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VwGH vom 15.12.2011, 2009/21/0189

VwGH vom 15.12.2011, 2009/21/0189

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der D in V, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS- 1228/11/2007, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1983 geborene Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige. Am heiratete sie den in Österreich niedergelassenen Ö., dem mit Wirksamkeit vom die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde.

Am reiste die Beschwerdeführerin auf der Grundlage eines bis gültigen Visums nach Österreich ein. Hier stellte sie dann am einen Asylantrag, der letztlich zweitinstanzlich - mit Eintritt der Rechtskraft am - abgewiesen wurde. Gleichzeitig erging eine Ausweisung der Beschwerdeführerin, die mittlerweile am in V ihre erste Tochter zur Welt gebracht hatte. Am wurde die zweite gemeinsame Tochter der Beschwerdeführerin und des Ö. in V geboren, die kraft Abstammung österreichische Staatsbürgerin ist.

Nachdem ein Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels erfolglos geblieben war (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/21/0157), lud die Bundespolizeidirektion Villach (BPD) die Beschwerdeführerin in der Angelegenheit "Aussprache des gelinderen Mittels" für den vor. Dieser Vorladung leistete die Beschwerdeführerin keine Folge, weshalb sie am über Auftrag der BPD festgenommen und in das PAZ Villach verbracht wurde. Dort wurde gegen sie um 08:30 Uhr gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005- FPG zur Sicherung ihrer Abschiebung die Schubhaft angeordnet. In einem Bericht der BPD an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten ist zur weiteren Vorgangsweise Folgendes festgehalten:

"Aus organisatorischen Gründen musste (die Beschwerdeführerin) in das PAZ Klagenfurt überstellt werden. Der Amtsarzt im do. Gefangenenhaus teilte telefonisch mit, dass (die Beschwerdeführerin) eine Bestätigung ihres behandelnden Arztes vorwies, woraus hervorgeht, dass die Trennung zwischen Mutter und Kind nicht möglich sei. Aus diesem Grund kann er eine Haftfähigkeit nicht befürworten. Laut Aussage der PAZ-Leitung in Klagenfurt ist es nicht möglich, eine Mutter mit ihrem Säugling in den dortigen Hafträumlichkeiten unterzubringen. (Die Beschwerdeführerin) wurde deshalb (noch am gegen 12:00 Uhr) aus der Schubhaft entlassen."

Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde nach § 82 Abs. 1 FPG. Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten (die belangte Behörde) wies diese Beschwerde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom als unbegründet ab. Über den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus stellte die belangte Behörde insbesondere fest, dass gegen die Beschwerdeführerin mit Bescheid der BPD vom gemäß § 77 FPG ein gelinderes Mittel (die Weisung, an der bisherigen Wohnadresse wohnhaft zu bleiben und sich wöchentlich bei einer Polizeiinspektion zu melden) angeordnet worden sei. Da die Beschwerdeführerin dieser Aufforderung nicht Folge geleistet habe, sei die Schubhaft verhängt worden. Dies sei - so die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung - gemäß § 77 Abs. 4 FPG "zwingend vorgesehen". Die BPD habe zutreffend annehmen können, dass sich die Beschwerdeführerin ihrer bevorstehenden Abschiebung entziehen werde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Was die von der belangten Behörde in den Vordergrund gerückte Nichtbefolgung des gelinderen Mittels anlangt, so ist der bekämpfte Bescheid zunächst mit Aktenwidrigkeit belastet. Die belangte Behörde hat nämlich übersehen, dass die bloß als Konzept in den Verwaltungsakten enthaltene Anordnung eines gelinderen Mittels vom nicht als Bescheid erlassen wurde. Die Vertreterin der BPD hat dazu in der Verhandlung vor der belangten Behörde ausgeführt, dass der "Bescheid" persönlich hätte übergeben werden sollen, dass die Beschwerdeführerin bei der Behörde jedoch (offenkundig zu ergänzen: ungeachtet der für den ergangenen Ladung) nicht erschienen sei.

Darüber hinaus ist der belangten Behörde aber insbesondere auch vorzuwerfen, dass sie sich nicht mit der Frage beschäftigt hat, ob die BPD nicht bereits vor der Festnahme der Beschwerdeführerin Überlegungen dahingehend hätte anstellen müssen, ob deren Anhaltung in Anbetracht ihrer zwei Kleinkinder überhaupt möglich sein werde.

Der bekämpfte Bescheid war daher schon deshalb, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden müsste, wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-69355