VwGH vom 29.11.2018, Ra 2016/06/0135

VwGH vom 29.11.2018, Ra 2016/06/0135

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des W M in I, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meraner Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , LVwG- 2016/40/0738-6, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Innsbruck), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) wurde - soweit für das vorliegende Verfahren relevant - die Beschwerde des Revisionswerbers gegen Punkt I des Straferkenntnisses der Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck vom (mit einer hier nicht relevanten Maßgabe) als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 1.) und dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt (Spruchpunkt 2.). Mit diesem Straferkenntnis war der Revisionswerber einer Verwaltungsübertretung nach § 57 Abs. 1 lit. a zweiter Fall Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) in Verbindung mit § 9 VStG schuldig erkannt worden, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG) der B GmbH zu verantworten habe, dass diese als Bauwerberin ein näher bezeichnetes baubewilligungspflichtiges Vorhaben in einem näher genannten Zeitraum in bewilligungspflichtiger Weise geändert ausgeführt habe. (Die Abweichungen von der Baubewilligung wurden im Folgenden im Einzelnen dargestellt.) Über den Revisionswerber war eine näher bezifferte Geldstrafe verhängt und er war zu einem Kostenbeitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens verpflichtet worden. Das LVwG sprach weiters aus, dass eine Revision gegen diese Entscheidung unzulässig sei.

2 Zur Begründung führte das LVwG im Wesentlichen aus, die durchgeführten Abweichungen von der Baubewilligung würden vom Revisionswerber ebenso wenig in Abrede gestellt wie der Umstand, dass es sich hiebei um bewilligungspflichtige Maßnahmen gehandelt habe. Der zur Vertretung der Bauherrin nach außen berufene Revisionswerber (Hinweis auf § 9 VStG) habe die vorgeworfene Verwaltungsübertretung sohin in objektiver Hinsicht zu verantworten. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Er verantworte sich zwar damit, dass er für die Ausführung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens einen Bauverantwortlichen namhaft gemacht und ein befugtes und konzessioniertes Bauunternehmen mit der Durchführung der Bauarbeiten beauftragt habe. Es wäre jedoch am Revisionswerber gelegen, zur Umsetzung seiner gegenüber seinen Hilfsorganen bestehenden Kontrollpflicht ein wirksames begleitendes Kontrollsystem einzurichten, durch welches die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften jederzeit sichergestellt werden könne. Er hätte konkret darlegen müssen, welche Maßnahmen von ihm getroffen worden seien, um derartige Verstöße zu vermeiden, insbesondere wann, wie oft, auf welche Weise und von wem Kontrollen der Angewiesenen vorgenommen worden seien (Hinweis auf ). Ein derartiges wirksames Kontrollsystem sei jedoch nicht einmal im Ansatz dargelegt worden (wird näher ausgeführt). Für das LVwG liege auf der Hand, dass dem Revisionswerber bewusst gewesen sei, dass baubewilligungspflichtige Maßnahmen vorerst ohne Baubewilligung umgesetzt worden seien, weshalb insofern von zumindest bedingtem Vorsatz auszugehen sei. (Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung und zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision.)

3 Gegen die Spruchpunkte 1. und 2. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, es dahingehend abzuändern, dass in Stattgebung der Beschwerde des Revisionswerbers das genannte Straferkenntnis hinsichtlich seines Punktes I und die Aussprüche über die Kostenersatzpflicht behoben und das Strafverfahren eingestellt werde, in eventu das angefochtene Erkenntnis im beantragten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4 Das LVwG legte die Revision unter Anschluss der Verfahrensakten vor. Die Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision erweist sich angesichts der Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung zum Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Bauverantwortlichen im Sinn des § 32 TBO 2011, insbesondere im Zusammenhang mit § 9 Abs. 2 VStG, als zulässig.

6 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011), LGBl. Nr. 57/2011, lauten (auszugsweise):

"§ 31

Bauausführung, Pflichten des Bauherrn

(1) Bei der Ausführung eines Bauvorhabens hat der Bauherr bzw. der Bauverantwortliche (§ 32), soweit diese Aufgaben nicht einem nach § 3 Abs. 1 des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes, BGBl. I Nr. 37/1999, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 42/2007, bestellten Baustellenkoordinator obliegen, dafür zu sorgen, dass das Leben und die Gesundheit von Menschen und die Sicherheit von Sachen nicht gefährdet sowie unzumutbare Belästigungen der Nachbarn, insbesondere durch Lärm oder Staub, vermieden werden.

...

§ 32

Bauverantwortlicher

(1) Die Behörde kann dem Bauwerber bzw. dem Bauherrn die Bestellung eines Bauverantwortlichen auftragen, wenn dies aufgrund der Art des betreffenden Bauvorhabens, insbesondere im Hinblick auf seine Größe, Komplexität oder besondere Konstruktionsweise, oder aufgrund von Mängeln bei der Bauausführung notwendig ist, um sicherzustellen, dass

a) das Bauvorhaben entsprechend der Baubewilligung und den

bautechnischen Erfordernissen ausgeführt wird oder

b) bei der Bauausführung die im § 31 Abs. 1 erster Satz genannten Interessen gewahrt werden.

Ein solcher Auftrag kann sich auf das gesamte Bauvorhaben, auf bestimmte Bauabschnitte oder auf bestimmte Arbeiten im Zug der Bauausführung beziehen. Er kann in der Baubewilligung oder, wenn sich die Notwendigkeit dazu erst zu einem späteren Zeitpunkt ergibt, mit gesondertem schriftlichen Bescheid ergehen.

...

(3) Der Bauverantwortliche hat die Bauausführung zu überwachen und der Behörde Abweichungen von der Baubewilligung oder sonstige Mängel bei der Bauausführung unverzüglich mitzuteilen. Er hat der Behörde weiters auf Verlangen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

...

§ 34

Aufsicht über die Bauausführung

(1) Die behördliche Bauaufsicht dient der Überprüfung, ob bei der Ausführung von Bauvorhaben die Bestimmungen dieses Gesetzes und der hierzu erlassenen Verordnungen eingehalten werden und ob Abweichungen von der Baubewilligung oder der Bauanzeige erfolgen.

(2) Zum Zweck der Durchführung der Bauaufsicht sind die Organe der Behörde berechtigt, den Bauplatz zu betreten und die Baustelle zu besichtigen. Der Bauherr und gegebenenfalls auch der Bauverantwortliche haben dafür zu sorgen, dass den Organen der Behörde auf deren Verlangen Einsicht in alle das Bauvorhaben und dessen Ausführung betreffende Unterlagen gewährt wird und ihnen weiters alle erforderlichen Auskünfte erteilt werden. Eine Ausfertigung der Baubewilligung und der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Planunterlagen müssen auf der Baustelle aufliegen.

...

§ 57

Strafbestimmungen

(1) Wer

a) ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne eine

entsprechende Baubewilligung oder abweichend von der Baubewilligung oder ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben ohne eine entsprechende Bauanzeige, erheblich abweichend von der Bauanzeige, ungeachtet einer Untersagung nach § 23 Abs. 3 dritter Satz oder vorzeitig ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach § 30 Abs. 2 ausführt,

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 36.300,- Euro, zu bestrafen.

2) Wer

...

c) als Bauverantwortlicher den Verpflichtungen nach § 32 Abs. 3 nicht nachkommt,

...

e) als Bauherr oder als Bauverantwortlicher der

Verpflichtung nach § 34 Abs. 2 zweiter Satz nicht nachkommt,

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 3.600,- Euro, zu bestrafen."

§ 9 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2008, lautet (auszugsweise):

"Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

..."

7 Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, die Rechtsprechung hinsichtlich der Verpflichtung zur Einrichtung geeigneter Kontrollmaßnahmen im Falle der internen Delegation der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung an Hilfsorgane im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG (Hinweis auf ) sei auf die vorliegende Konstellation der Bestellung eines verantwortlich Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG, nämlich eines Bauverantwortlichen gemäß § 32 TBO 2011, nicht anwendbar. Er verweist insbesondere auf die Ausführungen von Wolf, Tiroler Baurecht, (2012), S 163, der davon spricht, dass der Bauverantwortliche "im Umfang seiner Bestellung anstelle des Bauherrn der Baubehörde gegenüber für die ordnungsgemäße Bauausführung verantwortlich (Abs. 3)" sei.

8 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Die Verantwortung für die Bauausführung obliegt gemäß § 31 erster Satz TBO 2011 dem Bauverantwortlichen (zu den diesbezüglichen Voraussetzungen siehe § 32 Abs. 1 leg. cit.) im Umfang seiner Bestellung (vgl. § 32 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit.) nur insoweit, als dieser sicherzustellen hat, dass weder das Leben und die Gesundheit von Menschen noch die Sicherheit von Sachen gefährdet oder Nachbarn, insbesondere durch Lärm oder Staub, unzumutbar belästigt werden. Der Bauverantwortliche hat gemäß § 32 Abs. 3 leg. cit. die Bauausführung zu überwachen, Abweichungen von der Baubewilligung oder sonstige Mängel bei der Bauausführung der Behörde unverzüglich mitzuteilen und dieser auf Verlangen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Mit diesen Verpflichtungen des Bauverantwortlichen korrespondiert die Strafbestimmung des § 57 Abs. 2 lit. c TBO 2011, die explizit (nur) die Nichteinhaltung der Verpflichtungen nach § 32 Abs. 3 leg. cit. sanktioniert. Abgesehen von der vorliegend nicht maßgeblichen Verpflichtung (auch) des Bauverantwortlichen im Sinne des § 34 Abs. 2 zweiter Satz zur Gewährung von umfassender Einsicht in die baurelevanten Unterlagen und zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte, deren Nichtbefolgung in § 57 Abs. 2 lit. e sanktioniert wird, stellt die TBO 2011 das Verhalten des Bauverantwortlichen nicht unter Strafe. Die in der Revision bezogene Ansicht von Wolf über die Verantwortlichkeit des Bauverantwortlichen gegenüber der Baubehörde anstelle des Bauherrn wird von diesem nicht näher begründet. Eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Bauverantwortlichen für die nicht konsensgemäße Ausführung eines Bauvorhabens ergibt sich auch aus § 57 Abs. 2 lit. e TBO 2011 nicht. Auch die den Bauverantwortlichen betreffenden Strafbestimmungen in § 57 TBO knüpfen nur an die genannten Verpflichtungen in den § 31, 32 und 34 TBO 2011 an.

9 Nach dem Vorgesagten kann dem LVwG nicht entgegengetreten werden, wenn es die Ansicht vertrat, der Revisionswerber sei als zur Vertretung der B GmbH nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG) für die angelastete (und im Verfahren auch nie in Abrede gestellte) Ausführung des baubewilligungspflichtigen Bauvorhabens abweichend von der Baubewilligung mangels Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems (vgl. dazu - wie bereits vom LVwG angeführt - ) strafbar gemäß § 57 Abs. 1 lit. a zweiter Fall TBO 2011.

10 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016060135.L00

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