret dargetan wird (vgl. ).
Eine - wie hier - nicht weiter konkretisierte und substanziierte Behauptung von Verfahrensmängeln reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt, aufzuzeigen. Die Revisionswerber legen insbesondere nicht konkret dar, inwiefern das Verwaltungsgericht bei Vermeidung jener Umstände, in denen sie eine Mangelhaftigkeit erblicken wollen, zu einem für sie günstigeren Verfahrensergebnis gelangt wäre (vgl. ; , Ro 2014/08/0033).
5.1. Die Revisionswerber machen geltend, die Tänzerinnen seien unternehmerisch tätig (gewesen), es liege nicht einmal ein dienstnehmerähnliches Verhältnis vor. Der Sachverhalt unterscheide sich wesentlich von jenem, über den der Verwaltungsgerichtshof schon einmal entschieden habe und auf den sich das Verwaltungsgericht bezogen habe (offenbar gemeint: ). Das Verwaltungsgericht habe nicht feststellen können, dass es Dienstpläne und de facto eine Anwesenheitspflicht gegeben habe. Die Tänzerinnen seien nicht zu Darbietungen auf der Bühne verpflichtet gewesen, sondern hätten sich auch nur mit Kunden in den Solokabinen treffen können. Es sei ferner nicht festgestellt worden, dass die Tänzerinnen die Kunden zum Getränkekonsum animiert hätten.
5.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, kommt es für die Abgrenzung des Dienstvertrags vom Werkvertrag entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet oder ob er die Herstellung eines Werks gegen Entgelt übernimmt, wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, wohingegen es beim Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf dessen Bereitschaft zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt (vgl. etwa , mwN).
Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung bis zu einem bestimmten Termin zu erbringen, mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit (vgl. ; , Ra 2015/08/0135).
5.3. Vorliegend ist schon deshalb kein Werkvertrag gegeben, weil es an der vertragsmäßigen Konkretisierung eines Werks fehlt. Auch ist kein Maßstab ersichtlich, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Erfüllungsansprüche bei Nichtherstellung oder Gewährleistungsansprüche bei mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden sollten. Ein der für den Werkvertrag essenziellen Gewährleistungsverpflichtung entsprechender Erfolg der Tätigkeit der Tänzerinnen ist nicht messbar, weshalb von einem individualisierbaren "Werk" nicht die Rede sein kann. Es liegt vielmehr eine Vereinbarung über Dienstleistungen vor (vgl. ; , 2011/08/0206).
6.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa ), dass eine Tätigkeit als "Table-Tänzerin" in einem Barbetrieb bzw. Nachtclub - oder wie hier in einer Peepshow (vgl. ) - in der Regel in (ähnlicher) wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wird wie in einem Arbeitsverhältnis. In einem solchen Fall ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. neuerlich VwGH 2011/08/0206; , 2012/08/0267).
6.2. Vorliegend wurden derartige atypischen Umstände nicht dargelegt:
Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerber unterscheidet sich der Sachverhalt nicht wesentlich von jenem, welcher der Entscheidung VwGH 2009/09/0251 (betreffend eine Bestrafung nach dem AuslBG) zugrunde lag.
Vorliegend gab es für die Bühnenauftritte zwar keine Nummernvergabe, allerdings stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Einteilung der Tänzerinnen im Einvernehmen mit dem Erstrevisionswerber erfolgte und dieser auf die Einteilung insofern Einfluss nahm, als er bestrebt war, die Anwesenheit von Tänzerinnen möglichst durchgehend sicherzustellen. Im Hinblick darauf ist aber der Einwand, es habe keine Dienstpläne und de facto keine Anwesenheitspflicht gegeben, nicht begründet.
Soweit die Revisionswerber relevieren, die Tänzerinnen seien nicht zu Darbietungen auf der Bühne verpflichtet gewesen, sondern hätten sich auch nur mit Kunden in den Solokabinen treffen können, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Demnach mussten die Tänzerinnen zunächst ihre Körper auf der Drehbühne präsentieren und konnten erst danach allenfalls mit potenziellen Kunden in eine der Solokabinen wechseln.
Was den Einwand betrifft, die Tänzerinnen seien nicht verhalten gewesen, die Kunden zum Getränkekonsum zu animieren, so ist das Fehlen dieses Kriteriums nicht entscheidungswesentlich, liegen doch nach den getroffenen Feststellungen genügend andere Merkmale vor, die - im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung - für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen.
7.1. Die Revisionswerber machen weiters geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2013/09/0041, abgewichen.
Eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird nicht schon durch die pauschale Behauptung eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aufgezeigt, auch wenn sie mit dem Zitat einer vermeintlich widersprechenden Entscheidung einhergeht. Die Revisionswerber hätten im Zulässigkeitsvorbringen konkret darlegen müssen, inwiefern das angefochtene Erkenntnis einen dieser Entscheidung widersprechenden Inhalt aufweist (vgl. ).
7.2. Die Revisionswerber führen aus, das Verwaltungsgericht habe über ein und denselben Sachverhalt diametral entschieden, weil es im Strafverfahren nach dem AuslBG ein zumindest dienstnehmerähnliches Verhältnis verneint habe und - wie schon in anderen in der Vergangenheit geführten Verfahren - mit Einstellung vorgegangen sei.
Die Revisionswerber haben die angeblich für ihren Standpunkt sprechenden bezughabenden Entscheidungen weder näher bezeichnet noch vorgelegt. Es ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, um welche Entscheidungen (mit welchem Inhalt) es sich dabei handeln soll und inwiefern daraus Rückschlüsse für das hier gegenständliche Verfahren zu ziehen wären. Davon abgesehen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine wesentliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt, wenn Behörden oder Verwaltungsgerichte in verschiedenen Verfahren zu verschiedenen Ergebnissen gelangen (vgl. ), sofern es - wie hier - zu der betreffenden Frage eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gibt (vgl. ).
8. Insgesamt werden daher - in der für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen gesonderten Zulässigkeitsbegründung (vgl. ) - keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2016080056.L00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.