VwGH vom 08.09.2009, 2007/17/0160
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des M Z in E, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-241.076, betreffend Abgabennachsicht bezüglich der Festsetzung der Kriegsopferabgabe für den Zeitraum Mai 2005 bis Mai 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Anträgen vom bzw. vom begehrte der Beschwerdeführer die Abschreibung der fälligen Abgabenschuld in Höhe von EUR 27.361,80 bzw. EUR 17.082,65. In beiden Anträgen brachte er im Wesentlichen übereinstimmend vor, er habe durch den Betrieb seines Casinos und der Gastronomie einen monatlichen Umsatz von ca. EUR 30.000,-- bis EUR 35.000,--, wobei in den letzten Monaten ein Rückgang an Casinobesuchern zu verzeichnen gewesen sei. Diesem Umsatz stünden "enorm hohe Kosten" gegenüber, die näher aufgeschlüsselt wurden und sich insgesamt auf ca. EUR 30.000,-- beliefen. Im gegenständlichen Fall sei die Leistung der Abgabenschuld in Höhe von EUR 27.361,80 (bzw. EUR 17.082,65) für den Beschwerdeführer "zweifelsohne existenzbedrohend, ja vermutlich existenzzerstörend, dies auf Grund des eindeutigen Umsatzrückganges". Er, der Beschwerdeführer, leiste regelmäßig Kriegsopferabgabe in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe und habe kein Verhalten gesetzt, das die Einbringlichkeit dieser Abgaben gefährde.
In seiner Berufung gegen den den Anträgen nicht stattgebenden Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die Abgabenverbindlichkeiten für den Zeitraum Mai 2005 bis Dezember 2005 bzw. Jänner 2006 bis Mai 2006 betrügen nunmehr insgesamt EUR 44.444,45. Zu diesem Ergebnis seien die Abgabenbehörden dadurch gekommen, dass sie die geschätzten Einspielergebnisse zu den eingehobenen Eintrittsgeldern als Bemessungsgrundlage für die Kriegsopferabgabe hinzugefügt habe. Diese Vorgehensweise sei nicht richtig. Im Hinblick auf seine finanzielle Situation wiederholte er das bereits in den Anträgen erstattete Vorbringen.
Mit dem Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, die Kriegsopferabgabe sei zutreffend unter Berücksichtigung der Spieleinsätze als Eintrittsgeld berechnet worden. Seit Übernahme des Casinos durch den Beschwerdeführer seien sämtliche Kriegsopferabgabevorschreibungen erfolglos vom Nachsichtswerber bekämpft worden; die Abgabenbehörde erster Instanz versuche die ausstehenden Abgaben im Wege der Exekution einzubringen.
Der Beschwerdeführer mache als Berufungswerber persönliche Unbilligkeit, welche sich aus seiner wirtschaftlichen Situation ergebe, geltend. Er argumentiere, dass mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für ihn finanzielle Nachteile verbunden wären. Zwar habe er in seinem Antrag konkrete ziffernmäßige Angaben über seine Ausgaben- und Einnahmensituation im Casino gemacht. Diese seien jedoch nicht mit Unterlagen belegt worden. Auch habe er keine Aussagen zu seinen Vermögensverhältnissen gemacht, die es der belangten Behörde ermöglichten zu beurteilen, ob ihm durch die Einhebung der Abgabe ein unverhältnismäßiger Nachteil erwachse. Es sei jedoch Sache des Nachsichtswerbers im Sinne der ihn treffenden erhöhten Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden könne. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden seien und die jeden gleich berühren könnten, stellten eine Unbilligkeit dagegen nicht dar. Nachteilige Folgen, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage träfen, Konjunkturschwankungen oder Geschäftsvorfälle, die dem Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses zuzuordnen seien, rechtfertigten eine Nachsicht nicht.
Da im gegenständlichen Fall jedoch die angespannte finanzielle Situation des Beschwerdeführers durch den Besucherrückgang bedingt sei, sei der Tatbestand der persönlichen Unbilligkeit nicht erfüllt. Auch das Kriterium der sachlichen Unbilligkeit sei nicht gegeben. Darüber hinaus zeige das bisherige steuerliche Zahlungsverhalten des Beschwerdeführers, dass er auf Zahlungsaufforderrungen nicht reagiert habe; die aushaftenden Beträge müssten mittels gerichtlicher Exekution eingefordert werden. Derzeit liefen sechs Exekutionen im Gesamtausmaß von EUR 127.860,54. Zwar bringe der abgabepflichtige Beschwerdeführer vor, dass er monatlich ordnungsgemäß die Kriegsopferabgabe entrichte, allerdings nicht in dem ihm vorgegebenen Umfang. Eine Änderung der Vermögens- und Einkommenssituation des Beschwerdeführers sei nicht zu erwarten; möglicherweise drohe die Schließung des Casinos, was die Einbringung der Abgabe gefährde.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit sich der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof (wieder) dagegen wendet, dass die Abgabenbehörden bei der Berechnung der Kriegsopferabgabe die Spieleinsätze als Eintrittsgeld der Bemessungsgrundlage hinzurechnet, genügt der Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/15/0128, und vom heutigen Tag, Zlen. 2009/17/0119 bis 0122, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG. In dem letztgenannten Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer gegenüber ausgesprochen, dass die Spieleinsätze auch dann in die Bemessungsgrundlage für die Kriegsopferabgabe einzubeziehen seien, wenn daneben noch ein (weiteres) Eintrittsgeld von EUR 1,-- pro Besucher eingehoben werde.
Die Nachsicht fälliger Abgabenschuldigkeiten ist in § 102 des (Vorarlberger) Abgabenverfahrensgesetzes, LGBl. Nr. 23/1984, geregelt. Danach können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre (Abs. 1), wobei diese Bestimmung auch auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung findet (Abs. 2 erster Satz leg. cit.). Durch die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten erlischt der Abgabenanspruch (§ 102 Abs. 3 in Verbindung mit § 101 Abs. 2 leg. cit.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auch zum inhaltsgleichen § 236 Abs. 1 BAO, setzt der Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder Steuergegenstandes gelegenen Sachverhaltselementes voraus, aus dem sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den in jenem subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt. Dies wird insbesondere immer dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren können, bilden keine Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann gegeben sein, wenn bei Anwendung des Gesetzes im Einzelfall ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Die zitierte Bestimmung soll der Abgabenbehörde die Möglichkeit eröffnen, eine in Folge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern. Nachteilige Folgen, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage treffen, Konjunkturschwankungen oder Geschäftsvorfälle, die den Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses zuzuordnen sind, rechtfertigen eine Nachsicht nicht (vgl. zur Nachsicht von Kriegsopferabgabe nach dem Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0218, mit weiteren Nachweisen; vgl. überdies zu § 236 BAO etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/15/0101 und vom , Zl. 2004/15/0150, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist persönliche Unbilligkeit unter anderem dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte. Andererseits liegt auch dann, wenn der Abgabepflichtige in der Lage ist, den Lebensunterhalt seiner Angehörigen ausreichend zu sichern, eine Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen nicht vor (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/15/0150, mit weiteren Nachweisen).
Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0218, mit weiteren Nachweisen sowie das bereits gleichfalls zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/15/0150, gleichfalls mit weiteren Nachweisen).
Im hier zu beurteilenden Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer zwar Angaben hinsichtlich des Umsatzes des von ihm betriebenen Casinos gemacht, diese aber weiter nicht belegt. Darüber hinaus hat er nach dem Akteninhalt keinerlei Angaben über seine (sonstigen) Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemacht, sodass schon deswegen die Behörde nicht in die Lage versetzt war, die (allfällige) Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe nach der Lage des Falles zu erkennen.
Der Beschwerdeführer beruft sich weiters auf einen Umsatzrückgang. Damit macht er aber - schon vom Ansatzpunkt seines Vorbringens her - nur einen Umstand geltend, der sich im Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses bewegt, was nach der wiedergegebenen Rechtsprechung gleichfalls eine Nachsicht nicht rechtfertigt.
Da sohin das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit im Beschwerdefall nicht gegeben war, bestand für die belangte Behörde weiters auch kein Anlass, in den Bereich der Ermessensübung einzutreten.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere dessen § 3 Abs. 2.
Wien, am