VwGH vom 22.10.2007, 2007/17/0154

VwGH vom 22.10.2007, 2007/17/0154

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde 1. des HS und

2. der CS, beide in K und beide vertreten durch Dr. Daniela Kuttner, MAS, Rechtsanwältin in 1150 Wien, Stutterheimstraße 16- 18/Stiege II, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU4-SV-303/005-2006, betreffend Vorschreibung von Seuchenvorsorgeabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes zur Einhebung der Seuchenvorsorgeabgabe im Bezirk St. Pölten vom betreffend die Vorschreibung einer jährlichen Seuchenvorsorgeabgabe nach dem NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetz, LGBl. 3620-0, von EUR 12,-- als unbegründet abgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Vorschriften des NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetzes, LGBl. 3620-0, aus, dass die Berufungsbehörde im Berufungsverfahren lediglich das Bestehen des Abgabenanspruches und die Höhe der Abgabe prüfen könne. Gemäß § 3 NÖ AO 1977 sei der Anspruch gegeben, sobald der Tatbestand verwirklicht sei. Dieser sei gemäß § 3 NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetz bei Vorliegen eines rechtskräftigen Zuteilungsbescheides erfüllt. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass mit Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Raume St. Pölten vom für das gegenständliche Grundstück ein jährliches Restmüllbehältervolumen in der Höhe von 600 l (10 Restmüllsäcke a 60 l) zugeteilt worden sei. Damit sei der Abgabentatbestand erfüllt, ohne dass eine weitere behördliche Tätigkeit erforderlich wäre und der Abgabenanspruch sei somit gegeben. Hinsichtlich der Höhe der Abgabe verweist die belangte Behörde auf § 4 des NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetzes. Den Beschwerdeführern werde auf Grund des zugeteilten Restmüllbehältervolumens lediglich der "Sockelbetrag" in der Höhe von EUR 12,-- vorgeschrieben.

In der Folge setzt sich die belangte Behörde mit Einwänden der Beschwerdeführer hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes bzw. der Beachtung des Verursacherprinzipes auseinander. Weitere rechtlich relevante Aspekte fänden sich nicht im Berufungsvorbringen, es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

1.2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sie detaillierte verfassungsrechtliche Bedenken u.a. unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und der Berücksichtigung des Verursacherprinzips bei der Erhebung der Abgabe, deren Aufkommen für die Bekämpfung einer ganz bestimmten Gefahr dienen soll, geltend machten.

1.3. Mit Beschluss vom , B 1996/06-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

1.4. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird die Verletzung im Recht auf korrekte Vorschreibung der Abgaben, auf Einhaltung des Verursacherprinzips bei der Vorschreibung der Abgabe, auf Einhaltung und Förderung des obersten Prinzips der Müllvermeidung vor dem Prinzip der Müllentsorgung und die zwingende Förderung des Prinzips der Müllvermeidung im Bereich der österreichischen Abfallwirtschaft im Sinne der von der EU festgesetzten Grundsätze der Abfallwirtschaft, auf Nichtanwendung des "NÖ Tierseuchenabgabegesetzes" infolge Nichtvorliegens eines dieses Gesetz betreffenden Sachverhaltes, auf Ermittlung des vollständigen Sachverhalts durch die Behörde und auf Beachtung der tatsächlichen konkreten Situation der Beschwerdeführer bei der Abgabenvorschreibung und auf Abgabenvorschreibung durch die zuständige Behörde, auf Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes bei der Abgabenvorschreibung und auf Anwendung eines gleichheitskonformen Gesetzes sowie eine gleichheitskonforme Auslegung des Gesetzes und nur einmalige Verrechnungen von Leistungen der Abfallwirtschaft geltend gemacht.

1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die Beschwerdeführer haben ihre verfassungsrechtlichen Bedenken bereits an den Verfassungsgerichtshof herangetragen. Der Verfassungsgerichtshof hat in dem oben genannten Ablehnungsbeschluss ausgeführt, dass, soweit die Beschwerde insofern verfassungsrechtliche Fragen berühre, "als die Rechtswidrigkeit der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Bestimmungen des NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetzes behauptet wird", zu entgegnen sei,

"dass der Gesetzgeber bei Regelung einer Abgabe nicht an die in den Art. 10 ff B-VG normierte Kompetenzverteilung gebunden ist und dass den präjudiziellen Bestimmungen des NÖ SeuchenvorsorgeabgabeG - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch keine der Sachmaterie des Abfallwirtschaftsrechts zugehörende Norm entgegensteht. Dem Gesetzgeber, dem bei der Auswahl von Besteuerungsobjekten grundsätzlich ein rechtspolitischer Spielraum zukommt, steht es frei, die Belastung mit einer Abgabe, deren Aufkommen für Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von (vor allem durch tierische Abfälle hervorgerufenen) Seuchen zweckgebunden ist, - auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie - typisierend vom Umstand und Umfang des Anfalles von Restmüll abhängig zu machen (vgl. dazu auch die Materialien - Antrag betr. Erlassung eines NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetzes vom - Seite 8). Ihr Vorbringen lässt daher die behaupteten Rechtsverletzungen, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (zum Schutzumfang der Glaubens- und Gewissensfreiheit vgl. VfSlg. 11.105/1986 mwN; zu Art. 9 EMRK vgl. auch die Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom , Appl. 10.358/83). Gegen die Sachlichkeit des Abstellens auf Grundstücke im Pflichtbereich iSd. NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes, sohin Grundstücke, auf denen typischerweise Siedlungsabfälle anfallen, bestehen keine Bedenken; die die Zweckwidmung regelnde Bestimmung des § 8 NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetzes ist im Beschwerdefall nicht präjudiziell."

2.2. Soweit die Beschwerdeführer in der Beschwerdeergänzung neuerlich die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und die Anwendung eines nicht gleichheitskonformen Gesetzes geltend machen, ist auf dieses Vorbringen im Zusammenhang mit der Prüfung auf die Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht näher einzugehen (vgl. Art. 133 Z 1 in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 B-VG).

2.3. Es besteht aber im Hinblick auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Ablehnungsbeschluss auch keine Notwendigkeit zu einer gleichheitskonformen Auslegung, wie sie in der Beschwerde als geboten erachtet wird. Es kann der belangten Behörde vielmehr nicht entgegen getreten werden, wenn sie den in § 3 NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetz normierten Abgabentatbestand entsprechend seinem Wortlaut angewendet hat. Auf das Vorbringen hinsichtlich einer angeblichen unsachlichen Benachteiligung der Beschwerdeführer ist daher nicht näher einzugehen.

2.4. In der Beschwerde wird abgesehen von den bereits an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Überlegungen nicht dargetan, inwiefern die Auslegung der belangten Behörde unzutreffend sein sollte. Den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde wird nicht entgegen getreten.

2.5. Soweit in der Beschwerde der belangten Behörde vorgeworfen wird, dass sie in Verkennung der Rechtslage das Vorliegen von tierischen Produkten im Haushalt der Beschwerdeführer angenommen habe, ist darauf hinzuweisen, dass eine derartige Annahme für das Vorliegen der Abgabepflicht nicht erforderlich ist und von der belangten Behörde auch nicht getroffen wurde.

Auf die Ausführungen hinsichtlich der Aufgaben der Abfallwirtschaft ist im Hinblick auf die anzuwendenden Abgabenbestimmungen, die bei der Umschreibung des Abgabentatbestands allein an das zugeteilte Restmüllbehältervolumen anknüpfen, sofern - wie dies hier der Fall ist - eine solche bescheidmäßige Zuteilung besteht, nicht näher einzugehen. Auch auf die Frage, inwieweit die von der Abgabe erfassten Personen Verursacher von Seuchengefahren sein könnten, ist im Hinblick auf die nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch im vorliegenden Fall zulässiger Weise angewendete typisierende Betrachtungsweise bei der Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen nicht näher einzugehen.

2.6. Damit ist aber auch die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht gegeben, da die von den Beschwerdeführern vermissten Feststellungen im Hinblick auf die dargestellte Umschreibung des hier anzuwendenden Abgabentatbestandes nicht maßgeblich sind.

2.7. Soweit in der Beschwerde neuerlich kompetenzrechtliche Bedenken betreffend die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers geltend gemacht werden, ist darauf zu verweisen, dass (worauf auch der Verfassungsgerichtshof bereits hingewiesen hat) sich die Zuständigkeit zur Regelung der Erhebung von Abgaben nach dem Finanz-Verfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003, richtet (vgl. Art. 13 B-VG und § 1 F-VG und dazu Ruppe in: Korinek/Holoubek, B-VG, § 1 F-VG, Rz 1). In der Beschwerde wird nichts aufgezeigt, was Zweifel an der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Regelung der gegenständlichen Abgabe wecken könnte. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, dass etwa ein Missbrauch der Abgabenform vorliege, indem die Abgabenvorschrift bereits im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes regelnd in die in der Beschwerde angesprochenen Kompetenzen des Bundes für die Abfallwirtschaft eingriffe (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 2/85, Slg. 10.403/1985, zur Wiener Wohnungsabgabe, und Ruppe in: Korinek/Holoubek, B-VG, § 5 F-VG, Rz 14).

2.8. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am