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VwGH vom 27.07.2017, Ra 2016/07/0104

VwGH vom 27.07.2017, Ra 2016/07/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der b GmbH, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtstraße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-550884/18/Wg, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des ersten Satzes seines Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Die Revisionswerberin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1522/87, KG K., welches sie an mehrere Betriebe vermietet hat.

2 Mit Bescheid vom trug die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde der Revisionswerberin (u.a.) gemäß § 138 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 iVm § 7 Abs. 1 Z. 4 Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz, LGBl. Nr. 125/2014, auf, die Nutzung der befestigten und unbefestigten Flächen im Innenhof der oben genannten Liegenschaft in der Schutzzone III des Schutzgebietes für das Grundwasserwerk Scharlinz als Stellplätze für Kfz sowie für Verkehrs-, Lager- und Manipulationszwecke und die Versickerung straßenspezifisch belasteter Oberflächenwässer einzustellen.

3 Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, das gegenständliche Grundstück liege in der Kernzone des Wasserschongebietes Scharlinz. Die Errichtung der befestigten und unbefestigten Flächen, die als Stellplätze für Kfz sowie als Verkehrs-, Lager- oder Manipulationsflächen genutzt würden, sowie die Versickerung der auf diesen Flächen anfallenden Oberflächenwässer bedürften einer Bewilligung nach der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz, weil das Gesamtausmaß der Einzugsfläche von 100 m2 überschritten werde. Eine wasserrechtliche Bewilligung für diese Anlage bzw. die Versickerung sei nie erwirkt worden. Da durch die Versickerung der Oberflächenwässer eine Gefahr für das Grundwasser bestehe, sei der wasserpolizeiliche Auftrag im öffentlichen Interesse zu erteilen.

4 2. Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde, in der sie - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - vorbrachte, die beanstandeten Flächen seien durch mehrere (explizit genannte) Bescheide rechtskräftig bewilligt und als solche von der später in Kraft getretenen Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz ausgenommen.

5 3. Mit dem - durch die vorliegende Revision allein angefochtenen - ersten Satz des Spruchpunktes I. des Erkenntnisses vom änderte das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer Verhandlung - den Bescheid vom dahin ab, dass der revisionswerbenden Partei gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 aufgetragen wurde, bis spätestens entweder die Versickerung von Oberflächenwässern auf ihrem Grundstück über näher bestimmte Sickerflächen in das Grundwasser einzustellen oder unter Vorlage von Projektunterlagen um die Erteilung der nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung anzusuchen.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, am sei die Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz in Kraft getreten, deren Kernzone das Grundstück der Revisionswerberin umfasse. § 7 dieser Verordnung regle "Bewilligungspflichtige Maßnahmen in der Kernzone". Auf dem Grundstück der revisionswerbenden Partei seien etwa 20 kleine Betriebe mit Lagerräumen eingemietet. Die revisionswerbende Partei sei gemäß den (von ihr mit den eingemieteten Betrieben abgeschlossenen) Mietverträgen zivilrechtlich für die Errichtung der Sickerflächen verantwortlich. Die auf diesem Grundstück anfallenden Oberflächenwässer würden teilweise in den Untergrund versickern, teilweise in das Kanalnetz der L AG eingeleitet. Eine wasserrechtliche Bewilligung (bzw. eine die entsprechenden wasserrechtlichen Bestimmungen mitanwendende Betriebsanlagengenehmigung gemäß § 356b Abs. 1 Z. 6 Gewerbeordnung 1994) für die Entsorgung von Oberflächenwässern über diese Sickerflächen sei nicht vorhanden. Aus Sicht des Grundwasserschutzes sei eine Versickerung jedoch "grundsätzlich bewilligungsfähig", weshalb der von der belangten Behörde erteilte wasserpolizeiliche Auftrag abzuändern gewesen sei.

7 Die Revision ließ das Verwaltungsgericht mit der wesentlichen Begründung nicht zu, dass die Rechtslage durch die hg. Rechtsprechung geklärt sei.

8 4. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegt hat.

9 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

10 1. Die maßgeblichen Bestimmungen des WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 54/2014, lauten auszugsweise:

"Schutz von Wasserversorgungsanlagen (Wasserschutzgebiete)

§ 34. (...)

(2) Zum Schutz der allgemeinen Wasserversorgung kann der Landeshauptmann ferner mit Verordnung bestimmen, daß in einem näher zu bezeichnenden Teil des Einzugsgebietes (Schongebiet) Maßnahmen, die die Beschaffenheit, Ergiebigkeit oder Spiegellage des Wasservorkommens zu gefährden vermögen, vor ihrer Durchführung der Wasserrechtsbehörde anzuzeigen sind oder der wasserrechtlichen Bewilligung bedürfen, oder nicht oder nur in bestimmter Weise zulässig sind. Zugleich kann die wasserrechtliche Bewilligung für solche Maßnahmen an die Wahrung bestimmter Gesichtspunkte gebunden werden. Solche Regelungen sind im gebotenen Maße nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse abgestuft zu treffen. Die Anordnung von Betretungsverboten darf überdies nur insoweit erfolgen, als das Interesse am Schutz der Wasserversorgung die Interessen von Berechtigten oder der Allgemeinheit am freien Zugang zu den in Betracht kommenden Flächen übersteigt.

(...)

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

(...)

(2) In allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit hat die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

(...)"

§ 7 der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz, LGBl. Nr. 125/2014, lautet:

"Bewilligungspflichtige Maßnahmen in der Kernzone

§ 7. (1) Über die im § 4 als bewilligungspflichtig verordneten Maßnahmen hinaus bedürfen in der Kernzone folgende Maßnahmen, ungeachtet einer nach anderen Rechtsvorschriften notwendigen Bewilligung oder Genehmigung und sofern sie nicht nach § 5 oder § 8 grundsätzlich verboten sind, vor ihrer Durchführung der Bewilligung durch die Wasserrechtsbehörde:

(...)

4. die Errichtung oder Erweiterung von befestigten und unbefestigten Flächen, die als Stellplätze für Kfz, Verkehrs-, Lager- oder Manipulationsflächen genutzt werden, sowie die Versickerung der auf diesen Flächen anfallenden Oberflächenwässern und die Errichtung der dazu dienenden Anlagen, sofern ein Gesamtausmaß der Einzugsfläche von 100 m2 überschritten wird, wobei Rad-, Geh- und Feldwege, Forststraßen und sonstige Waldwege, Hofzufahrten inklusive Rangierflächen und Zufahrten zu einzelnen Objekten von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind;

(...)

(2) Von der Bewilligungspflicht gemäß Abs. 1 sind Maßnahmen ausgenommen, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung rechtmäßig begonnen wurden und weiter fortgesetzt werden oder für die alle erforderlichen behördlichen Bewilligungen, Genehmigungen, Feststellungen oder Nicht-Untersagungen vor Inkrafttreten dieser Verordnung bereits vorlagen."

11 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

13 3. In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird im Wesentlichen geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis begründe nicht, warum eine wasserrechtliche Bewilligung für die gegenständlichen Sickerflächen erforderlich sein solle. Es fehle eine Auseinandersetzung damit, ob die (Ausnahme-)Bestimmungen der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz vorliegend zu Anwendung kämen.

14 In diesem Zusammenhang verweist die revisionswerbende Partei u.a. auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/07/0131 = VwSlg. 10.599A, wonach - mit Blick auf eine damals zu beurteilende Schongebietsverordnung - als eine eigenmächtige Neuerung im Sinn des § 138 Abs. 1 WRG 1959 eine Maßnahme nicht anzusehen sei, wenn sie schon bisher vorgenommen worden und nach den wasserrechtlichen Vorschriften hierfür eine Bewilligung nicht erforderlich gewesen sei.

15 4. Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 16 5.1. Das Verwaltungsgericht hat den von ihm in Abänderung

des Bescheides der belangten Behörde erteilten wasserpolizeilichen (Alternativ-)Auftrag auf § 138 Abs. 2 WRG 1959 gestützt.

17 Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach dieser Bestimmung hat die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die eigenmächtige Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

18 Als eigenmächtige Neuerung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/07/0114, mwN).

19 5.2. Das angefochtene Erkenntnis gründet den in ihm ausgesprochenen wasserpolizeilichen Auftrag auf den Umstand, dass für die verfahrensgegenständliche Versickerung keine wasserrechtliche Bewilligung vorliege, eine solche aber "grundsätzlich" erwirkbar sei. Es begründet jedoch an keiner Stelle, weshalb eine wasserrechtliche Bewilligung für die Versickerung überhaupt erforderlich sei.

20 Soweit das angefochtene Erkenntnis eingangs seiner Begründung festhält, dass sich das Grundstück der revisionswerbenden Partei in der Kernzone des Grundwasserschongebiets Scharlinz befinde, § 7 der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz "Bewilligungspflichtige Maßnahmen in der Kernzone" regle und damit - erschließbar - die Anwendung des von der belangten Behörde herangezogenen Bewilligungstatbestandes nach § 7 Abs. 1 Z. 4 dieser Verordnung als Grundlage für den erteilten wasserpolizeilichen Auftrag ins Spiel bringt (eine Anführung dieser Bestimmung findet sich - entgegen § 17 VwGVG iVm § 59 Abs. 1 AVG - weder im Spruch noch in der Begründung des Erkenntnisses), reicht dies für die Begründung der vom Verwaltungsgericht angenommenen Bewilligungspflicht nicht aus. Das Erkenntnis setzt sich nämlich ungeachtet des Beschwerdevorbringens, wonach die gegenständlichen Flächen bereits vor In-Kraft-Treten der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz (durch mehrere explizit angeführte Bescheide) rechtskräftig bewilligt gewesen und somit von den Bewilligungspflichten der Verordnung ausgenommen seien, in keiner Weise mit der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 der Verordnung auf den konkreten Fall auseinander.

21 5.3. § 7 der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz fordert in Abs. 1 die Einholung einer wasserrechtlichen Bewilligung für näher bestimmte Maßnahmen vor deren Durchführung. Abs. 2 dieser Bestimmung nimmt Maßnahmen, die vor In-Kraft-Treten der Verordnung rechtmäßig begonnen wurden und weiter fortgesetzt werden oder für die alle erforderlichen behördlichen Bewilligungen, Genehmigungen, Feststellungen oder Nicht-Untersagungen vor In-Kraft-Treten dieser Verordnung bereits vorlagen, von der in Abs. 1 normierten Bewilligungspflicht aus.

22 Die verfahrensgegenständliche Versickerung kann daher nicht als eigenmächtige Neuerung iSd § 138 WRG 1959 angesehen werden, wenn sie schon vor In-Kraft-Treten der Verordnung in der beanstandeten Form rechtmäßig begonnen wurde oder wenn sie vor In-Kraft-Treten der Verordnung zwar noch nicht begonnen wurde, für ihre Durchführung jedoch bereits vor In-Kraft-Treten der Verordnung alle erforderlichen behördlichen Bewilligungen, Genehmigungen, Feststellungen oder Nicht-Untersagungen vorlagen.

23 5.4. Indem sich das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund nicht mit dem erwähnten Beschwerdevorbringen befasst hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit einem dessen Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof hindernden Begründungsmangel belastet. Nur anhand entsprechender Feststellungen zu dem behaupteten rechtmäßigen Beginn der Versickerung vor In-Kraft-Treten der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz bzw. zum Vorliegen aller erforderlichen Genehmigungen vor In-Kraft-Treten der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz ist nämlich beurteilbar, ob die gegenständliche Versickerung nach In-Kraft-Treten der Grundwasserschongebietsverordnung Scharlinz einer Bewilligung nach deren § 7 Abs. 1 bedurfte und ob wegen des Fehlens einer solchen Bewilligung eine eigenmächtige Neuerung iSd § 138 WRG 1959 vorliegt.

24 6. Nach dem Gesagten erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtwidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am

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Schlagworte:
Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete

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