VwGH vom 29.02.2012, 2009/21/0259

VwGH vom 29.02.2012, 2009/21/0259

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des A in V, vertreten durch die Gradischnig Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in 9500 Villach, Moritschstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom , Zl. 2Fr-45/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am geborene Beschwerdeführer ist kroatischer Staatsangehöriger. Er befindet sich seit 1999 in Österreich und verfügt seit über einen Niederlassungsnachweis.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125 und 126 Abs. 1 Z 5 StGB sowie der versuchten Beweismittelunterdrückung nach §§ 295, 15 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen verurteilt. Mit weiterem rechtskräftigen Urteil vom verhängte das genannte Landesgericht wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 130 (dritter und vierter Fall) StGB, begangen als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB, gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil vom eine Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Gemäß dem Schuldspruch habe er zu näher beschriebenen Einbruchsdiebstählen dadurch beigetragen, dass er die unmittelbaren Täter zum und vom Tatort chauffierte sowie Aufpasserdienste leistete, wobei er die Taten in der Absicht begangen habe, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Diebstähle durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Vor der eben dargestellten Verurteilung war gegen den Beschwerdeführer noch vom Bezirksgericht Hermagor, mit rechtskräftigem Urteil vom , wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen verhängt worden. Dem lag zugrunde, dass er am einen anderen durch Versetzen von Schlägen ins Gesicht, sodass dieser zu Boden stürzte, sowie durch einen Biss in den Bereich der rechten Brust, was insgesamt Hämatome im Bereich des rechten Auges, eine Hautabschürfung am linken Knie sowie eine Rissquetschwunde im Bereich der rechten Brust zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt habe.

Im Hinblick auf die dargestellten Verurteilungen und die diesen zugrunde liegenden Straftaten erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (die belangte Behörde) mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Die belangte Behörde stellte zunächst das der Verurteilung vom zugrunde liegende Fehlverhalten wie folgt dar:

"Gemeinsam mit anderen Tätern waren Sie am beim Einbruch der Trafik R. in Hermagor insofern beteiligt, als Sie mit Ihrem Fahrzeug die Haupttäter zum Tatort brachten und vor der Trafik Aufpasserdienste versahen. Die Haupttäter P.D. und C.E. drangen durch gewaltsames Aufzwängen der versperrten Eingangstür in die Trafik ein und stahlen daraus 304 Stangen Zigaretten im Wert von EUR 10.600,--.

Nachdem dieser Einbruch geglückt war, trafen Sie sich am mit Ihren Freunden P.D. u. C.E. neuerlich in Hermagor, wo kurzerhand ein Einbruch in ein Gasthaus verabredet wurde. Auch in diesem Fall versuchte C.E. gewaltsam bei der versperrt gehaltenen Eingangstür in das Gastlokal einzudringen, um daraus Bargeld und andere Wertgegenstände zu erbeuten. Gemeinsam mit P.D. versahen Sie während dieser Zeit Aufpasserdienste. Durch das Entdecken einer angebrachten Alarmanlage fuhren Sie und Ihre Freunde ohne Beute weg, da Sie und Ihre Freunde befürchteten erkannt zu werden.

Bei dem Einbruchsdiebstahl vom auf in der Trafik S. in Nötsch waren Sie dadurch beteiligt, dass Sie Ihren PKW vor der Trafik abstellten, um den Einbruch beobachten zu können. Das dabei erbeutete Diebsgut konnte dadurch auch raschest möglich im PKW verstaut werden. Bei diesem Einbruch konnten Zigaretten, Bargeld und Brieflose im Wert von ca. EUR 3.000,-- erbeutet werden. Der Sachschaden belief sich auf ca. EUR 360,--. Nach diesem Einbruch haben Sie mit Ihrem PKW das Diebsgut zu einer Schottergrube gebracht, wo es zwischengelagert wurde.

In der Nacht vom 25. auf vereinbarten Sie ebenfalls mit P.D. und C.E. einen weitern Einbruch in das in Hermagor befindliche Juweliergeschäft S.. Sie fuhren dazu in der Nacht mit Ihrem PKW nach Hermagor. Während Sie bei dem Einbruch nur Aufpasserdienste versehen sollten, bestand die Aufgabe des P.D. und seines Mittäters darin, gewaltsam in das Juweliergeschäft einzudringen. Um eine Alarmauslösung zu verhindern, wurde von Ihnen und von P.D. vorsorglich der Alarmmelder mit einem Montageschaum außer Funktion gesetzt. Ihre Komplizen C.E. und P.D. drangen in die Juwelierräumlichkeiten ein und stahlen Schmuck und Uhren im Wert von EUR 73.500,--."

Ausgehend vom Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde weiter - sei hinsichtlich seiner Person eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu treffen. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse an der Bekämpfung der Einbruchskriminalität. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde deshalb die öffentliche Ordnung und Sicherheit bzw. laufe anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, insbesondere dem Schutz des Eigentums Anderer und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwider.

Im Grunde des § 66 FPG sei (insbesondere) zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit Juli 1999 durchgehend in Österreich aufhalte, dass er hier die letzten zwei Klassen der Hauptschule besucht und danach eine Kochlehre mit Gesellenprüfung abgeschlossen habe, dass er nunmehr als stellvertretender Küchenleiter in einem Hotel arbeite und brutto EUR 2.265,-- verdiene und dass er seit Juli 2004 über einen unbefristeten Niederlassungsnachweis verfüge; weiters, dass auch seine Mutter (seit 1992) und seine zwei Geschwister (seit 1999) in Österreich lebten, dass er mit einer Freundin im gemeinsamen Haushalt wohne und dass zu Kroatien keine Bindungen mehr bestünden. Im Hinblick darauf sei mit dem Aufenthaltsverbot ein gewichtiger Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers verbunden, dieser Eingriff werde jedoch durch sein gravierendes Fehlverhalten sowie durch seine Volljährigkeit und "Eigenverantwortlichkeit" stark relativiert. Außerdem lebe er weder mit seiner Mutter noch mit seinen Geschwistern im gemeinsamen Haushalt und es könne ein Kontakt zu diesen Verwandten auch in eingeschränktem Umfang durch Besuche im Ausland oder Telefonate stattfinden bzw. aufrechterhalten werden. Trotz der Bindungen des Beschwerdeführers erweise sich das gegenständliche Aufenthaltsverbot als zulässig, weil dessen Erlassung aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen (mit Rücksicht auf die Verhinderung strafbarer Handlungen und den Schutz des Eigentums und Vermögens Anderer) dringend geboten erscheine. Im Ergebnis müssten die privaten Interessen des Beschwerdeführers hinter den dargestellten öffentlichen Interessen an seiner Aufenthaltsbeendigung zurückstehen. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes müssten vom Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.

Das Aufenthaltsverbot sei auch mit Blick auf § 61 Z 3 und 4 FPG zulässig, seine Befristung stehe im Einklang mit § 63 Abs. 1 FPG.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer weist unstrittig die eingangs dargestellten strafgerichtlichen Verurteilungen auf. Im Hinblick darauf hat er aber nicht nur den allgemeinen Aufenthaltsverbotstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) verwirklicht, sondern es ist auch ein Fall des § 56 Abs. 2 Z 1 FPG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) gegeben, weil er eine strafgerichtliche Verurteilung wegen eines Verbrechens (des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls) aufweist. Letzteres stellt für sich betrachtet zwar zunächst nur ein Indiz dafür dar, dass vom Beschwerdeführer eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinn des - hier wegen des 2004 ausgestellten Niederlassungsnachweises einschlägigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0486) - § 56 Abs. 1 FPG ausgehe. Angesichts des von ihm gesetzten Gesamtfehlverhaltens ist eine derartige Gefährlichkeitsprognose allerdings auch konkret berechtigt. Einerseits manifestierte sich nämlich in den von der belangten Behörde näher dargestellten, gewerbsmäßig begangenen Einbruchsdiebstählen ein nicht unbeträchtliches kriminelles Potential, das nicht dadurch maßgeblich gemindert ist, dass der Beschwerdeführer nur "Aufpasserdienste" leistete. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die unbekämpfte Feststellung der belangten Behörde, wonach er bei dem in der Nacht vom 25. auf den durchgeführten Einbruch in ein Juweliergeschäft (Diebsbeute über EUR 70.000,--) neben der Verrichtung von Aufpasserdiensten auch den Alarmmelder außer Funktion gesetzt hatte. Andererseits erschöpfte sich das strafrechtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht in der Beteiligung an vier Einbruchsdiebstählen, sondern hat er auch eine schwere Sachbeschädigung und eine Körperverletzung zu verantworten. Insoweit zeigt sich, vor allem im Hinblick auf die zur Körperverletzung führenden Aggressionshandlungen vom , dass dem Beschwerdeführer ein gewalttätiges Vorgehen nicht fremd ist. Die Beteiligung an Einbruchsdiebstählen stellt sich dann aber auch nicht als einmalige Entgleisung dar, die - so die Beschwerde - nur auf den Einfluss "schlechter Freunde" zurückzuführen ist.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass er den Schaden aus dem Einbruch in das Juweliergeschäft mit einem Betrag von EUR 12.000,-- (rund ein Sechstel des Gesamtschadens) gut gemacht habe, obwohl ihm kein Anteil aus der Beute zugefallen sei, so vermag er damit die aus seinem Gesamtverhalten erschließbare schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Hinblick auf die Begehung von Eigentums- oder Aggressionsdelikten nicht wesentlich zu relativieren. Das gilt ebenso für den Umstand, dass die strafbaren Handlungen bereits 2006 gesetzt wurden. Bei Bescheiderlassung im Juli 2009 lagen sie nämlich noch nicht so lange zurück, dass ungeachtet der vom Beschwerdeführer nunmehr ausgeübten Erwerbstätigkeit verlässlich von einem Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährdung ausgegangen werden könnte. Soweit der Beschwerdeführer aber ergänzend auf einen positiven Bericht seiner Bewährungshelferin vom verweist, war darauf schon im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) nicht näher einzugehen.

Unter dem Blickwinkel des § 66 FPG wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor allem vor, sie sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er mit seiner Mutter nicht im gemeinsamen Haushalt wohne. Dem ist freilich das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers entgegenzuhalten, wonach er mit einer - nicht näher konkretisierten - Lebensgefährtin zusammenlebe, die er zu heiraten beabsichtige. Von dieser Lebensgefährtin ist in der nunmehrigen Beschwerde zwar nicht mehr die Rede, der Beschwerdeführer kann nach dem Gesagten dessen ungeachtet der Behörde aber nicht mit Erfolg vorwerfen, sie habe, was die Frage des Zusammenwohnens mit seiner Mutter angehe, einen Verfahrensfehler zu verantworten. Abgesehen davon ist die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers ohnehin davon ausgegangen, dass das Aufenthaltsverbot nicht nur in sein Privat-, sondern auch in sein Familienleben eingreife. Was das Verhältnis zur Mutter anlangt, so wurde aber zutreffend die Volljährigkeit und "Eigenverantwortlichkeit" des Beschwerdeführers angesprochen. Im Übrigen verwies die belangte Behörde - nach dem oben Gesagten zu Recht - auf die aus der bisherigen Delinquenz erschließbare Gefährlichkeit des Beschwerdeführers, die das Aufenthaltsverbot zur Verhinderung strafbarer Taten (Art. 8 Abs. 2 EMRK) als dringend geboten erscheinen lässt. Die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Beeinträchtigung seiner privaten Interessen muss der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf nehmen, zumal eine Rückkehr nach Kroatien, wo er bis zu seinem 13. oder 14. Lebensjahr gewohnt hat, nicht gänzlich unzumutbar erscheint.

Im Ergebnis begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot stehe auch § 66 FPG nicht entgegen, somit keinen Bedenken. Da auch ihre zu § 61 Z 3 und 4 FPG angestellten Überlegungen - wogegen die Beschwerde gar nichts vorbringt - nicht zu beanstanden sind und überdies nicht zu erkennen ist, dass sie im Rahmen der ihr obliegenden Ermessensübung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen, war die Beschwerde zusammenfassend gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am