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VwGH vom 19.04.2012, 2009/21/0172

VwGH vom 19.04.2012, 2009/21/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des R, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/29a, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI- 1012626/0002-II/3/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1977 geborene Beschwerdeführer stammt aus dem Kosovo. Er reiste am nach Österreich ein und stellte hier einen Asylantrag, der mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates im Mai 2003 abgewiesen wurde. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zl. 2003/01/0325, ab.

Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. Im Hinblick darauf beantragte er in der Folge die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.

Im Zuge polizeilicher Erhebungen zur Vermittlung von Scheinehen kam es bereits am zu einer niederschriftlichen Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers. Sie gab an, bezüglich des Abschlusses einer Scheinehe mit dem Beschwerdeführer angesprochen worden zu sein, wobei man ihr gesagt habe, dieser würde dann ihre Mietkosten übernehmen. Hierauf sei es zur Eheschließung gekommen, sie habe aber nur einmal im Dezember 2003 EUR 1.000,-- erhalten. Die Ehe mit dem Beschwerdeführer habe sie "nie geschlossen und geführt", diese Ehe habe "nur auf dem Papier" bestanden.

Insbesondere im Hinblick auf diese Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers, die diese bei einer weiteren Befragung bestätigte, verhängte die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid vom gemäß § 49 Abs. 1 und § 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot. Die Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer nur geheiratet habe, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten, was auch "durch Zeugenaussagen dritter Personen bestätigt" worden sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom mit der Maßgabe ab, dass nunmehr § 60 Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als Rechtsgrundlage des Aufenthaltsverbotes gelte.

Die belangte Behörde stellte zunächst ergänzend fest, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom gemäß § 55a EheG einvernehmlich geschieden worden sei. Im Übrigen schloss sie sich den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid "hinsichtlich der Erhebungen zum Nicht-Bestehen eines Familienlebens zwischen Ihnen und Ihrer Gattin" an und erhob diese zum Inhalt ihres Bescheides. Bezugnehmend auf das diesbezügliche Berufungsvorbringen verwies sie außerdem auch selbst auf die Angaben der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers hinsichtlich des Eingehens einer Scheinehe, die als glaubwürdig erachtet würden; dass diese Angaben, wie behauptet, nur erstattet worden seien, um "die Ehe zu beenden", müsse angesichts der nunmehr erfolgten einvernehmlichen Auflösung der Ehe als Schutzbehauptung qualifiziert werden. Was das Vorbringen anlange, dass der Austausch von Ringen und das Vorliegen von Hochzeitsfotos gegen eine Scheinehe sprächen, so sei zu bemerken, dass diese Ausführungen durch keinerlei Beweisanbote untermauert worden seien. Schließlich sei dem Einwand, die erstinstanzliche Behörde habe sich auf unbekannte Zeugen gestützt, zu entgegnen, dass "die betreffende Person im erstinstanzlichen Bescheid namentlich genannt" worden sei.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt (Abschluss einer Aufenthaltsehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, um fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligungen zu erlangen) habe daher - so die belangte Behörde weiter - festgestanden. Ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer, dem auch die gebotene Interessenabwägung nach § 66 FPG nicht entgegenstehe, könne demnach gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG "Bestand haben".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der bekämpfte Bescheid auf Basis der bei seiner Erlassung geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Soweit im Folgenden von Bestimmungen des FPG die Rede ist, wird daher auf die im Mai 2009 gültige Fassung Bezug genommen.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt 1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Der Beschwerdeführer wendet sich der Sache nach gegen die behördliche Annahme, es sei der Aufenthaltsverbotstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht. Sein in diesem Zusammenhang einleitend erhobener Einwand, die belangte Behörde hätte schon grundsätzlich nicht auf den erstinstanzlichen Bescheid verweisen dürfen, ist indes nicht richtig. Verweise in der Begründung eines Berufungsbescheides auf Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides sind nämlich zulässig (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG § 67 Rz. 9 f. und die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Berufungsbehörde, sich darüber hinaus mit konkretem Berufungsvorbringen auseinanderzusetzen. Dieser Aufgabe ist die belangte Behörde im vorliegenden Fall allerdings, anders als der Beschwerdeführer meint, ohnehin nachgekommen. Dazu kann es genügen, auf die obige Wiedergabe des bekämpften Bescheides zu verweisen.

Was die im Zuge der Behandlung des Berufungsvorbringens ergänzend angestellten beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde anlangt, so rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör. Auch dieser Vorwurf ist jedoch verfehlt, weil die Beweiswürdigung nicht dem Parteiengehör unterliegt ( Hengstschläger/Leeb , aaO. § 45 Rz. 25). Warum die belangte Behörde aber im Zusammenhang mit ihren zur Beweiswürdigung angestellten Erwägungen von Amts wegen weitere Ermittlungen hätte vornehmen sollen, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Insoweit ist auch der Vorwurf, es seien weitere Ermittlungsschritte unterlassen worden, nicht berechtigt.

Zutreffend ist im Ergebnis lediglich der Vorwurf, dass die im erstinstanzlichen Bescheid ergänzend angesprochenen "Zeugenaussagen dritter Personen" nicht näher identifizierbar waren, wozu dann auch seitens der belangten Behörde keine ausreichende Klarstellung erfolgte. Dem kommt jedoch deshalb keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil der Verweis auf diese Zeugenaussagen erkennbar nur zur Abrundung erfolgte. Tragender Gesichtspunkt für die behördlichen Feststellungen zum Vorliegen einer Scheinehe waren dagegen zweifelsohne die eine solche Ehe bestätigenden wiederholten Angaben der (früheren) Ehefrau des Beschwerdeführers. Dass auf Basis dieser Angaben die behördliche Beweiswürdigung insgesamt keinen Schlüssigkeitsbedenken begegnet, bedarf keiner näheren Ausführungen.

Der Beschwerdeführer hat sich vor der Niederlassungsbehörde auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin berufen. Er hat daher nach dem Gesagten den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt, was als schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens Grund für die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene negative Prognose in Bezug auf einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gilt (vgl. zuletzt unter Bezugnahme auf die eine verschärfte Gefährdungsprognose erfordernde Bestimmung des § 86 Abs. 1 FPG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0170). Dass der Beschwerdeführer - bezogen auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung - bereits seit rund vier Jahren geschieden war, vermag daran nichts zu ändern. Zu Recht weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zum diesbezüglichen Beschwerdevorbringen darauf hin, dass der Beschwerdeführer nach wie vor den Abschluss einer "Scheinehe" bestreite. Auch daraus, dass die Ehe bereits am geschlossen wurde, lässt sich für den Beschwerdeführer nichts gewinnen (vgl. etwa, mit Abgrenzung zur Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0237).

Unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Aufenthalt in Österreich und die damit einhergehende Berufstätigkeit sowie mit dem Hinweis darauf, dass seine am geschlossene Ehe bereits geschieden worden sei, wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die behördliche Beurteilung nach § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG. Den - zutreffenden - Überlegungen der belangten Behörde, sein Verhalten stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und die erlangte Integration werde dadurch relativiert, dass sie auf einer Aufenthaltsehe beruht, vermag der Beschwerdeführer jedoch nichts entgegenzusetzen. Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt als unberechtigt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-69304