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VwGH vom 25.03.2010, 2009/21/0216

VwGH vom 25.03.2010, 2009/21/0216

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2009/21/0217

2009/21/0220

2009/21/0219

2009/21/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde 1. des KC,

2. der GC, 3. des SC, 4. der AC und 5. des BC, alle vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom ,

1. Zl. E1/4015/2009 (hg. Zl. 2009/21/0216), 2. Zl. E1/4006/2009 (hg. Zl. 2009/21/0217), 3. Zl. E1/4014/2009 (hg. Zl. 2009/21/0218), 4. Zl. E1/4012/2009 (hg. Zl. 2009/21/0219) und 5. Zl. E1/4010/2009 (hg. Zl. 2009/21/0220), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet. Die 1985, 1989 und 2001 geborenen Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer sind deren Kinder. Alle sind türkische Staatsangehörige.

Mit den angefochtenen, im Wesentlichen inhaltsgleichen und im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom wies die belangte Behörde die Beschwerdeführer gemäß den §§ 31, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie jeweils aus, die Beschwerdeführer seien gemeinsam am illegal nach Österreich eingereist und hätten die Gewährung von Asyl (Erstbeschwerdeführer) bzw. Asylerstreckung (Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer) beantragt. Die Asylverfahren seien "seit gemäß den §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ entschieden". Die Beschwerdeführer hielten sich somit seit dem insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihnen weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Auch komme ihnen nach der Aktenlage kein Aufenthaltsrecht auf Grund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu, was im Übrigen nicht einmal behauptet worden sei. Bereits ein mehrmonatiger (hier mehr als fünf Monate andauernder) unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, weshalb die Ausweisung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu deren Wahrung dringend geboten sei.

Der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich dauere - so argumentierte die belangte Behörde in ihrer Abwägung nach § 66 FPG - bereits "mehr als sieben Jahre" an. Sie beherrschten die deutsche Sprache in Wort und Schrift. Der Erstbeschwerdeführer sei seit , der Drittbeschwerdeführer seit unselbständig berufstätig. Die Zweitbeschwerdeführerin sei Hausfrau. Die Viertbeschwerdeführerin habe vom 9. Mai bis zum über eine Saisonbewilligung des AMS Linz verfügt und sei vom 3. Juni bis zum einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Weiters habe sie am Kurs des Österreichischen Roten Kreuzes "Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall" teilgenommen und einen Qualifikationskurs zum Einstieg in Gesundheits- und Pflegeberufe absolviert. Der Fünftbeschwerdeführer habe erfolgreich verschiedene Schulen besucht. Der Lebensunterhalt der Familie werde ohne staatliche Unterstützungen sichergestellt. Die Familie sei unbescholten und ausreichend wohnversorgt. Hieraus folge insgesamt "eine diesen Umständen entsprechende Integration", sodass durch die Ausweisung in erheblicher Weise in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer eingegriffen werde.

Dem sei jedoch gegenüberzustellen, dass das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration maßgebend dadurch gemindert werde, dass der Aufenthalt nur infolge der erwähnten Asylanträge, die sich letztlich jedoch als unberechtigt erwiesen hätten, temporär berechtigt gewesen sei. Den Beschwerdeführern sei bewusst gewesen, dass sie ihr Privat- und Familienleben während eines Zeitraumes "geschaffen haben", in dem sie einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt hätten. Sie hätten von vornherein nicht damit rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang der Asylverfahren weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde unerlaubt nach Österreich begeben und damit die inländischen Behörden vor vollendete Tatsachen stellten. Das gelte auch dann, wenn Fremde nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Den - gemeinsam ausgewiesenen - Beschwerdeführern, die Angehörige in der Türkei hätten, sei eine Reintegration im Heimatstaat zuzumuten. Vor diesem Hintergrund seien auch keine besonderen Gerichtspunkte zu sehen, die eine Übung des der Behörde eingeräumten Ermessens zu Gunsten der Beschwerdeführer gerechtfertigt hätten. Auch die Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen mache die Erlassung einer Ausweisung nach der seit geltenden neuen Rechtslage nicht unzulässig.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird zugestanden, dass die Asylverfahren der Beschwerdeführer rechtskräftig beendet sind. Auch sind der Beschwerde keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - bei einem der Beschwerdeführer vorläge. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, sodass keine Bedenken gegen die behördliche Annahme bestehen, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Auch ändert - entgegen der in Beschwerde vertretenen Ansicht -

die am erfolgte Anregung auf Erteilung humanitärer Aufenthaltstitel nichts an der Zulässigkeit einer Ausweisung (vgl. grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0293).

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und

die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung,

insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und

Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des

Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."

Unter diesem Gesichtspunkt kritisieren die Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe keine ausreichende Interessenabwägung vorgenommen. Sie verweisen auf die mehr als siebenjährige Aufenthaltsdauer aller Familienmitglieder, die an der Dauer des Asylverfahrens kein Verschulden treffe, und auf die während dieser Zeit erlangte Integration. Erst- und Drittbeschwerdeführer seien kontinuierlich seit Mai 2003 berufstätig gewesen, die Zweitbeschwerdeführerin habe die Familie als Hausfrau versorgt. Die Viertbeschwerdeführerin habe nach erfolgreichem Schulbesuch verschiedene Kurse absolviert und strebe eine Ausbildung zur Altenpflegerin an. Der Fünftbeschwerdeführer besuche erfolgreich die Volksschule. Weiters führen sie die Schaffung eines Freundes- und Bekanntenkreises sowie den Aufenthalt von Geschwistern und Onkeln in Österreich ins Treffen. Die gesamte Familie sei bestens integriert, völlig unbescholten und ausreichend wohnversorgt. Dagegen fehlten nennenswerten Bindungen zum Heimatstaat. Alle Beschwerdeführer hätten sich jahrelang, der Fünftbeschwerdeführer praktisch sein ganzes Leben lang, in Österreich aufgehalten.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde die erwähnten integrationsbegründenden Umstände ohnehin in ihre Interessenabwägung einbezogen hat. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer hätte sie daraus aber nicht ableiten müssen, ihre Ausweisung aus Österreich sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der im § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig: Der - von der Einreise im Juni 2002 beginnend rund siebenjährige - Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich war nämlich durch eine illegale Einreise begründet worden und hat - soweit er rechtmäßig war - auf einem von den zuständigen Behörden als unbegründet erachteten Asylantrag des Erstbeschwerdeführers beruht. Es ist daher schon die illegale Einreise als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die Interessenabwägung einzubeziehen. Seit rechtskräftiger Beendigung der Asylverfahren ist der Aufenthalt als unrechtmäßig zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Gesamtverhalten der Beschwerdeführer eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Auch trifft es zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. zum Ganzen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0165 m.w.N.).

Demgegenüber reichen die geltend gemachten Umstände auch in Verbindung mit der relativ langen Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden und akzeptiert werden müssen, dass die Beschwerdeführer mit ihrem Verhalten letztlich versuchen, in Bezug auf ihren Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des privaten Interesses der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass sie im Hinblick auf die bereits am gegenüber dem Erstbeschwerdeführer ergangene erstinstanzliche Asylentscheidung nicht damit rechnen durften, dass sie dauernd in Österreich würden verbleiben können. Deshalb ist das Gewicht der mittlerweile erlangte Integration (vor allem unselbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch, Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises, Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache) dadurch gemindert, dass sie sich während der meisten Zeit des Inlandsaufenthaltes ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten. In diesem Zusammenhang fällt auch die strafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer nicht entscheidend ins Gewicht. Ein Verschulden an der langen Dauer des Asylverfahrens hat ihnen auch die belangte Behörde nicht vorgeworfen.

Auch dem in seinem zweiten Lebensjahr nach Österreich eingereisten Fünftbeschwerdeführer ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes eine Rückkehr in sein Heimatland (gemeinsam mit seiner Familie) zuzumuten, weil im Hinblick auf sein jugendliches Alter (Besuch der Volksschule) von einer noch hohen Anpassungsfähigkeit auszugehen ist (vgl. das eine ähnliche Konstellation betreffende hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2008/21/0081 bis 0084).

Soweit die Beschwerdeführer schließlich rügen, dass sie die belangte Behörde nicht vorgeladen und einvernommen habe, um einen persönlichen Eindruck von ihnen zu gewinnen, ist dem zu entgegnen, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0178, m.w.N.). Parteiengehör ist ihnen ausreichend, etwa bei der Abgabe ihrer Stellungnahmen vom oder der Erhebung der Berufungen vom , zugekommen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am