VwGH vom 15.12.2011, 2009/21/0215
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des O, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Kiew vom , betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, stellte am bei der österreichischen Botschaft in Kiew (der belangten Behörde) unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblattes den Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für einen Aufenthalt vom 4. bis . Unter der Rubrik "Reisezweck" kreuzte er im Formular die Variante "Besuch von Familienangehörigen oder Freunden" an; auf dem Antragsformular findet sich der botschaftsinterne Vermerk "Einladerin ist Freundin von seiner Mutter, Mutter arbeitet dort (putzt in Hotel)". Weiters kreuzte er unter der Rubrik "Mittel zur Bestreitung Ihres Lebensunterhalts während Ihres Aufenthalts" im Formular die Felder "Bar", "Unterkunft" und "Reise- und/oder Krankenversicherung" an (wobei er für die Versicherung eine Gültigkeitsdauer bis angab). Dem Antrag beigeschlossen war u.a. eine Verpflichtungserklärung der T., in der diese erklärte, für den Unterhalt und die Unterkunft der eingeladenen Person aufzukommen. In der Verpflichtungserklärung war ein Nettoeinkommen der Unterzeichnerin in der Höhe von EUR 1.080,-- angegeben. Weiters lagen dem Antrag eine Einkommensbestätigung der Mutter des Beschwerdeführers, wonach diese monatlich EUR 1.278,84 brutto beziehe, und eine Einkommensbestätigung des Beschwerdeführers selbst über monatlich UAH 3.000,-- (laut Gegenschrift der belangten Behörde umgerechnet knapp EUR 300,--) bei.
Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer unter Verwendung eines Vordrucks mit, seitens der Behörde würden keine weiteren Dokumente mehr benötigt. Dem Antrag könne jedoch nicht stattgegeben werden, weil Grund zu der Annahme bestehe, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, weil er keine tragfähige Verpflichtungserklärung vorgelegt habe. Vor einer endgültigen Entscheidung über seinen Antrag werde dem Beschwerdeführer jedoch die Möglichkeit gegeben, innerhalb von zwei Wochen eine abschließende Stellungnahme zu erstatten.
Der Beschwerdeführer gab in der Folge eine derartige Stellungnahme (datiert mit ) ab, in der er erklärte, seine Mutter (gemeinsam mit seinem Bruder) während des Sommerurlaubs besuchen zu wollen. Eine Freundin seiner Mutter habe ihn eingeladen. Er wies darauf hin, dass er über genügend Geld für die Reise verfüge und auch von seinen Eltern unterstützt werde. Weiters legte er einen Kontoauszug seiner Mutter mit einem Guthabensstand von EUR 6.188,83 und die Kopie eines Sparbuchs seiner Mutter mit einem Guthabensstand von EUR 6.611,15 vor (wobei, worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift hinweist, ein Betrag in der Höhe von EUR 5.700,-- nur kurzfristig vom Sparbuch abgehoben und auf das Konto eingezahlt worden sein dürfte, sodass dieser Betrag auf den vorgelegten Belegen zwei Mal aufgeschienen ist, obwohl er anscheinend nur einmal vorhanden war).
Ungeachtet dieser Stellungnahme wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde den Versagungsgrund nach § 21 Abs. 5 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als gegeben erachtete.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa finden sich in § 21 FPG. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift - auszugsweise -
wie folgt:
"Erteilung von Visa
§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn
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1. | dieser ein gültiges Reisedokument besitzt; |
2. | die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint; |
3. | öffentliche Interessen der Erteilung des Visums nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer, als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen und |
4. | kein Versagungsgrund (Abs. 7) wirksam wird. |
... |
(4) Die Behörde hat bei der Beurteilung der nach Abs. 1 Z 3 zu treffenden Interessensabwägung jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthalts des Fremden ausgehend
1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und gegebenenfalls die Dauer seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet und
2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange und die Volksgesundheit
Bedacht zu nehmen.
(5) Öffentliche Interessen stehen der Erteilung eines Visums insbesondere dann entgegen, wenn
...
3. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs;
...
(6) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens von Tatsachen gemäß Abs. 5 Z 1, 2 oder 3 ein Visum erteilen, wenn ... auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten.
..."
Wie dargestellt, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung nur mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 5 Z 3 FPG begründet. Das allein würde freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel darstellen, wenn (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG) der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest aus dem Akt nachvollziehbar wäre (vgl. grundlegend den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/21/0216).
Das ist vorliegend indes nicht der Fall. Wie schon erwähnt, hat der Beschwerdeführer seinem Antrag eine Verpflichtungserklärung der T., der Freundin seiner Mutter, beigelegt, aus der sich ergibt, dass sie über ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.080,-- verfüge und keine Sorgepflichten habe. Es ist schon nicht ersichtlich, warum die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, die Verpflichtungserklärung der T. sei nicht tragfähig bzw. es könne ungeachtet derselben zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft kommen, hat doch der Beschwerdeführer nur einen Aufenthalt von weniger als vier Wochen beabsichtigt und - von der belangten Behörde unbestritten - erklärt, in Österreich über eine Unterkunft (wie sich aus der Verpflichtungserklärung ergibt: bei seiner Mutter) zu verfügen und eine Reise(kranken)versicherung abgeschlossen zu haben. Ausgehend davon erscheint aber grundsätzlich auch ein monatliches Nettoeinkommen der T. in der Höhe von EUR 1.080,-- ausreichend, um den Aufenthalt des Beschwerdeführers zu finanzieren (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0012 bis 0014). Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführt, vom Monatseinkommen der T. seien Mietkosten in der Höhe von EUR 630,-- abzuziehen gewesen, übersieht sie, dass die in der elektronischen Verpflichtungserklärung angegebene "Unterkunftsmiete" offenbar nicht die von der Unterzeichnerin der Verpflichtungserklärung zu tragenden Mietkosten, sondern die Mietkosten der Mutter, bei der der Beschwerdeführer wohnen sollte, bezeichnet hat.
Da sich somit dem Akt keine schlüssige Begründung für die mangelnde Tragfähigkeit der Verpflichtungserklärung der T. entnehmen lässt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, inwieweit bei der Beurteilung, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, auch die finanziellen Mittel seiner Mutter einzubeziehen gewesen wären, obwohl diese keine Verpflichtungserklärung abgegeben hatte.
Der Aktenlage lässt sich darüber hinaus auch nicht entnehmen, dass die belangte Behörde die nach § 21 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 4 FPG erforderliche Interessenabwägung vorgenommen hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0578, mwN). Auch von daher ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil es in den Pauschalbeträgen nach der genannten Verordnung keine Deckung findet.
Wien, am
Fundstelle(n):
VAAAE-69416