VwGH vom 30.04.2013, 2012/05/0110
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten, die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der G GmbH in Wien, vertreten durch Schuppich Sporn Winischhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. MA 26-140/2012, betreffend Zurückweisung einer Berufung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit e-mail vom wandte sich F.L. an die Magistratsdirektion der Stadt Wien. Darin wurde dargelegt, § 116 Abs. 1 der Wiener Stadtverfassung regle, dass für die Gültigkeit eines Gesetzes unter anderem eine Beurkundung des Gesetzes (Unterschrift durch den Landeshauptmann und Gegenzeichnung durch den Landesamtsdirektor) notwendig sei. Dies sei bei dem Beschluss des Wiener Kleingartengesetzes in der Landtagssitzung vom nicht der Fall. Am Ende heißt es: "Können sie mir bitte eine kopie dieses unterfertigten exemplars übermitteln? Mir reicht dabei eine übermittlung per mail aus".
Seitens der Magistratsdirektion wurde mit e-mail vom geantwortet, der Verfassungsdienst werde die Angaben betreffend die Vorgänge bei der Beschlussfassung des Wiener Kleingartengesetzes einer Prüfung unterziehen und dem Einschreiter nach Abschluss eine entsprechende Benachrichtigung zukommen lassen.
Mit e-mail vom dankte F.L. für die rasche Antwort. Weiters schrieb er: "Können sie mir bitte nur vorab mitteilen, ob das beurkundete (unterschriebene) gesetz vorliegt oder nicht. da ich annehme, dass dies der fall ist, ersuche ich um übermittlung einer kopie ohne jedoch auf die von ihnen mitgeteilte prüfung verzichten zu wollen."
Mit e-mail vom ersuchte F.L. unabhängig von der angekündigten Benachrichtigung dringend, auch namens der Beschwerdeführerin, um Übermittlung einer Kopie des vom Landeshauptmann und vom Landesamtsdirektor unterfertigten Exemplars des Wiener Kleingartengesetzes 1996. Vorab ersuche er um Übermittlung per e-mail.
Mit e-mail vom wandte sich die Magistratsdirektion an den Einschreiter und legte dar, dass sein Ersuchen von ihm im eigenen Namen sowie namens der Beschwerdeführerin gestellt worden sei. Ferner scheine unter seinem Namen die M GmbH auf. Der Einschreiter werde gebeten, binnen zwei Wochen klarzustellen, in wessen Namen das Ersuchen gestellt worden sei, mit anderen Worten, an wen aller die Erledigung des Ersuchens um Auskunft ergehen solle.
Mit e-mail vom teilte F.L. der Magistratsdirektion mit, seine Anfrage sei persönlich und namens der Beschwerdeführerin vorgenommen worden. Die M Adresse im e-mail sei c/o geführt. Mitteilungen an die Beschwerdeführerin seien an deren näher genannte Firmenbuchadresse zu senden.
Datiert mit richtete die Magistratsdirektion der Stadt Wien folgendes Schreiben an F.L. und an die Beschwerdeführerin, wobei dieses Schreiben "Mit freundlichen Grüßen - Für den Magistratsdirektor" von Mag. R unterfertigt wurde:
"Sehr geehrter Herr L.!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Zu Ihrem Ersuchen um Übermittlung einer Kopie aus einem Akt über die Kundmachung eines Wiener Landesgesetzes teilt Ihnen die Magistratsdirektion - Geschäftsbereich Recht, Gruppe Verfassungsdienst, Folgendes mit:
Sie haben um Übermittlung einer Kopie jenes Aktenstückes ersucht, aus dem ersichtlich ist, ob der Beschluss des Wiener Landtages vom über das Wiener Kleingartengesetz durch den Landeshauptmann beurkundet und durch den Landesamtsdirektor gegengezeichnet ist. Dieses Aktenstück ist somit Teil eines Kundmachungsaktes bezüglich eines Landesgesetzes. Die Beurkundung und Gegenzeichnung eines Landesgesetzes ist gemäß Art. 97 Abs. 1 B-VG sowie gemäß § 116 Abs. 1 der Wiener Stadtverfassung ein Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens auf Landesebene. Bezüglich eines Aktes der Gesetzgebung ist eine Akteneinsicht durch die Bürgerinnen und Bürger nicht vorgesehen. Auch eine Auskunft über den Inhalt des betreffenden Aktenstückes, insbesondere über das Vorhandensein oder das Fehlen der Unterfertigung kommt nicht in Betracht, da sich die Auskunftspflicht gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG nicht an die Organe der Gesetzgebung richtet.
Ihrem Ersuchen um Übermittlung einer Kopie aus dem betreffenden Akt kann daher nicht Folge geleistet werden."
Gegen diese Erledigung erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
In der Bescheidbegründung verwies die belangte Behörde auf
§ 1 Abs. 1 und § 3 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes sowie auf
§ 17 Abs. 1 und 4 AVG. Sodann legte sie dar, ein Bescheid werde
als individueller, hoheitlicher, im Außenverhältnis ergehender Akt einer Verwaltungsbehörde mit normativem Charakter definiert. Zur Feststellung des normativen Charakters maßgeblich sei der behördliche Wille zur heteronomen Erlassung einer bindenden Regelung im Sinne einer Gestaltung bzw. Feststellung der Rechtsverhältnisse des Adressaten. Inhaltlich sei für die Bescheidqualität eines individuellen Verwaltungsaktes der Bescheidwille, somit das autoritative Wollen der Behörde, hoheitliche Gewalt auszuüben, entscheidend.
Die gegenständliche Erledigung sei nicht als Bescheid bezeichnet. Sie sei in die äußere Form einer Mitteilung gekleidet.
Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid könne nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergebe, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden habe. Das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid sei also dann erheblich, wenn der Inhalt die Erledigung nicht unzweifelhaft als Bescheid erkennen lasse. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen könnten nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch eines Bescheides gewertet werden. Stelle sich eine behördliche Erledigung ihrem Inhalt nach lediglich als eine Mitteilung dar, komme ihr kein Bescheidcharakter zu. Dies gelte auch für eine Erklärung, die lediglich eine Aufklärung über einen behördlichen Rechtsstandpunkt beinhalte.
Das Schreiben vom sei zwar nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet, es enthalte jedoch wesentliche Bescheidmerkmale: Erkenntlich seien die Bezeichnung der Behörde, die Adressatin sowie Name und Unterschrift des Organwalters. Das Schreiben weise jedoch keinen Spruch, also die verbindliche Erledigung, in welcher der normative Wille der Behörde zum Ausdruck komme, auf und sei daher nicht unzweifelhaft als Bescheid zu erkennen, da es lediglich in Form einer Mitteilung ergangen sei. Es wäre somit die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid notwendig gewesen, um auf das Vorhandensein eines normativen Willens der Behörde schließen zu können. Der Erledigung vom komme daher kein Bescheidcharakter zu. Aus weiteren (in der Bescheidbegründung näher genannten) Gründen habe auch keine Pflicht zur Erlassung eines Bescheides bestanden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, das Schreiben der Magistratsdirektion der Stadt Wien vom erfülle sämtliche Kriterien eines Bescheides und stelle damit unzweifelhaft einen Bescheid dar. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass es nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet sei. Der Bescheidwille komme ganz klar dadurch zum Ausdruck, dass der konkrete Antrag auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG abgewiesen worden sei. Das Schreiben weise einen eindeutigen Spruch auf. Im letzten Satz werde ausgesprochen, dass dem Ersuchen um Übermittlung einer Kopie aus dem betreffenden Akt nicht Folge geleistet werden könne. Damit sei unzweifelhaft eine normative Anordnung und eine rechtsfeststellende Entscheidung über eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts, indem der Beschwerdeführerin die von ihr beantragte Akteneinsicht endgültig verwehrt worden sei, getroffen worden. Dass die Behörde damit auch ihr autoritatives Wollen, hoheitliche Gewalt auszuüben, ausgedrückt habe, liege auf der Hand. Der Bescheidwille liege demnach unzweifelhaft vor. Bei dem genannten Spruch handle es sich auch nicht um die bloße Wiedergabe einer Rechtsansicht oder von Tatsachen, auch nicht um Hinweise auf Vorgänge des Verfahrens, eine Rechtsbelehrung, Mitteilung oder Aufklärung über einen behördlichen Rechtsstandpunkt. Die Behörde habe vielmehr eine bindende Regelung im Sinne einer Feststellung der Rechtsverhältnisse des Adressaten getroffen, indem sie den konkreten Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen und ihr damit bindend die Akteneinsicht verwehrt habe. Unrichtig sei es auch, dass keine Pflicht zur Erlassung eines Bescheides bestanden habe.
Das Wiener Auskunftspflichtgesetz, LGBl. Nr. 20/1988 idF Nr. 29/1999, lautet auszugsweise:
"§ 1. (1) Die Organe des Landes und der Gemeinde Wien sowie der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
(2) Auskunft ist eine Wissenserklärung. Sie hat auf dem Wissen zu beruhen, über das ein auskunftspflichtiges Organ in dem Zeitpunkt verfügt, in dem das Auskunftsbegehren bei ihm einlangt.
(3) Jedermann hat das Recht, Auskünfte zu verlangen.
…
§ 2. (1) Auskunft kann schriftlich, mündlich oder telefonisch begehrt werden.
…
§ 3. (1) Auskunft ist nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch zu erteilen.
(2) Auskunft ist ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber acht Wochen nach dem Einlangen des Begehrens bei dem zuständigen Organ, zu erteilen.
(3) Wird die Auskunft ausdrücklich verweigert oder nicht fristgerecht erteilt, hat das Organ auf Antrag des Auskunftswerbers innerhalb von drei Monaten ab Antrag mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden, ob die Auskunft zu erteilen ist. Wird die Auskunft nachträglich erteilt, endet die Pflicht zur Bescheiderlassung.
(4) Langt bei einem Organ ein Begehren um Auskunft in einer Sache ein, die nicht in seinen Wirkungsbereich fällt, so hat es das Begehren unverzüglich an das zuständige Organ weiterzuleiten oder den Auskunftswerber an dieses zu weisen. Der Auskunftswerber ist von der Weiterleitung zu verständigen.
(5) Auf Antrag des Auskunftswerbers hat das Organ mit schriftlichem Bescheid über seine Zuständigkeit zur Auskunftserteilung zu entscheiden.
(6) Für das in den Abs. 3 und 5 vorgesehenen Verfahren gilt das AVG 1950, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft begehrt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist. Eine Berufung ist nur gegen Bescheide des Magistrats zulässig.
…
"
Gegenstand des Verfahrens ist lediglich die Frage, ob die Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Schreiben vom mangels Bescheidcharakters desselben zu Recht erfolgte. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es eines Antrages im Sinne des § 3 Abs. 3 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes bedurft hätte, um eine behördliche Zuständigkeit für die Erlassung eines Bescheides zu begründen. Die Frage, ob überhaupt bescheidmäßig abzusprechen gewesen ist, spielt nämlich keine Rolle; allenfalls könnte es sich bloß um den Bescheid einer unzuständigen Behörde handeln.
Abgesehen vom Begehren auf Übermittlung einer Kopie wurde im e-mail vom auch um Mitteilung ersucht, ob das beurkundete (unterschriebene) Gesetz vorliege oder nicht. Im Schreiben vom wurde ausgesprochen, dass eine Auskunft nicht in Betracht komme, da sich die Auskunftspflicht nicht an Organe der Gesetzgebung richte. Ferner wurde ausgeführt, dass bezüglich eines Aktes der Gesetzgebung eine Akteneinsicht durch Bürger nicht vorgesehen sei. Mit dieser Begründung (arg: "daher") wurde dem Ersuchen um Übermittlung einer Kopie aus dem betreffenden Akt nicht Folge geleistet.
Von Relevanz ist es im gegenständlichen Zusammenhang, dass in dem von einer Behörde stammenden Schreiben vom mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass in dem ganz konkreten, vorliegenden Fall (der im Übrigen keinesfalls Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung betrifft) kein Recht auf Akteneinsicht und auf Auskunft der Beschwerdeführerin besteht und ihrem Ersuchen um Übermittlung einer Kopie daher "nicht Folge geleistet" werden kann. Eine derartige Aussage einer Verwaltungsbehörde bringt aber jedenfalls ein hoheitliches Wollen zum Ausdruck, insbesondere schon deshalb, weil sich das Schreiben vom eindeutig auf ein ganz konkretes Begehren der Beschwerdeführerin bezogen und dieses (auch mit Begründung versehen) erledigt hat (vgl. dazu auch die Nachweise zur Judikatur bei Hengstschläger/Leeb , AVG II, S 679, Rz 9).
Die Zurückweisung der Berufung gegen die Erledigung vom mangels Bescheidcharakters derselben und somit die Verweigerung einer Sachentscheidung war daher nicht rechtens.
Der angefochtene Bescheid war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am