VwGH vom 15.05.2014, 2012/05/0144
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Moritz, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde der S GmbH in M, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1352/003-2012, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im vorliegenden Fall geht es um ein Wohnhaus, für das mit Bescheid des Stadtamtes der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom eine rechtskräftige Baubewilligung erteilt worden ist. Entgegen dieser Baubewilligung wurde ein Erker über dem öffentlichen Gut errichtet, für den eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/05/0087).
Mit Bescheid vom erteilte das Stadtamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Beschwerdeführerin gemäß § 35 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) den Auftrag, den konsensmäßigen Zustand gemäß der Baubewilligung vom binnen 14 Tagen ab Rechtskraft herzustellen oder für den Fall, dass die Abweichungen gemäß der BO zulässig seien, den für die fehlende Baubewilligung erforderlichen Antrag inklusive aller Antragsbeilagen und der Zustimmung des Grundeigentümers des öffentlichen Gutes innerhalb von 14 Tagen bei der Baubehörde einzubringen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Baubewilligung für den Erker.
Mit Bescheid vom erteilte das Stadtamt der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Beschwerdeführerin gemäß § 35 BO den Auftrag, innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft den konsenslosen Erker abzutragen und den bewilligten Stand gemäß der Baubewilligung vom wiederherzustellen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung, der mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom keine Folge gegeben wurde.
Die dagegen von der beschwerdeführenden Partei eingebrachte Vorstellung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Bescheidbegründung erwähnte die belangte Behörde zunächst unter anderem den Bescheid vom . Im Übrigen verwies sie in der Bescheidbegründung darauf, dass die erforderliche baubehördliche Bewilligung fehle und auch nicht nachträglich erteilt worden sei, dass der Bauauftrag hinreichend konkret und auch die Leistungsfrist angemessen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Stadtgemeinde verzichtete auf die Einbringung einer Gegenschrift und stellte den Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz für die Aktenvorlage.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Aktenlage und der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde der Bescheid des Stadtamtes der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom betreffend den Auftrag zur Herstellung des bewilligten Zustandes entsprechend der Baubewilligung vom rechtskräftig.
Wohl wird einem Alternativauftrag nach § 35 Abs. 2 Z 3 BO schon dann entsprochen, wenn eine der beiden Verpflichtungen (arg.: "oder") erfüllt wurde; die Erfüllung der Verpflichtung durch Einbringung eines entsprechenden Bauansuchens bewirkt aber bloß, dass der Abtragungsauftrag bis zur rechtskräftigen Ab- oder Zurückweisung des Bauansuchens nicht vollstreckt werden darf (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0134, mwN). Die Erfüllung der Verpflichtung durch Einbringung eines Bauansuchens bewirkt hingegen keine derartige Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes, die eine neuerliche Sachentscheidung zuließe; eine solche Änderung läge ja nicht einmal dann vor, wenn der im Bescheid geforderte Zustand hergestellt worden wäre (vgl. dazu die bei Hengstschläger/Leeb , AVG IV, S 1168 unter RZ 28 zu § 68 AVG zitierte hg. Judikatur).
Abgesehen davon, dass im Beschwerdefall die Suspensivwirkung des Bauansuchens bezüglich der Vollstreckbarkeit zweifelhaft gewesen wäre, weil dem Ansuchen die im Alternativauftrag geforderte Zustimmungserklärung fehlte, änderte sich am Rechtsbestand des Bescheides vom nichts. Die Baubehörde erster Instanz war daher nicht berechtigt, neuerlich in derselben Sache eine Entscheidung zu treffen und mit ihrem Bescheid vom die Herstellung des bewilligten Zustandes gemäß der Baubewilligung vom (und somit die Abtragung des konsenslos errichteten Erkers) aufzutragen.
Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.
Bemerkt wird, dass gemäß § 79 Abs. 11 VwGG, BGBl. I Nr. 122/2013, auf das vorliegende, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des VwGG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden sind.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-69361