VwGH vom 18.04.2008, 2007/17/0169
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des CD in L, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner und Mag. Sylvia Schrattenecker, Rechtsanwälte in 4490 St. Florian, Marktplatz 10, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom , Zl. Jv 1601-33/06, Rev 41/06, betreffend Gerichtskosten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom wurde Rechtsanwalt Dr. S gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter des Beschwerdeführers bestellt. Es wurde verfügt, dass Dr. S einen näher umschriebenen Kreis von Angelegenheiten zu besorgen hat. Darüber hinaus wurden die Kosten des Verfahrens "in derzeit noch unbekannter Höhe" dem Beschwerdeführer in Anwendung des § 252 Abs. 2 des damals in Kraft gestandenen Außerstreitgesetzes, RGBl. Nr. 208/1854, auferlegt.
Am beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der Sachwalterschaft. Im Zuge des über diesen Antrag durchgeführten Verfahrens erwuchsen Sachverständigengebühren, welche mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom bzw. vom mit EUR 156,40 bzw. mit EUR 105,10 bestimmt wurden. Die vorschussweise Berichtigung dieser Gebühren aus Amtsgeldern wurde verfügt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom wurde ausgesprochen, dass die Sachwalterschaft über den Beschwerdeführer aufrecht bleibe. Eine Kostenentscheidung enthält dieser Beschluss nicht. Er erwuchs in Rechtskraft.
Mit Zahlungsauftrag der Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Linz vom wurden dem Beschwerdeführer die amtswegig ausbezahlten Sachverständigengebühren als Gerichtskosten zuzüglich einer Einhebungsgebühr von EUR 7,--, insgesamt sohin EUR 268,50, zur Zahlung vorgeschrieben.
Gegen diesen Zahlungsauftrag richtete sich ein Berichtigungsantrag des Beschwerdeführers.
Darin vertrat er die Auffassung, vorliegendenfalls sei § 2 des gerichtlichen Einbringungsgesetzes, BGBl. Nr. 288/1962 (im Folgenden: GEG), nicht anwendbar. Maßgeblich sei vielmehr § 129 des Außerstreitgesetzes, BGBl. I Nr. 111/2003 (im Folgenden: AußStrG). Dieser sehe eine Kostentragungspflicht des Betroffenen lediglich im Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters, zur Erweiterung der Sachwalterschaft oder im Verfahren nach § 131 AußStrG vor. In allen anderen Fällen habe der Bund die Kosten nach dem zweiten Satz des § 129 AußStrG endgültig selbst zu tragen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde diesem Berichtigungsantrag nicht stattgegeben.
Nach Schilderung des Verfahrensganges sowie nach Wiedergabe des § 129 AußStrG führte die belangte Behörde aus, die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach vorliegendenfalls nicht § 2 GEG, sondern § 129 AußStrG maßgeblich sei, treffe zu.
Entsprechend dem Rechtsfürsorgecharakter des Verfahrens außer Streitsachen solle grundsätzlich der Staat die Kosten vorschießen. Werde das Verfahren eingestellt, der Sachwalter enthoben oder seine Vertretungsbefugnis eingeschränkt, so trage der Bund die Kosten endgültig. Werde hingegen ein Sachwalter bestellt oder die Sachwalterschaft erweitert, so seien die Kosten der betroffenen Person - soweit dadurch nicht ihr notwendiger Unterhalt oder der ihrer Familie, für die sie zu sorgen habe, gefährdet werde - aufzuerlegen. Gemäß § 123 Abs. 1 Z 6 AußStrG habe das Gericht im Bestellungsbeschluss bzw. im Beschluss über die Beendigung, Einschränkung oder Erweiterung der Sachwalterschaft über die Kosten abzusprechen. Vorliegendenfalls sei ein solcher Abspruch im Beschluss vom erfolgt. Dieser Abspruch gelte für das gesamte Verfahren. Da der Anregung des Beschwerdeführers auf Aufhebung der Sachwalterschaft vom zuständigen Gericht mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom nicht entsprochen worden sei, gelte auch der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom weiter und begründe daher eine Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Ersatz der hier aufgelaufenen Sachverständigengebühren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 Abs. 1 GEG in der Fassung BGBl. I Nr. 131/2001 lautet (auszugsweise):
"§ 2. (1) Die im § 1 Z 5 genannten Kosten sind, sofern hiefür kein Kostenvorschuss (§ 3) erlegt wurde oder keine andere Regelung getroffen ist, aus Amtsgeldern zu berichtigen; diese und die im § 1 Z 7 genannten Kosten sind dem Bund von der Partei zu ersetzen, die nach den bestehenden Vorschriften hiezu verpflichtet ist. Hiebei ist, wenn über die Kostenersatzpflicht der Parteien schon rechtskräftig entschieden worden ist, von dieser Entscheidung auszugehen. Mangels einer Vorschrift oder Entscheidung sind diese Beträge von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlasst haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde.
..."
§ 244 , § 251 und § 252 des Außerstreitgesetzes RGBl. Nr. 208/1854 in der Fassung BGBl. Nr. 136/1983, wie sie im Jahr 1998 in Geltung standen, lauteten (auszugsweise):
"§ 244. Der Beschluss über die Bestellung des Sachwalters hat zu enthalten
...
5. den Ausspruch über die Kosten.
...
Beendigung, Einschränkung und Erweiterung der Sachwalterschaft
§ 251. Die §§ 236 bis 250 sind auf die Beendigung, die Einschränkung oder die Erweiterung der Sachwalterschaft entsprechend anzuwenden; von der Beiziehung eines Sachverständigen kann abgesehen werden.
Kosten
§ 252. Die Kosten des Verfahrens hat der Bund vorzuschießen.
Wird ein Sachwalter bestellt oder die Sachwalterschaft erweitert, so hat das Gericht den Betroffenen ganz oder teilweise zum Ersatz der Kosten zu verpflichten, soweit es mit Rücksicht auf seine Lebensverhältnisse, besonders sein Einkommen, sein Vermögen und seine Sorgepflichten, der Billigkeit entspricht; im Übrigen hat die Kosten der Bund zu tragen."
In den Erläuternden Bemerkungen zur letztgenannten Gesetzesbestimmung 742 BlgNR, XV. GP, 26, heißt es:
"Dem ausgeprägten Rechtsfürsorgecharakter des Sachwalterbestellungsverfahrens trägt auch die besondere Kostenregelung Rechnung (§ 252). Grundsätzlich soll der Bund die Kosten vorschießen. Wird das Verfahren eingestellt, der Sachwalter enthoben oder seine Vertretungsmacht eingeschränkt, so soll der Bund die Kosten endgültig tragen; diese Maßnahmen führen ja zu einer Einschränkung des Aufwandes des Gerichtes. Wird dem Betroffenen hingegen ein Sachwalter bestellt oder dessen Vertretungsmacht erweitert, so hat dies - zum Nutzen des Betroffenen - eine Vermehrung des Aufwandes des Gerichtes zur Folge. Das Gericht hat daher in diesen Fällen den Betroffenen - freilich nur im Rahmen der Billigkeit - zum Ersatz der Kosten zu verpflichten; dabei hat es auf seine Lebensverhältnisse, also vor allem das Einkommen, das Vermögen und die Sorgepflichten, Bedacht zu nehmen."
§ 123 Abs. 1, § 128 Abs. 1 und § 129 AußStrG lauten
(auszugsweise):
"9. Abschnitt
Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen
...
Bestellung
§ 123. (1) Der Beschluss über die Bestellung des Sachwalters hat zu enthalten:
...
6. den Ausspruch über die Kosten;
...
Beendigung, Einschränkung und Erweiterung der Sachwalterschaft
§ 128. (1) Die Vorschriften für das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters sind auch auf das Verfahren über die Beendigung, Einschränkung und Erweiterung der Sachwalterschaft sinngemäß anzuwenden; dem bereits bestellten Sachwalter kommen dabei die Aufgaben des Verfahrenssachwalters zu.
...
Kosten
§ 129. Wird ein Sachwalter bestellt, die Sachwalterschaft erweitert oder ein Verfahren nach § 131 durchgeführt, so sind die dem Bund erwachsenen Kosten der betroffenen Person aufzuerlegen, soweit dadurch nicht ihr notwendiger Unterhalt oder der ihrer Familie, für die sie zu sorgen hat, gefährdet wird. Im Übrigen hat der Bund die Kosten endgültig zu tragen."
Wie den Materialien zur Stammfassung des AußStrG (RV 224 BlgNR, 22. GP, 84) zu entnehmen ist, sollte durch die Neuformulierung des § 129 AußStrG lediglich eine Klarstellung betreffend die vermögensrechtlichen Voraussetzungen der Heranziehung des Betroffenen zur - nunmehr ausschließlich gänzlichen - Kostentragung (nicht aber - von der Einbeziehung des § 131 AußStrG abgesehen - eine Änderung des Kreises der von der Kostenersatzpflicht umfassten Verfahren) bewirkt werden.
Bei den hier vorgeschriebenen Sachverständigengebühren handelt es sich um aus Amtsgeldern berichtigte Kosten im Verständnis des § 2 Abs. 1 erster Satz GEG. Diese sind dem Bund von der Partei zu ersetzen, die nach den bestehenden Vorschriften hiezu verpflichtet ist. Im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kostenersatzpflicht durch das Gericht ist von dieser Entscheidung auszugehen.
Die belangte Behörde vertritt zunächst die Auffassung, eine solche rechtskräftige Entscheidung sei schon im Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom zu erblicken. Dies ist jedoch unzutreffend:
Der in Rede stehende Beschluss wurde ausdrücklich auf die damals in Kraft gestandene Bestimmung des § 252 Abs. 2 des Außerstreitgesetzes, RGBl. Nr. 208/1854, gestützt. Diese Bestimmung sah jedoch (vgl. hiezu auch die tiefer stehenden Ausführungen zur Nachfolgebestimmung des § 129 AußStrG) ausschließlich eine Kostenersatzpflicht für den Fall der Bestellung eines Sachwalters (bzw. der Erweiterung seiner Befugnisse) vor, wobei § 244 Z 5 leg. cit. anordnete, dass der Beschluss über die Bestellung des Sachwalters auch den Ausspruch über die Kosten zu enthalten habe. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom somit gesetzeskonform dahingehend zu verstehen, dass damit lediglich eine Entscheidung über die Kostenersatzpflicht betreffend das Verfahren zur Sachwalterbestellung (welches durch den zitierten Beschluss im Sinne der Bestellung eines solchen abgeschlossen wurde) getroffen werden sollte, nicht jedoch über künftig entstehende Kosten in einem Verfahren betreffend einen damals noch nicht anhängigen Antrag auf Aufhebung der Sachwalterschaft. Dies folgt überdies aus dem Verweis des § 251 leg. cit. auf § 244 Z 5 leg. cit., welcher entbehrlich wäre, falls über künftige Kosten eines Abberufungsverfahrens schon im Bestellungsbeschluss abzusprechen wäre. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass in dem zitierten Beschluss ausgeführt wurde, die Höhe der Kosten seien "derzeit noch unbekannt". Diese Formulierung bezieht sich nämlich nicht etwa auf noch gar nicht entstandene Kosten künftiger Verfahren, sondern vielmehr auf die von dem damals im Verfahren zur Sachwalterbestellung beigezogenen Sachverständigen erst mit Honorarnote vom (bei Gericht eingelangt am ) bekannt gegebenen Kosten der Teilnahme an der Verhandlung vom (eine Bestimmung der im Bestellungsverfahren aufgelaufenen Sachverständigengebühren ist erst mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom erfolgt).
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom enthält keine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zur Beendigung der Sachwalterschaft. Maßgebend für die Kostenersatzpflicht ist daher die Frage, ob der Beschwerdeführer "nach den bestehenden Vorschriften" zum Kostenersatz verpflichtet ist. Diese Frage richtet sich - wie die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zutreffend erkannten - nach § 129 AußStrG. Die in Rede stehende Gesetzesbestimmung ordnet - soweit für den vorliegenden Fall von Relevanz - an, dass die dem Bund erwachsenen Kosten der betroffenen Person (unter den dort umschriebenen Voraussetzungen) aufzuerlegen sind, wenn ein Sachwalter bestellt wird.
Dieser Gesetzeswortlaut, insbesondere die Verwendung der Gegenwartsformen "wird" und "sind ... aufzuerlegen" legt die Auslegung nahe, dass die in Rede stehende Anordnung sich ausschließlich auf den Fall des § 123 Abs. 1 Z 6 AußStrG bezieht, also dass gleichzeitig mit der Bestellung des Sachwalters die dem Bund zuvor (hier durch Entstehen seiner Vorschusspflicht schon dem Grunde nach) erwachsenen Kosten des zur Bestellung geführt habenden Verfahrens aufzuerlegen sind. Hingegen sind dem Bund erst zukünftigerwachsende Kosten von Beendigungsverfahren nach § 128 AußStrG vom ersten Satz des § 129 AußStrG nicht betroffen.
Eine Auslegung, wonach für den Fall, dass ein Sachwalter bestellt wurde, sämtliche Kosten nach dem 9. Abschnitt des AußStrG der betroffenen Person jeweils nach ihrer Entstehung aufzuerlegen seien, liegt demgegenüber nicht nahe, weil der Gesetzgeber diesfalls wohl eine andere Formulierung gebraucht hätte (etwa: Ist oder wurde ein Sachwalter bestellt...). Wie die oben wiedergegebenen Materialien zur Vorgängerbestimmung des § 129 AußStrG, nämlich zu § 252 des Außerstreitgesetzes RGBl. Nr. 208/1854, zeigen, war ein solcher Ergebnis jedenfalls für den Fall der Enthebung des Sachwalters auch nicht intendiert.
Die offenbar von der belangten Behörde vertretene Auslegung, wonach die Kostenersatzpflicht hinsichtlich eines Verfahrens zur Enthebung eines Sachwalters von dessen Ausgang (Enthebung oder Nichtenthebung) abhängig sein soll, findet im Wortlaut des § 129 AußStrG aber keinesfalls Deckung. Damit kann es jedoch dahinstehen, ob die Materialien zu § 252 des Außerstreitgesetzes RGBl. Nr. 208/1854 (welche freilich die hier vorliegende Konstellation gleichfalls nicht ausdrücklich behandeln) eine solche Interpretation allenfalls nahe legen würden.
Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am