VwGH vom 25.03.2010, 2009/21/0195
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-01/14/5414/2009- 4, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Schubhaftbeschwerde als unbegründet abgewiesen wurde und im Kostenpunkt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, soweit damit das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft festgestellt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde über den zuvor festgenommenen Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Die Schubhaft wurde bis zur Entlassung des Beschwerdeführers wegen Haftunfähigkeit am vollzogen.
Die gegen die Festnahme, die Schubhaftverhängung und gegen die Anhaltung erhobene Schubhaftbeschwerde vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom unter Kostenzuspruch an den Bund ab; unter einem stellte die belangte Behörde fest, dass auch die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
1.1. Gemäß § 76 Abs. 1 erster Satz FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.
1.2. Die von der Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer verhängte und von der belangten Behörde für rechtmäßig erachtete Schubhaft wurde auf die zitierte Bestimmung gestützt und nur zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Abschiebung ist gemäß § 46 Abs. 1 FPG das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung oder eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes. Diese Bedingung sahen die genannten Behörden im vorliegenden Fall deshalb für erfüllt an, weil die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer eine seit durchsetzbare und rechtskräftige Ausweisung erlassen habe.
1.3. Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Aktenlage:
Der am in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer stellte am einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde die Zulässigkeit der (insbesondere) Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festgestellt. Bereits davor, nämlich am , war dem Beschwerdeführer eine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden. Die gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat sodann mit Bescheid vom ab.
Hierauf verfügte die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom zugestellt. Er erwuchs mit Ablauf des in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den im Asylverfahren ergangenen Berufungsbescheid eine (am eingelangte und zur Zl. 2005/20/0623 protokollierte) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser Beschwerde wurde mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt, womit dem Beschwerdeführer wieder die Rechtsstellung als Asylwerber (mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung) zukam. Demzufolge wurde dem Beschwerdeführer auch am eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 ausgestellt. Die Behandlung der Beschwerde wurde sodann mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom abgelehnt.
Hierauf verfügte die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom (neuerlich) die Ausweisung des Beschwerdeführers. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom wurde dieser Ausweisungsbescheid (infolge Berufung des Beschwerdeführers) jedoch wieder - ersatzlos - behoben, weil der Beschwerdeführer schon mit Bescheid vom ausgewiesen worden sei und "somit gegen den Berufungswerber bereits ein Bescheid, mit dem seine Ausweisung verfügt wurde, existiert".
1.4. Bei dieser Entscheidung wurde ebenso wie bei Verhängung der gegenständlichen Schubhaft und bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht beachtet, dass mit Zustellung des hg. Beschlusses vom der Beschwerdeführer wieder jene Rechtsstellung erlangte, die er als Asylwerber vor Erlassung des letztinstanzlichen Asylbescheides gehabt hatte. Er war daher wieder zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Hieraus ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Gegenstandslosigkeit eines rechtskräftigen Ausweisungsbescheides abzuleiten. Wird der Aufenthalt des Fremden zu einem späteren Zeitpunkt (wieder) unrechtmäßig, so könnte er nicht in Vollziehung der ursprünglichen, auf Grund eines früheren illegalen Aufenthalts erlassenen Ausweisung beendet werden, sondern die Frage des unrechtmäßigen Aufenthaltes müsste in einem weiteren Verfahren geklärt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0482, mwN).
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die gegenstandslos gewordene Ausweisung des Beschwerdeführers vom nicht zur Durchführung einer Abschiebung nach § 46 Abs. 1 FPG berechtigt. Da somit die Durchführung einer Abschiebung des Beschwerdeführers im hier relevanten Zeitraum von vornherein nicht zulässig gewesen wäre, war es auch nicht gerechtfertigt, den Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft anzuhalten (siehe zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0064; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0092, mwH).
Der angefochtene Bescheid war daher in Bezug auf die Abweisung der Schubhaftbeschwerde und im Kostenpunkt gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
2. Ein feststellender Ausspruch darüber, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, ist nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG nur für den Fall vorgesehen, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt noch andauert. Das war hier - entgegen der Annahme der belangten Behörde - nicht der Fall, weil der Beschwerdeführer bereits am , somit vor Erlassung des angefochtenen Bescheides am enthaftet wurde. Die belangte Behörde hat somit durch ihren dennoch nach der genannten Gesetzesstelle vorgenommenen Fortsetzungsausspruch eine ihr nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch genommen. In diesem Umfang ist der angefochtene Bescheid somit mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit behaftet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/21/0003, und Zl. 2009/21/0192).
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-69366