VwGH vom 24.05.2016, Ra 2016/07/0001

VwGH vom 24.05.2016, Ra 2016/07/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger, die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision 1. des G M und 2. der P M, beide in A, beide vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs/Donau, Unterauerstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-492/001-2015, betreffend Wiederaufnahme eines Kollaudierungsverfahrens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Melk; mitbeteiligte Partei: F G in N, vertreten durch Mag. Dr. Klaus Gimpl, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs/Donau, Stauwerkstraße 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Im August 2010 beantragte der Rechtsvorgänger der revisionswerbenden Parteien die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer geplanten Kleinabwasserbeseitigungsanlage mit Einleitung der gereinigten Abwässer in einen namenlosen Zubringer zur Kleinen Ysper. Dem Antrag lag ein Benützungsübereinkommen mit dem Eigentümer des Grundstückes Nr. 677 KG N. (dem Mitbeteiligten) bei, der sich damit einverstanden erklärte, dass Teile der Anlage in der projektierten Form auf seinem Grundstück errichtet würden.

2 Mit Bescheid vom erteilte die Bezirkshauptmannschaft Melk (im Folgenden: BH) dem Rechtsvorgänger der revisionswerbenden Parteien die begehrte wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer vollbiologischen Abwasserreinigungsanlage auf dem Grundstück Nr. 677 mit anschließender Ableitung der gereinigten Abwässer in einen namenlosen Zubringer zur Kleinen Ysper unter Vorschreibung von Auflagen. Die Bewilligung bezog sich auf eine unter Abschnitt A) des Bescheides enthaltene Projektbeschreibung, derzufolge sowohl die Situierung des Pflanzenfilters als auch die Einleitung der Abwässer in den Zubringer auf dem Grundstück der mitbeteiligten Partei Nr. 677 erfolge.

Eine spruchmäßige Bezugnahme auf einen Einreichplan erfolgte nicht. Dieser im späteren Verlauf des Verfahrens erwähnte Plan vom erliegt auch nicht im Akt.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

3 Mit der Fertigstellungsmeldung wurden der BH gleichzeitig Kollaudierungsunterlagen, ua der Kollaudierungsplan vom , vorgelegt, wo der Pflanzenfilter in Abweichung von den Projektangaben auf dem (im Eigentum der revisionswerbenden Parteien stehenden) Grundstück Nr. 676/2 eingetragen ist. Die Ableitung der gereinigten Abwässer samt Einleitung in einen namenlosen Zubringer zur Kleinen Ysper erfolgte nach diesem Plan - wie bewilligt - über das Grundstück des Mitbeteiligten.

4 Die BH stellte mit Kollaudierungsbescheid vom fest, dass das mit Bescheid vom erteilte Wasserrecht für die Errichtung und den Betrieb einer vollbiologischen Abwasserreinigungsanlage auf dem Grundstück Nr. 677 mit abschließender Ableitung der gereinigten Abwässer in einen namenlosen Zubringer der Kleinen Ysper der Bewilligung entspreche.

Dabei ging die BH davon aus, dass die Anlage in Übereinstimmung mit der erteilten Bewilligung errichtet worden sei. Eine Bezugnahme auf den einen von der Bewilligung abweichenden Zustand dokumentierenden Kollaudierungsplan vom erfolgte nicht. Ein Ausspruch, wonach nachträgliche Abweichungen bewilligt würden, findet sich im Kollaudierungsbescheid ebenfalls nicht.

5 Mit Bescheid vom änderte die BH den Kollaudierungsbescheid vom gemäß § 62 Abs. 4 AVG dahingehend ab, dass eine "im Wesentlichen" der Bewilligung entsprechende Ausführung festgestellt werde. Weiters genehmigte die BH mit diesem Bescheid nachträglich die Errichtung der vollbiologischen Abwasserreinigungsanlage auf dem Grundstück Nr. 672/2 anstatt auf Grundstück Nr. 677.

6 Mit Bescheid vom änderte die BH den Bescheid vom dahingehend ab, dass die vollbiologische Abwasserreinigungsanlage auf dem Grundstück Nr. 676/2 errichtet worden sei.

7 Die mitbeteiligte Partei berief gegen die Bescheide der BH vom und vom .

8 Mit Bescheid vom hob der Landeshauptmann von Niederösterreich (im Folgenden: LH) die Bescheide der BH vom und vom ersatzlos auf.

Begründend führte der LH aus, mit dem Bescheid vom werde die Grenze der Zulässigkeit einer Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG überschritten. Da der letztgenannte Bescheid aufzuheben sei, fehle es dem Bescheid vom an einer Grundlage, weshalb dieser ebenfalls aufzuheben gewesen sei.

9 Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei, rechtsfreundlich vertreten, die Wiederaufnahme des Kollaudierungsverfahrens.

Begründend führte die mitbeteiligte Partei aus, die materiellen und formellen Mängel des gegenständlichen Verfahrens ergäben sich aus der Tatsache, dass eine unrichtige Grundstücksnummerierung und tatsächlich auch unrichtige Grundstücke als Grundlage für die wasserrechtliche Bewilligung herangezogen worden seien. Die wasserrechtlich bewilligte Anlage sei tatsächlich auf einem anderen Grundstück errichtet worden und der namenlose Bach, also der namenlose Zubringer zur Kleinen Ysper, existiere in der Natur nicht. Es bestehe auch keine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der mitbeteiligten Partei und den revisionswerbenden Parteien zur Ableitung des Nutzwassers auf das Grundstück der mitbeteiligten Partei.

10 Die BH führte am diesbezüglich eine mündliche Verhandlung vor Ort durch. In dieser Verhandlung führte der wasserbautechnische Amtssachverständige (im Folgenden: ASV) neben anderen fehlenden Übereinstimmungen der errichteten Anlage mit der Bewilligung aus, der Ablaufkanal sei nicht entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom ca. 30 m östlich des eingezeichneten Gerinneanfanges in den Vorfluter geführt worden, sondern er sei vom Pflanzenfilter in südlicher Richtung in einer Länge von 26 m als Kanal PVC DN 100 ausgeführt worden. Demgemäß ende der Kanal ca. 15 m nördlich linksseitig des Vorfluters, eines namenlosen Zubringers zur Kleinen Ysper; danach versickere das Wasser. Diese tatsächliche Ausführung widerspreche auch der Darstellung im Kollaudierungsplan vom .

11 Der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung am aus, die Anlage sei nicht konsensgemäß errichtet worden. Auch liege keine Zustimmung zur Ableitung der Abwässer über das Grundstück der mitbeteiligten Partei vor, sodass auch bei ursprünglicher konsensgemäßer Errichtung eine Bewilligung bzw. Betreibung rechtswidrig sei. Es liege keine Zustimmung zur Ableitung der Abwässer der konsenswidrig errichteten Anlage vor, dies jeweils auch nicht für die nunmehrigen Rechtsnachfolger. Zusätzlich fehle die Einleitung in ein öffentliches Gewässer. Es werde um die Einräumung einer 14-Tages-Frist ersucht, zumal ihm der ursprüngliche Antrag nicht übermittelt worden sei. Es lägen nicht alle Dichtheitsprüfungen vor. Die Zustimmung zur ursprünglich errichteten Anlage sei auch deshalb zurückgezogen worden, weil für den Pflanzenfilter eine etwa 3 m hohe Stützmauer auf dem Grundstück Nr. 677 errichtet hätte werden müssen, von welcher zuvor keine Rede gewesen sei. Ein weiteres Betreten seines Grundstückes werde nur unter bestimmten Bedingungen gestattet. Der Mitbeteiligte sei nicht verpflichtet, sein Grundstück für Bauvorhaben des Nachbarn zur Verfügung zu stellen.

12 Nach einem Wechsel von Schriftsätzen durch die Verfahrensparteien führte der ASV am einen (weiteren) Lokalaugenschein zur Beurteilung der Frage der technischen Abweichungen des ausgeführten Projekts vom bewilligten Projekt durch.

In seinem Bericht vom heißt es, die Anlage sei derart bewilligt worden, dass die 3-Kammer-Faulanlage und der Beschickerschacht sowie die Schmutzwasserkanäle auf Grundstück 676/2, ein 11 m langer Schmutzwasserkanal, ein Pflanzenfilter mit 16 m2 und ein Ableitungskanal mit 27 m bis zum offenen Gerinne auf Grundstück Nr. 677 errichtet werden sollten.

Tatsächlich seien die Schmutzwasserkanäle, die 3-Kammer-Faulanlage, der Beschickerschacht und der Pflanzenfilter auf Grundstück Nr. 676/2 errichtet worden. Der Ableitungskanal führe über dieses Grundstück und sodann ca. 25 m in südliche Richtung über Grundstück 677. Der Kanal ende an der Böschungsoberseite; in diesem Bereich verrieselten die Abwässer großflächig über die Böschung Richtung Vorfluter.

Der bauliche Eingriff auf Grundstück Nr. 677 habe sich verringert, allerdings sei die Lage des Kanals nach Osten verschoben worden. Die Verrieselung auf dem Grundstück der mitbeteiligten Partei sei schließlich unter Berücksichtigung der Rechte Dritter als wesentliche Änderung gegenüber dem Einreichprojekt zu werten.

13 Nachdem die Verfahrensparteien dazu Stellungnahmen erstattet hatten, gab die BH mit Bescheid vom dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Wiederaufnahme des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens vom statt.

Dabei wurde als neu hervorgekommene Tatsache der Umstand bewertet, dass dem Mitbeteiligten erst mit Zustellung des Bescheides des LH vom bekannt geworden sei, dass die Nennung einer falschen Grundstücksnummer keiner amtswegigen Berichtigung zugänglich sei. Die Tatsache, dass die Anlage nicht auf dem Grundstück Nr. 677 sondern auf dem Grundstück Nr. 676/2 errichtet worden sei, sei dem Antragsteller hingegen schon vor dem rechtskräftigen Bescheid des LH vom bekannt gewesen, weshalb dieser Wiederaufnahmegrund verspätet geltend gemacht worden sei.

14 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde.

Die mitbeteiligte Partei erstattete dazu Schriftsätze vom und vom . Darin wies sie auf das zwischenzeitige Erlöschen der ursprünglichen wasserrechtlichen Bewilligung wegen Verstreichens der Bauvollendungsfrist hin; im letztgenannten Schriftsatz bemängelte sie zusätzlich den konsenslosen Betrieb der Anlage und beantragte die Aufhebung sämtlicher wasserrechtlicher Bescheide.

15 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: LVwG) die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gemäß § 28 VwGVG als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.) und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt 2.).

Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, als Wiederaufnahmegrund sei im Antrag der mitbeteiligten Partei das Vorliegen neuer Tatsachen im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG geltend gemacht worden. Die neuen Tatsachen müssten die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen, es müsse sich um sogenannte "nova reperta" handeln. Das seien Tatsachen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides zwar vorhanden gewesen, aber erst später bekannt geworden seien. Im Falle eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens dürften diese Tatsachen ohne Verschulden der antragstellenden Partei im Verfahren nicht geltend gemacht worden sein.

Entgegen der Ansicht im Wiederaufnahmeantrag vom befinde sich im Verfahrensakt der BH die Zustimmungserklärung der mitbeteiligten Partei vom , bezeichnet als "Benützungsübereinkommen", für die Errichtung von Teilen der Kleinwasserbeseitigungsanlage der revisionswerbenden Parteien auf Grundstück Nr. 677. Abgesehen davon hätte das Fehlen einer Zustimmungserklärung zwar mit einem Rechtsmittel gegen den Bewilligungsbescheid vom geltend gemacht werden können, nicht jedoch im Wiederaufnahmeverfahren. Gleiches gelte für das angebliche Nichtvorliegen eines namenlosen Baches als Zubringer zur Kleinen Ysper.

Laut Projektantrag hätte die gegenständliche Kleinkläranlage mit dem Pflanzenfilter im Ausmaß von 16 m2, einer 11 m langen Schmutzwasserleitung zum Pflanzenfilter und einem 27 m langen Ableitungskanal von dort zum offenen Gerinne auf dem Grundstück Nr. 677 errichtet werden sollen. Entsprechend diesem Projekt sei auch die wasserrechtliche Bewilligung vom erteilt worden. Dieses Projekt sei allerdings in Abweichung von der genannten Bewilligung umgesetzt worden, indem lediglich der Ableitungskanal mit nur noch 26 m auf dem Grundstück Nr. 677 hergestellt worden sei. Über diese Abänderung sei im Kollaudierungsbescheid vom nicht abgesprochen worden. Daher könne der Umstand eines "falschen" Grundstückes nur betreffend den Kollaudierungsbescheid eingewendet werden.

Der mitbeteiligten Partei sei der Umstand, dass die Herstellung der gegenständlichen Kleinkläranlage nunmehr zum Großteil auf Grundstück Nr. 676/2 und nicht auf Grundstück Nr. 677 erfolgt sei, bereits im Zeitpunkt der Berufungserhebung vom gegen die Berichtigungsbescheide vom sowie vom bekannt gewesen. In den genannten Berufungen werde ausgeführt, dass die Abwasserbeseitigungsanlage auf Grundstück Nr. 676/2 anstatt auf 677 errichtet worden sei. Damit aber sei diese Tatsache der mitbeteiligten Partei bereits seit jedenfalls bekannt gewesen und wäre somit als Begründung für die beantragte Wiederaufnahme nicht geeignet.

In der von der BH am zum Wiederaufnahmeantrag durchgeführten mündlichen Verhandlung sei erstmals vom ASV eine abweichende Ausführung vom Kollaudierungsplan vom festgestellt worden. Laut dem ASV sei der Ablaufkanal der Pflanzenkläranlage nicht in den Vorfluter geführt worden, sondern ende ca. 15 m nördlich des Vorfluters. Damit widerspreche die Ausführung auch der Darstellung im Kollaudierungsplan vom .

Der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei habe daraufhin in der Verhandlung dazu Stellung genommen und im Rahmen des Verfahrens über den Wiederaufnahmeantrag erklärt, dass keine Zustimmung zur Ableitung der Abwässer der konsenswidrig errichteten Anlage vorliege und auch die Einleitung in ein öffentliches Gewässer fehle. Damit sei aber der erst im Zuge dieser Verhandlung hervorgekommene Umstand unmittelbar nach dessen Kenntnis vom Rechtsvertreter des Wiederaufnahmeantragstellers geltend gemacht worden. Dadurch werde die Begründung für den im Antrag vom geltend gemachten Wiederaufnahmegrund der neuen Tatsachen geliefert. Ausführungen zur Rechtzeitigkeit seien nicht erforderlich gewesen.

Die neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG sei die Herstellung der Ablaufleitung von der Pflanzenkläranlage wie im abgeänderten Kollaudierungsplan vom eingezeichnet, welche vom ursprünglichen Kollaudierungsplan vom abweiche.

Diese neue Tatsache sei ohne Verschulden der mitbeteiligten Partei vor Erlassung des Kollaudierungsbescheides nicht geltend gemacht worden, die Wiederaufnahme sei zu Recht bewilligt worden. Die Beschwerde sei unbegründet.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision führte das LVwG aus, gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sei die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da in der gegenständlichen Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.

16 In der gegen das Erkenntnis des LVwG erhobenen außerordentlichen Revision machen die revisionswerbenden Parteien geltend, die Revision sei zulässig, da das angefochtene Erkenntnis von der - näher zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, weil das LVwG im angefochtenen Erkenntnis das Vorliegen aller im Wiederaufnahmeantrag geltend gemachten Gründe verneine und stattdessen einen neuen, zu einem späteren Zeitpunkt festgestellten Umstand als Wiederaufnahmegrund heranziehe, obwohl dieser nicht von der mitbeteiligten Partei geltend gemacht worden sei.

17 Mit Schriftsätzen vom sowie vom erstattete die mitbeteiligte Partei Revisionsbeantwortungen, in der sie die kostenpflichtige Zurückbzw. Abweisung der Revision beantragte.

18 Mit Schriftsatz vom erstattete auch die BH eine Revisionsbeantwortung; auch sie beantragte die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

19 Die revisionswerbenden Parteien replizierten auf die Revisionsbeantwortungen der mitbeteiligten Partei sowie der belangten Behörde mit Schriftsätzen vom 11. bzw. .

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

22 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

23 Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

24 Die revisionswerbenden Parteien machen zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen geltend, das LVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das LVwG einen Wiederaufnahmegrund heranziehe, der gar nicht von der mitbeteiligten Partei als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht worden sei.

25 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

26 § 69 AVG lautet, soweit hier von Interesse:

" Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:


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1.
...
2.
neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3.
...

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat."

27 Vorauszuschicken ist, dass das LVwG im angefochtenen Erkenntnis durch die Abweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien die durch die BH - in Stattgebung des Antrages der mitbeteiligten Partei vom - verfügte Wiederaufnahme des wasserrechtlichen Überprüfungsverfahrens aufrecht erhielt.

28 Gegenstand eines wasserrechtlichen Überprüfungsverfahrens nach § 121 Abs. 1 WRG 1959 und des dieses Verfahren abschließenden Bescheides ist ausschließlich die Frage der Übereinstimmung der ausgeführten mit der bewilligten Anlage (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 99/07/0052, sowie vom , 2010/07/0023).

Im vorliegenden Fall geht es um die Wiederaufnahme eines solchen, bereits rechtskräftig abgeschlossenen Kollaudierungsverfahrens.

Gegenstand des Verfahrens vor dem LVwG war daher ausschließlich die Frage, ob das wasserrechtliche Überprüfungsverfahren in Übereinstimmung oder im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wieder aufgenommen wurde. Alle anderen, auf das damalige Bewilligungsverfahren, auf Erlöschenstatbestände oder auf mögliche wasserpolizeiliche Aufträge zielenden Vorbringen der mitbeteiligten Partei gehen am Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses und damit auch am Gegenstand der außerordentlichen Revision vorbei.

29 Das LVwG legte mit näherer und nicht in Revision gezogener Begründung dar, aus welchen Gründen alle im Antrag der mitbeteiligten Partei vom als neu hervorgekommene Tatsachen im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG genannten Umstände nicht zur Stattgebung des Wiederaufnahmeantrags taugten. Dazu zählt auch die lediglich im Zusammenhang mit einer fehlenden privatrechtlichen Zustimmung vorgebrachte Behauptung im Antrag, es fehle die Zustimmung zur "Ableitung des Nutzwassers auf das Grundstück der mitbeteiligten Partei". Es ist angesichts dieses unkonkreten Vorbringens nicht erkennbar, dass die mitbeteiligte Partei bereits damals die konsenslos erfolgte Versickerung der Abwässer auf ihrem Grundstück im Auge hatte.

Die Überlegungen des LVwG über die Untauglichkeit der Begründung des Wiederaufnahmeantrags der mitbeteiligten Partei vom sind nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens.

30 Im Rahmen der geltend gemachten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geht es um die erst während der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG am neu hervorgekommene Tatsache der an anderer Stelle und verkürzt verlegten Ablaufleitung des Wassers samt anschließender Verrieselung auf dem Grundstück Nr. 677 (statt der bewilligten Einleitung in ein Gewässer).

Diese damals neu hervorgekommene Tatsache wurde vom LVwG der Bewilligung der Wiederaufnahme zu Grunde gelegt, indem es die Ansicht vertrat, der Wiederaufnahmewerber (bzw. dessen Rechtsvertreter) habe diesen Umstand - unmittelbar nach seinem Hervorkommen und somit unmittelbar nach dessen Kenntnis - als neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG geltend gemacht und damit den ursprünglichen Antrag nachträglich mit einer tauglichen Begründung versehen.

31 Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieser Annahme nicht zu folgen.

32 Der (im gesamten Verfahren rechtsfreundlich vertretene) Mitbeteiligte stellte einen Wiederaufnahmeantrag; alle dort vorgebrachten Wiederaufnahmegründe waren nicht geeignet, zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu führen (siehe dazu Rz 29).

Über diesen Antrag und die darin genannten Wiederaufnahmegründe sprach die BH ab; dieser Antrag war Sache des Verfahrens vor dem LVwG. Wenn - wie das LVwG ausführte - keiner der dort vorgebrachten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigte, hätte das LVwG aber die seitens der BH verfügte Wiederaufnahme beheben und den Antrag abweisen müssen.

33 Entgegen der Ansicht des LVwG war es nämlich nicht möglich, den inhaltlich verfehlten Wiederaufnahmeantrag vom nachträglich im Verfahren vor dem LVwG durch eine andere Begründung zu ergänzen und - allein darauf gestützt - die Wiederaufnahme des Kollaudierungsverfahrens zu bestätigen:

34 Kommt - wie hier - während einer mündlichen Verhandlung eine neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG hervor, so hat dies zur Folge, dass die zweiwöchige Frist des § 69 Abs. 2 AVG (zur fristgerechten Geltendmachung dieses Wiederaufnahmegrundes) ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung läuft. Innerhalb dieser Frist hätte der Mitbeteiligte daher einen (weiteren) Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen müssen, der sich als Begründung auf die in der mündlichen Verhandlung zu Tage getretene neu hervorgekommene Tatsache stützt.

35 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der Wiederaufnahmewerber den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, in seinem Antrag aus eigenem Antrieb konkretisiert und schlüssig darlegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2011/11/0051, vom , 98/13/0142, und vom , 93/13/0161). Auch aus dem hg. Erkenntnis vom , 2012/06/0156, lässt sich ableiten, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG ausdrücklich zu erfolgen hat und es der Behörde verwehrt ist, dem Antrag eine Deutung zu geben, die mit dessen Wortlaut nicht übereinstimmt.

36 Nun findet sich innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 69 Abs. 2 AVG nur die Niederschrift über die (oben unter Rz 11 wiedergegebene) Stellungnahme der mitbeteiligten Partei in der mündlichen Verhandlung. Darin nimmt der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei - wie schon im Wiederaufnahmeantrag selbst - wiederholt auf den Umstand Bezug, dass die Anlage nicht konsensgemäß errichtet worden sei und dass der Mitbeteiligte dazu keine Zustimmung erteilt habe. Zwischen diesen Angaben und dem Ersuchen um Einräumung einer Frist zur Stellungnahme, weil ihm offenbar der ursprüngliche Bewilligungsantrag nicht zugestellt worden sei, findet sich - als einziger Hinweis auf die hier interessierende Tatsache - die Feststellung des Mitbeteiligten, wonach "die Einleitung in ein öffentliches Gewässer fehle."

Mit dieser Äußerung machte der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei aber die neu hervorgekommene Tatsache (der verkürzten und an anderer Stelle als bewilligt erfolgenden Leitungsführung samt anschließender Verrieselung auf seinem Grundstück) aber nicht zum Gegenstand eines Wiederaufnahmeantrages gemäß § 69 AVG. Dazu wäre es notwendig gewesen, klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, dass es sich dabei seines Erachtens um eine neu hervorgekommene Tatsache nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG handelt, dass er diese fristgerecht vorgebrachte Tatsache als neuen Wiederaufnahmegrund geltend macht und gestützt darauf einen (weiteren) Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellt.

Der Ansicht des LVwG, wonach der Rechtsvertreter des Wiederaufnahmewerbers diesen neu hervorgekommenen Umstand unmittelbar nach dessen Kenntnis als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht und damit die Begründung für den bereits anhängigen Wiederaufnahmeantrag geschaffen habe, kann daher nicht gefolgt werden.

37 Ergänzend wird bemerkt, dass auch den weiteren Stellungnahmen der mitbeteiligten Partei (vom und ) kein Hinweis darauf zu entnehmen ist, dass der Mitbeteiligte seinen Wiederaufnahmeantrag auf den erst in der mündlichen Verhandlung vom zu Tage getretenen Umstand der nicht einmal dem Kollaudierungsplan entsprechenden Ausführung der Anlage stützen wollte.

Vielmehr wurden Anträge gestellt, die das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechts, die Aufhebung sämtlicher Bewilligungsbescheide bzw. das konsenslose Betreiben einer Anlage betrafen; alle diese Anträge bewegten sich aber außerhalb der Sache des Verfahrens.

38 Aber auch für den Fall, dass man der Äußerung des Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung die notwendige Eindeutigkeit unterstellen und darin einen (weiteren) Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens erblicken wollte, erwiese sich die Vorgangsweise des LVwG als rechtswidrig.

Diese neu hervorgekommene Tatsache stellte nämlich die Begründung eines neuen Wiederaufnahmeantrags (vom ) dar und nicht die nachgeschobene Begründung des bereits im Beschwerdeweg anhängigen Wiederaufnahmeverfahrens über den Antrag vom .

Über diesen neuen Wiederaufnahmeantrag hätte aber nicht das LVwG zu entscheiden, sondern - nach § 69 Abs. 4 AVG - die BH.

39 Dem LVwG war es daher verwehrt, dem Wiederaufnahmeantrag der mitbeteiligten Partei - neben seinem ursprünglichen Inhalt - die Begründung zu unterstellen, dass damit als neue Tatsache (auch) die vom ursprünglichen Kollaudierungsplan vom abweichende Führung der Ablaufleitung samt Verrieselung geltend gemacht worden sei.

40 Eine dadurch bewirkte Rechtsverletzung der revisionswerbenden Parteien läge allerdings dann nicht vor, wenn im vorliegenden Fall die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen der neu hervorgekommenen Tatsache auch von Amts wegen möglich gewesen wäre. Davon ist hier aber sachverhaltsbezogen nicht auszugehen.

41 Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann die Wiederaufnahme eines Verfahrens auch von Amts wegen erfolgen. Ein solches amtswegiges Vorgehen setzt das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG voraus.

42 Voraussetzung für das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes des § 69 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 3 AVG ist, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind, welche die Behörde ohne ihr Verschulden im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht berücksichtigen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/11/0352). Bei dem (auch bei der amtswegigen Wiederaufnahme beachtlichen) Verschulden der Behörde im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG handelt es sich um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Ein solches Verschulden kann auch in einem Verfahrensmangel gelegen sein, der zur Folge hatte, dass die erst nachträglich hervorgekommene Tatsache nicht schon in dem abgeschlossenen Verfahren verwertet werden konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/01/0458).

Die Behörde trifft ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB, da sie trotz Abweichens der ausgeführten Anlage vom vorgelegten Kollaudierungsplan (vom ) den Kollaudierungsbescheid vom erließ und in diesem nicht einmal auf die im Kollaudierungsplan vom enthaltenen Abweichungen einging. Das Abweichen der Ausführung der gegenständlichen Anlage nicht nur vom Bewilligungsbescheid sondern letztlich auch vom Kollaudierungsplan vom hätte der BH im Rahmen des Kollaudierungsverfahrens auffallen müssen. Aus diesem Grund hätte die Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens nicht von Amts wegen verfügt werden können.

43 Daraus folgt aber, dass die revisionswerbenden Parteien in ihren Rechten verletzt wurden, weil der verfügten Wiederaufnahme des Kollaudierungsverfahrens kein entsprechend begründeter Wiederaufnahmeantrag der mitbeteiligten Partei zu Grunde lag.

44 Aus den dargelegten Gründen belastete das LVwG das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

45 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am