VwGH vom 04.07.2008, 2007/17/0175

VwGH vom 04.07.2008, 2007/17/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde 1. des R in V und

2. der S in S, beide vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Gem- 524613/3-2007-Sl/Shz, betreffend Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Niederneukirchen in 4491 Niederneukirchen, Dorfplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den beschwerdeführenden Parteien für eine näher genannte Liegenschaft Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum bis in der Höhe von EUR 8.307,52 (einschließlich Umsatzsteuer) und für den Zeitraum bis in der Höhe von EUR 11.245,91 (einschließlich Umsatzsteuer) zur Zahlung vor. Begründend führte er aus, laut Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde errechne sich die verbrauchsabhängige Kanalbenützungsgebühr aus den Kubikmetern des aus der gemeindeeigenen Wasserversorgungsanlage bezogenen Wassers. Zur Ermittlung des Wasserverbrauchs 2005 und 2006 sei am bzw. am jeweils der Wasserzählerstand abgelesen worden. Die Höhe des Verbrauchs sei plausibel, da in den genannten Jahren in dem Objekt eine Gastwirtschaft samt Kaffeestube, ein Planungsbüro, die Wohnung des Pächters des Gasthauses und im Durchschnitt ca. 40 Asylwerber untergebracht gewesen seien. Da der Abrechnungszeitraum nicht mit dem Kalenderjahr übereinstimme, sei die Errechnung der Gebühr erfolgt, indem für ein Viertel des Verbrauchs jeweils die Kanalbenützungsgebühr des vorangegangenen Jahres, für drei Viertel jeweils die Kanalbenützungsgebühr des laufenden Jahres herangezogen worden sei.

Die beschwerdeführenden Parteien erhoben dagegen Berufung und brachten im Wesentlichen vor, zwischen Florian W, dem Rechtsvorgänger der beschwerdeführenden Parteien im Grundstückseigentum und der mitbeteiligten Gemeinde sei entsprechend der Niederschrift in der Verhandlung vor dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung am , dem anschließenden Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , der Zusatzvereinbarung zwischen Florian W und der mitbeteiligten Gemeinde vom sowie dem darauf bezogenen Bescheid des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom ein Vertrag abgeschlossen worden, in welchem Florian W von der mitbeteiligten Gemeinde für sich selbst und alle Rechtsnachfolger das Recht zum Bezug einer täglichen Wassermenge von höchstens 6.000 l eingeräumt worden. Kraft ausdrücklicher Vereinbarung sei dafür weder ein Wasserzins noch irgendeine sonstige Gegenleistung zu entrichten. Im Gegenzug sei der mitbeteiligten Gemeinde von Florian W das Recht zur Verwendung einer näher bezeichneten Quelle zur Herstellung der Gemeindewasserleitung eingeräumt worden. Für Florian W sei seine wesentliche Geschäftsgrundlage gewesen, dass er, mit Ausnahme des ausdrücklich vereinbarten Baukostenbeitrages von S 6.500,-- sowie der Instandhaltungskosten der Zuleitung ab Absperrventil sowie der Gebäudeinstallationen keinerlei Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit dem vereinbarten Wasserbezug habe übernehmen müssen. Für die Wassermenge von täglich 6.000 l sei auch keine Kanalbenützungsgebühr zu entrichten. Wenn jetzt im Zusammenhang mit dem damals vereinbarten Wasserbezug eine laufende Kanalbenützungsgebühr vorgeschrieben werde, hätte dies den Wegfall der Geschäftsgrundlage des damals zwischen dem Liegenschaftseigentümer und der mitbeteiligten Gemeinde vereinbarten Dauerschuldverhältnisses zur Folge. Es bleibe auch rätselhaft, wie durch eine Ablesung am bzw. am bereits die Grundlage für eine Jahresabrechnung für 2005 bzw. 2006 geschaffen worden sei.

Mit Erledigung vom wurde der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abgeändert, dass die Kanalbenützungsgebühr nunmehr für die Zeiträume vom bis und bis "" vorgeschrieben werde. Diese mit "Bescheid" überschriebene, bescheidmäßig gegliederte und von der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Gemeinde unterfertigte Erledigung wies auf der ersten Seite den Kopf "Marktgemeinde N. Pol.Bezirk Linz-Land, OÖ", die Postleitzahl und die Telefon- bzw. Faxnummer, sowie die Geschäftszahl, den Gegenstand der Abgabensache sowie die Datierung auf. Sie war an die beschwerdeführenden Parteien adressiert und hatte folgenden Wortlaut:

"Der Gemeinderat hat sich in seiner Sitzung am mit Ihrer Berufung vom auseinander gesetzt und es ergeht auf Grund des hiebei gefassten Gemeinderatsbeschlusses vom folgender Spruch: Gemäß § 211 ff Oö LAO … iVm § 95 Abs. 1 Oö. GemO, … wird der Bescheid der Bürgermeisterin vom wie folgt geändert:…"

Begründend wurde in der genannten Erledigung ausgeführt, dass die von den beschwerdeführenden Parteien ins Treffen geführte Vereinbarung die Kanalbenützungsgebühren nicht erfasst habe. 1951 habe es in der Gemeinde noch keine Abwasserentsorgungsanlage gegeben. Einmal jährlich (Anfang Oktober) werde jeweils der Wasserzähler abgelesen. Der Wasserverbrauch werde errechnet, indem der Zählerstand des Vorjahres vom aktuell abgelesenen Zählerstand abgezogen werde:


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Zählerstand Oktober 2004
943
Zählerstand Oktober 2005
3667
Differenz
2724
= Bemessungsgrundlage
Zählerstand Oktober 2006
7118
Differenz
3451
= Bemessungsgrundlage

Durch die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühren jeweils von Oktober bis September, also entsprechend dem Ablesungszeitraum, sei dem Einwand der beschwerdeführenden Parteien Rechnung getragen worden.

Die beschwerdeführenden Parteien erhoben dagegen Vorstellung, in welcher sie im Wesentlichen ihr Berufungsvorbringen wiederholten. Überdies rügten sie die Ausführungen betreffend die Änderung des Abrechnungszeitraumes als "schlichtweg unverständlich". Was damit gemeint gewesen sei, könne von den beschwerdeführenden Parteien und auch ihrem Rechtsvertreter nicht nachvollzogen werden. Weiters brachten die beschwerdeführenden Parteien vor, das Schreiben sei nicht von den Mitgliedern des Gemeinderates in der erforderlichen Anzahl unterfertigt, sondern lediglich von der Bürgermeisterin unterschrieben. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde sei auch nicht als Absender angeführt. Der Bescheid sei somit "absolut nichtig bzw. sogar ein rechtliches Nullum". Überdies sei der Gemeinderatsbeschluss bereits am gefällt worden. Dass der Berufungsbescheid mit datiert sei, führe ebenfalls zu einer "Nichtigkeit bzw. jedenfalls zu einem wesentlichen Mangel".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, die Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde stütze sich auf § 15 Abs. 3 Z 4 Finanzausgleichsgesetz 2005. Diese Bestimmung sehe nicht vor, dass privatrechtliche Vereinbarungen möglich seien. Solche Vereinbarungen seien für öffentlich-rechtliche Abgabenverfahren nicht von Bedeutung. Gemäß § 7 Abs. 4 der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde sei die Kanalbenützungsgebühr vierteljährlich, und zwar jeweils am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November eines jeden Jahres im Nachhinein zu entrichten. Die Vorschreibung für den Zeitraum bis basierend auf den Zählerständen Oktober 2004 (943 m3), Oktober 2005 (3.667 m3) und Oktober 2006 (7.118 m3) sei daher rechtmäßig gewesen.

Aus der Präambel des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom gehe eindeutig hervor, dass der Gemeinderat über die Berufung entschieden habe. Weiters gehe aus dem Bescheid eindeutig hervor, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am über die Berufung vom entschieden habe. Das Bescheiddatum "" sei lediglich das Ausfertigungsdatum des Bescheides, sodass auch darin keine Rechtsverletzung zu erkennen sei. Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestünden keine Bedenken, dass die Bürgermeisterin einen Intimationsbescheid entsprechend dem Beschluss des Gemeinderates ausgefertigt habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die beschwerdeführenden Parteien Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführenden Parteien bringen wie auch im Vorstellungsverfahren - zusammengefasst - vor, es sei nicht erkennbar, dass die Berufungsentscheidung vom dem Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde zuzurechnen sei.

Nach § 74 Abs. 1 Oö LAO müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörde die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat.

Dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde ist Rechnung getragen, wenn nach objektiven Gesichtspunkten - also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstücks - erkennbar ist, von welcher Behörde die Erledigung erlassen wurde (vgl. die bei Ritz, BAO3, in Tz 2 zu § 96 angeführte hg. Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall enthält die Erledigung vom (siehe die vorstehende Sachverhaltsdarstellung) in ihrer Präambel den Hinweis darauf, dass sie sich auf den Beschluss des Gemeinderates vom gründet; überdies wird in der Rechtsmittelbelehrung auf die Möglichkeit einer Vorstellung verwiesen. Damit ist diese Erledigung unter Bedachtnahme auf die erwähnten Grundsätze dem Gemeinderat zuzurechnen. Dem steht auch nicht die Ausfertigung durch die Bürgermeisterin der mitbeteiligten Gemeinde entgegen, zumal sie in dieser Funktion für die Ausfertigung von Berufungsbescheiden des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde zu sorgen hat (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0219, mwN).

Wenn die beschwerdeführenden Parteien weiters rügen, das Datum der Berufungsentscheidung vom stimme nicht mit jenem der Beschlussfassung des Gemeinderates überein, so sind sie darauf hinzuweisen, dass ohnedies in der genannten Ausfertigung das Datum der Beschlussfassung eindeutig zu entnehmen war.

Die Berufungsentscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei erweist sich jedoch aus anderen Gründen als rechtswidrig:

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat, sofern die Berufung nicht gemäß § 207 Oö LAO zurückzuweisen ist, gemäß § 212 Oö LAO immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Sache im Sinne des § 212 Oö LAO (ebenso wie im Sinne des § 289 Abs. 1 BAO oder des § 66 Abs. 4 AVG) ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid erstmals erlassen. Ein Verstoß dagegen belastet den Berufungsbescheid mangels funktioneller Zuständigkeit der Berufungsbehörde in diesbezüglichem Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0099, mwN).

Die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung betraf insgesamt die Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum bis . Dieser Bescheid wurde von den beschwerdeführenden Parteien "seinem gesamten Inhalt und Umfang nach" mit Berufung angefochten. Sache des Berufungsverfahrens war somit die Abgabenvorschreibung des Zeitraums bis . Indem der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde in seiner Berufungsentscheidung insgesamt über den Zeitraum bis ausgesprochen hat, hat er jedoch die Sache des Berufungsverfahrens insoweit überschritten, als die Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum 1. Oktober bis nicht Gegenstand der vor ihm bekämpften erstinstanzlichen Abgabenvorschreibung war. Hinsichtlich dieses Zeitraums war der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde daher als Abgabenbehörde zweiter Instanz unzuständig.

Da die belangte Behörde dies verkannte und nicht zum Anlass der Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom genommen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am