VwGH vom 19.01.2017, Ra 2016/06/0130

VwGH vom 19.01.2017, Ra 2016/06/0130

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision 1. des W S 2. der G S 3. des Mag. J M, 4. der I M,

5. des Ing. K R, 6. der A R, 7. des J R, 8. des K P und 9. der

J P, alle in D, alle vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 50.14-2437/2015-24, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: R Bau- und Siedlungsgenossenschaft in R; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde Deutschlandsberg), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Gemeinde Deutschlandsberg hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerberin) beantragte mit Schriftsatz vom die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit 43 Wohneinheiten in fünf Gebäuden, einer Tiefgarage, Abstellflächen und Nebengebäuden auf dem Grundstück Nr. 149/2, EZ 190, KG H. Der Bauplatz ist im geltenden Flächenwidmungsplan als "allgemeines Wohngebiet" gewidmet.

2 Die dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien haben Grundeigentum am Grundstück Nr. 179/1, die erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien am Grundstück Nr. 179/3, der Fünftrevisionswerber am Grundstück Nr. 189/4, die fünft- und sechstrevisionswerbenden Parteien am Grundstück Nr. 179/5, die acht- und neuntrevisionswerbenden Parteien an den Grundstücken Nr. 184 und 189/6, die Neuntrevisionswerbein an den Grundstücken Nr. 179/8, 189/5 und .166, die alle südöstlich des Baugrundes gelegen sind, alle jenseits der H Straße. Der Siebentrevisionswerber ist Eigentümer des östlich unmittelbar an den Baugrund angrenzenden Grundstückes Nr. 175 und des sich darauf befindlichen Baugrundstückes Nr. 145. Alle revisionswerbenden Parteien wandten sich gegen das Bauvorhaben.

3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Deutschlandsberg (Baubehörde erster Instanz) vom wurde der Bauwerberin die beantragte Baugenehmigung unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen erteilt. Die Berufung unter anderem der revisionswerbenden Parteien wurde zunächst mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Deutschlandsberg (Berufungsbehörde) vom als unbegründet abgewiesen. Auf Grund einer Vorstellung wurde der Berufungsbescheid vom mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Deutschlandsberg verwiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die revisionswerbenden Parteien sehr wohl rechtzeitig Einwendungen in Bezug auf die mit Geländeveränderungen verbundenen Änderungen der Abflussverhältnisse erhoben hätten, die Gemeindebehörden die dazu von der Bauwerberin vorgelegten immissionstechnischen Gutachten jedoch keiner Plausibilitätsprüfung unterzogen und sich mit dem Einwand einer Beeinträchtigung durch die mit einer Veränderung des Geländes verbundenen Änderungen der Abflussverhältnisse nicht auseinandergesetzt hätten.

4 Die Berufungsbehörde setzte sodann mit Bescheid vom das anhängige Baubewilligungsverfahren gemäß § 38 AVG bis zur baubehördlichen Entscheidung über den zwischenzeitlich von der Bauwerberin eingebrachten Antrag auf Genehmigung einer Veränderung des natürlichen Geländes auf dem Bauplatz aus. Eine gegen den Aussetzungsbescheid eingebrachte Vorstellung wurde mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen.

5 Nachdem der Antrag betreffend die Geländeveränderungen auf dem Baugrundstück mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom rechtskräftig genehmigt worden war (eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2013/06/0130, als unbegründet abgewiesen), wurde die Berufung unter anderem der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Deutschlandsberg vom neuerlich abgewiesen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des nunmehr zuständig gewordenen Verwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) wurde die Vorstellung der revisionswerbenden Parteien vom , die nunmehr als Beschwerde gilt, als unbegründet abgewiesen und der Berufungsbescheid vom insofern bestätigt, als der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Beschreibungen, Projektunterlagen und Pläne in der korrigierten Fassung vom und unter Vorschreibung der im Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Deutschlandsberg vom enthaltenen 53 Auflagen erteilt werde.

7 Begründend führte das LVwG zunächst zum Prüfrahmen aus, das Beschwerdevorbringen erfahre keine Behandlung insoweit, als es sich nicht auf subjektiv öffentliche Nachbarrechte im Sinn des § 26 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) beziehe (Vorbringen zu Hochwasser) oder nicht den Gegenstand der Baubewilligung zum Inhalt habe (Veränderung der Abflussverhältnisse durch Geländeveränderungen). Daher seien die beantragten weiteren Beweisaufnahmen zu diesen Themen (Beiziehung eines hydrogeologischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass durch die Errichtung der Tiefgarage und der Gebäude eine Veränderung der Grundwassersituation und der Abflusssituation vom zu bebauenden Grundstück stattfinde, wodurch eine Beeinträchtigung der Grundstücke der fünft- bis neuntbeschwerdeführenden Parteien eintreten würde) nicht aufzunehmen und das mit diesen Themen in Zusammenhang stehende Vorbringen betreffend Kotierungsmängel in den Bauplänen nicht weiter zu prüfen. Das gegenständliche Bauverfahren sei auch nicht mit dem Verfahren betreffend die Genehmigung der Geländeveränderungen zusammenzuführen gewesen, weil die Gegenstände der beiden Verfahren (Einreichung von Objekten einerseits, Geländeveränderungen andererseits) jeweils eine getrennte baurechtliche Beurteilung erlaubt hätten. Das Ermittlungsverfahren habe sich daher auf die rechtzeitig geltend gemachten subjektiv öffentlichen Nachbarrechte betreffend den Schutz vor Beeinträchtigung durch Oberflächenwässer und den Schutz vor Lärm und Luftschadstoffen beschränken können. Zum Thema Oberflächenentwässerung seien keine weiteren Beweise mehr aufzunehmen gewesen, weil deren Beurteilung bereits anhand des geotechnischen Gutachtens des Dipl. Ing. P vom und dessen Stellungnahme vom erfolgen könne.

8 In weiterer Folge gab das LVwG die Ausführungen der Amtssachverständigen aus den Bereichen Immissionstechnik, Schalltechnik und Medizin in der mündlichen Verhandlung vom sowie deren Fortsetzung am wieder. Auf Grund der Beurteilung der medizinischen Amtssachverständigen, wonach der am IP 2 GG festgestellte Spitzenpegelwert zur Nachtzeit von 75,5 dB nicht tolerabel sei, weil dieser Wert zur Nachtzeit jedenfalls zu Aufwachreaktionen führe, änderte die Bauwerberin in der mündlichen Verhandlung ihr Bauansuchen dahingehend, dass sowohl der vorgesehene Behindertenparkplatz als auch zwei weitere Parkplätze im Freien nicht errichtet und die entsprechenden Flächen begrünt und mit Strauchwerk ausgestattet werden sollten; der Gehweg, der entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Siebentrevisionswerbers verlaufe, werde als Verlängerung der asphaltierten Notzufahrt bis zur Hstraße gezogen. Diese Projektänderung wurde im Einreichplan als Korrektur eingetragen und mit dem Datum versehen. Durch diese Änderung des Bauansuchens - so das LVwG weiter - würden die für den dortigen Bereich prognostizierten Schallpegelspitzen von 75,5 dB um 10 dB auf 65,5 dB gesenkt. Damit würden an allen Grundstücksgrenzen der revisionswerbenden Parteien die in den einschlägigen umweltmedizinischen Beurteilungsgrundlagen für Wohngebiete zum Schutz vor Belästigungen festgestellten Maximalpegel, sowohl für den Tag (75 dB) als auch für die Nacht (65 dB), eingehalten. Beweiswürdigend beurteilte das LVwG die Ausführungen sowohl des immissionstechnischen als auch des schalltechnischen und der medizinischen Amtssachverständigen für schlüssig und nachvollziehbar.

9 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das LVwG zu den Einwendungen betreffend die einwandfreie Entsorgung der anfallenden Abwässer und die Beseitigung der Niederschlagswässer gemäß § 65 Abs. 1 Stmk. BauG aus, die von der Baubehörde erster Instanz im Bescheid vom vorgeschriebenen Auflagen 6. bis 9. sowie 42. und 43. gewährleisteten, dass die anfallenden Oberflächenabwässer der Wohnhausanlage bei konsensgemäßer Herstellung, Betrieb und Wartung einwandfrei entsorgt würden. Die vorgeschriebenen Auflagen basierten auf dem Gutachten von Dipl. Ing. P vom und dessen Stellungnahme vom . Darin werde ausgeführt, dass auf Grund von mehreren Baggerschürfungsauswertungen und zwei Kernbohrungen von einer guten Durchlässigkeit des Bodens ausgegangen werden könne, sodass es aus geologischer Sicht auf Grund der Bodenbeschaffenheit von befestigten Oberflächen möglich sei, die Niederschlagswässer zu puffern und zu versickern. Die Dimensionierung des Pufferkörpers sei ausreichend für die Niederschlagswässer bis zu einem Starkregenereignis von 15 Minuten Dauer. Die breitflächige Verrieselung (Versickerung) über Sickerpflaster und Rasenflächen simuliere im Wesentlichen natürliche Verhältnisse, wie sie derzeit gegeben seien. Es seien keine Anhaltspunkte für eine Ergänzungsbedürftigkeit der vorliegenden geotechnischen Beurteilung betreffend die Entsorgung der anfallenden Abwässer und die Beseitigung der Niederschlagswässer erkennbar gewesen; die revisionswerbenden Parteien hätten ihre Bedenken betreffend eine Gefährdung und Belästigung ihrer Grundstücke durch Wasserabfluss nicht begründet. Die Ausführungen im geotechnischen Gutachten von Dipl. Ing. P, wonach die verfahrensgegenständlichen baulichen Anlagen bei konsensgemäßer Anordnung, Herstellung und Instandhaltung unter Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen betriebssicher und keine Gefahren oder unzumutbaren Belästigungen für die revisionswerbenden Parteien zu erwarten seien, seien unbedenklich und schlüssig und hätten daher beweisbildend zur Feststellung herangezogen werden können. Somit werde nicht in das Nachbarrecht gemäß § 26 Abs. 1 Z 5 iVm § 65 Abs. 1 Stmk. BauG eingegriffen.

10 Zu den Einwendungen betreffend den Immissionsschutz gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 Stmk. BauG führte das LVwG im Wesentlichen aus, der Bauplatz sei als "allgemeines Wohngebiet" gewidmet, in dem die Errichtung von Wohnbauten und der Wohnnutzung zuzurechnenden Nebenanlagen (Tiefgaragen und Pkw-Abstellflächen im Freien) grundsätzlich zulässig seien, sofern das Widmungsmaß (das seien die in der ÖNORM S 5021 Teil 1 "Schalltechnische Grundlagen für die örtliche und überörtliche Raumplanung und Raumordnung 2010.04.01" festgelegten Planungsrichtwerte für maximal zulässige Schallimmissionen) eingehalten würden. Die von einer Wohnanlage typischerweise ausgehenden Immissionen im Rahmen einer Wohngebietswidmung (einschließlich Fahrzeugbewegungen zur Nachtzeit) seien von den Nachbarn hinzunehmen, sofern nicht besondere Umstände vorlägen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen ließen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2005/06/0066). Im zu beurteilenden Fall werde durch die Umsetzung des geplanten Bauvorhabens das für den Bauplatz geltende Widmungsmaß für zulässige Schallimmissionen sowohl für die Tages- als auch für die Nachtzeit an den Grenzen der Grundstücke der revisionswerbenden Parteien eingehalten. Besondere (schalltechnisch relevante) Umstände, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen ließen, lägen nicht vor und seien auch nicht vorgebracht worden. Allein die Überschreitung der Anzahl der in § 71 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. a Stmk. BauG vorgesehenen Pflichtstellplätze stelle noch keinen solchen besonderen Umstand dar. Die Errichtung von Besucherparkplätzen in Wohnanlagen sei seit Jahren Bestandteil der Wohnplanung. Bei Einhaltung des Widmungsmaßes und dem Nichtvorliegen besonderer Umstände sei dem Immissionsschutz aus der Flächenwidmung gegen unzulässige Lärmbelästigung wie auch dem Schallschutz gemäß § 43 Abs. 2 Z 5 Stmk. BauG betreffend Bauwerke (hier Tiefgarageneinfahrt und befestigte Freiflächen) Genüge getan.

11 § 26 Abs. 1 Z 2 iVm § 13 Abs. 12 Stmk. BauG gewähre einen über den Immissionsschutz hinausgehenden Schutz vor unzumutbaren oder gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffimmissionen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2012/06/0084). Fallbezogen sei die Zusatzbelastung an Luftschadstoffen gering; trotz Anhebung des durchschnittlichen energieäquivalenten Dauerschallpegels an der am meisten belasteten Liegenschaft der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien bei Nacht um 2,7 dB werde der in den medizinischen Beurteilungsgrundlagen empfohlene Wert vor Belästigungsreaktionen von 45 dB eingehalten. Die zu erwartenden Schallpegelspitzen hätten sich nur gegenüber dem Grundstück des Siebentrevisionswerbers mit einem Wert von 75,5 dB für die Nachtzeit als deutlich erhöht gegenüber dem empfohlenen Maximalpegel von 65 dB erwiesen. Durch die Projektänderung in der mündlichen Verhandlung vom durch die Streichung von drei Parkplätzen an der östlichen Baugrundgrenze zum Grundstück Nr. 175 des Siebentrevisionswerbers könne der Maximalpegel für Schallpegelspitzen zur Nachtzeit auch an dieser Grundgrenze eingehalten werden. Daraus könne begründet abgeleitet werden, dass durch das geplante Bauvorhaben keine unzumutbare Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der revisionswerbenden Parteien zu erwarten seien. Lärmimmissionen, die eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung hervorriefen, seien von den revisionswerbenden Parteien weder vorgebracht worden noch erkennbar gewesen.

12 Zusammenfassend seien der Bauwerberin aus Sicht des Nachbarschutzes gemäß § 13 Abs. 12 Stmk. BauG keine größeren Abstände von den Grundstücken der revisionswerbenden Parteien vorzuschreiben oder ihr eine weitere Projektänderung nahe zu legen gewesen.

13 Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt. 14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche

Revision, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

15 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht beteiligte sich nicht am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringen die revisionswerbenden Parteien - auf das Wesentliche zusammengefasst -

vor, die dem gegenständlichen Bauverfahren zugrunde liegenden Pläne aus dem Jahr 2010 seien nie an die letztlich mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom genehmigte Geländeveränderung angepasst worden. Auch die Gutachten, auf die sich das LVwG beziehe, stammten aus den Jahren 2010 bzw. 2011 und somit aus der Zeit vor Durchführung der Aufschüttungen auf dem Baugrund. Die Aufschüttungen seien somit in den Gutachten zum Themenbereich "Oberflächenentwässerung" nicht berücksichtigt worden. Wenn sich das LVwG zur Beurteilung der von den revisionswerbenden Parteien geltend gemachten Nachbarrechte bezüglich des Schutzes vor Beeinträchtigung durch Oberflächenwässer auf diese Gutachten beziehe, lege es seiner Entscheidung Beweisergebnisse zugrunde, die auf Grund der inzwischen erfolgten Aufschüttungen ungeeignet seien. Das Ermittlungsverfahren sei somit mangelhaft geblieben. Auf Grund des untrennbaren materiellen Zusammenhanges zwischen dem gegenständlichen Baubewilligungsverfahren und den genehmigten Geländeveränderungen stellten letztere eine materielle Antragsänderung gemäß § 13 Abs. 8 AVG dar. Das LVwG hätte gemäß § 37 zweiter Satz AVG das Ermittlungsverfahren entsprechend ergänzen müssen. Diesbezüglich weiche das LVwG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

17 Mit diesem Vorbringen zeigen die revisionswerbenden Parteien im Ergebnis eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

18 §§ 26 Abs. 1 und § 65 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59/1995, auf Grund der Übergangsbestimmung des § 119j Abs. 1 zur Novelle 2010 idF LGBl. Nr. 49/2010, lauten:

"§ 26 Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist

  1. die Abstände (§ 13);

  2. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z 5)

  3. die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1)

  4. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1)

  5. 6.die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6).

(2) ...

§ 65 Entsorgungsanlagen für Abwässer und Niederschlagswässer

(1) Bei baulichen Anlagen ist eine einwandfreie Entsorgung der anfallenden Abwässer und Beseitigung der Niederschlagswässer auf Bestandsdauer sicherzustellen. Dafür erforderliche Anlagen sind so anzuordnen, herzustellen und instandzuhalten, daß sie betriebssicher sind und Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen.

..."

19 Es trifft zu, dass sich das Vorbringen zum Hochwasser auf keine subjektiv öffentlichen Nachbarrechte bezieht, und die Veränderung der Abflussverhältnisse durch die Geländeveränderungen nicht Gegenstand des anhängigen Bauverfahrens ist. Dem LVwG ist auch zuzustimmen, dass die Verfahren betreffend die Geländeveränderungen und die Genehmigung des gegenständlichen Bauvorhabens auf Grund der unterschiedlichen Antragsgegenstände nicht als ein Verfahren zu führen sind (vgl. zur Antragsgebundenheit im baurechtlichen Verfahren die bei Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht5, E 46 ff zu § 29 angeführte hg. Judikatur).

20 Die revisionswerbenden Parteien rügen jedoch zu Recht, dass sich das LVwG hinsichtlich der Einwendungen betreffend die einwandfreie Entsorgung der anfallenden Abwässer und Beseitigung der Niederschlagswässer gemäß § 65 Abs. 1 Stmk. BauG auf das Gutachten des Dipl. Ing. P vom und dessen Stellungnahme vom stützt.

Darin beurteilte der Sachverständige das Bauvorhaben anhand des Einreich- und Katasterplanes, Stand Juni 2010, und des hydrogeologischen Gutachtens der Geoteam Ges.m.b.H., Stand . Dipl. Ing. P kam auf Grund von zwei Kernbohrungen, die im April 2010 von der Geoteam Ges.m.b.H. durchgeführt worden waren, zum Ergebnis, dass unter Einhaltung der von ihm formulierten Empfehlungen die standsichere und wirtschaftliche Errichtung der Wohnanlage auf dem Grundstück Nr. 149/2 einschließlich der näher dargestellten Pufferung und Versickerung der Niederschlagswässer bis zu einem Starkregenereignis von 15 Minuten Dauer mit einer Regenspende von r = 500 l/s.ha zu garantieren sei. Der Gutachter wies mit Nachdruck darauf hin, dass die Hinzuziehung eines Fachkundigen sowie die Anpassung der in seinem Gutachten beschriebenen Baumaßnahmen erforderlich wäre, wenn während der Bauausführung Abweichungen betreffend die Bodenverhältnisse und die Grundwasserführung bekannt würden. Seine ergänzende Stellungnahme stammt vom ; die vom LVwG angeführten Baggerschürfungsauswertungen werden in keiner der beiden Äußerungen von Dipl. Ing. P erwähnt.

Beide Aussagen des Gutachters stammen somit aus einer Zeit noch vor Beantragung und Genehmigung der Geländeveränderungen. Weder aus den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis noch aus den Verfahrensunterlagen geht hervor, dass diese Stellungnahmen nach Genehmigung der Geländeveränderungen ergänzt worden wären. Es finden sich auch keine Feststellungen dazu, dass und allenfalls aus welchen Gründen die Aussagen des Gutachters aus den Jahren 2010 und 2011 auf die geänderte Sachlage nach Genehmigung der Geländeveränderungen übertragen werden könnten (etwa, weil die Geländeveränderung bereits vor Durchführung der beiden Kernbohrungen im April 2010 durch die Geoteam Ges.m.b.H. durchgeführt worden wäre und somit in die gutachterlichen Äußerungen von Dipl. Ing. P Eingang gefunden hätte). Tatsächlich unterscheiden sich die Höhenkoten in der Einreichplanung des Bauvorhabens von dem schließlich genehmigten Einreichplan für die Geländeveränderung vom Juli 2012 punktuell um mehr als 1 m. Die Höhenangaben betreffend die Kernbohrungen in der Beilage 4 des Hydrogeologischen Gutachtens der Geoteam Ges.m.b.H. scheinen sich hingegen annähernd mit jenen der genehmigten Geländeveränderung zu decken. Mangels einer entsprechenden Überprüfung und diesbezüglicher Feststellungen durch das LVwG kann jedoch nicht beurteilt werden, ob die Aussagen des Gutachters Dipl. Ing. P in seinem Gutachten vom und seiner Stellungnahme vom auf den zum Zeitpunkt der Entscheidung des LVwG im Juli 2016 (vgl. dazu, dass das LVwG seiner Entscheidung die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen hat, etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2015/05/0012) bewilligten Sachverhalt übertragbar sind.

Dieser Verfahrensmangel ist insofern relevant, als nicht beurteilt werden kann, ob die revisionswerbenden Parteien in ihren subjektiv öffentlichen Rechten gemäß § 26 Abs. 1 Z 5 in Verbindung mit § 65 Abs. 1 Stmk. BauG verletzt werden und das LVwG bei seiner Vermeidung zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können.

21 Daher war das angefochtene Erkenntnis wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am