VwGH vom 29.04.2010, 2009/21/0181
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Thomas C. Mair, Rechtsanwalt in 4820 Bad Ischl, Kurhausstraße 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 24/09, E1/1519/2009, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste im Jänner 2004 nach Österreich ein und beantragte am die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde (zuletzt) mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom gemäß den §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus Österreich nach Algerien ausgewiesen. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , U 50/08-8, abgelehnt.
Am führten Organe des Finanzamtes Gmunden um
11.45 Uhr vormittags eine Kontrolle nach dem AuslBG in der Pizzeria D. in Bad Ischl durch. Sie hielten fest, der Beschwerdeführer habe sich allein in dem Lokal befunden und sei hinter der Theke bei der Reinigung von Kaffeegeschirr betreten worden. Er verantwortete sich den einschreitenden Beamten gegenüber damit, nach Zustimmung des mit ihm befreundeten Lokalinhabers gemeinsam mit einem "Kaffee-Vertreter", der Wartungsarbeiten an der Kaffeemaschine durchgeführt habe, einen "Probekaffee getrunken bzw. gekostet" zu haben. Er habe jedoch nicht gearbeitet, sondern sei nur Gast gewesen und hätte dabei das Geschirr für den Kaffee, zu dem er eingeladen worden sei, gereinigt.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde, gestützt auf den genannten Vorfall vom , gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 Z. 1 und 2, Abs. 2 Z. 8 sowie §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, ein auf zwei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte sie aus, der nach Abschluss seines Asylverfahrens illegal im Bundesgebiet lebende Beschwerdeführer verfüge über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung für Österreich. Obwohl er beteuere, lediglich als Gast in der Pizzeria D. aufhältig gewesen, mit ihrem Inhaber gut befreundet zu sein und dort unentgeltlich Kaffee verkostet zu haben, sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG erfüllt, weil er habe beobachtet werden können, wie er hinter der Theke diverses Kaffeegeschirr gereinigt habe. Der Thekenbereich diene ausschließlich für das im Verkaufslokal beschäftigte Personal. Laut Beobachtung der einschreitenden Beamten, denen Glaubwürdigkeit nicht abzusprechen sei, habe der Beschwerdeführer überdies nicht nur seine eigene Tasse gereinigt. Vielmehr seien auf der Theke mehrere gebrauchte Kaffeetassen und Gläser gestanden, die er "gereinigt habe bzw. diese reinigen wollte". Weiters habe der Beschwerdeführer eine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd, also typische Arbeitsbekleidung für Kellner, getragen. Dies mache ihn für allfällige Gäste als Personal erkennbar, wenn er im Zeitpunkt der Kontrolle auch für einige Minuten, "abgesehen von dem Kaffeeverkoster im Gastraum alleine in der Pizzeria tätig war". Dazu komme, dass der Beschwerdeführer seine Jacke nicht an der Garderobe des Gastraumes, sondern in einem für Kunden unzugänglichen Nebenraum verwahrt habe, und dass der Inhaber der Pizzeria ein volles Geständnis abgelegt habe und gegen ihn bereits ein Straferkenntnis ergangen sei.
Von den in der Berufungsschrift bzw. in einer Stellungnahme vom eingebrachten Beweisanträgen (auf zeugenschaftliche Einvernahme mehrerer Personen, darunter des Inhabers der Pizzeria D. und des erwähnten Mitarbeiters des Kaffee-Kundendienstes zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer am in der Pizzeria D. nicht gearbeitet habe) sei "Abstand genommen (worden), da der zu Grunde liegende Sachverhalt, insbesondere vor dem Hintergrund des o.a. Straferkenntnisses des Inhabers der Pizzeria, ausreichend ermittelt erschien".
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nach der im § 66 FPG vorgesehenen Abwägung zulässig sei, sowie dass keine Gründe für eine Übung des der Behörde im § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers bestünden.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Als bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs. 1 FPG hat gemäß § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen.
Die Beschwerde weist zu Recht darauf hin, dass die diesen Tatbestand begründenden Feststellungen der belangten Behörde nicht mängelfrei getroffen wurden:
Vorweg ist dabei festzuhalten, dass keine gesetzliche Grundlage dafür besteht, den im Strafverfahren des erwähnten Inhabers der Pizzeria zu Grunde gelegten Tatbestand (Beschäftigung eines Ausländers entgegen § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG) als für den Beschwerdeführer - zumal hinsichtlich einzelner dort als erwiesen erachteter Tatsachengrundlagen - bindend zu werten. Dazu kommt, dass die dienstliche Wahrnehmung der am einschreitenden Beamten (Antreffen des mit einem schwarzen Hemd und einer schwarzen Hose bekleideten, eine Kaffeetasse abwaschenden Beschwerdeführers in einer um 11.45 Uhr vormittags nicht von Kunden besuchten Pizzeria) nicht zwingend die aktuelle Ausübung einer iSd § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG verbotenen Beschäftigung beschreibt. Unter weiterer Berücksichtigung der inhaltlich dargestellten Verantwortung des Beschwerdeführers (Aufenthalt als Freund des Inhabers in Gegenwart eines Mitarbeiters des Kaffee-Kundendienstes, wobei nach dessen Servicearbeit Kaffee verkostet worden sei), wodurch sowohl das Ablegen der Oberbekleidung in den Kunden nicht zugänglichen Privaträumen als auch das Abwaschen von Geschirr erklärbar erschiene, wäre die Einvernahme der in der Berufung (zum Thema, der Beschwerdeführer habe nicht gearbeitet) geltend gemachten Zeugen geboten gewesen.
Anzumerken ist, dass zwischen den Beweisgrundlagen, die zu dem gegen den Geschäftsinhaber des genannten Lokales gerichteten Strafantrag vom (ON. 34) und seiner Bestrafung mit Bescheid vom (ON 40) führten, und dem angefochtenen Bescheid nicht einmal Einklang darin besteht, ob sich der Beschwerdeführer bei der Kontrolle vom allein (oder in Gegenwart des erwähnten Mitarbeiters eines Kaffee-Kundendienstes) in der Pizzeria aufgehalten hatte. Umso mehr bestand daher offenkundiger Bedarf, den Sachverhalt zur Frage der Erbringung unselbständiger Dienstleistungen an diesem Tag näher abzuklären, zumal der Beschwerdeführer vorgebracht hat, der Inhaber der Pizzeria habe seine Bestrafung lediglich aus Überlegungen der Wirtschaftlichkeit - ohne tatsächlich schuldig zu sein - in Kauf genommen.
Da dies unterblieben ist, war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-69328