Suchen Hilfe
VwGH 14.09.2016, Ra 2016/08/0039

VwGH 14.09.2016, Ra 2016/08/0039

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS 1
Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch wegfällt. Dies gilt für den Pensionsvorschuss entsprechend, da dieser eine Variante des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe darstellt (vgl. unter vielen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0052, mwN).
Norm
AlVG 1977 §23 Abs4 idF 2013/I/139;
RS 2
Nach § 23 Abs. 4 AlVG 1977 idF BGBl. I Nr. 139/2013 ist unter der Voraussetzung, dass sich die betroffene Person so rasch wie möglich der Begutachtung unterzieht, von Anfang an - allerdings nur bis zum Vorliegen des entsprechenden Gutachtens - vom Nichtvorliegen der Arbeitsfähigkeit auszugehen (und somit der Pensionsvorschuss sogleich und nicht erst rückwirkend bei Vorliegen eines entsprechenden Gutachtens auszuzahlen).
Normen
RS 3
§ 23 Abs 4 AlVG wurde mit dem Ziel geschaffen, soziale Härten - namentlich Einkommenslücken - möglichst zu vermeiden. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 4 AlVG gilt die darin normierte Annahme, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt, aber nicht bis zur rechtskräftigen Beendigung des Pensionsverfahrens, sondern nur bis zum Vorliegen eines Gutachtens nach § 23 Abs. 3 AlVG. Sobald dieses Gutachten vorliegt, richtet sich die Beurteilung, ob Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt (und damit die Voraussetzung des § 23 Abs. 2 Z 2 AlVG erfüllt ist), nach dem Gutachten: Ergibt sich daraus, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt, ist der Pensionsvorschuss bis zur Entscheidung über den Pensionsantrag weiter zu gewähren; ergibt sich aus dem Gutachten hingegen, dass Arbeitsfähigkeit vorliegt, so ist die Leistung - weil es an der Voraussetzung des § 23 Abs. 2 Z 2 AlVG fehlt - einzustellen (es sei denn, es lägen sämtliche Voraussetzungen für die reguläre Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe vor, was aber bei noch aufrechtem Beschäftigungsverhältnis schon mangels Arbeitslosigkeit zu verneinen ist).
Normen
RS 4
Das Gutachten liegt vor, sobald es erstellt wurde (vgl. auch die

Formulierung in § 23 Abs. 3 AlVG: "wenn ... ein Gutachten zur

Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ... erstellt wurde"). Einer

Zustellung an die Leistungsbezieherin bedarf es für den Eintritt dieser Voraussetzung nicht. Allerdings bleibt es ihr unbenommen, sich nach der Befundaufnahme über das Ergebnis des Gutachtens zu erkundigen, um im Hinblick auf den Entfall des Anspruchs auf Pensionsvorschuss rechtzeitig entsprechende Dispositionen treffen zu können. Ausgehend davon verlangt auch der sozialpolitische Regelungszweck keine andere, über den bloßen Wortlaut hinausgehende Auslegung des § 23 Abs. 4 AlVG. Dann, wenn die Leistung nach Vorliegen des Gutachtens (irrtümlich oder infolge einer verspäteten Kenntnisnahme durch das AMS) noch ausgezahlt wurde, besteht eine Rückforderungsmöglichkeit nur nach Maßgabe des § 25 AlVG; die erschwerten Bedingungen für die Rückforderung bereits ausgezahlter Leistungen gegenüber der bloßen (auch rückwirkend möglichen) Einstellung noch nicht liquidierter Leistungen gelten aber grundsätzlich bei allen Leistungen nach dem AlVG und sind dadurch gerechtfertigt, dass der tatsächliche Empfang einer Leistung im Vergleich zu deren bloßer Erwartung eine größere Schutzwürdigkeit begründet. Die Einstellung des als Vorschuss auf die Berufsunfähigkeitspension gewährten Arbeitslosengeldes mit dem auf das Vorliegen des Gutachtens vom folgenden Monatsersten, dem , ist daher zu Recht erfolgt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher und die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der A B in W, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausplatz 8/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W228 2118501-1/2E, betreffend Einstellung von Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Scheibbs), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Scheibbs (im Folgenden: AMS) das der Revisionswerberin gemäß § 23 Abs. 4 AlVG als Vorschuss auf die Berufsunfähigkeitspension gewährte Arbeitslosengeld gemäß § 24 Abs. 1 AlVG iVm §§ 7 und 12 AlVG ab dem ein. Das dem Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) vom zu Grunde liegende Gutachten der PVA vom habe ergeben, dass Arbeitsfähigkeit vorliege. Daher sei mit der Zuerkennung der Leistung aus der Sozialversicherung nicht zu rechnen. Der Pensionsvorschuss werde mit dem 1. des noch nicht liquidierten Monats eingestellt.

2 In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin vor, sie sei erst durch Zustellung des ablehnenden Bescheides der PVA am schriftlich davon in Kenntnis gesetzt worden, dass ihrem Antrag auf Berufsunfähigkeitspension nicht Rechnung getragen werde. Sie beantrage daher, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und ihr den Pensionsvorschuss bis zur eigentlichen Kenntnisnahme der Ablehnung (Zugang des Bescheides), somit bis , zuzuerkennen. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das AMS die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet ab (Spruchpunkt A). Mit Spruchpunkt B erklärte es die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte es folgenden Sachverhalt fest:

Die Revisionswerberin habe seit Arbeitslosengeld als Vorschuss auf die Berufsunfähigkeitspension, die sie bei der PVA am beantragt habe, bezogen. Auf Grund des Erreichens der Höchstdauer habe sie ihren Krankengeldanspruch am erschöpft. Bis habe sie sich bei der B. EKZ GmbH in einem aufrechten Dienstverhältnis befunden, wobei ihr Entgeltanspruch am (nach der Aktenlage richtig: 2014) geendet habe.

Mit Bescheid vom habe die PVA den Antrag der Revisionswerberin vom auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension mangels Vorliegens von Berufsunfähigkeit abgewiesen. Dieser Entscheidung der PVA liege das ärztliche Gesamtgutachten der PVA vom zugrunde. Die Revisionswerberin habe gegen den Bescheid der PVA vom Klage beim Landesgericht St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht erhoben. Dem AMS sei sowohl der Bescheid vom als auch das Gutachten vom am von der PVA übermittelt worden.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, gemäß § 23 Abs. 1 und 2 AlVG sei für den Bezug vonArbeitslosengeld als Pensionsvorschuss erforderlich, dass abgesehen von der Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereitschaft die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld vorlägen und mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung - im gegenständlichen Fall folglich mit der Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension - zu rechnen sei. Gemäß § 23 Abs. 3 AlVG sei mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung nur zu rechnen, wenn ein Gutachten der PVA erstellt worden sei, aus welchem hervorgehe, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliege.

§ 23 Abs. 4 AlVG sehe Ausnahmen von der Voraussetzung des Abs. 3 vor. So sei bei Personen, die aus einem aufrechten Dienstverhältnis keinen Entgeltanspruch mehr hätten und deren Anspruch auf Krankengeld erschöpft sei, Arbeitslosigkeit anzunehmen und bis zum Vorliegen des entsprechenden Gutachtens gemäß Abs. 3 davon auszugehen, dass Arbeitsfähigkeit nicht gegeben sei. Diese Regelung komme im vorliegenden Fall zum Tragen. Laut ärztlichem Gesamtgutachten der PVA vom liege bei der Revisionswerberin keine Arbeitsunfähigkeit vor. Da gemäß § 23 Abs. 4 AlVG nur bis zum Vorliegen des entsprechenden Gutachtens davon auszugehen sei, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliege, sei der Leistungsbezug zu Recht ab dem gemäß § 24 Abs. 1 AlVG eingestellt worden. Dass das Datum der Gutachtenserstellung relevant sei, erhelle auch "aus dem Gesetzeswortlaut des § 23 Abs. 4 AlVG (,erstellt wurde')".

6 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen können.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

7 1. § 23 Abs. 1 bis 4 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 139/2013 lautet wie folgt:

"§ 23. (1) Arbeitslosen, die die Zuerkennung

1. einer Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit oder eines Übergangsgeldes aus der gesetzlichen Pensions- oder Unfallversicherung oder

2. einer Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters aus der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz oder eines Sonderruhegeldes nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz

beantragt haben, kann bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf diese Leistungen als Vorschuss auf die Leistung Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gewährt werden.

(2) Für die vorschussweise Gewährung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe ist erforderlich, dass

1. abgesehen von der Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereitschaft gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen vorliegen,

2. im Hinblick auf die vorliegenden Umstände mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung zu rechnen ist und

3. im Fall des Abs. 1 Z 2 überdies eine Bestätigung des Pensionsversicherungsträgers vorliegt, dass voraussichtlich eine Leistungspflicht dem Grunde nach binnen zwei Monaten nach dem Stichtag für die Pension nicht festgestellt werden kann.

(3) Mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung im Sinne des Abs. 2 Z 2 ist nur zu rechnen, wenn die jeweils erforderliche Wartezeit erfüllt ist und im Fall einer Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit überdies ein Gutachten zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im Wege der Pensionsversicherungsanstalt erstellt wurde und auf Grund dieses Gutachtens anzunehmen ist, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt.

(4) Der Anspruch kann auch durch eine Vertreterin oder einen Vertreter geltend gemacht werden und ruht entgegen § 16 Abs. 1 lit. c nicht während der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und entgegen § 16 Abs. 1 lit. g nicht während des der regionalen Geschäftsstelle gemeldeten Aufenthaltes im Ausland. Bei Personen, die aus einem aufrechten Dienstverhältnis keinen Entgeltanspruch mehr haben und deren Anspruch auf Krankengeld erschöpft ist, ist bei Beantragung einer Leistung nach Abs. 1 Z 1 Arbeitslosigkeit anzunehmen. Bei Personen, die nach dem vorigen Satz als arbeitslos gelten, und bei Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) wegen der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt ruht und deren Anspruch auf Krankengeld erschöpft ist, ist unter der Voraussetzung, dass sich die betroffene Person so rasch wie möglich der Begutachtung unterzieht, bis zum Vorliegen des entsprechenden Gutachtens gemäß Abs. 3 davon auszugehen, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt."

8 Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch wegfällt. Dies gilt für den Pensionsvorschuss entsprechend, da dieser eine Variante des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe darstellt (vgl. unter vielen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0052, mwN).

9 2. Die Revisionswerberin führt zur Zulässigkeit der Revision aus, die "Rechtsfrage erheblicher Bedeutung" sei, ob sich aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 4 AlVG sowie aus dessen Sinn und Zweck und Gesamtzusammenhang ergebe, dass bei der Revisionswerberin das Datum der Gutachtenserstellung relevant sei und nicht jenes Datum, an dem sie vom Gutachten Kenntnis erlangt habe, nämlich der .

Vom Ergebnis der Lösung dieser Rechtsfrage hänge ab, ob sie einen Rechtsanspruch auf Pensionsvorschuss für den Zeitraum nach dem zumindest bis zum habe. Wäre sie am von der PVA in Kenntnis gesetzt worden, dass diese vom Vorliegen der Arbeitsfähigkeit ausgehe, hätte sie die Möglichkeit gehabt, entsprechende existenzsichernde Schritte zu setzen. Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interpretation bewirke hinsichtlich ihrer Auswirkungen einen für die Revisionswerberin "geradezu willkürlichen Zustand". Es entspreche auch nicht der Intention und dem Ziel des Gesetzgebers, Zeiträume zu kreieren, in denen der Normunterworfene weder einen Anspruch auf Entgelt noch auf Arbeitslosengeld noch auf Pensionsvorschuss habe, ohne dass gleichzeitig ein Fehlverhalten gesetzt worden wäre.

10 In den Revisionsgründen wird weiters ausgeführt, es sei der allgemeine Grundsatz zu beachten, dass Rechtsfolgen erst ab Kenntnis des betroffenen Anspruchswerbers über die relevanten Voraussetzungen eintreten dürften. Zum Zeitpunkt der Einstellung des Pensionsvorschusses mit habe die Revisionswerberin noch auf die positive Erledigung ihres Antrages auf Berufsunfähigkeitspension vertrauen dürfen, weil sie vom Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt vom keine Kenntnis gehabt habe. Mit dem angefochtenen Erkenntnis werde auch der Eindruck erweckt, dass das Bestehen eines Rechtsanspruchs von einem durch die auszahlende Behörde selbst gewählten Datum abhängig gemacht werde; wäre im gegenständlichen Fall das AMS auch nur einige Tage später vom Gutachtensergebnis in Kenntnis gesetzt worden, wäre der Pensionsvorschuss für August bereits ausgezahlt und nicht rückforderbar gewesen.

Weiters sei § 23 Abs. 4 AlVG als Schutzbestimmung konstruiert worden. Diejenigen, die bei aufrechtem Dienstverhältnis und andauerndem Krankenstand ihren Anspruch auf Krankengeld erschöpft hätten, sollten bis zur Entscheidung über ihre Arbeitsfähigkeit im Pensionsverfahren nicht aus jeglichem Leistungsbezug fallen, um ihren Lebensunterhalt gesichert zu erhalten. Es liege nicht im Willen des Gesetzgebers, dass durch eine derartige Vorgangsweise des AMS wiederum Lücken im Leistungsbezug entstünden, über die die versicherte Person erst rückwirkend Kenntnis erlange. Intention des Gesetzgebers sei es gewesen, die Leistung eines Pensionsvorschusses jedenfalls bis zur Kenntnis des Verfahrensausgangs zu gewähren und somit auch erst mit Kenntnis über den entsprechenden Ausgang einzustellen, um soziale Härten zu vermeiden und eine Einkommenssicherung sowie Rechtssicherheit zu gewähren. Durch das angefochtene Erkenntnis werde dieses Ziel gerade nicht erreicht. Er beruhe sohin auf einer Fehlinterpretation der relevanten gesetzlichen Bestimmungen.

11 3. Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der von der Revisionswerberin aufgeworfenen Frage fehlt und sich deren Beantwortung nicht so eindeutig aus dem Gesetz ergibt, dass eine höchstgerichtliche Klärung nicht erforderlich wäre. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

12 4. Nach § 23 Abs. 4 AlVG ist in den dort geregelten Fällen bis zum Vorliegen des entsprechenden Gutachtens gemäß § 23 Abs. 3 AlVG davon auszugehen, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt.

13 Diese Bestimmung ist im Wesentlichen das Ergebnis von zwei Gesetzesänderungen. Zunächst wurden mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012 - 2. StabG 2012, BGBl. I Nr. 35, strengere Voraussetzungen für den Bezug eines Pensionsvorschusses geschaffen, indem konkretisiert wurde, unter welchen Bedingungen mit der Zuerkennung einer Pensionsleistung gerechnet werden kann. Dafür ist es nach dem mit der genannten Novelle neu geschaffenen § 23 Abs. 3 AlVG (der bisherige Abs. 3 wurde in geänderter Form zu Abs. 4) erforderlich, dass im Fall einer Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit zusätzlich zur Erfüllung der Wartezeit ein Gutachten zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im Wege der Pensionsversicherungsanstalt erstellt wurde und auf Grund dieses Gutachtens (seit der Novelle BGBl. I Nr. 106/2015: oder eines späteren gerichtlichen Gutachtens) anzunehmen ist, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt. Für Personen, die aus einem aufrechten Dienstverhältnis keinen Entgeltanspruch mehr haben und deren Anspruch auf Krankengeld erschöpft ist (sodass sie bei der Beantragung des Pensionsvorschusses nach § 23 Abs. 1 Z 1 AlVG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung als arbeitslos gelten), war die Voraussetzung des Abs. 3 gemäß § 23 Abs. 4 in der Fassung des 2. StabG 2012 auch dann erfüllt, wenn "zwar zum Zeitpunkt der Antragstellung noch kein entsprechendes Gutachten vorliegt, aber die betroffene Person sich so rasch wie möglich der Begutachtung unterzieht und das Gutachten ergibt, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt"; (nur) in diesem Fall hatte die vorschussweise Gewährung gemäß § 23 Abs. 4 letzter Halbsatz AlVG rückwirkend ab der Geltendmachung zu erfolgen. Diese Bestimmungen traten mit in Kraft. § 23 Abs. 4 AlVG wurde aber mit dem 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2013 - 2. SVÄG 2013, BGBl. I Nr. 139, rückwirkend mit nochmals geändert und erhielt die oben unter Punkt 1. wiedergegebene Fassung. Demnach ist unter der Voraussetzung, dass sich die betroffene Person so rasch wie möglich der Begutachtung unterzieht, von Anfang an - allerdings nur bis zum Vorliegen des entsprechenden Gutachtens - vom Nichtvorliegen der Arbeitsfähigkeit auszugehen (und somit der Pensionsvorschuss sogleich und nicht erst rückwirkend bei Vorliegen eines entsprechenden Gutachtens auszuzahlen). Dies wurde in der Begründung des Initiativantrages 2362/A 24. GP dahingehend erläutert, dass die betroffenen Versicherten nach der durch das

2. StabG 2012 geschaffenen Rechtslage bis zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch das Gutachten kein Einkommen erhielten und in der Regel auch keinen Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung hätten; auf Grund der Neuregelung der Voraussetzungen für den Pensionsvorschuss gebe es also Fälle, in denen keine soziale Absicherung gegeben sei. Zur Lösung der sozialen Problematik solle die nunmehr vorgeschlagene Änderung rückwirkend in Kraft treten.

14 Der Revisionswerberin ist also darin zuzustimmen, dass die Regelung mit dem Ziel geschaffen wurde, soziale Härten - namentlich Einkommenslücken - möglichst zu vermeiden. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 4 AlVG gilt die darin normierte Annahme, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt, aber nicht bis zur rechtskräftigen Beendigung des Pensionsverfahrens, sondern nur bis zum Vorliegen eines Gutachtens nach § 23 Abs. 3 AlVG. Sobald dieses Gutachten vorliegt, richtet sich die Beurteilung, ob Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt (und damit die Voraussetzung des § 23 Abs. 2 Z 2 AlVG erfüllt ist), nach dem Gutachten: Ergibt sich daraus, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt, ist der Pensionsvorschuss bis zur Entscheidung über den Pensionsantrag weiter zu gewähren; ergibt sich aus dem Gutachten hingegen, dass Arbeitsfähigkeit vorliegt, so ist die Leistung - weil es an der Voraussetzung des § 23 Abs. 2 Z 2 AlVG fehlt - einzustellen (es sei denn, es lägen sämtliche Voraussetzungen für die reguläre Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe vor, was aber bei noch aufrechtem Beschäftigungsverhältnis - wie im Fall der Revisionswerberin - schon mangels Arbeitslosigkeit zu verneinen ist).

15 Das Gutachten liegt vor, sobald es erstellt wurde (vgl. auch die Formulierung in § 23 Abs. 3 AlVG: "wenn ... ein

Gutachten zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ... erstellt

wurde"). Einer Zustellung an die Leistungsbezieherin bedarf es für den Eintritt dieser Voraussetzung entgegen dem Revisionsvorbringen nicht. Allerdings bleibt es ihr unbenommen, sich nach der Befundaufnahme über das Ergebnis des Gutachtens zu erkundigen, um im Hinblick auf den Entfall des Anspruchs auf Pensionsvorschuss rechtzeitig entsprechende Dispositionen treffen zu können. Ausgehend davon verlangt auch der sozialpolitische Regelungszweck keine andere, über den bloßen Wortlaut hinausgehende Auslegung des § 23 Abs. 4 AlVG. Richtig ist, dass dann, wenn die Leistung nach Vorliegen des Gutachtens (irrtümlich oder infolge einer verspäteten Kenntnisnahme durch das AMS) noch ausgezahlt wurde, eine Rückforderungsmöglichkeit nur nach Maßgabe des § 25 AlVG besteht; die erschwerten Bedingungen für die Rückforderung bereits ausgezahlter Leistungen gegenüber der bloßen (auch rückwirkend möglichen) Einstellung noch nicht liquidierter Leistungen gelten aber grundsätzlich bei allen Leistungen nach dem AlVG und sind dadurch gerechtfertigt, dass der tatsächliche Empfang einer Leistung im Vergleich zu deren bloßer Erwartung eine größere Schutzwürdigkeit begründet.

16 5. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Einstellung des als Vorschuss auf die Berufsunfähigkeitspension gewährten Arbeitslosengeldes mit dem auf das Vorliegen des Gutachtens vom folgenden Monatsersten, dem , zu Recht erfolgt ist.

17 6. Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 19459 A/2016
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016080039.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAE-69449