VwGH vom 28.05.2013, 2012/05/0185
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der G GmbH in Wien, vertreten durch Schuppich Sporn Winischhofer Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 64-3275/2012, betreffend Antrag auf Einstellung eines Vollstreckungsverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, die Einstellung von Vollstreckungsverfahren (zu diesen Verfahren, die die Beseitigung von konsenslosen Bauten betreffen, siehe die hg. Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zlen. 2011/05/0139 und 2011/05/0140). Begründet wurde dies damit, dass Verfahren über die Aufhebung der Titelbescheide, über die Erteilung von Baubewilligungen sowie Verfahren vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts anhängig seien. Gegenstand aller Verfahren sei die Klärung der Frage, mit welchem Wortlaut der Wiener Landtag § 15 Abs. 1 des Wiener Kleingartengesetzes 1996 (KGG) tatsächlich beschlossen habe. In eventu stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, die Vollstreckungsverfahren aufzuschieben, bis über ihre Anträge in diesen näher genannten Verfahren entschieden worden sei.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, vom wurde der Hauptantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen, dem Eventualantrag jedoch stattgegeben. Begründend wurde ausgeführt, durch die hg. Beschlüsse vom , Zlen. AW 2011/05/0073 und 0074 (ergangen zu den beiden oben genannten Beschwerden), sei den Beschwerden der Beschwerdeführerin gegen die Berufungsentscheidungen der Wiener Landesregierung betreffend die Vollstreckungsverfügungen in den gegenständlichen Vollstreckungsverfahren aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Die Vollstreckung sei daher vorläufig gehemmt, der Vollzug der Ersatzvornahme vorläufig aufgeschoben.
Gegen die Abweisung ihres Hauptantrages erhob die Beschwerdeführerin Berufung und brachte im Wesentlichen vor, dass ihr mittlerweile für die gegenständlichen Baulichkeiten, wenngleich auch in einer etwas adaptierten Form, die Baubewilligung rechtskräftig erteilt worden sei. Damit seien die mit Bescheiden vom erteilten Abtragungsaufträge gegenstandslos, zumal nach dem Schonungsprinzip ein Auftrag zur Entfernung errichteter Gebäude nur insoweit erfolgen dürfe, als für bestimmte Teile des Gebäudes keine Baubewilligung vorliege. Es sei Aufgabe der Baubehörde, die erteilten Aufträge zur Entfernung der Gebäude aufzuheben und allenfalls einen neuen Auftrag zu erteilen, der sich jedoch auf ganz spezifische Bauteile zu beschränken hätte, für die noch keine Baubewilligung vorliege. Dies alles habe unbeschadet näher genannter, bei der Bauoberbehörde und beim Verfassungsgerichtshof anhängiger Verfahren zu geschehen. Über einen Antrag der Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, sei noch nicht entschieden worden. Dem anhängigen Vollstreckungsverfahren sei damit aber jedenfalls die Rechtsgrundlage entzogen. Die Beschwerdeführerin beantragte, Punkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides vom dahingehend abzuändern, dass das Vollstreckungsverfahren eingestellt werde, in eventu gemäß § 38 letzter Satz AVG das Vollstreckungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des bei der Baubehörde gestellten Antrages auszusetzen, und zwar unbeschadet des Umstandes, dass gemäß Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Bescheides vom das Vollstreckungsverfahren bis zur Entscheidung über die Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof aufgeschoben worden sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid in seinem Spruchpunkt 1 mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die gegen die Vollstreckungsverfügungen erhobenen Berufungen seien mit den Bescheiden der Wiener Landesregierung vom , Zlen. MA 64 - 2652/2011 und MA 64 - 2656/2011, abgewiesen worden. Mit der an die Beschwerdeführerin bewirkten Zustellung dieser Berufungsbescheide seien die Berufungsbescheide rechtlich an die Stelle der erstinstanzlichen Vollstreckungsverfügungen getreten und die Vollstreckungsverfahren zur Beseitigung der von den verfahrensgegenständlichen Abtragungsaufträgen erfassten Baulichkeiten formell rechtskräftig abgeschlossen worden. Die genannten Berufungsbescheide könnten im ordentlichen Rechtsweg nicht mehr bekämpft werden. Der nunmehrige Antrag der Beschwerdeführerin vom , die Vollstreckungsverfahren einzustellen, begehre demnach die Abänderung der Berufung nicht mehr unterliegender Bescheide und sei folglich gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die Argumente der Beschwerdeführerin änderten nichts an der Tatsache, dass die Vollstreckungsbehörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG keine Entscheidung in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen, formell rechtskräftig abgeschlossenen Vollstreckungsverfahren mehr treffen könne bzw. diese Vollstreckungsverfahren nicht mehr einstellen könne. Selbst wenn die von der Beschwerdeführerin genannten Baubewilligungen Bauteile umfassten, die von den verfahrensgegenständlichen Abtragungsaufträgen betroffen seien, seien diese Abtragungsaufträge auch unter Heranziehung des Schonungsprinzips nicht, auch nicht zum Teil, obsolet. Die verfahrensgegenständlichen Abtragungsaufträge trügen nämlich nicht die teilweise Entfernung, sondern die Entfernung der gesamten verfahrensgegenständlichen Baulichkeiten auf. Dieser Verpflichtung werde erst mit der gesamten Entfernung aller von den Abtragungsaufträgen erfassten Baulichkeiten und nicht mit der Belassung bestimmter Bauteile dieser Baulichkeiten entsprochen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom und vom Urkunden über die bewilligten und bestehenden Baulichkeiten im Vergleich vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, mittlerweile (jedenfalls vor Erlassung des angefochtenen Bescheides) seien der Beschwerdeführerin vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, zwei Baubewilligungen rechtskräftig erteilt worden. Diese Baubewilligungen umfassten auch bestimmte Teile der Baulichkeiten, hinsichtlich derer die Entfernung aufgetragen und zuletzt die Ersatzvornahmen angeordnet worden seien. Es werde ein Plan vorgelegt, in dem der Umriss der beiden gekuppelten Baulichkeiten und jene Teile eingezeichnet seien, die von der im Jahr 2011 rechtskräftig erteilten Baubewilligung nicht umfasst seien, das seien in Kubatur ausgedrückt beim Plan des "Westhauses" nur ca. 13 % und beim Plan des "Osthauses" nur ca. 22 %, woraus sich ergebe, dass alle übrigen Teile der Baulichkeiten von der mittlerweile rechtskräftig erteilten Baubewilligung umfasst seien. Die Beschwerdeführerin habe releviert, dass mittlerweile die Baubewilligung rechtskräftig erteilt worden sei, die auch überwiegend bestimmte Teile der gegenständlichen Baulichkeiten umfasse. Dieser Umstand habe im Titelverfahren nicht mehr als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht werden können. Es könne keine Frage sein, dass diese Baubewilligungen eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes darstellten, bei der die Titelbescheide nicht mehr gleichlautend erlassen und vollstreckt werden könnten, weil dem die nun doch erteilte Baubewilligung entgegenstünde. Die belangte Behörde könne sich daher nicht auf die Rechtskraft der Titelbescheide berufen. Sie könne auch nicht damit argumentieren, mit den Titelbescheiden sei nicht die teilweise Entfernung, sondern die Entfernung der gesamten Baulichkeiten aufgetragen worden. Folglich könne keine Rede davon sein, dass dem von der Beschwerdeführerin im Vollstreckungsverfahren gestellten Einstellungsantrag entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG entgegenstünde. Vielmehr wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, über den Einstellungsantrag ein Ermittlungsverfahren abzuführen, insbesondere durch Beischaffung der Baubewilligungsakten. Rechtswidrigkeiten ergäben sich auch insofern, als sich die belangte Behörde darauf berufen habe, dass die Titelbescheide rechtskräftig seien und die Vollstreckungsverfügungen im ordentlichen Rechtsweg nicht mehr bekämpft werden könnten. Hier gehe es aber erstmals um einen Einstellungsantrag, der sich auf die im Jahr 2011 (also lange nach den Titelbescheiden und den Vollstreckungsverfügungen) rechtskräftig erteilte Baubewilligung gründe, worüber die belangte Behörde in der Sache selbst zu entscheiden gehabt hätte und sich nicht auf die Titelbescheide und Vollstreckungsverfügungen hätte berufen dürfen.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG, der gemäß § 10 Abs. 1 VVG auch auf das Vollstreckungsverfahren sinngemäß anzuwenden ist, sind Anbringen von Beteiligten, die (außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG kann die Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist.
Im Beschwerdefall geht es zwar nicht um eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung, sondern um einen Antrag auf Einstellung einer (rechtskräftig) bewilligten Exekution. Es kann dahingestellt bleiben, ob in diesem Verfahrensstadium eine Einstellung der Vollstreckung mit Bescheid überhaupt in Frage kommt; das VVG trifft darüber keine Regelungen (vgl. zu dieser Frage auch Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger , Verwaltungsverfahrensrecht, 9. Auflage, S. 607, RZ 991 f; Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht,
5. Auflage, S. 576 f). Denn auch eine Einstellung im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen wäre jedenfalls nur dann möglich, wenn dem Titelbescheid in tatsächlicher Hinsicht entsprochen wäre oder wenn auf der Grundlage eines geänderten Sachverhaltes ein im Spruch gleichlautender neuer Titelbescheid nicht mehr erlassen werden dürfte, also die weitere Exekution damit unzulässig wäre (vgl. die bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahren II, 2. Auflage, S. 1396, unter E 68 zitierte hg. Judikatur). Dies wäre im gegebenen Zusammenhang der Fall, wenn die konsenslosen Bauten in der Zwischenzeit über eine Baubewilligung verfügten.
Dies ist allerdings nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin bringt weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vor, dass für die gesamten Baulichkeiten eine Baubewilligung bestehe. Im Vollstreckungsverfahren kann aber nicht (bloß) die Verkleinerung einer Baulichkeit erzwungen werden, wenn der Titel auf Abtragung lautet. Das VVG enthält nämlich keine Bestimmung, die der Vollstreckung einer bescheidmäßig auferlegten Verpflichtung für jenen Fall entgegenstünde, dass zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes im Ergebnis irgendwelche anderen Möglichkeiten bestünden (vgl. die bei Hauer/Leukauf , Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1824 unter Z 33 zitierte hg. Judikatur).
Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren auch nicht vorgebracht, dass jene Teile der Baulichkeiten, die nunmehr über eine Baubewilligung verfügten, von den anderen Teilen der Baulichkeiten, für die keine solche Baubewilligung vorliege, trennbar wären. Auch angesichts dessen stellte die Erlangung einer Baubewilligung für Teile der Baulichkeiten zutreffend für die belangte Behörde keinen - etwa im Hinblick auf das Schonungsprinzip des § 2 VVG allenfalls wesentlich - geänderten Sachverhalt dar, der die gegenständliche Vollstreckung unzulässig machen würde.
Es ist zwar zu bemerken, dass dann, wenn die Beschwerdeführerin von sich aus Baumaßnahmen setzte und damit die bewilligten Gebäude, also insbesondere unter Entfernung der nicht bewilligten Gebäudeteile, hergestellt wären, ein geänderter Sachverhalt vorläge, der bei der Vollstreckung zu beachten wäre (vgl. die bei Hauer/Leukauf , aaO S. 1819 unter Z 10c zitierte hg. Judikatur). Solange dies jedoch nicht der Fall ist, ist die Vollstreckung weiterzuführen.
Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt worden.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am